Urteil des OLG Köln vom 23.09.1998

OLG Köln (herstellung, antragsteller, beschwerde, ersatzvornahme, ermächtigung, durchführung, duldung, balkon, zahlung, 1995)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 122/98
Datum:
23.09.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 122/98
Normen:
WEG §§ 14 NR. 1, 16 ABS. 2;
Leitsätze:
Keine automatische Befugnis der Gemeinschaft zur Ersatzvornahme bei
Verzug eines Eigentümers mit Herstellungspflichten
WEG §§ 14 Nr. 1, 16 Abs. 2 Kommt ein Eigentümer einer sich aus der
Gemeinschaftsordnung ergebenden Pflicht,bestimmte Arbeiten zu
Gunsten des Gemeinschaftseigentums durchzuführen, nicht nach, ist die
Gemeinschaft nicht einfach zur Ersatzvornahme befugt. Sie muß sich
vielmehr den Anspruch gegen den Eigentümer titulieren lassen, um ihn
dann nach § 887 ZPO zu vollstrecken.
Rechtskraft:
unanfechtbar
G r ü n d e
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I. Die Beteiligten sind neben der Ehefrau des Antragstellers und den Eheleuten K. und
H. Miteigentümer der aus vier Wohneinheiten bestehenden Wohnungseigentumsanlage
K. 3/3a in S.. Der Antragsteller ist zugleich Verwalter der Anlage.
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In der Eigentümerversammlung vom 21.4.1995 wurde zu TOP 7 folgendes protokolliert:
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"Von Seiten der Hausverwaltung wurde nochmals auf die unsachgemäße und
fehlerhafte Ausführung des Fliesenbelags auf dem Balkon der Eigentümer Mannheims
hingewiesen. Dieser wurde von den Eigentümern in Eigenleistung ausgeführt. Da das
Gesamterscheinungsbild hierdurch erheblich beeinträchtigt wird und mit den Eheleuten
- trotz mehrmaliger Versuche - keine vernünftige Einigung zu finden ist, wird mit 3 Ja und
1 Nein Stimme beschlossen, die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten
gerichtlich durchzusetzen. Der Verwaltung wird für diesen Fall und für alles zukünftige
Prozeßvollmacht erteilt."
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Nachdem die Antragsgegner u. a. diesen Beschluß in drei Instanzen ergebnislos
angefochten hatten (vgl. Senatsbeschluß vom 8.11.1996 - 16 Wx 215/96 -, Leitsätze
veröffentlicht in OLGR 1997, 91), hat der Antragsteller unter Bezugnahme auf einen
Kostenvoranschlag der Fa. Bedachungen B. die Zahlung von 1.981,45 DM nebst
Rechtshängigkeitszinsen zu seinen Händen und die Duldung der Durchführung von
Randabschlußarbeiten auf dem Balkon, hilfsweise die Herstellung eines
ordnungsgemäßen Randabschlusses begehrt. Die Antragsgegner sind dem mit der
Begründung entgegengetreten, daß der Antragsteller nicht aktivlegitimiert sei, es an
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Begründung entgegengetreten, daß der Antragsteller nicht aktivlegitimiert sei, es an
einem Eigentümerbeschluß über die Durchführung der Arbeiten, die solche am
Gemeinschaftseigentum seien, fehle und die Arbeiten wegen einer zu tief gesetzten
Balkonbrüstung behindert würden. Ferner haben sie geltend gemacht, daß die
verlangten Kosten überhöht seien und sie - nach Behebung des Baumangels wegen der
Balkonbrüstung - nur zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Fliesenbelags
verpflichtet seien, wozu die in das Gewerk eines Dachdeckers fallenden
Randabschlußarbeiten nicht gehörten.
Das Amtsgericht hat die Einwendungen der Antragsgegner nicht für durchgreifend
erachtet und den Hauptanträgen auf Zahlung und Duldung der Arbeiten stattgegeben.
Eine hiergegen von den Antragsgegnern eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne
Erfolg. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen sie ihr Begehren auf
Zurückweisung der Anträge weiter.
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II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§ 45
Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 FGG) und teilweise begründet.
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Die Antragsgegner sind derzeit nur zur Herstellung eines Randabschlusses
entsprechend dem Hilfsantrag des Antragstellers, nicht aber zur Zahlung eines
Kostenvorschusses und zur Duldung der Arbeiten verpflichtet.
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1. Das Landgericht hat mit Recht dem Mehrheitsbeschluß vom 21.4.1995 eine
Ermächtigung des Antragstellers entnommen, wegen des Fliesenbelags im eigenen
Namen Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft zu verfolgen. Die
diesbezügliche Auslegung - nicht, wie die weitere Beschwerde geltend macht,
Umdeutung - läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Nach der Rechtsprechung des Senats
(Beschluß vom 20.8.1997 - 16 Wx 169/97 - ) enthält eine Regelung in der
Gemeinschaftsordnung, mit der ein Verwalter entsprechend der gesetzlichen Regelung
des § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG ermächtigt wird, Ansprüche der Wohnungseigentümer
gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen, ohne daß näher geregelt wird, ob er
dies im eigenen Namen oder als Vertreter der Wohnungseigentümer zu tun hat, die
Erteilung der Befugnis, sowohl im fremden als auch im eigenen Namen und damit im
Wege der Prozeßstandschaft aufzutreten. Wegen einer im Einzelfall erteilten
Ermächtigung zur Geltendmachung bestimmter Ansprüche kann nichts anderes gelten,
wobei der Wendung, daß der Verwaltung "Prozeßvollmacht" erteilt werde, noch nicht
entnommen werden kann, daß die Ansprüche namens der Wohnungseigentümer
geltend gemacht werden sollten. Selbst wenn dem so wäre, wäre ohne nähere
Regelungen eine Ermächtigung zur Verfahrensstandschaft in der mit der
"Prozeßvollmacht" erteilten Ermächtigung zur Verfahrensvertretung enthalten (vgl.
Palandt/Bassenge, BGB, 57. Auflage, § 27 WEG, Rdn. 17 mit weiteren Nachweisen).
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2. Ohne Erfolg wenden die Antragsgegner sich auch gegen die von den Vorinstanzen
angenommene Pflicht zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Randabschlusses.
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Hierbei kann es offen bleiben, ob bereits der Eigentümerbeschluß, die
ordnungsgemäße Durchführung der Arbeiten auf dem Balkon gerichtlich durchzusetzen,
die konstitutive Festlegung von Miteigentümerpflichten enthält, mit der Folge, daß die
sachliche Berechtigung der Ansprüche gegen die Antragsgegner nur in dem früheren
Beschlußanfechtungsverfahren zu prüfen gewesen und eine erneute Befassung hiermit
nicht möglich wäre (vgl. zu dieser Problematik KG NJW-RR 1997, 1033 = KGR 1997,
85; BayObLG WE 1998, 353; Senatsbeschluß vom 21.10.1997 - 16 Wx 255/97 - WE
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1998, 191); denn das Landgericht hat eine Verpflichtung der Antragsgegner zur
Herstellung eines ordnungsgemäßen Randabschlusses und eines hieraus weiter
folgenden Anspruchs der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die Antragsgegner
auf Duldung einer Ersatzvornahme und Zahlung eines Kostenvorschusses nicht etwa
aus der Bestandskraft des Beschlusses zu TOP 7 der Eigentümerversammlung vom
21.4.1995, sondern hiervon unabhängig aus den §§ 14 Nr. 1, 13 Abs. 1 WEG
hergeleitet. Auch der Senat hatte seinerzeit nur festgestellt, daß die Ermächtigung an
den Antragsteller zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen die
Antragsgegner wegen des in Eigenleistung aufgebrachten Fliesenbelags
ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Soweit im Zusammenhang hiermit ausgeführt
worden ist, die Antragsgegner hätten für einen ordnungsgemäßen Zustand des
Fliesenbelags Sorge zu tragen, hat es sich um ein seinerzeit nicht tragendes
Begründungselement gehandelt.
Letzteres ändert allerdings nichts daran, daß die Erwägungen, die für den Senat Anlaß
gewesen waren, eine Herstellungspflicht der Antragsgegner zu bejahen, weiter gelten.
Die - vom Grundsatz her auch von den Antragsgegnern nicht geleugnete - Pflicht zur
Herstellung eines ordnungsgemäßen Fliesenbelags folgt aus der Vereinbarung,
wonach auf dem Balkon die Fliesen in Eigenleistung verlegt werden sollten, so daß es
offen bleiben kann, ob in der hier gegebenen Konstellation der Herstellung eines zum
Sondereigentum gehörenden Bodenbelags eines Balkons (vgl. Bärmann/Pick/Merle,
WEG, 7. Auflage, § 5 Rdn. 27) die übrigen Miteigentümer - wie das Landgericht gemeint
hat - aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 14 Nr. 1, 13 Abs. 1 WEG Ansprüche
herleiten können. Diese Arbeiten hatten - wie bereits der Senat in dem früheren
Beschluß ausgeführt hat - optisch und technisch einwandfrei zu erfolgen und erfassen
damit auch die Randabschlußarbeiten und nicht lediglich eine Komplettierung der
Fliesen selbst. Ein Belag ohne Randabschluß ist aus den bereits früher dargelegten
Gründen (optisch unschön und das Eindringen von Feuchtigkeit begünstigend) noch
kein kompletter. Der Umstand, daß die Ausbildung des Randabschlusses
typischerweise nicht in das Gewerk eines Fliesenlegers, sondern eines Dachdeckers
fällt, ändert nichts an dem von dem Landgericht zutreffend herausgestellten
bautechnischen Zusammenhang nicht etwa mit dem Balkonkörper, sondern mit der
Aufbringung des Belags und ist vergleichbar z. B. mit dem Verlegen von Schienen zum
Abschluß eines Teppich- oder Parkettbodenbelags in Innenräumen. Daß es letztlich nur
noch um Abschlußarbeiten geht, erhellt zudem der von den Antragsgegnern
eingereichte Kostenvoranschlag mit einem Betrag unter 1.000,00 DM.
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Die weitere Feststellung des Landgerichts, die Antragsgegner hätten nicht hinreichend
konkret aufgezeigt, daß ihnen wegen eines Baumangels am Balkongeländer Arbeiten
am Belag derzeit nicht möglich bzw. nicht zumutbar seien, läßt Rechtsfehler zu Lasten
der Antragsgegner nicht erkennen; insbesondere hatten sie, nachdem bereits in dem
früheren Verfahren ihr Vortrag als unzureichend bewertet worden war, hinreichend
Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag, die sie nicht genutzt haben.
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3. Nicht beigetreten werden kann indes dem Landgericht, soweit es - wie bereits das
Amtsgericht - Ansprüche des Antragstellers auf Übernahme der Kosten für eine
Herstellung des Randabschlusses und auf Duldung der Arbeiten angenommen hat.
Vielmehr besteht nur ein Anspruch auf Durchführung der Arbeiten durch die
Antragsgegner.
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Einen (bestandskräftigen) Beschluß der Eigentümergemeinschaft, aus dem sich eine
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Befugnis des Antragstellers bzw. der übrigen Miteigentümer zur Ersatzvornahme
ergeben könnte, gibt es nicht. Eine sonstige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ist
nicht erkennbar. Ein Verzug der Antragsgegner mit ihrer Herstellungspflicht könnte nur
dazu führen, daß sie einen Verzögerungsschaden zu ersetzen hätten (§ 286 BGB), der
aber nicht Gegenstand der Anträge ist. Auch aus der von den Vorinstanzen
herangezogenen Vorschrift des § 14 Nr. 1 WEG, würde sich - wenn sie (entsprechend)
anwendbar wäre - nur ein Erfüllungsanspruch und gegebenenfalls ein
Schadensersatzanspruch, nicht aber eine Pflicht der Antragsgegner ergeben, Kosten für
eine Ersatzvornahme vorzuschießen und die Maßname zu dulden. § 16 Abs. 2 WEG ist
schon deshalb nicht einschlägig, weil die Antragsgegner bestimmte Handlungen,
nämlich die ordnungsgemäße Herstellung des Belags schulden. Deren Nichterfüllung
wandelt sich - bei unterstellter Anwendbarkeit - auch nicht nach § 326 BGB in einen
Vorschuß- und Duldungsanspruch, sondern in einen Schadensersatzanspruch um. Nur
bei einzelnen Vertragstypen bestehen für den Fall der Nichterfüllung einer
Herstellungspflicht ein Recht des Gläubigers, die Maßnahme selbst durchzuführen, und
ein hiermit verbundener Vorschußanspruch (so bei der Befugnis zur Mängelbeseitigung
im Miet- und Werkvertragsrecht gemäß den §§ 538 II, 633 Abs. 3 BGB). Deren analoge
Anwendung auf die hier gegebene Konstellation ist schon deshalb nicht geboten, weil
der Antragsteller einen Titel über die von den Antragsgegnern geschuldeten Arbeiten
erwirken kann. Dieser ist ein solcher über vertretbare Handlungen, aus dem er sodann
gem. § 887 ZPO im Wege der Ersatzvornahme die Zwangsvollstreckung betreiben und
insbesondere gemäß dessen Abs. 2 einen Vorschuß verlangen kann. Eine materiell-
rechtliche Anspruchsgrundlage ergibt sich hieraus indes nicht.
All dies hat die Folge, daß nur der Hilfsantrag begründet ist, wobei im Tenor klarstellend
der Begriff "ordnungsgemäß" durch "fachgerecht" zu ersetzen war.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Wegen des Obsiegens des
Antragstellers nur zum Hilfantrag entspricht es billigem Ermessen, die Gerichtskosten zu
teilen und es wegen der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten bei der Grundregel
zu belassen, daß diese nicht zu erstatten sind.
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Die Festsetzung des Geschäftswerts entspricht derjenigen in den Vorinstanzen und folgt
aus § 48 Abs. 3 WEG.
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