Urteil des OLG Köln vom 22.10.1999

OLG Köln: schiffsführer, widerklage, ausführung, seerecht, firma, vertretungsmacht, bezahlung, auflage, anmerkung, direktor

Oberlandesgericht Köln, 3 U 147/98 Bsch
Datum:
22.10.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 147/98 Bsch
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Juni 1998 verkündete
Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort - 5 C 46/97 Bsch - wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 DM abwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand:
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Die Beklagte ist Ausrüsterin des Fahrgastkabinenschiffes MS "D. k. P.". Eigentümerin ist
eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus R. W. B. und G. S..
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Mit Vertrag vom 18. Mai 1996 (Bl. 6 ff. d. A.) vercharterte die Beklagte das Fahrgastschiff
der Fa. C. E. S. A. mit Sitz in Luxemburg, und zwar dergestalt, dass die Fa. C. als
Ausrüsterin zu bewerten war. Zwischenzeitlich ist die Fa. C. in Konkurs gegangen, die
Vertragsbeziehung zur Beklagten ist beendet.
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Die Klägerin belieferte das Fahrgastschiff im Auftrag der Fa. C. regelmäßig mit
Lebensmitteln, Getränken, Tabakwaren und sonstigen Dingen des täglichen Bedarfs.
Seit Mitte Mai 1997 bezahlte die Fa. C. die Rechnungen dafür nicht mehr. Es entstand
ein Saldo von 255.208,53 hfl.
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Im September 1997 gab die Beklagte eine eigenständige Bestellung im eigenen Namen
auf und leistete hierfür vor Lieferung eine Akontozahlung in Höhe von 16.000,00 hfl. Die
Rechnung der Klägerin lautete lediglich über 13.546,41 hfl. Hinsichtlich eines der
Beklagten insofern zustehenden Rückzahlungsanspruch über 2.453,59 hfl erklärte die
Klägerin die Aufrechnung mit ihrer noch offenen Forderung gegen die Fa. C..
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Die Klägerin hat vorgetragen, hinsichtlich ihrer noch offenen Forderung gegenüber der
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Fa. C. habe sie ein Schiffsgläubigerrecht an dem Fahrgastschiff erworben, weil die
Bestellungen durch die Schiffsführung erfolgt seien, während das Schiff auf Fahrt
gewesen sei. Das Fahrgastschiff habe durch die Lieferungen erst betrieben werden
können. Die Ausführung der Lieferungsverträge gehöre zu den Dienstobliegenheiten
des Schiffsführers, wobei unerheblich sei, ob dieser mit Vollmacht der Fa. C. gehandelt
habe.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das Fahrgastkabinenschiff
MS "D. k. P." wegen einer Schiffsgläubigerforderung der Klägerin über 252.755,14
hfl nebst 5 % Zinsen seit dem 1. September 1997 zu dulden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen, und
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im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an sie 2.453,59 hfl nebst 4 %
Zinsen ab Zustellung der Widerklage zu zahlen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, bereits aus rechtlichen Gründen sei kein
Schiffsgläubigerrecht entstanden. Die Bestellung von Lebens- und Genußmitteln könne
kein Schiffsgläubigerrecht begründen, weil derartige Gegenstände zum "Betreiben"
eines Schiffes nicht erforderlich seien. Zudem entstehe kein Schiffsgläubigerrecht, wenn
der Schiffsführer das Rechtsgeschäft nicht kraft gesetzlicher Befugnis, sondern aufgrund
ihm seitens des Eigners/Ausrüsters erteilter Vollmacht schließe. Die
Aufrechnungserklärung der Klägerin gegen den Rückzahlungsanspruch der Beklagten
wegen überzahlter 2.453,59 hfl sei daher ins Leere gegangen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Durch Urteil vom 22. Juni 1998 (Bl. 75 ff. d. A.), auf das vollinhaltlich Bezug genommen
wird, hat das Schifffahrtsgericht die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die
Widerklage verurteilt, an die Beklagten 2.453,59 hfl nebst 4 % Zinsen seit dem 19.
Februar 1998 zu zahlen.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe weder nach § 102 Nr. 5 Abs. 1
erste Alternative in Verbindung mit § 15 Abs. 1 BSchG noch gemäß § 102 Nr. 5 Abs. 1
zweite Alternative in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 BSchG ein Schiffsgläubigerrecht
an dem Fahrgastschiff erworben. Die gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffsführers
aus § 15 Abs. 1 BSchG beschränke sich auf objektiv unerlässlich notwendige
Geschäfte. Darunter falle die Verproviantierung des Schiffes auch unter
Berücksichtigung dessen, dass es sich um ein Fahrgastschiff handele, nicht. Im Falle
der Bestellung der Waren durch die Firma C. selbst oder durch den Schiffer namens der
Ausrüsterin habe die Klägerin einen unbeschränkten persönlichen Anspruch gegen
diese als Vertragspartner mit der Folge, dass kein zusätzliches Schiffsgläubigerrecht
entstanden sei. Der Zweck des § 102 BSchG gehe nur dahin, den Gläubiger in den
Fällen, in denen der Schiffseigner nur beschränkt mit seinem Schiff und der Fracht hafte,
dinglich zu sichern. Bei einer vollen und persönlichen Haftung des Eigners/Ausrüsters
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bereits aus dem von ihm mit dem Lieferanten geschlossenen Vertrag sei dies nicht
gegeben.
Die Widerklage auf Rückzahlung der überzahlten 2.453,59 hfl sei aus § 812 BGB
begründet. Mangels Erwerbes eines Schiffsgläubigerrechts sei die Aufrechnung der
Klägerin ins Leere gegangen.
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Gegen dieses ihr am 7. Juli 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. August 1998
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 6. Oktober
1998 begründet.
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Sie macht geltend, die Verproviantierung gehöre zu den Geschäften, die die Ausführung
der Reise erforderlich machten. Sie verweist auf § 527 Abs. 1 HGB, in dem die
Verproviantierung des Schiffes ausdrücklich genannt ist, und auf § 528 Abs. 1 HGB -
Kreditgeschäfte des Kapitäns -, worunter auch die Verproviantierung falle. Im
vorliegenden Fall seien die Bestellungen für die Ausführung der Reise erforderlich
gewesen, weil die Fahrgäste an Bord mit Lebens- und Genußmitteln hätten versorgt
werden müssen. Eine spezielle Vollmacht habe dem Schiffsführer gefehlt. Jedenfalls sei
ein Schiffsgläubigerrecht gemäß § 102 Nr. 5 Abs. 1, zweite Alternative in Verbindung mit
§ 4 Abs. 1 Nr. 2 BSchG entstanden, und zwar auch bei persönlicher Haftung des
Schiffseigners. Die zum alten Seerecht vertretenen Meinungen seien inzwischen
überholt und auf das Binnenschifffahrtsrecht nicht übertragbar. Heute seien es eher
wirtschaftliche Gründe, weshalb bestimmte Forderungen mit einem
Schiffsgläubigerrecht ausgestattet würden. Inzwischen hafte ein Schiffseigner für die
Mehrzahl der in § 102 BSchG genannten Forderungen nicht nur beschränkt dinglich,
sondern auch persönlich.
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Im übrigen sei eine Mithaftung der Beklagten für die Forderungen der Klägerin gegen
die Fa. C. geboten, weil die Fa. C. über die gewählte Chartervertragskonstruktion
offenbar von vorn herein habe "ausbluten" sollen.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen
Schlussanträgen zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie beruft sich darauf, dass die Lieferungen aufgrund Vertrages zwischen der Klägerin
und der Fa. C. erfolgt seien. Die einzelnen Bestellungen aufgrund des abgeschlossenen
Rahmenvertrages seien sowohl in der Vorzeit als auch in dem hier fraglichen Zeitraum
von Mai bis Ende August 1997 entweder durch den Direktor der Fa. C., Herrn J. E., oder
die bei dieser Firma angestellte Zahlmeisterin Frau E. getätigt worden. Etwaige
Bestellungen durch den Schiffsführer seien mit Vollmacht der Fa. C. erfolgt. Die
Verproviantierung gehöre nicht zu den Verpflichtungen eines Schiffsführers im
Binnenschifffahrtsrecht, wie ein Vergleich zwischen § 8 BSchG und § 513 HGB zeige.
Es handele sich auch nicht um eine dringliche Maßnahme, insbesondere nicht, was die
Unterhaltung des Hotelbetriebes angehe. Hinsichtlich der zweiten Alternative des § 102
Nr. 5 Abs. 1 BSchG sei die Klage unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens der
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Klägerin unschlüssig, da Voraussetzung sei, dass der Schiffseigner den Vertrag selbst
geschlossen habe. Zudem sei die Ausführung des Vertrages keine Dienstobliegenheit
des Schiffers, da es hier um die Bezahlung gehe, die Sache des Eigners/Ausrüsters sei.
Im übrigen seien die Voraussetzungen für die Entstehung eines Schiffsgläubigerrechts
restriktiv auszulegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der in
beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Urkunden Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin hat in der Sache
keinen Erfolg.
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Das Schifffahrtsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die
Widerklage zur Erstattung der überzahlten 2.453,59 hfl nebst Zinsen verurteilt; denn sie
hat kein Schiffsgläubigerrecht an dem Fahrgastschiff MS "D. k. P." erworben.
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1.
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Ein Schiffsgläubigerrecht ist nicht nach § 102 Nr. 5 Abs. 1, erste Alternative in
Verbindung mit § 15 Abs. 1 BSchG a.F. (in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur
Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt vom 25.08.1998 - BGBl. I
S. 2489 - geltenden Fassung) entstanden.
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Es fehlt schon an der ersten Voraussetzung, nämlich dass der Schiffsführer die
Bestellungen aufgrund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht nach § 15 BSchG und
nicht mit Bezug auf eine Vollmacht des Ausrüsters, also der Fa. C., getätigt hat.
Unstreitig hat eine
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Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der Fa. C. bestanden. Nach dem
unbestrittenen Vortrag der Beklagten ist von einem Rahmenvertrag auszugehen, der zu
Beginn der Geschäftsbeziehung geschlossen worden ist. Auf der Grundlage dieses
Rahmenvertrages sind sodann entsprechend dem Bedarf fortlaufend
Einzelbestellungen erfolgt. Es bedarf keiner Aufklärung dazu, ob diese durch den
Schiffsführer oder - entsprechend der Behauptung der Beklagten - durch den Direktor
der Fa. C., Herrn J. E., oder die bei dieser Firma angestellte Zahlmeisterin Frau E.
getätigt worden sind. Für letzteres spricht allerdings die von der Klägerin vorgelegte
Nachbestellung vom 22. März 1997, die von Frau E. unterzeichnet ist. Selbst wenn man
den Vortrag der Klägerin zugrundelegen wollte, der Schiffsführer habe die
Einzelbestellungen vorgenommen, hätte dieser namens und in Vollmacht der Fa. C.
gehandelt. Die Rechnungen sind unstreitig stets an die Fa. C. gegangen, die diese auch
hinsichtlich der Lieferungen für rund 1 Jahr bezahlt hat. Dies lässt sich nur damit
erklären, dass der Schiffsführer zur Vornahme der Nachbestellungen seitens der Fa. C.
bevollmächtigt war. Zumindest hat er aufgrund einer Duldungsvollmacht gehandelt;
denn der Fa. C. war ja bekannt, dass der Schiffsführer über ein Jahr lang die
Einzelbestellungen für sie aufgegeben hatte, und das Schiff weiterhin für sie im Einsatz
war.
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Da der Schiffsführer somit, wenn er überhaupt Bestellungen getätigt hat, dabei mit
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Bezug auf eine Vollmacht der Fa. C. und nicht kraft seiner gesetzlichen
Vertretungsmacht gemäß § 15 BSchG gehandelt hat, bedarf es keiner Entscheidung
dazu, ob die Verproviantierung im Binnenschifffahrtsrecht, insbesondere auch diejenige
der Gäste auf einem Fahrgastschiff, von § 15 BSchG erfasst wird.
2.
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Hinsichtlich der zweiten Alternative von § 102 Nr. 5 Abs. BSchG a.F. erweist sich die
Klage bereits als unschlüssig, wenn man die Behauptung der Klägerin zugrundelegt,
dem Schiffsführer habe eine spezielle Vollmacht gefehlt; denn von der Vorschrift werden
nur von dem Schiffseigner geschlossene Verträge erfasst. Auf jeden Fall scheitert ein
Anspruch der Klägerin daran, dass die Ausführung der Verträge nicht zu den
Dienstobliegenheiten des Schiffsführers gehört. Dabei kommt es auf die Art der
Ausführungshandlung an. Nicht darunter fallen Ausführungshandlungen, die dem
Schiffseigner selber oder einer von ihm betrauten anderen Hilfsperson als dem
Schiffsführer obliegen (so für das Seerecht Schaps-Abraham, Das Deutsche Seerecht,
3. Auflage, § 486 HGB Anmerkung 23). Hier geht es um die Bezahlung des Kaufpreises
für die Lebens- und Genußmittel. Ohne Zweifel ist dies nicht Sache des Schiffsführers,
sondern des Ausrüsters/Eigners, also der Fa. C.. Ein Schiffsgläubigerrecht ist daher für
die Klägerin nicht entstanden, so dass es auf die Frage, ob im Falle eines
unbeschränkten persönlichen Anspruchs gegen den Schiffseigner überhaupt ein
Schiffsgläubigerrecht entstehen kann, nicht ankommt (vgl. hierzu Vortisch-Bemm,
Binnenschifffahrtsrecht, 4. Auflage, § 102 Rnr. 22
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(offengelassen); zum alten Seerecht: OLG Kiel OLG E 22, 69; RGZ 83, 130; Schaps-
Abraham a. a. O. § 486 HGB Rnr. 29 und § 754 HGB Anmerkung 26 ff.).
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3. Die Klägerin kann die Forderung auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund
herleiten. Für einen Anspruch aus § 826 BGB ist nicht genügend vorgetragen.
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Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S.
1 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: 227.208,00 DM.
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