Urteil des OLG Köln vom 19.01.2007

OLG Köln: sicherheitsleistung, abweichende meinung, zustellung, bürgschaftserklärung, bankbürgschaft, zustandekommen, zugang, zwangsvollstreckung, bürgschaftsvertrag, form

Oberlandesgericht Köln, 6 W 146/06
Datum:
19.01.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 146/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 394/05
Normen:
ZPO §§ 108, 172, 751 Abs. 2, 890
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 05.12.2006 gegen den
Beschluss der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21.11.2006 –
31 O 394/05 SH IV – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
1
Die gemäß §§ 793 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde
der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts, mit welchem ein
Ordnungsgeld von 20.000 € gegen sie festgesetzt worden ist, stellt sich in der Sache als
unbegründet dar. Klarzustellen ist lediglich, dass sich die Verhängung des
Ordnungsgeldes aus schuldhaften Zuwiderhandlungen gegen das am 13.10.2005
verkündete Urteil der Kammer – 31 O 394/05 – rechtfertigt und nicht, wie in dem
angefochtenen Beschluss irrig angegeben, aus einem Urteil vom "08.09.2005".
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1.
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Die Kammer hat es zu Recht als unerheblich angesehen, dass die
Vollstreckungsklausel erst im Laufe des Zwangsvollstreckungsverfahrens am
25.07.2006 erteilt worden ist und also zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen
Zuwiderhandlungen – mit Ausnahme derjenigen vom 10.09.2006 – noch nicht vorlag.
Ausreichend ist es nämlich, wenn die Klausel wie hier zum Zeitpunkt der Verhängung
des Ordnungsmittels, d.h. bei Erlass des gerichtlichen Beschlusses, erteilt ist. Der Senat
nimmt insoweit die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts und die von der
Kammer ausführlich zitierte herrschende Meinung als richtig in Bezug, nachdem die
Schuldnerin dem im Rahmen des Beschwerdevorbringens nur weiterhin ihre eigene
abweichende Meinung entgegen gesetzt hat.
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2.
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Hinsichtlich der Zuwiderhandlungen vom 07.05. und 21.05.2006 (beide Fall 3) sowie
vom 10.09.2006 (Fall 4) kommt es auf die von den Parteien streitig diskutierten Fragen
im Zusammenhang mit einer von der Gläubigerin zu leistenden Sicherheit i.S. des § 709
Satz 1 ZPO von vorneherein nicht an. Durch Senatsurteil vom 05.05.2006 – 6 U 209/05
– ist die Berufung der Schuldnerin gegen die Unterlassungsverpflichtung aus Ziffer I.3
des landgerichtlichen Urteils zurückgewiesen und zugleich das Urteil gemäß § 708 Nr.
10 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Einer Sicherheitsleistung der Klägerin
vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen bedurfte es daher nicht. Unerheblich ist
im Übrigen, dass der Schuldnerin insoweit eine Abwendungsbefugnis zuerkannt
worden war, nachdem sie die entsprechende Sicherheitsleistung von 30.000 € erst im
Dezember 2006 und damit nach Rechtskraft der Ausgangsentscheidung erbracht hat.
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3.
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Anders verhält es sich indes bei den weiteren Zuwiderhandlungen während des
Berufungsverfahrens vom 19.02. (auch Fall 3), 26.04. (Fall 1) und 30.04.2006 (Fall 2),
deren Vollstreckung sich allein nach den Anordnungen über die vorläufige
Vollstreckbarkeit in dem erstinstanzlichen Urteil richtet. Der Senat schließt sich
allerdings im Ergebnis der von der Kammer vertretenen Auffassung an, dass der
Festsetzung eines Ordnungsgeldes keine formalen Mängel entgegen stehen.
Insbesondere war die Gläubigerin nicht gemäß § 751 Abs. 2 ZPO gehalten, die
Originalbürgschaftsurkunde betreffend ihre von dem Landgericht angeordnete
Sicherheitsleistung (bzw. eine beglaubigte Abschrift) – auch – an die
Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin zustellen zu lassen.
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a)
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Nach allgemeiner Meinung dürfen Ordnungsmittel i.S. des § 890 ZPO nur verhängt
werden, wenn eine nach dem Urteil erforderliche Sicherheitsleistung des Gläubigers in
dem Zeitpunkt bereits erbracht war, in dem der Schuldner den Verstoß gegen das
titulierte Unterlassungsgebot begangen hat (BGH NJW 1996, 397, 398; OLG Frankfurt
OLGR 2003, 176; OLG Zweibrücken OLGR 1998, 112; OLG Karlsruhe MDR 1996, 525;
OLG München GRUR 1990, 638; Senat in WRP 1983, 56). Diese Voraussetzung liegt
vor.
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Unstreitig hat die Gläubigerin schon am 18.11.2005 eine Prozessbürgschaft der
Sparkasse P. über 50.000 € erwirkt. Der Bürgschaftsvertrag kommt allerdings erst
zustande, wenn die Bürgschaftserklärung dem Sicherungsberechtigten – hier der
Schuldnerin – entweder im Original zugeht, § 130 Abs. 1 BGB, oder gemäß § 132 BGB
i.V. mit § 192 ZPO in Urschrift oder beglaubigter Abschrift durch den Gerichtsvollzieher
zugestellt wird (OLG Karlsruhe a.a.O.; Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl., § 108 Rn. 11). Die
Zustellung kann hierbei entweder an die sicherungsberechtigte Partei persönlich
erfolgen oder an ihren Prozessbevollmächtigten, sofern seine Vollmacht dies umfasst,
da es sich nicht um eine Zustellung als Prozesshandlung, sondern um eine solche nach
§ 132 Abs. 1 BGB handelt (OLG Karlsruhe a.a.O.; Zöller-Herget a.a.O.; Stein-Jonas-
Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 108 Rn. 32; MK-ZPO-Heßler, 2. Aufl. 2000, § 751 Rn. 27).
Ausweislich der als Anlage AS 7 vorgelegten Zustellungsurkunde ist der Schuldnerin
die Originalbürgschaftsurkunde durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers am
08.02.2006 zugestellt worden, womit die – einer ausdrücklichen Annahme nicht
bedürfende - Prozessbürgschaft wirksam erbracht und das Unterlassungsverbot
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vollstreckbar war.
b)
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Dem Landgericht als Vollstreckungsgericht ist die gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt.
ZPO bewirkte Sicherheitsleistung in Form der Anlage 7 (Bl. 37) zum
Vollstreckungsantrag ordnungsgemäß i.S. des § 751 Abs. 2 ZPO nachgewiesen
worden.
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Die – ausgebliebene – Zustellung einer Urkunde, mit der das Zustandekommen eines
Bürgschaftsvertrages nachgewiesen werden konnte, an den Prozessbevollmächtigten
der Schuldnerin hindert die Zwangsvollstreckung nicht.
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aa)
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Für ihre gegenteilige Auffassung kann sich die Schuldnerin allerdings auf den Wortlaut
der Vorschriften der §§ 751 Abs. 2, 172 ZPO berufen. Nach § 751 Abs. 2 ZPO ist der
Nachweis der erbrachten Sicherheitsleistung nicht nur gegenüber dem
Vollstreckungsorgan zu erbringen, sondern auch dem Schuldner zuzustellen. Diese
Zustellung hat nach § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten zu erfolgen,
wenn, wie hier, ein Verfahren anhängig ist.
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bb)
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In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird jedoch seit langem (soweit ersichtlich:)
einhellig die Auffassung vertreten, dass die Bestimmung des § 751 Abs. 2 ZPO in ihrem
Zustellungsverlangen an den Schuldner auf die "klassische" Art der Sicherheitsleistung
durch Hinterlegung (vgl. § 108 ZPO a. F.) zugeschnitten sei und bei der Variante der
Sicherheitsleistung per Bankbürgschaft auf eine leere Förmelei hinauslaufe: die
Bürgschaftserklärung des Kreditinstituts müsse dem Schuldner, wenn ein
Bürgschaftsvertrag zustandekommen soll, ohnehin zugeleitet werden (vgl. oben unter a),
so dass eine weitere Zustellung an ihn keinen Sinn mehr mache (so OLG Frankfurt NJW
1966, 1521, 1522; OLG Hamm WM 1975, 1020, 1023; OLG Düsseldorf MDR 1978, 489).
In der Kommentarliteratur sind die Meinungen geteilt (wie die zitierten Obergerichte
Stein-Jonas-Münzberg, a.a.O. § 751 Rn 12 und Stein-Jonas-Bork, § 108 Rn 37; MK-
ZPO-Heßler a.a.O., § 751 Rn 27; HK-ZPO/Kindl § 751 Rn 5; a. A. Wieczorek (Schütze-
Salzmann, 3. A., § 751 Rn 14; Putzo in Thomas/Putzo, 27. A., § 751 Rn 7,
differenzierend Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 64. A., § 751 Rn
7).
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cc)
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Der Senat schließt sich der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung im Ergebnis
an. Das Erfordernis einer nochmaligen Zustellung an den Prozessbevollmächtigten
kann indessen nicht ohne weitere Erläuterung als leere Förmelei bezeichnet werden,
wenn zuvor die Bankbürgschaft nicht ihm, sondern seinem Mandanten zugegangen ist.
§ 172 ZPO bezweckt nämlich zu gewährleisten, dass der Prozessbevollmächtigte im
gesamten Verfahren Kenntnis von den zuzustellenden Schriftstücken nehmen kann (vgl.
Zöller/Stöber, 26. A., § 172 Rn 1).
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Die Vorschrift geht allerdings von der typischen Grundsituation aus, dass es bei einer
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Zustellungsadresse bleibt, nämlich dem Prozessbevollmächtigten anstelle seines
Mandanten. Dem Mandanten ist jedoch die Bürgschaftserklärung in erster Linie
zuzuleiten, weil es um das Zustandekommen eines rechtsgeschäftlichen Vertrages geht
und – da sich in diesem rechtlichen Zusammenhang die Anwendbarkeit des § 172 ZPO
nicht von selbst versteht – zwar gewiss ist, da die Sicherheitsleistung mit Zugang der
Erklärung beim Mandanten erbracht ist, aber streitig ist, ob ihr Zugang beim
Prozessbevollmächtigten auch ohne materiell-rechtliche Vollmachterteilung dieselben
Rechtsfolgen hat (vgl. die Nachweise obern unter a).
Eine danach zur Diskussion stehende Doppelzustellung erscheint aber auch dem Senat
entbehrlich. Der Prozessbevollmächtigte muss seinen Mandanten angesichts des
gegen diesen ergangenen Titels ohnehin darüber belehren, dass der Gläubiger
demnächst mit der Zwangsvollstreckung beginnen kann, wenn er die gebotene
Sicherheit leistet, und dass der Mandant infolgedessen mit der Zustellung einer
Bürgschaftsurkunde als der gebräuchlichsten Art der Sicherheitsleistung rechnen
müsse. Der Mandant ist daher durch seinen Anwalt hinreichend gewarnt, dass er mit
Zuleitung der Urkunde den Titel bei Vermeidung vollstreckungsrechtlicher Nachteile
unbedingt zu beachten hat. Der Prozessbevollmächtigte kann überdies, wenn der
Mandant ihn denn zuvor vom Zugang der Bürgschaftserklärung nicht unterrichtet hat, bei
Kenntnis von zwischenzeitlichen Vollstreckungsmaßnahmen die maßgeblichen
Formalitäten unschwer im Nachhinein in Erfahrung bringen. Bei dieser
verfahrensrechtlichen Interessenlage macht das Erfordernis einer Doppelzustellung in
der Tat keinen hinreichenden Sinn.
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4.
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Die Feststellungen des Landgerichts dazu, dass es sich bei den gerügten Handlungen
um Verstöße gegen das titulierte Unterlassungsgebot handelt, sowie zur Höhe des mit
insgesamt 20.000 € bemessenen Ordnungsgeldes wegen Zuwiderhandlungen in vier
Fällen stellen sich auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens als zutreffend dar;
der Senat nimmt die entsprechenden Ausführungen als richtig in Bezug.
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5.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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6.
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Der Senat hat die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zugelassen, weil die
Frage einer restriktiven Anwendung des § 751 Abs. 2 ZPO bei einer Sicherheitsleistung
durch Bankbürgschaft im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet und vom
Bundesgerichtshof noch nicht entschieden worden ist (ausdrücklich offengelassen in
BGH NJW 1996, 397, 398).
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