Urteil des OLG Köln vom 13.09.2007

OLG Köln: witwenrente, anschlussberufung, höchstbetrag, vollstreckung, versicherungsleistung, werktag, hinterbliebenenrente, anteil, entscheidungsformel, vollstreckbarkeit

Oberlandesgericht Köln, 14 U 9/07
Datum:
13.09.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 U 9/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 279/06
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin
wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 5. April
2007 – 24 O 279/06 – unter Zurückweisung der weitergehenden
Rechtsmittel teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 71.466,20 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils
2.748,70 € seit dem 02.07.2005, 02.08.2005, 02.09.2005, 04.10.2005,
02.11.2005, 02.12.2005, 03.01.2006, 02.02.2006, 02.03.2006,
04.04.2006, 03.05.2006, 02.06.2006, 04.07.2006, 02.08.2006,
02.09.2006, 03.10.2006, 02.11.2006, 02.12.2006, 03.01.2007,
02.02.2007, 02.03.2007, 03.04.2007, 03.05.2007, 02.06.2007,
03.07.2007 und 02.08.2007 zu zahlen.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab September 2007
zusätzlich zu dem bisher gezahlten Rentenbetrag in Höhe von 4.123,10
€ einen Betrag in Höhe von 2.748,70 €, insgesamt also eine Rente in
Höhe von monatlich 6.871,80 € jeweils zum Monatsersten zu zahlen.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 666,07 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz seit dem
30. August 2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Parteien streiten um die Höhe der Eintrittspflicht des Beklagten für die Witwenrente
der Klägerin aus der betrieblichen Altersversorgung ihres am 24. Juni 2005
verstorbenen Ehemannes. Dieser hatte gegen die Maschinenfabrik H GmbH aufgrund
einer Versorgungszusage vom 11. August 1975 einen Anspruch auf Leistungen der
betrieblichen Altersversorgung in Höhe von monatlich 34.367,50 DM. Nach der
Versorgungszusage beträgt die Witwenpension 60 % des Ruhegehalts des
Versorgungsberechtigten.
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Nach der Insolvenz der Maschinenfabrik H GmbH erbrachte der Beklagte an den
Ehemann der Klägerin Zahlungen in Höhe von monatlich zunächst 13.440,00 DM und
nach der Währungsumstellung von monatlich 6.871,80 €. Dabei handelte es sich um
den nach § 7 III BetrAVG begrenzten Höchstbetrag. Seit dem Tod des Ehemannes der
Klägerin bezieht diese von dem Beklagten eine monatliche Rente von 4.123,10 €, was
60 % der bis dahin ihrem Ehemann gezahlten Rente entspricht.
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Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Rentenanspruch gegen den Beklagten in
Höhe der an ihren Ehemann zuletzt gezahlten Rente zu. Mit ihrer Klage macht sie für die
Vergangenheit den Differenzbetrag zu den von dem Beklagten monatlich gezahlten
4.123,10 € und für die Zukunft die Zahlung einer Rente von monatlich 6.871,80 €
geltend. Außerdem verlangt sie unter dem Gesichtspunkt des Verzuges die Erstattung
von Kosten für vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Rechtsanwälte.
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Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang entsprochen.
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Mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Berufung will der Beklagte die Abweisung
der Klage erreichen. Zur Begründung macht er geltend:
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Der vorliegende Fall unterscheide sich hinsichtlich der Anwendung der
Kürzungsvorschrift des § 7 III BetrAVG von den vom Bundesgerichtshof im Jahre
2004 entschiedenen Fällen dadurch, dass hier der frühere Arbeitnehmer und
Hauptrentner erst nach dem Sicherungsfall verstorben sei, vor seinem Tode also
die bereits nach § 7 III BetrAVG gekürzte Rente von dem Beklagten bezogen
habe, während in den vorgenannten Fällen der Hauptrentner bereits vor dem
Sicherungsfall verstorben sei.
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In Fällen der vorliegenden Art gebiete es die Akzessorietät der Witwenpension, die
vorgeschriebene Kürzung auf 60 % des Ruhegehalts des Hauptrentners auf der
Basis des bereits nach § 7 III BetrAVG gekürzten Ruhegehalts vorzunehmen.
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Jedenfalls könne die Klägerin Verzugszinsen nicht schon ab dem jeweiligen
Monatsersten sondern erst ab dem 2. Tag des jeweiligen Monats verlangen. Im
Hinblick auf § 193 BGB sei der 2. Werktag maßgebend.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ersatz der vorprozessualen
Rechtsverfolgungskosten seien nicht dargetan.
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Gegenstand der von der Klägerin erhobenen Anschlussberufung sind Zinsansprüche für
die seit August 2006 rückständigen Differenzbeträge.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene
Urteil und den in mündlicher Verhandlung vorgetragenen Inhalt der im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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II.
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Berufung und Anschlussberufung sind zulässig.
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In der Sache führt das Rechtsmittel des Beklagten nur hinsichtlich der Zinsen zu einem
Teilerfolg, im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
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Die Anschlussberufung hat zum überwiegenden Teil Erfolg.
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1. Mit dem Landgericht gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Klägerin gegen
den Beklagten ein Zahlungsanspruch in Höhe von monatlich 6.871,80 € zusteht und der
Beklagte verpflichtet ist, die Differenz zu den in der Vergangenheit an die Klägerin
geleisteten Beträgen von monatlich 4.123,10 € nachzuzahlen. Für die Zeit von Juli 2005
bis einschließlich August 2007 ergibt dies einen Nachzahlungsbetrag von (26 x
2.748,70 =) 71.466,20 €.
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Für den Hauptanspruch kommt es entscheidend darauf an, auf welcher Basis die
Ermittlung der Hinterbliebenenversorgung der Klägerin und die Berechnung des
Höchstbetrages nach § 7 III BetrAVG zu erfolgen haben. Das Landgericht ist zutreffend
davon ausgegangen, dass die in der Versorgungszusage festgelegte Witwenrente
zunächst mit einem Anteil von 60 % der ungekürzten Hauptrente zu ermitteln und erst in
einem zweiten Schritt zu prüfen ist, ob die so ermittelte Hinterbliebenenversorgung den
Höchstbetrag nach § 7 III BetrAVG übersteigt. Der Gegenauffassung des Beklagten,
wonach die vorgeschriebene prozentuale Kürzung der Witwenrente auf der Basis des
bereits nach § 7 III BetrAVG gekürzten Ruhegehalts des Hauptrentners vorzunehmen
ist, kann nicht gefolgt werden.
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Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die vom Bundesgerichtshof mit den beiden
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Urteilen vom 11.10.2004 (II ZR 369/02 und II ZR 403/02) entschiedenen Fälle sich
hinsichtlich des Todeszeitpunkts des Hauptberechtigten von dem hier zu beurteilenden
Sachverhalt unterscheiden. In beiden damaligen Fällen hatte der Hauptberechtigte, weil
er vor dem Sicherungsfall verstorben war, tatsächlich nie eine nach § 7 III BetrAVG
gekürzte Versicherungsleistung von dem Beklagten bezogen. Dazu hat
Bundesgerichtshof ausgeführt, es sei mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen, wenn
der Beklagte selbst in einem solchen Fall einen – nur hypothetisch – bereits nach § 7 III
BetrAVG gekürzten Primäranspruch zum Ausgangspunkt für die Berechnung der
Witwenrente machen wolle.
Anders liegt es hier, wo der Hauptberechtigte den Sicherungsfall erlebt hatte und daher
tatsächlich eine nach § 7 III BetrAVG gekürzte Versicherungsleistung an ihn gezahlt
worden war, als er verstarb und die Witwenrente fällig wurde. Über einen derartigen
Sachverhalt hatte der Bundesgerichtshof noch nicht zu befinden.
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Gleichwohl treffen die tragenden Gründe der damaligen Entscheidungen auch auf den
vorliegenden Fall zu. Entgegen der Auffassung des Beklagten macht es für die
Berechnung der Witwenrente und die Anwendung der Kappungsgrenze nach § 7 III
BetrAVG keinen entscheidenden Unterschied, ob der Hauptberechtigte vor oder nach
dem Eintritt des Sicherungsfalles verstirbt.
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Es ist zu unterscheiden zwischen dem Versorgungsanspruch, der sich gegen den
jeweiligen Arbeitgeber richtet, und dem Versicherungsanspruch gegen den Beklagten:
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a) Die regelmäßig – so auch hier – als ein Prozentsatz der Rente des
Hauptberechtigten definierte Witwenrente orientiert sich allein an dem
Versorgungsanspruch des Hauptrentners gegen den Arbeitgeber und nicht etwa an
einer nach § 7 III BetrAVG gekürzten Hauptrente. Eine solche kommt ja im
Verhältnis zum Arbeitgeber nie in Betracht.
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b) § 7 I 1 BetrAVG bestimmt, dass der Beklagte grundsätzlich für die
Versorgungsleistungen in der Höhe einzustehen hat, wie sie der Arbeitgeber ohne
den Eintritt des Sicherungsfalles zu erbringen hätte. Das war der entscheidende
Ausgangspunkt des Bundesgerichtshofs in den beiden Urteilen vom 11.10.2004.
Ohne den Eintritt des Sicherungsfalles hätte der Arbeitgeber aber zweifellos eine
Hinterbliebenenrente in Höhe von 60 % des Ruhegehalts des verstorbenen
Ehemannes der Klägerin an diese zahlen müssen.
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c) Die Kürzung nach § 7 III BetrAVG folgt erst in einem zweiten Schritt und kommt
nur zum Tragen, soweit die Hauptrente – oder nach Ableben des
Hauptberechtigten – die auf 60 % gekürzte Witwenrente den Höchstbetrag nach § 7
III überschreitet. Das kann dann tatsächlich, wie im vorliegenden Fall, dazu führen,
dass der Versicherungsanspruch gegen den Beklagten (nicht aber der
Versorgungsanspruch gegen den Arbeitgeber!) für den Hauptrentner genau so
hoch ist wie für die Witwe.
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Auch der Normzweck des § 7 III BetrAVG gebietet nicht eine andere Auslegung, wie das
Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Höchstgrenze wurde eingeführt, weil nur bis
zu dieser Grenze soziale Schutzbedürftigkeit anzunehmen ist (Höfer, Kommentar zum
BetrAVG, Stand 2006, Rdn. 4510 zu § 7) und außerdem dem Interesse des Beklagten
an einer Schonung des aus Beiträgen der Mitgliedsunternehmen stammenden
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Vermögens durch Begrenzung seiner Zahlungspflicht Rechnung getragen werden sollte
(Goette, DStR 2004, 2209). Dieser Gesetzeszweck bietet für eine Differenzierung
zwischen den Renten der Hauptberechtigten und Hinterbliebenenrenten keinen Raum
(Höfer, a.a.O.).
2. Zinsen auf die rückständigen Differenzbeträge hat der Beklagte grundsätzlich erst ab
dem zweiten Tag des jeweiligen Monats zu entrichten. Insoweit hat die Klägerin dem
Einwand des Beklagten mit der Einschränkung ihres Zinsanspruchs in der mündlichen
Verhandlung Rechnung getragen. Außerdem beruft der Beklagte sich zu Recht auf die
Vorschrift des § 193 BGB, woraus sich die aus der Entscheidungsformel ersichtliche
weitergehende Kürzung der Zinsen ergibt.
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3. Nachdem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden ist,
dass die Klägerin die für die vorprozessuale Tätigkeit ihrer Rechtsanwälte angefallenen
Kosten am 19. April 2007 gezahlt hat, ist der bis dahin bestehende
Freistellungsanspruch der Klägerin gemäß § 250 BGB zu einen Geldersatzanspruch
gegen den Beklagten geworden, allerdings erst mit der Zahlung (Palandt/Heinrichs,
BGB, 66. Aufl. 2007, Rdn. 2 zu § 250). Da der Beklagte vorher den Zeitpunkt der
Zahlung nicht kannte und nach dem 19. April 2007 eine Mahnung nicht mehr erfolgt ist,
sind Verzugszinsen auf den Betrag von 666,07 € erst ab dem Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung zu zahlen.
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4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 II, 708 Nr. 10, 711 ZPO
(Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit).
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5. Die Revision war gemäß § 543 II ZPO zuzulassen. Da der Bundesgerichtshof noch
nicht zu der hier entscheidenden Frage Stellung genommen hat, auf welcher Basis die
mit einem Prozentsatz der Hauptrente festgelegte Hinterbliebenenversorgung zu
ermitteln und der Höchstbetrag nach § 7 III BetrAVG zu berechnen ist, wenn der
Hauptberechtigte erst nach dem Sicherungsfall verstirbt, kommt der Sache
grundsätzliche Bedeutung zu und erscheint eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
auch zur Rechtsfortbildung geboten.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 134.686,30 €
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