Urteil des OLG Köln vom 18.12.1998

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Oberlandesgericht Köln, 13 W 48/98
Datum:
18.12.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 W 48/98
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 10 O 104/98
Normen:
BGB § 12;
Leitsätze:
1. Städtenamen sind auch ohne den Zusatz "Stadt" namensrechtlich
geschützt. 2. In der Verwendung eines Städtenamens (ohne Zusätze) als
registrierte und konnektierte Second-Level-Domain (unter der regionalen
Top-Level-Domain "de") zur Vermietung von Internetadressen mit
regionalem Bezug liegt eine unbefugte Namensanmaßung.
Rechtskraft:
unanfechtbar
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
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Das Landgericht hat dem Beklagten die von ihm beantragte Prozeßkostenhilfe mit Recht
schon deshalb verweigert, weil seine Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg
verspricht (§ 114 ZPO). Der Beklagte verletzt mit der Inanspruchnahme der von ihm für
seine Unternehmens- und Organisationsberatung registrierten und konnektierten
Internet-Domain "herzogenrath.de" das Namensrecht der Klägerin und ist ihr deshalb
gemäß § 12 BGB zur Freigabe dieser Domain verpflichtet.
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1. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, daß der Namensschutz der klagenden
Stadt auch die Verwendung ihres Namens als Second-Level-Domain unter der
Top-Level-Domain ".de" umfaßt. Im angefochtenen Beschluß ist hierzu unter
anderem ausgeführt:
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"Zwar handelt es sich im technischen Sinne bei der Domainbezeichnung nicht um
einen Namen, da sie nicht einem bestimmten Namensträger bzw. dessen Produkten
oder Dienstleistungen zuzuordnen ist. Vielmehr handelt es sich um die Adresse des
angerufenen Computers, auf dem der Adressat seine Homepage abgelegt hat. Diese
Adresse besteht in einer bestimmten Nummernfolge (sog. IP-Nummer, für Internet
Protocol), welche naturgemäß selten an die Einprägsamkeit eines aus Buchstaben
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zusammengefügten Namens heranreichen kann. Die Nummernkombination wurde
daher in Buchstaben 'übersetzt'.
Eine solche rein technische Betrachtungsweise ließe jedoch die nicht zu übersehende
Tatsache außer Betracht, daß der Internet-Anwender die in Buchstabenkombinationen
übersetzte IP-Nummer regelmäßig mit dem Anbieter eines Internet-Angebots in
Verbindung bringt. Denn wer das Internet für Selbstdarstellungszwecke nutzen
möchte, wird in der Regel unter einer die Identität mit dem eigenen Namen oder
Kennzeichen wahrenden Domain werben wollen. Dies ist nicht nur in der Praxis
tatsächliche Gegebenheit, wo der Domain-Name längst in das Marketing-
Gesamtkonzept des fortschrittlichen Unternehmens eingebunden ist. Die
entsprechende Vorstellung wird auch den durchschnittlichen Anwender begleiten, der
sich auf die online-Suche nach einer ihm bekannten Marke oder Person macht. Der
durchschnittliche Anwender wird in aller Regel die Domainbezeichnung gedanklich
mit dem Namen des gesuchten Anwenders verbinden. Aber auch der erfahrene
Anwender wird sich weder über die sich hinter dem - in Buchstabenkombinationen
übersetzten - Domain-Namen verbergende IP-Nummer Vorstellungen machen, noch
über den Umstand, daß er eigentlich mit einem externen Computer, nicht etwa mit
einer Kommunikationseinrichtung des Anbieters in Kontakt tritt. Denn der Domain-
Name bleibt als alleiniges und gängiges Assoziationsmerkmal.
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Folgerichtig handelt es sich bei den Domain-Namen um namensähnliche
Kennzeichen, denen - zumindest mittelbar - Namensfunktion zukommt. Sie dienen der
Unterscheidung eines bestimmten Subjekts von anderen und haben dabei ebenso wie
die in Wort und Schrift festgehaltenen Namen Ordnungs- und
Unterscheidungsfunktion."
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Die hier vertretene Auffassung kann inzwischen als gesicherte Erkenntnis gelten (z.B.
LG Mannheim, NJW 1996, 2736; LG Braunschweig, NJW 1997, 2687; LG Ansbach,
NJW 1997, 2688; KG, NJW 1997, 3321; LG Frankfurt, NJW-RR 1998, 974; Kur, CR
1996, 590 ff.; Ernst, NJW-CoR 1997, 426 ff.; Bücking, NJW 1997, 1886 ff.; Wiebe, CR
1998, 157, 158). Soweit ersichtlich, weichen allein die vom Beklagten angeführten
Entscheidungen des LG Köln vom 17.12.1996 - 3 O 477/96 - (BB 1997, 1121 -
"kerpen.de"), - 3 O 478/96 - (NJW-CoR 1997, 304 - "hüerth.de") und - 3 O 507/96 (NJW-
RR 1998, 976 - "pulheim.de") von dieser klaren Linie ab. Daß die rein technische
Betrachtungsweise an der Namensfunktion der einen Städtenamen (ohne Zusätze)
verwendenden Second-Level-Domain (unter der regionalen Top-Level-Domain ".de")
vorbeigeht, ist im angefochtenen Beschluß zutreffend aufgezeigt. Die hinsichtlich der
Registrierung freie Wählbarkeit des Domain-Namens (soweit nicht bereits anderweitig
belegt) besagt ebenfalls nichts gegen dessen Namensfunktion i.S.d. § 12 BGB.
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1. Dem Landgericht ist auch darin zuzustimmen, daß der Beklagte unbefugt von dem
Namen der Klägerin Gebrauch macht. Unbefugt ist der Gebrauch eines Namens,
wenn ein eigenes Benutzungsrecht nicht gegeben ist. Denn in dem Recht auf den
Namen liegt auch das Recht auf den ausschließlichen Gebrauch desselben
gegenüber jedem, der nicht ebenfalls ein Recht auf diesen Namen hat. Das
Namensrecht verbietet dem Dritten die Anmaßung eines fremden Namens, welche
zu einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung führt (BGH NJW 1996, 1672
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m.w.Nachw.). Darauf stellt die Zivilkammer im angefochtenen Beschluß zutreffend
ab:
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"Der Namensschutz des § 12 BGB umfaßt auch diese Zuordnungsverwirrung, d.h.
Fälle, in denen durch die Namensnennung eine Verbindung zwischen dem
Namensträger und Produkten oder Unternehmen suggeriert wird, die in Wahrheit nicht
besteht (LG Braunschweig, NJW 1997, 2687 m.w.N.). Denn ein nicht unerheblicher
Teil der Internet-Benutzer wird bei der Verwendung der Domain "herzogenrath.de"
ohne weiteren Zusatz meinen, es handele sich um die Adresse der Stadt
Herzogenrath. Nach allgemeinem Sprachverständnis wird mit der isolierten
Verwendung des Ortsnamens die Kommune als solche bezeichnet (LG Lüneburg, WM
1997, 1452, 1454)."
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a. Die Klägerin muß sich vom Beklagten, der die domain "herzogenrath.de" in seiner
im Internet unter "www.transiotemp.de", aber auch unter
"www.transiotemp.herzogenrath.de" aufzurufenden Webagentur für
Subdomainnamensreservierungen anbietet (u.a. für: "www.Ihr-
Name.Herzogenrath.de" oder "www.Herzogenrath.de/Ihr-Name"), nicht darauf
verweisen lassen, den Namenszusatz "Stadt-" zu verwenden. Die Vorstellung des
Beklagten, der Namensschutz der Klägerin beschränke sich auf die amtliche
Bezeichnung "Stadt Herzogenrath", ist verfehlt. Anerkanntermaßen wird durch §
12 BGB nicht nur der volle Name, sondern auch eine namensmäßige
Kurzbezeichnung des Namensträgers geschützt. Dementsprechend ist
Herzogenrath als namensmäßiger Hinweis auf die Klägerin als
Gebietskörperschaft auch ohne den Zusatz "Stadt" namensrechtlich geschützt.
Unzulässiger Namensgebrauch setzt auch nicht voraus, daß der Name oder
Namensteil von einem Dritten zur Bezeichnung seiner eigenen Person benutzt
wird. Es genügt vielmehr, wenn der Namensträger durch den anderweitigen
Gebrauch seines Namens mit bestimmten Einrichtungen, Gütern oder
Erzeugnissen in Verbindung gebracht wird, mit denen er nichts zu tun hat (st. Rspr.
des BGH, z.B. NJW-RR 1991, 934 m.w.N.).
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a. Es kommt für den Freigabeanspruch der Klägerin ferner nicht darauf an, ob sich
Städte im Internet durchgehend mit oder ohne den Zusatz "Stadt" präsentieren.
Weitaus überwiegend geschieht dies jedenfalls ohne den Zusatz "Stadt"
(entgegen den ehemaligen Regeln des DE-NIC zur Benennung von Domains
unterhalb der Top-Level-Domain ".de"). Diese Handhabung entspricht - wie bereits
im angefochtenen Beschluß zum Ausdruck gebracht - sowohl dem allgemeinen
Sprachgebrauch als auch dem Interesse der angesprochenen Verkehrskreise an
einer möglichst kurzen Internetadresse. Wer im Internet unter der regionalen Top-
Level-Domain ".de" nach einer Stadt sucht, gibt als erstes (sc.: nach der Kürzel
http://www.) den Städtenamen ohne weitere Namenszusätze ein (bei der Suche
nach der Stadtverwaltung Herzogenrath somit "herzogenrath.de"). Angesichts der
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weit verbreiteten und wachsenden Gepflogenheit von Städten und Gemeinden,
sich so im Internet zu präsentieren (teilweise auch schon auf diesem Wege
Verwaltungsdienstleistungen online anzubieten), sind die Erwartungen des
regionalen Nutzerkreises (als Hauptzielgruppe der regionalen Top-Level-Domain
".de") darauf gerichtet, durch Eingabe des Städtenamens als Second-Level-
Domain unmittelbar auf die Homepage der Stadtverwaltung zu gelangen. Auf den
Zusatz "Stadt" wird teilweise ausgewichen, wenn der Stadtname bereits von einer
Person gleichen Namens als Domain belegt ist (wie im Fall der Stadt Kerpen, die
sich unter "stadt-kerpen.de" im Internet präsentiert, während der Aufruf von
"kerpen.de" zur Homepage einer Familie dieses Namens führt). Wie solche
Gleichnamigkeitskonflikte zu lösen sind, braucht hier indessen nicht entschieden
zu werden, da der Beklagte einen anderen Namen führt (dazu, daß auch dann
nicht ohne weiteres auf die Priorität der Anmeldung abgestellt werden kann, sei
auf OLG Hamm, CR 1998, 241 m. Anm. Bettinger verwiesen).
a. Es kann hier letztlich auch offen bleiben, ob bereits in der Registrierung und
Konnektierung der Domain "herzogenrath.de" (bloße Reservierungen von
Domain-Namen sind gemäß Beschluß der DENIC-eG seit dem 01.02.1997
ohnehin nicht mehr möglich, Altreservierungen sind spätestens zum 01.02.1998
ausgelaufen; eine registrierte Domain muß spätestens nach einem Monat auch
konnektiert werden, d.h. regelmäßig über zwei Nameserver gefunden werden
können) eine Namensanmaßung i.S.d. § 12 BGB liegt. Denn der Beklagte hat sich
nicht mit der Registrierung und Konnektierung der Domain (die nicht dazu
verpflichtet, Webseiten aufzusetzen) begnügt, sondern macht hiervon in
zuordnungsverwirrender Weise Gebrauch, wie ein Aufruf der von ihm unter
"www.herzogenrath.de" abgelegten Webseite zeigt. Daß der Beklagte auf der bei
Aufruf von "www.herzogenrath.de" erscheinenden Seite auch einen "Hyperlink zur
Stadtverwaltung Herzogenrath" anbietet, ändert nichts an der schon in der
isolierten Benutzung des Namens der Klägerin für eine eigene Webseite
liegenden Namensanmaßung. Gleiches gilt für die Tatsache, daß der Beklagte
diese Webseite nicht unmittelbar für seine Angebote nutzt (zu diesen Angeboten
kommt man unter anderem über den "Hyperlink zum
www.Forum.Herzogenrath.de" oder die angegebene Internetadresse der
Webagentur des Beklagten "www.transiotemp.herzogenrath.de"). Soweit diese
Angebote "herzogenrath" als Second-Level-Domain verwenden, verletzen sie
ebenfalls das Namensrecht der Klägerin. Geschäftliche Interessen des Beklagten,
unter anderem den Namen der Klägerin zur Vermietung von Internetadressen mit
regionalem Bezug zu verwenden, müssen gegenüber dem berechtigten Interesse
der Klägerin an der Verwendung ihres Namens als eigener Internetadresse
zurücktreten. Soweit die Beeinträchtigung des Namensrechts der Klägerin bei der
Verwendung als Second-Level-Domain durch Zusätze zum Namen der Klägerin
vermieden werden kann, ist es Sache des Beklagten, sich solcher Zusätze zu
bedienen, die eine Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung ausschließen.
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a. Die Klägerin muß sich auch nicht darauf verweisen lassen, daß sie bereits unter
der domain "herzogenrath-online.de" im Internet präsent ist. Dabei handelt es sich
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erklärtermaßen lediglich um eine von der Klägerin vorläufig verwendete
Ausweichadresse im Hinblick auf die rechtswidrige Weigerung des Beklagten, die
von ihm blockierte domain "herzogenrath.de" freizugeben, wie dies mit der
vorliegenden Klage erstrebt wird.
1. Aus den vorstehenden Gründen folgt zugleich, daß der Rechtsstreit keine
grundsätzlichen Fragen aufwirft, die erst noch einer gerichtlichen Klärung
bedürften, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt keine Veranlassung besteht,
dem Beklagten Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Es hat vielmehr bei dem
angefochtenen Beschluß zu verbleiben.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 127 Abs.4 ZPO).
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