Urteil des OLG Köln vom 23.06.2009

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Oberlandesgericht Köln, 4 U 27/08
Datum:
23.06.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 27/08
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 1 O 36/08
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des
Landgerichts Aachen vom 16. Oktober 2008 - 1 O 36/08 - wird auf
Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Schuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung
entsprechende Sicherheit leistet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
I.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen
Urteils verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Vertragsauslegung ergebe, dass in
der Errichtung des Gartenhauses und des Traktorenunterstandes kein Bebauen im Sinn
des § 3 Ziffer 11 des Kaufvertrags liege.
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Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils verwiesen.
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Die Klägerin hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese
begründet.
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Sie hält die Vertragsauslegung des Landgerichts für verfehlt und wiederholt und vertieft
ihren erstinstanzlichen Vortrag.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung der angegriffenen Entscheidung nach ihren erstinstanzlichen
Schlussanträgen zu erkennen;
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- hilfsweise - das angegriffene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das
Landgericht Aachen zurückzuverweisen;
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- höchst hilfsweise - die Revision zuzulassen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch sie wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
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II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Landgericht in der Errichtung des Holz- Gartenhauses (ca. 6 m²) und
des Holz- Traktorenunterstands (ca. 12 m²) auf dem ca. 3.500 m² großen sog.
Wiesenring kein Bebauen des Wiesenrings, keine "typische" Bebauung von Bauland im
Sinn des § 3 Ziffer 11 des notariellen Kaufvertrages zwischen den Parteien gesehen,
das eine Kaufpreisnachforderung von fast 205.000,00 € oder sogar von fast 305.000,00
€ zur Folge haben sollte.
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Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die überzeugende Argumentation des
Landgerichts.
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Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung haben keinen Erfolg.
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Gemäß §§ 157, 133 BGB hat die Auslegung von Verträgen nach Treu und Glauben und
mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erfolgen, der wirkliche Wille der Parteien ist
festzustellen, ohne dass am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist.
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Auslegungsgegenstand ist hier der Begriff des Bebauens. Nach Ansicht aller Beteiligten
ist dieser Begriff hier nicht eindeutig.
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Wie die Klägerin umfangreich darlegt, ist der Begriff des Bebauens im öffentlichen
Bauordnungsrecht sehr weit gefasst. Teilweise abweichend wird der Begriff im
zivilrechtlichen Werkvertragsrecht verstanden.
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Ebenso wie bei einer festgestellten Verkehrssitte, die nur für bestimmte am Verkehr
beteiligte Kreise gilt, kann hier nicht ohne weiteres allein das Begriffsverständnis einer
Rechtsordnung zugrunde gelegt werden, wenn der Vertrag, der den auszulegenden
Begriff verwendet, sich nicht innerhalb dieser Rechtsordnung bewegt.
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Es handelt sich hier nicht um einen Vertrag zwischen zwei öffentlich-rechtlichen
Organisationen mit beiderseits öffentlich-rechtlichem Begriffsverständnis oder um einen
Werkvertrag, sondern um einen zivilrechtlichen Kaufvertrag zwischen einer öffentlich-
rechtlichen Körperschaft, die dabei nicht öffentlich-rechtlich, sondern fiskalisch
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aufgetreten ist mit "normalen" Bürgern. Es ist also zu fragen, wie in diesem Verhältnis
der Begriff des Bebauens zu verstehen ist, wobei es hier nur darauf ankommt, ob bereits
ein Gartenhaus bzw. ein Geräteunterstand eine Bebauung im Sinn des Kaufvertrags
sein können.
Zur Auslegung heranzuziehen sind u. a. weitere vertragliche Regelungen, die
Entstehungsgeschichte der fraglichen Regelung, ihr Sinn und Zweck, der wirtschaftliche
Hintergrund und die berechtigten Interessen der Parteien.
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Die streitige Vereinbarung stellt darauf ab, ob "ganz oder teilweise" bebaut wird. Dies
bedeutet eindeutig aber nur, dass es nicht darauf ankommen sollte, in welchem
räumlichen Ausmaß der Wiesenring bebaut werden würde und besagt damit nichts über
die Art der Bebauung, wie die Klägerin wohl meint.
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Unstreitig sind dem Vertragsschluss zwischen den Parteien Vertragsverhandlungen
zwischen der Klägerin und der Firma C. vorangegangen, deren Inhalt auch den
Beklagten bekannt war, weil die Beklagten zu 1) und 2) als Pächter der Firma C. an Ort
und Stelle ein Pflegeheim errichten wollten und bei Scheitern der
Vertragsverhandlungen mit der Firma C. selbst als Kaufinteressenten aufgetreten sind.
Mit der C. war die Möglichkeit besprochen worden, auf dem Wiesenring später
Altenwohnungen zu errichten. Wie sich aus dem eigenen Aktenvermerk der Klägerin
vom 29.11.1996 (Anlage K 2) ergibt, wurde auch bei den Vertragsverhandlungen mit
den Beklagten nach einigen Jahren "eine Erweiterung der Anlage ins Auge gefasst".
Eine derartige Bebauung z. B. mit Altenwohnungen wäre zwanglos auch von
"normalen" Bürgern als Bebauen im Sinn des Kaufvertrags aufgefasst worden.
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Bei einer solchen oder ähnlichen Bebauung wäre auch der vereinbarte
Nachzahlungskaufpreis von mehr als 205.000,00 € und sogar von mehr als
305.000,00 € wirtschaftlich angemessen und würde die berechtigten Interessen beider
Parteien angemessen ausgleichen.
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Ausgehend vom Vortrag der Klägerin war der Wiesenring bereits bei Abschluss des
Kaufvertrages Bauland und ist den Beklagten unter Berücksichtigung dieser Tatsache
vergleichsweise günstig überlassen worden. Es war daher interessengerecht, einen
finanziellen Ausgleich zu schaffen, wenn die Beklagten später die Möglichkeiten des
Baulands tatsächlich durch eine Bebauung z. B. mit Altenwohnungen oder ähnlichem
nutzen und so aus der Bebauung des Baulands einen das bisherige Maß
übersteigenden wirtschaftlichen Vorteil ziehen würden. Gerade die Höhe des
vereinbarten Nachzahlungskaufpreises spricht dagegen, dass er bereits bei Errichtung
eines Gartenhauses und eines Traktorenunterstands anfallen sollte, die einen
entsprechenden wirtschaftlichen Vorteil unter keinen Umständen ergeben könnten. Ein
Gelände auf dem nur ein Gartenhaus oder ein Unterstand errichtet werden dürfte, würde
auch niemals Baulandpreise erzielen. Selbst wenn ein Gelände, auf dem ein
Gartenhaus und ein Unterstand errichtet werden sollen, Bauland sein müsste, stellte die
Errichtung von Gartenhaus und Unterstand nicht die baupreiswürdige, also die
"typische" Bebauung von Bauland dar.
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Unstreitig war mit dem zunächst vereinbarten Kaufpreis die bauliche Nutzung des
Wiesenrings als Bauland nicht abgegolten. Unstreitig ist der Nachzahlungskaufpreis der
Preis für das Wiesenland als Bauland. Deshalb geht der Senat ebenso wie das
Landgericht davon aus, dass erst die "typische Bebauung" des Wiesenlands als
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Bauland die Nachzahlung des Baulandpreises zur Folge haben sollte, so dass allein
die Errichtung des Gartenhauses, und des Geräteunterstands nicht den Anspruch auf
Kaufpreisnachzahlung zur Folge hatten.
Die Aufbereitung des Wiesenlands als parkähnliche Anlage stellt auch dann nicht eine
typische Nutzung als Bauland durch Bebauen dar, wenn sie die Attraktivität des
Altenheimes erhöht haben sollte. Eine Parkanlage ist nach keiner denkbaren Definition
ein Bebauen von Land, sondern eine andersartige Nutzung von Land, die auch nicht
dadurch den Charakter einer Bebauung erhält, dass es der Nutzung einer Bebauung
dient. Außerdem bedarf es dafür auch nicht der Eigenschaft als Bauland.
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Auch die Errichtung eines Übergangs über den Wassergraben stellt nicht eine
Bebauung im Sinn des Kaufvertrags, also nicht die "typische" Bebauung von Bauland
dar, wenn gleich werkvertraglich eine Brücke ein Bauwerk sein kann.
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Außerdem verstieße es hier gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin wegen der
Errichtung des Übergangs den Nachzahlungskaufpreis verlangen würde, weil sie
unstreitig selbst für das Betreiben des Altenheims zur Sicherung des Rettungsweges
eine zweite Zufahrt angeregt hatte (vgl. auch den Aktenvermerk vom 29.11.1996, Anlage
K 2) und sogar selbst "die Anlegung mehrerer Holzbrücken zur fußläufigen Anbindung
der Anlage zum Ort angedacht" hatte (Anlage K 2).
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Auch kann in der Belastung mit Grundpfandrechten und einem Erbbaurecht keine
Bebauung im Sinn des Kaufvertrags gesehen werden.
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Es mag zutreffen, dass der Wert des Wiesenrings als Bauland eine höhere Belastung
ermöglicht hat, also eine wirtschaftliche Nutzung der Baulandqualität vorliegt, aber eben
keine solche durch eine Bebauung, die erst den Anspruch auf den
Nachzahlungskaufpreis auslösen sollte.
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Außerdem lag die konkrete Belastbarkeit des Grundstücks auch im Interesse der
Klägerin, da anderenfalls das Altenheim nicht hätte errichtet werden können, die
Beklagten an dem Grundstück also kein Interesse gehabt hätten.
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Dass der Erbbauberechtigte bauen darf, ist unerheblich. Auch der Eigentümer darf
bauen. Da jedoch nicht im Sinn des Kaufvertrages gebaut worden ist, kommt es nicht
darauf an, ob der Erbbauberechtigte rechtlich auf dem Grundstück oder dem
Erbbaurecht baut.
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Außerdem hat die Klägerin nicht die Möglichkeit genutzt, den Wiesenring von dem
Erbbaurecht nachträglich zu entlasten.
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Dass die Beklagten die Möglichkeit haben, den Wiesenring zu verkaufen und dafür
eventuell Baulandpreise zu erzielen, kann auch keinen Anspruch auf den
Nachzahlungskaufpreis auslösen.
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Dies wäre zwar auch eine wirtschaftliche Nutzung des Baulands, aber wieder keine
Bebauung. Außerdem wurde diese Möglichkeit bei Abschluss des Kaufvertrags
gesehen, denn die Beklagte hat sich verpflichtet, ihre Verpflichtung zur
Kaufpreisnachzahlung im Fall der Bebauung einem späteren Eigentümer
"weiterzugeben", so dass es schon von daher zweifelhaft ist, ob sie überhaupt den
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Wiesenring zu Baulandpreisen verkaufen könnte, wenn später an die Klägerin
nachgezahlt werden müsste.
Da hier keine Bebauung im Sinn des Kaufvertrags vorliegt, besteht auch kein
Auskunftsanspruch bezüglich des Zeitpunkts der Errichtung des Gartenhauses
bezüglich des Unterstandes.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache als typische
Einzelfallentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht erfordert.
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Berufungswert: 238.602,88 €Hol
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