Urteil des OLG Köln vom 25.04.1997

OLG Köln (anspruch auf rechtliches gehör, einrede des nichterfüllten vertrages, programm, rechtliches gehör, zugesicherte eigenschaft, behauptung, zpo, 1995, kläger, software)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 201/96
Datum:
25.04.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 201/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 20 O 92/96
Schlagworte:
AnforderungenSubstantiierungspflicht Verfahrensfehler
Normen:
ZPO §§ 139, 539
Leitsätze:
Die unter Beweis gestellte Behauptung einer Partei, ein für ein
Fitnesstudio erstelltes EDV-Programm entspreche in 10 Punkten nicht
den Zusicherungen bzw. sei fehlerhaft, kann nicht mit der Begründung
als unsubstantiiert zurückgewiesen werden, es sei nicht erkennbar, daß
ein Programm für ein Fitnesstudio die als fehlend gerügten
Eigenschaften benötige; das Absehen von der Beweisaufnahme ist
unter diesen Umständen verfahrensfehlerhaft.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 20. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 25.09.1996 - 20 O 92/96 - aufgehoben und die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung des Beklagten führt gem. § 539 ZPO zur Aufhebung und
Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung, weil das landgerichtliche
Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet.
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Der Kläger verlangt restliche Bezahlung eines von ihm für das Fitneßstudio des
Beklagten gelieferten Softwareprogramms namens "Easy Fit Software" sowie die
Übertragung von Daten aus dem bisherigen EDV-System des Beklagten in das neue
Programm. Die Software wurde am 21.10.1995 in den Geschäftsräumen des Beklagten
installiert, die Datenübernahme am 28.10.1995 abgeschlossen. Unter dem 26.10.1995
stellte die Klägerin dem Beklagten hierfür brutto 13.754,00 DM in Rechnung, auf die der
Beklagte im Januar 1996 DM 1.500,00 zahlte. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der
gelieferten Software zugesicherte Eigenschaften fehlen und ob sie mangelhaft ist. Mit
Fax vom 2.1.1996 machte der Beklagte Mängel der gelieferten Software geltend, mit
Schreiben vom 30.1.1996 erklärte er die Wandlung des Vertrages, wobei er zur
Begründung 10 von ihm behauptete Mängel des Programms aufführte.
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Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Beklagte habe
Fehler des Programms oder die Zusicherung bestimmter Eigenschaften nicht
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substantiiert vorgetragen.
Das Landgericht hat zu Unrecht das Vorbringen des Beklagten als unsubstantiiert
angesehen und deshalb von der erforderlichen Beweisaufnahme abgesehen; das stellt
einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung
nach § 539 ZPO führt.
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Der Beklagte hat in seiner Klageerwiderung insgesamt 10 Punkte, in denen das
Programm nach seiner Ansicht entweder nicht den Zusicherungen entsprach oder
fehlerhaft war (Bl. 11, 12 d.A.).
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So hat er unter Ziffer 2) aufgeführt, daß eine Mitgliedersuche nur nach Familienname
und Mitgliedsnummer möglich sei, obwohl der Kläger ihm zugesichert habe, daß auch
eine Suche nach Vorname, Adresse, Bankverbindung möglich sei. Das hat das
Landgericht fehlerhaft mit der Begründung abgetan, es könne nicht festgestellt werden,
daß ein Programm für ein Fitness-Studio derartiges können müsse, es handele sich
deshalb um keinen Fehler. Eine derartige Argumentation verkennt schon, daß
Eigenschaft i.S. des § 459 Abs. 2 BGB nicht nur alles ist, was einen Fehler ausmacht,
sondern darüber hinaus auch jedes der Sache anhaftende Merkmal, das ihren Wert oder
ihre Gebrauchstauglichkeit nicht beeinflußt, für den Käufer aber von Interesse ist (vgl.
Palandt - Putzo, BGB, 56. Aufl., § 459 Rn 20). Wenn der Beklagte sich also, aus
welchen Gründen auch immer, die von ihm angeführten Sortierfunktionen hat zusichern
lassen, so fehlte dem Programm, da es diese Funktionen unstreitig nicht erfüllte, eine
zugesicherte Eigenschaft, die den Beklagten zur Wandlung berechtigte. Im übrigen ist
die Ansicht des Landgerichts, es sei nicht ersichtlich, daß ein Verwaltungsprogramm
derartiges können müsse, auch unzutreffend, wie der Hinweis des Beklagten, sein
Datenbestand von 4.000 Mitgliedern umfasse allein 57 verschiedene Müller (Bl. 68
d.A.), zeigt; die erweiterte Sortierfunktion ist daher wesentlich für ein effizientes Arbeiten
mit dem Programm.
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Unbeschadet dieser Überlegungen hatte der Beklagte auch behauptet, ihm sei
zugesichert worden, daß das neue Programm alle Funktionen könne, die auch sein
altes beherrsche; hierzu zählte auch die erweiterte Sortierfunktion, wie sich aus seinen
Ausführungen im Schriftsatz vom 24.6.1996 (Bl. 27, 28 d.A.) ergibt. Wenn dem
Landgericht dieser Vortrag zusammen mit den Mängelpunkten nicht genügte, so hätte
es den Beklagten hierauf hinweisen (§ 139 ZPO) und um eine gegenüberstellende
Aufzählung nachsuchen müssen oder um Konkretisierung, welche Punkte zugesichert
worden seien und welche der Beklagte als Fehler ansehe.
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Gleiches gilt zu der Behauptung, ein Vor- und Zurückblättern der Mitglieder sei nicht
möglich (Ziffer 3) und das Programm trenne nicht nach aktiven und passiven Mitgliedern
(Ziffer 4); konnte das alte Programm dies, dann war diese Funktion ohnehin nach der
Behauptung des Beklagten zugesichert; das hat auch das Landgericht zu Ziffer 3)
erkannt aber zu Unrecht gemeint, der Vortrag des Beklagten biete keine hinreichende
Grundlage für eine Überprüfung; zu Ziffer 4) fehlen konkrete Ausführungen im Urteil.
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Zu Unrecht hat das Landgericht auch der Behauptung des Beklagten, der Kläger habe
entgegen seiner Zusage im September 1995 kein kostenloses Programm-Update
geliefert, keine Bedeutung beigemessen; der Beklagte hatte behauptet, der Kläger habe
die Lieferung des Updates nach Mängelrügen zugesichert (Bl. 12 d.A.); trifft dies zu,
dann haben sich die Parteien auf einen anderen Lieferungsgegenstand geeinigt, so daß
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dem Beklagte, solange diese Lieferung nicht erfolgt ist, die Einrede des nichterfüllten
Vertrages aus § 320 BGB zustand.
Schließlich hat der Beklagte schon erstinstanzlich gerügt, bei den monatlichen
Beitragsabbuchungen fehlten regelmäßig Mitgliedsbeiträge in der Abbuchungsliste, es
handele sich um etwa 50 Abbuchungen und Differenzen von bis zu 4.000,-- DM; das
Mahnprogramm lasse fällige Außenstände unberücksichtigt. (Bl. 12, 30 d.A.). Er hat für
seine Behauptung Zeugen- und Sachverständigenbeweis angetreten. Das genügte
zunächst, die Fehlerhaftigkeit des Programms darzutun; genügte ihm dies nicht, hätte
das Landgericht den Beklagten auffordern können, die entsprechenden
Abbuchungslisten mit Kennzeichnung der Fehlbuchungen vorzulegen.
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Zusammenfassend steht damit fest, daß das Landgericht wesentliches Vorbringen des
Beklagten übergangen und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat;
das stellt einen erheblichen Verfahrensmangel dar, auf dem auch die angefochtene
Entscheidung beruht. Der Umfang der noch erforderlichen Aufklärung läßt es als
sachdienlich erscheinen, diese vom Landgericht vornehmen zu lassen (§ 540 ZPO),
dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorzubehalten
war.
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Hierbei wird das Landgericht auch den in der Berufungsbegründung substantiiert
angeführten weiteren Programmfehlern nachzugehen haben, da diese, liegen sie vor,
den Beklagten ebenfalls zur Wandlung berechtigten. So behauptet der Beklagte
beispielsweise, daß die Datenübernahme fehlerhaft erfolgt sei; es sollen 2371 von 4113
Mitgliedern älter als 86 Jahre sein (Bl. 69 d.A.), was für einen Fitness-Club mehr als
ungewöhnlich sein dürfte. Die Mitgliederdaten sind -unstreitig - über den vorgesehenen
Button nicht druckbar (Bl. 70, 109 d.A.), Beitragsbuchungen, Mahnungen und
Vertragsverlängerungen fehlerhaft (Bl. 70 d.A.). Soweit es sich hierbei um Mängel
handelt, die erstmals im Berufungsverfahren konkret vorgetragen werden, hindert dies
ihre Geltendmachung entgegen der Ansicht des Klägers nicht; diese Fehler sind Teil der
"Programmierfehler", die der Beklagte schon in nicht verjährter Zeit gerügt und auf die er
sein Wandlungsbegehren gestützt hat; eine Beschränkung auf die vom Beklagten in
seinen Schreiben vom Januar 1996 konkret aufgezeigten Mangelerscheinungen findet
nicht statt, vielmehr genügt es, daß die geltend gemachten Mängel z.Zt. der
Geltendmachung der Wandlung vorlagen (vgl. Palandt - Putzo, BGB, 56. Aufl., § 462 Rn
9; vgl. auch BGH - VII ZR 14/88 - 15.06.89 DRsp-ROM Nr. 1992/1832 = BB 1989, 2003
= BGHZ 108, 65 = BauR 1989, 606 = DB 1989, 1867 = DRsp I (138) 568 a-b = MDR
1989, 1094 = NJW 1989, 2753 = WM 1989, 1609).
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Beschwer: 12.254,00 DM
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