Urteil des OLG Köln vom 02.11.1999

OLG Köln: unterbrechung der verjährung, ersuchende behörde, versendung, datum, firma, fahrzeughalter, fahrzeugführer, verfolgungsverjährung, verfügung, schreibmaschine

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, Ss 472/99 (B)- 224 B -
02.11.1999
Oberlandesgericht Köln
1. Strafsenat
Beschluss
Ss 472/99 (B)- 224 B -
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des
Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e
Das AmtsgE.ht hat gegen den Betroffenen "wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO in
Verbindung mit § 49 Abs. 1 Ziffer 4 StVO in Verbindung mit 24 StVG" eine Geldbuße von
250,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Rüge der Verletzung formellen und
materiellen Rechts führt gem. § 206 a StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG zur
Verfahrenseinstellung, weil die Verkehrsordnungswidrigkeit, die der Betroffene am
27.09.1998 begangen haben soll, wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden kann. Die
vom Betroffenen eventuell begangene Verkehrsordnungswidrigkeit war bereits bei Erlass
des Bußgeldbescheids vom 09.02.1999 verjährt. Die Verfolgungsverjährung trat nach § 26
Abs. 3 StVG drei Monate nach der Tat ein, also mit Ablauf des 26.12.1998 (zur
Fristberechnung, vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 31 Rn. 16), da die Verjährung vorher nicht
wirksam nach § 33 OWiG unterbrochen wurde. Hinsichtlich etwaiger
Unterbrechungshandlungen ergibt sich aus dem Akteninhalt Folgendes:
Die Bezirksregierung Köln (Autobahninspektion West, Eschweiler) sandte am 21.10.1998
einen Zeugen-Fragebogen mit Fahrerfoto an die als Halterin des Fahrzeugs ermittelte
Firma B. Textil in N., der nicht zurückgesandt wurde. Diesen Sachverhalt teilte die
Bezirksregierung unter dem 16.11.1998 der Polizeiinspektion N. mit der Bitte um
"Ermittlung und Anhörung des/der Betroffenen" mit. In diesem Schreiben heißt es weiter:
"Nach Übersendung eines Fotos wurden durch den eingeschalteten Rechtsanwalt keine
Angaben zum Fahrzeugführer gemacht. Bei dem Fahrer könnte es sich um einen E. M.,
weitere Personalien nicht bekannt, handeln." Am 30.11.1998 erhielt die Bezirksregierung
den Ermittlungsvorgang mit folgendem Vermerk der Polizeiinspektion N. zurück: "... Am
heutigen Tag gegen 16:30 Uhr meldete sich der Firmenverantwortliche E. M. ... und gab an,
dass die Firma von einem Rechtsanwalt vertreten wird. Herr M. war nicht gewillt, sich das
Beweisfoto anzusehen. Von der Stadt N. (Einwohnermeldeamt) wurde ein Passfoto von
Herrn M. angefordert, dass dem Vorgang beigelegt wird. Da ich selbst Herrn M. nicht
gesehen habe, obliegt Ihnen die Auswertung, ob der Fahrer auf dem Beweisfoto mit dem
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Passfoto identisch ist." Am selben Tag veranlasste der Polizeibeamte K. die Übersendung
eines Anhörungsbogens an den Betroffenen E. M.. Dieser Vorgang ist dokumentiert in
einem am Computer erstellten Ausdruck mit Datum 05.01.1999, der eine tabellarische
Übersicht über die "Ermittlungen" enthält. In dieser Übersicht sind vier Vorgänge aufgeführt
(Zeugen-Bogen ...; Ermittlung ...; Akteneinsicht ...; Anhörungsbogen). In der Spalte
"bearbeitet von versandt am" steht jeweils "K., PK" sowie das Datum der Versendung,
bezüglich des Anhörungsbogens das Datum 07.12.1998. Auf diesem Ausdruck befindet
sich weder die Unterschrift noch das Handzeichen des Polizeibeamten K.. Die Tabelle ist
nach ihrem Ausdruck am 05.01.1999 von dem Polizeibeamten Mevißen mit Paraphe und
Stempel versehen worden, und zwar neben der Spalte "bearbeitet von versandt an".
Danach ist die Verjährung nicht etwa bereits am 21.10.1998 durch die an die Firma B.
Textil als Halterin erfolgte Versendung eines Zeugen-Fragebogens unterbrochen worden.
Die Versendung eines Zeugen-Fragebogens gehört nicht zu den in § 33 Abs. 1 OWiG -
abschließend - aufgeführten Unterbrechungshandlungen. Im Übrigen hätte selbst die
Versendung eines Anhörungsbogens (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) an den
Fahrzeughalter nicht die Verjährung gegenüber dem - mit dem Fahrzeughalter nicht
identischen - Betroffenen unterbrochen (vgl. BGHSt. 24, 321; Senatsentscheidung VRS 95,
119). Gemäß § 33 Abs. 4 Satz 1 OWiG wirkt die Unterbrechung nur gegenüber demjenigen,
auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.
Das Amtshilfeersuche der Bezirksregierung vom 16.11.1998 an die Polizeiinspektion N. hat
ebenfalls nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt. Ein solches Ersuchen stellt
nur dann eine Vernehmungsanordnung im Sinne des § 33 Abs. 1
Nr. 1 OWiG dar, wenn dadurch um die Vernehmung eines bereits "der Person nach"
bekannten Täters ersucht wird (vgl. BGH NJW 1997, 598; Senatsentscheidung vom
14.03.1997 - Ss 663/95 B). Solange die ersuchende Behörde sogar noch Zweifel
hinsichtlich der Person des Täters hat - wie hier die Bezirksregierung: "Bei dem Täter
könnte es sich um einen E. M., weitere Personalien nicht bekannt, handeln." -, ist dies
indes selbst dann nicht der Fall, wenn sich bei den Akten ein Foto des Täters befindet, das
zu seiner Identifizierung geeignet ist (vgl. BGH NJW 1997, 598). Das gilt unabhängig
davon, ob der Kreis der in Betracht kommenden Fahrzeugführer (wie unter Umständen bei
einem Firmenfahrzeug) eingegrenzt oder (wie möglicherweise bei einem privaten Pkw) auf
wenige Personen beschränkt ist (BGH a.a.O.; Senatsentscheidung vom 14.03.1997 - Ss
663/95 B).
Die Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 2 StVG ist schließlich auch nicht durch die
Übersendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen unterbrochen worden.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Übersendung eines Anhörungsbogens zur
Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG)
verjährungsunterbrechende Wirkung nur dann hat, wenn entweder aktenkundig gemacht
ist, wer die Anordnung vorgenommen hat, und der zuständige Sachbearbeiter durch
Unterschrift oder Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit der Beurkundung des
Datums übernommen hat (OLG Köln, 3. Strafsenat, VRS 66, 362; ständige
Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung VRS 72, 208 und vom 14.03.1997 - Ss
663/95 B; Göhler a.a.O., § 33 Rn. 11, 45) oder der Anhörungsbogen mittels einer EDV-
Anlage gefertigt worden ist (OLG Köln a.a.O.; Senatsentscheidung NZV 1994, 78, 79; OLG
Düsseldorf NZV 1998, 254; Göhler a.a.O., § 33 Rn. 12, 46), ohne dass der Sachbearbeiter
zuvor in den vorprogrammierten Arbeitsablauf des Computers eingegriffen hat (vgl.
Senatsentscheidung vom 08.09.1998 - Ss 421/98 Z; Weller in KK - OWiG, § 33 Rn. 32).
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Im vorliegenden Fall hat der die Versendung des Anhörungsbogens verfügende
Sachbearbeiter K. seine Verfügung nicht durch Un-
terschrift oder Handzeichen dokumentiert, so dass eine Verjährungsunterbrechung nach §
33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG nur dann eingetreten wäre, wenn der Anhörungsbogen mittels
einer EDV-Anlage gefertigt worden wäre. Letzteres ist indes nicht der Fall. Für die
Annahme eines EDV-gefertigten Anhörungsbogens bestehen nach dem Akteninhalt keine
Anhaltspunkte. Der hier in Rede stehende Anhörungsbogen vom 07.12.1998 ist nicht im
Rahmen eines eingespeicherten (vorprogrammierten) Ablaufs eines Computerprogramms
(zu diesem Erfordernis, vgl.: OLG Köln a.a.O.; Weller in KK - OWiG, § 33 Rn. 31, 32 m. w.
N.) erstellt worden, sondern aufgrund einer Individualentscheidung des Sachbearbeiters K..
Die oben beschriebene tabellarische Übersicht der "Ermittlungen" und damit auch der
Anhörungsbogen sind zwar mittels eines Computers erstellt worden, aber nicht im Rahmen
eines automatischen Programmablaufs, sondern als Ergebnis eines
Textverarbeitungsprogramms, dessen sich der Sachbearbeiter - anstelle einer
(herkömmlichen) Schreibmaschine - als Schreibhilfe bedient hat, wie die
Rechtsbeschwerde zutreffend hervorhebt. Ein solcher Einsatz des Computers rechtfertigt
es nicht, von dem vorgeschriebenen Grundsatz abzuweichen, dass bei einer
Individualentscheidung des Sachbearbeiters der Versendung des Anhörungsbogens nur
dann Unterbrechungswirkung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG zukommt, wenn
der (zuständige) Sachbearbeiter den Vorgang sogleich mit seiner Unterschrift oder seinem
Handzeichen dokumentiert.
Das Verfahren war somit wegen des von Amts wegen zu beachtenden
Prozesshindernisses der Verfolgungsverjährung einzustellen. Ein Freispruch, auf den
vorrangig zu erkennen gewesen wäre (vgl. Senatsentscheidung vom 14.03.1997 - Ss
663/95 B), kommt aufgrund der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ersichtlich in
Betracht.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO in Verbindung mit § 46
OWiG.