Urteil des OLG Köln vom 26.02.1999

OLG Köln (mietvertrag, bezug, verbindung, bestandteil, unterschrift, kläger, hausordnung, anlage, mietzins, zpo)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 163/98
Datum:
26.02.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 163/98
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 10 O 438/97
Schlagworte:
Schriftform Mietvertrag
Normen:
BGB § 126; BGB § 566; BGB § 571
Leitsätze:
Die gemäß § 566 BGB erforderliche Schriftform ist gewahrt, wenn der
Mietvertrag auf ein mehrere Vertragbestandteile enthaltendes
Anlagenblatt verweist, dessen Zusammengehörigkeit mit dem
Mietvertrag sich aufgrund der dort befindlichen Textbestandteile, der
handschriftlichen Eintragungen des Vermieters und der Unterschrift des
Mieters unzweifelhaft ergibt.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 5. Juni 1998 verkündete
Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 O 438/97 - wird
zurückgewiesen und zwar mit der Maßgabe, daß der
Feststellungsausspruch (Ziffer 2 des Tenors des landgerichtlichen
Urteils) wie folgt lautet: Es wird festgestellt, daß der zwischen den
Parteien unter dem 5. November 1990 zustandegekommene Mietvertrag
betreffend die in der zweiten Etage des Hauses R.straße in B.-D.
gelegenen Gewerberäume ungekündigt über den 30. September 1998
hinaus bis zum 30. November 1998 bei einem auf 912,77 DM brutto
(einschließlich Nebenkostenanteil von 73,87 DM und Mehrwertsteuer
von 15%) reduzierten Mietzins fortbestanden hat und ab dem 1.
Dezember 1998 bis spätestens zum Ablauf des Mietvertrages am 30.
Juli 2001 bei einem auf 88,85 DM reduzierten Mietzins fortbesteht. Der
weitergehende Feststellungsantrag ist erledigt. Die Kosten des
Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat gegen den
Beklagten einen Anspruch auf die begehrte Zahlung und Feststellung.
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1. Der Beklagte verteidigt sich gegen die begehrte Zahlung des Mietzinses und die
Feststellung des Fortbestehens des auf zehn Jahre abgeschlossenen gewerblichen
Mietverhältnisses mit dem Argument, die gemäß § 566 BGB erforderliche Schriftform
sei nicht gewahrt, weil die Anlagen A - D, die ausweislich § 26 Nr. 6 des Mietvertrages
"Bestandteil dieses Mietvertrages" sind, auf einem gesonderten, nicht fest mit dem
übrigen Text verbundenen Papierbogen abgedruckt seien. Mit dieser Verteidigung
kann der Beklagte, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, keinen Erfolg
haben.
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a) In der Entscheidung vom 13. November 1963 (BGHZ 40, 255, 263 ff.), auf die sich
der Beklagte beruft, hat der Bundesgerichtshof angenommen, daß, wenn in einem von
den Parteien unterzeichneten Mietvertrag auf weitere von ihnen nicht unterzeichnete
Urkunden Bezug genommen wird, diese für die Erfüllung der Schriftform derart mit der
Haupturkunde verbunden werden müssen, daß entweder die Auflösung der
Verbindung nur mit teilweiser Substanzzerstörung möglich ist oder die körperliche
Verbindung als dauernd gewollt erkennbar sein und ihre Lösung Gewaltanwendung
erfordern muß. Eine solche Fallgestaltung liegt nicht vor. Der zweite Papierbogen, der
unstreitig Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages vom 5.
November 1990 sein sollte und der die "Anlage zum Mietvertrag 'A' ", die "Anlage zum
Mietvertrag 'B' ", die Hausordnung und die nach dem AGBG erforderliche Erklärung
des Mieters als "Bestandteil des Mietvertrages über Büroräume vom 5.11.1990"
enthält, ist von dem Beklagten unterzeichnet. Er enthält zwar keine Unterschrift des
Klägers. Doch ist dieser in der Anlage A als Vermieter ausdrücklich genannt. Zudem
stimmt die vor der Unterschrift des Beklagten befindliche Datumsangabe mit der
entsprechenden Angabe vor den auf dem anderen Papierbogen befindlichen
Unterschriften überein. Sie stammt, wie schon bei flüchtigem Hinsehen ohne weiteres
erkennbar ist, von der Hand des Klägers ebenso wie das Wort "Büroräume", mit dem
der Gegenstand des Mietvertrages in der im übrigen formularmäßig vorgedruckten
Erklärung näher erläutert wird.. Die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom
13. November 1963 entschiedene Frage, welche Anforderungen zu stellen sind, wenn
der Mietvertrag auf Anlagen verweist, die diesem nicht ohne weiteres zuzuordnen sind
(dazu der von dem Beklagten in Bezug genommene Beitrag von Lindner-Figura in
NJW 1998, 731 ff.), stellt sich mithin nicht. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich
offengelassen, ob unter besonderen Umständen, insbesondere, wenn die in Bezug
genommenen Urkunden unterzeichnet wurden, geringere Anforderungen zu stellen
sind (BGHZ 40, 255, 264).
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b) In dem Urteil vom 24. September 1997 (BGHZ 136, 357, 369 ff.), auf das sich das
Landgericht stützt, hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß dem generellen
Schriftformerfordernis des § 126 BGB bei einer mehrere Blätter umfassenden und am
Ende des Texts unterzeichneten Urkunde nicht nur dann genügt ist, wenn die
einzelnen Blätter körperlich fest miteinander verbunden sind, sondern auch dann,
wenn sich die Einheit der Urkunde aus anderen eindeutigen Merkmalen ergibt, zu
denen insbesondere fortlaufende Paginierung, fortlaufende Numerierung der
einzelnen Textabschnitte sowie über das jeweilige Seitenende fortlaufender Text zu
rechnen sind (vgl. auch BGH NJW 1997, 2182 ff. zu § 34 GWB). Dem Beklagten ist
zuzugeben, daß auch die dieser Entscheidung zugrundeliegende Fallgestaltung nicht
vorliegt, weil der zweite Papierbogen des vorliegenden Vertrages nicht zu dem vor den
Unterschriften der Parteien befindlichen Text gehört, dort vielmehr die Anlagen
lediglich als Vertragsbestandteil bezeichnet werden. Der Entscheidung - und der dort
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dargestellten sog. Auflockerungsrechtsprechung - lassen sich aber die nach
Auffassung des Senats zutreffenden entscheidenden Maßstäbe für die Beurteilung des
Streitfalls entnehmen.
c) Danach läßt sich weder den gesetzlichen Vorgaben noch Sinn und Zweck des
Schriftformerfordernisses entnehmen, daß ein Vertragswerk, das nach dem Willen der
Parteien in einer einheitlichen Urkunde niedergelegt werden soll, dem
Schriftformerfordernis nur genügt, wenn die einzelnen Blätter des Vertragswerks fest
miteinander verbunden sind (vgl. BGHZ 136, 357, 360 ff.). Ebensowenig erfordert der
vorrangige Zweck des § 566 BGB, den Grundstückserwerber über den Umfang der auf
ihn nach § 571 BGB übergehenden langfristigen Mietverhältnisse zu unterrichten, eine
feste Verbindung der einzelnen Blätter des Vertragswerks (BGH, a.a.O. S. 370 ff.).
Demgemäß ist dem Schriftformerfordernis des § 566 BGB nach Ansicht des Senats
jedenfalls auch dann genügt, wenn die Einheit der Vertragsurkunde oder die
Zusammengehörigkeit der einzelnen von den Parteien unterzeichneten oder sonstwie
eindeutig dem Vertragswerk zugeordneten als selbständige Urkunden anzusehenden
Teile des Vertragswerks dem Schriftwerk, welches unstreitig Gegenstand des
Vertragswerks sein sollte, unzweifelhaft zu entnehmen ist (vgl. auch; KG, KG-Report
1997, 49; BB 1997, 2074, 2075 mit Anmerkung von Nettersheim; Lindner-Figura, a.a.O.
S. 732 mit weiteren Nachweisen).
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d) So liegt es im Streitfall. § 21 Nr. 6 des Vertragsformulars, in dem der Inhalt der in
Bezug genommenen Anlagen A-D näher erläutert ist (Wertsicherungsvereinbarung,
Nebenkostenverteilerschlüssel, Hausordnung, Formularmietvertragsanerkenntnis),
und die auf dem zweiten Papierbogen enthaltenen Erklärungen zur Indexklausel, zum
Nebenkostenschlüssel, zur Hausordnung und zu den Erfordernissen des AGBG
nehmen eindeutig aufeinander Bezug. Aufgrund der Unterschriften der Parteien auf
dem Vertragsformular sowie der Unterschrift des Beklagten und der handschriftlichen
Eintragungen des Klägers auf dem zweiten Papierbogen steht zudem unzweifelhaft
fest, daß die Parteien die Erklärungen auf beiden Papierbogen als Bestandteil des von
ihnen als Einheit gewollten Vertragswerks angesehen haben. Für einen
Grundstückserwerber bestünde bei Vorlage des vorhandenen Vertragswerks keinerlei
Zweifel über den Inhalt der von den Parteien getroffenen Vereinbarungen. Denkbare
Manipulationsmöglichkeiten sind gering und könnten im übrigen auch bei einer
strengen Handhabung des Schriftformerfordernisses nicht ausgeschaltet werden (vgl.
BGH a.a.O.).
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2. Der Feststellungsausspruch ist entsprechend dem von dem Kläger in der
Berufungsinstanz gestellten Antrag zu ändern, nachdem zwischenzeitlich die
Restfläche an einen Nachfolgemieter vermietet wurde, der durch die Weitervermietung
erzielte Gesamtmietzins aber hinter dem mit dem Beklagten vereinbarten Mietzins
zurückbleibt. Der Beklagte hat die entsprechenden Angaben des Klägers in dem
Schriftsatz vom 8. Januar 1999 nicht bestritten. Die - vom Kläger erklärte - Erledigung
des weitergehenden Feststellungsantrags ist festzustellen, da sich der Beklagte der
Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Für die - vom Beklagten angeregte - Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO
besteht kein Anlaß. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die
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Voraussetzungen, unter denen das Schriftformerfordernis trotz der fehlenden
Verbindung mehrerer Blätter eines Vertragswerks gewahrt ist, jedenfalls für die
vorliegende Fallgestaltung aureichend geklärt ist. Eine Abweichung von einer
Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes, auf der das vorliegende Urteil beruht, liegt, wie sich aus den
vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht vor.
Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer des Beklagten: 14.281,31 DM
(5.071,70 + 446,61 + 8.763 DM)
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