Urteil des OLG Köln vom 30.03.2007

OLG Köln: persönliche daten, auflage, irrtum, erwerbstätigkeit, staat, mensch, strafbarkeit, freispruch, rechtswidrigkeit, erschleichung

Oberlandesgericht Köln, 81 Ss 38/07
Datum:
30.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
81 Ss 38/07
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des
Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e :
1
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Begründung ihres Antrags ausgeführt:
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"I.
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Gegen den Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 05.12.2006
207 Ds 404/06 (Bl. 94 R, 98 f. d. A.) wegen Betrugs eine Geldstrafe von 30
Tagessätzen zu je 10,00 Euro verhängt worden.
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Hiergegen hat der Angeklagte mit Telefax seiner Verteidigerin vom 12.12.2006, laut
Telefaxleiste in der Kanzlei abgesandt am selben Tage, Revision eingelegt (Bl. 95 d. A.)
und diese nach Zustellung des Urteils an den Angeklagten am 02.01.2007 (Bl. 100, 100
R d. A.) und an die Verteidigerin am 04.01.2007 (Bl. 102 d. A.) mit weiteren Schriftsätzen
der Verteidigerin vom 04. und 05.01.2007 mit der Verletzung materiellen Rechts
begründet (Bl. 103 ff. d. A.).
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II.
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Das Rechtsmittel ist als Sprungrevision gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthaft und
fristgerecht eingelegt worden.
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Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte einen bestimmten
Antrag im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO nicht gestellt hat. Das Fehlen des Antrages ist
unschädlich, wenn das Ziel der Revision aus dem Inhalt der Revisionsschrift eindeutig
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hervorgeht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 344, Rdz. 2 m. w. N.). Dies ist
vorliegend der Fall, da der Angeklagte erkennbar eine Urteilsaufhebung erstrebt.
Die Revision ist auch begründet.
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Die Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung
des Angeklagten, da der Schuldspruch materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht
standhält.
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Das Amtsgericht hat insoweit Folgendes festgestellt:
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"Der Angeklagte bezog in der Zeit vom 05.11.2001 bis 17.06.2002
Arbeitslosenunterstützung in Höhe von insgesamt 6.694,61 Euro. Er hatte den
Antrag auf Arbeitslosengeld in I. am 15.11.2001 gestellt und dabei mit Unterschrift
versichert, dass seine Angaben im Antrag zutreffen. Als persönliche Daten hat der
Angeklagte angegeben, er heiße mit Familienname T. und mit Vorname B.. Diese
Angaben zur Person waren falsch, was der Angeklagte auch wusste. Außer der
Arbeitslosenunterstützung in Höhe von annähernd 6.700,- Euro im genannten
Zeitraum zahlte die Agentur für Arbeit in C. Beiträge für den Angeklagten zur
Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von
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1.502,80 €. Insgesamt hat also die Agentur für Arbeit an die Person des
Angeklagten 8.197,41 Euro ausgezahlt."
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Der Angeklagte hat sich ausweislich der Urteilsgründe wie folgt eingelassen:
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"Der Angeklagte gesteht zu, er sei unter der Agentur für Arbeit unter falschem
Namen aufgetreten und habe auch unter falschem Namen gelebt. Hintergrund
seien politische Gründe bei einer drohenden Abschiebung in sein Heimatland. Dort
habe er wegen Gefahr für sein Leib und Leben seine Personenidentität
verschleiern müssen. Der Angeklagte lässt die rechtliche Auffassung vortragen, er
habe keinen Betrug begangen, weil die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug
von Arbeitslosengeld vorgelegen hätten. Er habe in der Zeit vom 06.07.2000 bis
31.10.2001 als Helfer bei einer Baufirma gearbeitet und sei aus betrieblichen
Gründen arbeitslos geworden. Er habe also den Anspruch auf Arbeitslosengeld für
seine Person gehabt, auch wenn er unter falschem Namen aufgetreten sei."
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Zu der Einlassung des Angeklagten hat das Amtsgericht ausgeführt:
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"Die vorgetragene rechtliche Ansicht des Angeklagten ist nach Auffassung des
Gerichts unzutreffend. Der Name einer Person, in Verbindung mit den
Geburtsdaten identifiziert und kennzeichnet die Person des Anspruchsstellers. Der
Name einer Person, der in den Datenträgern gespeichert wird, dient auch dazu,
dass nicht ein und derselbe Mensch unter Auftritt verschiedener Namen soziale
Leistungen vom Staat erhält. Wer dies bezüglich falsche Angaben macht, hat
keinen Anspruch, hier auf Arbeitslosengeld. Das wusste der Angeklagte auch, er
hat diesbezüglich die Richtigkeit seiner Angaben versichert. Dem kann nicht
entgegengehalten werden, dass der Angeklagte bei Angabe seiner richtigen
Personalien ebenfalls den Anspruch gehabt hätte, weil dieser Fall nicht zur
Entscheidung ansteht.
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Der Angeklagte hat die Agentur für Arbeit durch falsche Angaben getäuscht und
dadurch Geldleistungen erwirkt, auf die er keinen Anspruch hatte. Die Tatumstände
waren dem Angeklagten bekannt, wenn er glaubte, sich nicht strafbar zu machen,
so war dieser Irrtum unbeachtlich."
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Nach den Urteilsfeststellungen ist bereits der objektive Tatbestand des Betruges nicht
erfüllt, weil es an dem Tatbestandsmerkmal des Schadens fehlt.
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Bei der Erschleichung öffentlicher Leistungen, auf die nur unter bestimmten Leistungen
(Senat: Voraussetzungen) ein Anspruch besteht, liegt ein Schaden vor, wenn die
Leistung erbracht wird, ohne dass die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind (vgl.
Cramer in Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, Rdz. 104a zu § 263). In der Person
des Angeklagten waren die Voraussetzungen für einen Anspruch aufgrund seiner
vorangegangenen Erwerbstätigkeit ... erfüllt.
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Dass er sich bei der Antragstellung eines falschen Namens bediente, änderte hieran
nichts, weil gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I lediglich die Tatsachen anzugeben sind, die
für die Leistung erheblich sind. Hierzu dürften insbesondere die wirtschaftlichen
Verhältnisse zählen, nicht jedoch der Name des Anspruchstellers.
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Die Angabe des Namens dient, dies hat das Amtsgericht insoweit zutreffend festgestellt,
lediglich der Vermeidung evtl. Doppelzahlungen. Anhaltspunkte dafür, dass der
Angeklagte eine Doppelzahlung erwirken wollte, enthalten die Urteilsgründe nicht.
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Zudem hatte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen bereits die Erwerbstätigkeit
unter dem falschen Namen "T." ausgeübt und in der Bundesrepublik Deutschland
ausschließlich unter diesem Namen gelebt. Der Name "T." ist somit zum
Identitätsmerkmal des Angeklagten geworden, sodass Zweifel daran bestehen, ob er
über seine Identität und damit über die in seiner Person entstandenen
Anspruchsvoraussetzungen überhaupt getäuscht hat (vgl. BGH, NStZRR 1997, 358 f.
[359]).
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Ungeachtet des zuvor Ausgeführten sind die Urteilsgründe hinsichtlich des Vorliegens
des subjektiven Tatbestandes unvollständig.
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Soweit das Amtsgericht hierzu ausführt, dem Angeklagten sei bekannt gewesen, dass er
aufgrund der Angabe des falschen Namens einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht
gehabt habe und ein entsprechender Irrtum über die Strafbarkeit sei unbeachtlich (Bl. 99
d. A.), hat es sich im Folgenden weder mit der in dieser Hinsicht bestreitenden
Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt, noch die Annahme des Vorsatzes
hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des angestrebten Vermögensvorteils begründet.
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Die Aufhebung des angefochtenen Urteils bedingt vorliegend die Freisprechung des
Angeklagten. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Verhandlung noch
Feststellungen getroffen werden könnten, die geeignet sind, ein strafrechtlich relevantes
Handeln des Angeklagten zu belegen. Der Sachverhalt ist, wie die Urteilsgründe
erkennen lassen, vielmehr bereits durch die Einlassung des Angeklagten in
tatsächlicher Hinsicht abschließend geklärt. Es steht daher nicht zu erwarten, dass eine
erneute Beweisaufnahme weitergehende Erkenntnisse erbringen könnte. Der Senat ist
deshalb gemäß § 354 Abs. 1 StPO berechtigt, unter Aufhebung des angefochtenen
Urteils auf Freispruch zu erkennen (vgl. MeyerGoßner, StPO, 49. Auflage, § 354 Rn. 3)."
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Dem stimmt der Senat zu (vgl. zur Rechtslage auch AG Bremen NStZ-RR 2005, 342).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.
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