Urteil des OLG Köln vom 29.05.1998

OLG Köln (zpo, beschwerde, bewilligung, sache, stufenklage, beweisaufnahme, wirkung, schaden, beweisanordnung, aussicht)

Oberlandesgericht Köln, 25 WF 99/98
Datum:
29.05.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 WF 99/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 323 F 18/98
Normen:
ZPO §§ 127, 118 Abs. 2
Leitsätze:
Bedeutet die im PKH-Prüfungsverfahren erfolgte Beweisanordnung eine
Vorwegnahme der Beweisaufnahme im Hauptverfahren, so ist gegen
diese Anordnung, weil sie im Ergebnis wie die Versagung von
Prozeßkostenhilfe wirkt, die Beschwerde eröffnet.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des
Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 22. April 1998 - 323 F 18/98 -
aufgehoben. Gleichzeitig wird der Antragstellerin für das Verfahren der
Stufenklage unter Beiordnung von Rechtsanwältin R. in Köln ratenfreie
Prozeßkostenhilfe bewilligt.
G r ü n d e
1
Die Antragstellerin hat um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Erhebung einer
Stufenklage gebeten, die auf die Verurteilung des Antragsgegners zur
Auskunftserteilung über seine Einkommensverhältnisse und zur Zahlung des sich
daraus ergebenden nachehelichen Unterhalts an die Antragstellerin gerichtet ist.
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Das Familiengericht hat mit Beschluß vom 22.04.1998 im Prozeßkostenhilfe-
Prüfungsverfahren durch Einholung eines schriftlichen amtsärztlichen
Sachverständigengutachtens Beweiserhebung zu der Frage angeordnet, ob und
gegebenenfalls in welchem Umfange die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen
arbeitsfähig/arbeitsunfähig ist.
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Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt und macht geltend, das
Verfahren des Amtsgerichts laufe auf die Verweigerung der beantragten
Prozeßkostenhilfe hinaus.
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Die Sache liegt mit Nichtabhilfebeschluß des Erstrichters dem Senat zur Entscheidung
vor.
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Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet, sie führt unter
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Bewilligung ratenfreier
Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der Stufenklage.
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Gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe die
einfache Beschwerde statt. So liegt es hier, weil der angefochtene Beschluß im
Ergebnis eine Prozeßkostenhilfeversagung zu Lasten der Antragstellerin bedeutet.
Zwischen den Parteien ist u.a. streitig, ob und inwieweit die gegenwärtig nahezu 42-
jährige Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen erwerbsfähig und somit in der
Lage und verpflichtet ist, die zur Deckung ihres Lebensbedarfes erforderlichen
finanziellen Mittel selbst aufzubringen. Dabei sei darauf hingewiesen, daß die
Antragstellerin, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen arbeiten kann, keineswegs
vollschichtig arbeiten muß, sondern nur zur Verrichtung einer Teilzeitarbeit verpflichtet
ist, weil sie zwei aus der geschiedenen Ehe der Parteien hervorgegangene Kinder zu
versorgen, zu beaufsichtigen und zu betreuen hat, die beide noch nicht das 18.
Lebensjahr vollendet haben (vgl. zum Umfang der Erwerbstätigkeit in derartigen Fällen:
Kalthoener/ Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 6. Aufl., Rz. 403 mit
Rechtsprechungsnachweisen). Aufgrund des Streits der Parteien über die
Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen muß darüber
Beweis erhoben werden. Das Familiengericht hat diese Beweisanordnung gemäß dem
angefochtenen Beschluß in das Prozeßkostenhilfe-Prüfungsverfahren vorverlagert. Das
ist unzulässig und bedeutet der Sache nach Zurückweisung des entscheidungsreifen
Prozeßkostenhilfegesuches. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 3 erster Halbsatz ZPO dürfen
Zeugen und Sachverständige im Prozeßkostenhilfe-Prüfungsverfahren grundsätzlich
nicht vernommen werden. Damit will der Gesetzgeber vermeiden, daß im
Prozeßkostenhilfe-Prüfungsverfahren die Beweisaufnahme der Hauptsache
vorweggenommen wird. Das Prozeßkostenhilfeverfahren soll den gerichtlichen
Rechtsschutz, den der Rechtsstaatgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG erfordert, nicht selbst
leisten, sondern zugänglich machen (BVerfG NJW 1991, 413; OLG Bamberg JurBüro
1991, 1670; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 118 Rz. 35). Nur
ganz ausnahmsweise, nur dann, wenn auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob
die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig ist,
gestattet das Gesetz gemäß § 118 Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz ZPO u.a. die
Vernehmung eines Sachverständigen. Diese Ausnahme ist vorliegend jedoch nicht
einschlägig. Dabei ist zu beachten, daß die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
abgesehen vom Erfordernis der sogenannten Prozeßarmut des Antragstellers und
fehlender Mutwilligkeit seines Rechtsschutzziels nur hinreichende Erfolgsaussicht der
beabsichtigten Rechtsverfolgung voraussetzt, die keineswegs volle Beweisführung
erfordert, sondern und auch das nur auf Verlangen des Gerichts - § 118 Abs. 2 Satz 1
ZPO - glaubhaft zu machen ist. Rechtfertigt aber das gegebenenfalls glaubhaft
gemachte Vorbringen des Antragstellers die Annahme der hinreichenden
Erfolgsaussicht der von ihm beabsichtigten Rechtsverfolgung, dann ist
Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. So liegt es hier. Die Antragstellerin trägt vor, sie habe
im Jahre 1996 einen Bandscheibenvorfall erlitten, was zu ständigen starken Schmerzen
in den Schultern und im Rücken geführt habe. Seitdem befinde sie sich in Behandlung
bei einem Orthopäden und könne aus dem angeführten Grunde nicht mehr arbeiten. Zur
Glaubhaftmachung hat sie ein Attest des Arztes für Orthopädie Dr. med. H. vom
24.03.1998 vorgelegt, aus dem hervorgeht, daß sie dort seit 1996 wegen eines rezid.
HWS-Syndroms bei cerv. BS-Schaden C5/C6 und eines LWS-Syndroms bei lumb. BS-
Schaden L5/S1 in regelmäßiger Behandlung steht. Damit aber hat die Antragstellerin
ihre anspruchsbegründende Behauptung, sie könne aus gesundheitlichen Gründen
keine körperliche Arbeit verrichten, in der für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
ausreichenden Weise dargelegt und glaubhaft gemacht, was nach Auffassung des
Senats derart selbstverständlich ist, daß sich dazu weitere Ausführungen erübrigen.
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Daraus wiederum folgt, daß die Verfahrensweise des Familiengerichts durch § 118 ZPO
nicht gedeckt ist, weil sie auf eine unzulässige Vorverlagerung der dem Hauptverfahren
vorzubehaltenden Beweisaufnahme in das Prozeßkostenhilfe-Prüfungsverfahren
hinausläuft. Soweit die Auffassung vertreten wird, eine Beschwerde sei unzulässig,
solange das Erstgericht Erhebungen nach § 118 Abs. 2 ZPO anordne (OLG Köln MDR
1990, 728), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn es kommt für die Beantwortung
der Frage, ob eine gerichtliche Anordnung beschwerdefähig ist oder nicht, nicht auf ihre
äußere Form, sondern auf ihre Wirkung und vornehmlich auf ihre Tragweite für die
Beschwerdepartei an. So gesehen kann nach Auffassung des Senats nicht zweifelhaft
sein, daß das Familiengericht der Sache nach das entscheidungsreife
Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin abschlägig beschieden hat, getreu dem
zwischen den Zeilen zu lesenden Motto: Zur Zeit wird keine Prozeßkostenhilfe bewilligt,
sondern allenfalls erst dann, wenn und soweit sich aus dem noch einzuholenden
Gutachten die ganze oder teilweise Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin ergeben
sollte. So und nicht anders lautet im Klartext der angefochtene Beschluß. Dann aber
muß wegen seiner vorstehend aufgezeigten Wirkung hiergegen auch die Beschwerde
nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO eröffnet sein, deren übrige Zulässigkeitsvoraussetzungen
- § 569 ZPO - problemlos erfüllt sind.
In der Sache selbst führt die zulässige Beschwerde zur Bewilligung ratenfreier
Prozeßkostenhilfe. Die Antragstellerin ist nicht in der Lage, Raten auf die ihr zu
bewilligende Prozeßkostenhilfe aufzubringen, die von ihr beabsichtigte
Rechtsverfolgung hat, wie ausgeführt, hinreichende Aussicht auf Erfolg, und ist nicht
mutwillig.
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