Urteil des OLG Köln vom 09.11.1993

OLG Köln (ewg, fahrzeug, tankstelle, güterbeförderung, ausnahme, tag, sonntag, tätigkeit, verbindung, begriff)

Oberlandesgericht Köln, Ss 459/93 Z 249 Z
Datum:
09.11.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 459/93 Z 249 Z
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Rechtsbeschwerde wird
als unbegründet verworfen. Die Kosten des Verfahrens vor dem
Beschwerdegericht trägt der Betroffene.
G r ü n d e
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Das Amtsgericht hat den Betroffenen "wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung
gegen § 7 c FPersG in Verbindung mit Art. 3, 13, 15 EWG-VO 3821/85" zu einer
Geldbuße von 150,-- DM verurteilt.
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Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene - ein selbständiger Spediteur - am
04.10.1992 (Sonntag) die Alte H.straße in A.-N. mit einer Sattelzugma-schine, ohne
ein Schaublatt in das EG-Kontrollgerät eingelegt zu haben.
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Der Betroffene hatte sich eingelassen, er sei mit der Zugmaschine nur zum Tanken
gefahren, für diese Privatfahrt habe er das Kontrollgerät nicht benut-zen müssen.
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Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, daß EG-Kontrollgerät müsse auch bei
Privatfahrten benutzt werden. Aber selbst wenn man der Rechtsauf-fassung des
Betroffenen folge, könne die Fahrt zum Tanken nicht als Privatfahrt eingestuft
werden, da das Fahren zur Tankstelle am Sonntag dazu haben dienen sollen, das
Fahrzeug am folgenden Tag ge-werblich nutzen zu können.
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Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird zur Fortbildung des materiellen Rechts
zugelassen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Die hier entscheidungserhebli-che Frage, ob
bei der Fahrt mit einer Zugmaschine sonntags zum Tanken, um - wie dem
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Zusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist - das Fahrzeug am folgenden
Werktag gewerblich nutzen zu können, eine Verpflichtung zur Benutzung des EG-
Kontrollgeräts besteht, ist soweit ersichtlich noch nicht Gegen-stand obergerichtlicher
Rechtsprechung gewesen.
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Die Rechtsbeschwerde hat jedoch keinen Erfolg.
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Nach § 7 c Abs. 1 Nr. 1 FPersG handelt ordnungswid-rig, wer als Unternehmer oder
Fahrer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3821/85 das
Kontrollgerät nicht benutzt. Art. 3 Abs. 1 dieser VO bestimmt, daß das Kontrollgerät
bei Fahrzeugen eingebaut und benutzt werden muß, die der Personen- oder
Güterbeförderung dienen; ausgenommen sind u.a. die in Art. 4 VO (EWG) Nr.
3820/85 genannten Fahrzeuge. Bei der hier geführten Zugmaschine handelt es sich
jedoch nicht um ein Fahrzeug im Sinne dieses Ausnahmetatbestandes.
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Im vorliegenden Fall kommt nur die Ausnahme des Art. 4 Nr. 12 VO (EWG) Nr.
3820/85 in Betracht. Ausgenommen sind danach Fahrzeuge, die zur nichtge-
werblichen Güterbeförderung für private Zwecke ver-wendet werden. Diese
Ausnahme ist hier indes nicht gegeben; das angefochtene Urteil beruht daher nicht
auf der rechtsfehlerhaften Auffassung des Amtsge-richts, das EG-Kontrollgerät müsse
(ausnahmslos) auch bei privaten Fahrten benutzt werden.
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Für die Frage, ob ein Fahrzeug zur nichtgewerbli-chen Güterbeförderung für private
Zwecke verwendet wird, kommt es nicht auf die generelle Zweckbe-stimmung des
verwendeten Fahrzeugs an (SenE vom 17.10.1989 - Ss 315/89 = VRS 78, 144 = NZV
1990, 201 sowie SenE vom 12.10.1990 - Ss 457/90 Z). Eine derartige Einschränkung
kann dem Wortlaut des Ausnahmetatbestandes des Art. 4 Nr. 12 VO (EWG) Nr.
3820/85 nicht entnommen werden. Würde die Vorschrift in diesem Sinne ausgelegt,
hätte sie zu-dem keine praktische Bedeutung, da kaum Fälle vor-stellbar sind, in
denen sie dann Anwendung finden könnte. Die Anschaffung von Fahrzeugen im
Sinne von Art. 1 Nr. 2 VO (EWG) Nr. 3820/85 ausschließlich zur gewerblichen
Güterbeförderung für private Zwek-ke wäre völlig unwirtschaftlich und daher schwer-
lich denkbar (SenE vom 17.10.1989 - Ss 315/89 B = VRS 78, 144 = NZV 1990, 201).
Es kommt daher auf den Verwendungszweck bei der konkreten einzelnen Fahrt an
(vgl. SenE a.a.O.; vgl. auch OLG Düssel-dorf VRS 78, 312).
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Bei dieser Beurteilung ist eine Fahrt mit Fahrzeu-gen der in Art. 1 Nr. 2 VO (EWG)
3820/85 genannten Art allerdings nicht etwa bereits dann als nicht-gewerblichen
Zwecken dienend anzusehen, wenn auf ihr keine Güter befördert werden. Das ergibt
sich bereits aus der VO selbst. Nach Art. 2 Abs. 1 gilt die VO für die
(innergemeinschaftliche) Beförderung im Straßenverkehr. Wie der
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Begriffsbestimmung in Art. 1 Nr. 1 zu entnehmen ist, unterfällt dem Begriff
(Straßenverkehr) auch die Fortbewegung ei-nes zur Personen- oder
Güterbeförderung benutzten leeren Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen. Auch
Zugmaschinen sind - wie der Personen- und Güterbe-förderung dienende
"Kraftfahrzeuge" (Art. 1 Nr. 2) - Fahrzeuge im Sinne der VO (EWG) Nr. 3820/85 (Art. 1
Nr. 2 b). Ihre Verwendung zu gewerblichen Zwecken entfällt nicht bereits dadurch,
daß sie ohne Anhän-ger/Sattelanhänger eingesetzt werden - auch wenn sie in einem
solchen Fall (bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen) nicht vom Sonntagsfahrverbot
be-troffen sind (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 30 Abs. 3 StVO; OLG
Düsseldorf NZV 1991, 483).
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Die Frage, welcher der in Rede stehenden Verwen-dungszwecke mit der konkreten
einzelnen Fahrt verfolgt werden, läßt sich demnach nur unter Be-rücksichtigung des
zeitlichen und sachlichen Zusam-menhangs beantworten, in dem die Fahrt stattfindet
(vgl. Erklärung des Bundesministers für Verkehr zu Art. 4 Nr. 12, bei
Lütkes/Meier/Wagner/Emmerich, Straßenverkehr, Art. 4 VO (EWG) 3820/85 Anm. 10).
Wird die Fahrt im zeitlichen und sachlichen Rahmen einer selbständigen,
nachhaltigen, mit Ge-winnabsicht unternommenen Betätigung durchgeführt (vgl. zum
Begriff des Gewerbebetriebs: § 1 Abs. 1 GewStDV), erfolgt sie für gewerbliche
Zwecke (vgl. auch Andresen/Winkler, Fahrpersonalgesetz und Sozialvorschriften für
Kraftfahrer, Art. 4 VO (EWG) Nr. 3820/85 Anm. 12 am Ende). Findet sie außerhalb
des Rahmens einer von Erwerbsstreben bestimmten Tätigkeit statt - also ohne
Gewinnerzielungsab-sicht -, erfolgt sie für private Zwecke (vgl. SenE a.a.O.;
Andresen/Winkler a.a.O.).
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Danach erfüllt eine zum Zwecke des Tankens durchge-führte Fahrt vom
Gewerbebetrieb zur Tankstelle und zurück dann die Voraussetzungen der
Ausnahmerege-lung des Art. 4 Nr. 12 VO (EWG) 3820/85, wenn die nächste Fahrt
privaten Zwecken dient, mag sie auch erst am darauffolgenden Tag stattfinden.
Erfolgt diese nächste Fahrt im Rahmen gewerblicher Zwecke, ist die Fahrt zur
Tankstelle als Vorbereitung der gewerblichen Tätigkeit, als gewerblichen Zwecken
dienend anzusehen.
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Nach dem Zusammenhang der Gründe diente die Fahrt des Betroffenen mit der
Zugmaschine am Sonntag zur Tankstelle dazu, das Fahrzeug am folgenden (Werk-
)Tag gewerblich nutzen zu können. Damit erfüllte diese Fahrt nicht den in Rede
stehenden Ausnahme-tatbestand. Der Betroffene hätte auf der Fahrt zur Tankstelle
und auf der Rückfahrt zum Gewerbebetrieb das Kontrollgerät benutzen müssen.
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Da das Urteil auch ansonsten keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen
erkennen läßt, war die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO in Verbindung mit § 46
Abs. 1 OWiG.
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