Urteil des OLG Köln vom 23.12.2009

OLG Köln (höhe, fahrverbot, dauer, rechtskraft, könig, sanktion, geschwindigkeit, umstände, monat, kommentar)

Oberlandesgericht Köln, 82 Ss-OWi 113/09
Datum:
23.12.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
82 Ss-OWi 113/09
Tenor:
Unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels wird das
angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch teilweise dahin
abgeändert, dass die Geldbuße auf
1.000,00 €
festgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht werden dem
Betroffenen auferlegt. Allerdings wird die Gebühr um ein Viertel
ermäßigt. Die dem Betroffenen im Beschwerdeverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen werden zu einem Vierteil der Staatskasse
auferlegt.
G r ü n d e
1
Die Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, der dem
Verteidiger mitgeteilt und wie folgt begründet worden ist:
2
"I.
3
Mit Bußgeldbescheid vom 04.05.2009, dem Betroffenen zugestellt am 09.05.2009, hat
der Oberbürgermeister der Stadt Köln gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 77 km/h
gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, §§ 24, 25 StVG, 11.3.10 BKat, § 4 Abs. 1 BKatV eine
Geldbuße in Höhe von 600,00 Euro festgesetzt. Ferner hat die Behörde ein Fahrverbot
für die Dauer von drei Monaten angeordnet (Bl. 3 f., 19 d. Bußgeldvorgangs).
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Mit Urteil vom 03.09.2009 807 OWi 172/09 (Bl. 27 ff. d. A.), dem Verteidiger zugestellt
am 16.09.2009 (Bl. 43 d. A.), hat das Amtsgericht Köln gegen den Betroffenen wegen
der im Bußgeldbescheid aufgeführten, fahrlässigen Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße
in Höhe von 1.800,00 Euro festgesetzt und ihm für die Dauer von einem Monat das
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Führen von Kraftfahrzeugen aller Art untersagt. Das Fahrverbot sollte erst dann wirksam
werden, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung
gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft.
Mit am 09.09.2009 beim Amtsgericht Köln eingegangenen Schriftsatz seines
Verteidigers hat der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt (Bl. 26
d. A.) und diese mit weiterem, am 23.09.2009 beim Amtsgericht Köln eingegangenem
Schriftsatz unter Erhebung der allgemeinen Sachrüge begründet (Bl. 44 f. d. A.).
6
II.
7
1.
8
Die Feststellung des Tatrichters, der Betroffene habe die im Urteilstenor aufgeführte
Ordnungswidrigkeit begangen, lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Rechtsbeschwerdeführers erkennen.
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Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Geschwindigkeitsmessungen durch
Nachfahren mit einem Messfahrzeug unter Verwendung einer Video-
Verkehrsüberwachungsanlage ProViDa vorgenommen worden sind. Die
Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist als sog. standardisiertes
Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 39, 291 =
NZV 1993, 485; NJW 1998, 321 = NZV 1998, 120) anerkannt (so ausdrücklich für die
ProViDa-Anlage: SenE. vom 03.04.2005 – 81 Ss-OWi 24/06 – 61 - ;OLG Celle VRS 92,
435 f. = NZV 1997, 188; vgl. ferner zum "Police-Pilot-System": OLG Braunschweig NZV
1995, 367; OLG Celle VRS 77, 464 = NZV 1990, 39 f. = DAR 1989, 469; KG VRS 88,
473 = NZV 1995, 37; OLG Stuttgart VRS 79, 379 = DAR 1990, 392; KG [12.04.01] VRS
100, 471 [472] = NStZ-RR 2002, 116 [117]; König, in: Hentschel/König/Dauer,
Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 3 StVO Rdnr. 62a; SenE v. 30.07.1999 - Ss 343/99 B -
= DAR 1999, 516 = NZV 2000, 97 [98] = VRS 97, 442 [445]; vgl. a. Hentschel NJW
2000, 697 f.; OLG Düsseldorf VRS 99, 297; OLG Hamm DAR 2004, 42 = VRS 106, 64;
OLG Hamm DAR 2001, 85 = NZV 2001, 90 = VRS 100, 61; OLG Zweibrücken DAR
2001, 327). Zum Ausgleich systemimmanenter Messungenauigkeiten reicht ein
Toleranzabzug von 5% der gemessenen Geschwindigkeit aus BayObLG DAR 2004, 37
= VRS 105, 444 = NZV 2004, 49; OLG Düsseldorf VRS 99, 133 [135] = NStZ-RR 2000,
279 L. = DAR 2001, 374 L.; OLG Hamm [22.09.03] DAR 2004, 42 = VRS 106, 64). Dabei
genügt es in der Regel, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und der nach
Abzug der Messtoleranz ermittelten Geschwindigkeit stützt (SenE. vom 03.04.2005 – 81
Ss-OWi 24/06 – 61 - ; BayObLG DAR 2004, 37 = VRS 105, 444 = NZV 2004, 49; König,
a.a.O.). Angaben zur Nachfahrstrecke und den ermittelten Messergebnissen zu Zeit und
Weg sind nicht erforderlich. Der Tatrichter ist nur dann gehalten, die Zuverlässigkeit von
Messungen, die mit einem anerkannten und weitgehend standardisierten Messverfahren
gewonnen worden sind, zu überprüfen und sich damit in den Urteilsgründen zu
befassen, wenn konkrete Anhaltpunkte für Messfehler bestehen (vgl. u. a. SenE. vom
03.04.2005 – 81 Ss-OWi 24/06 – 61 – OLG Köln, DAR 1999, 516 m. w. N.).
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Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Insbesondere werden das
Messverfahren, die gemessene Geschwindigkeit sowie der vorgenommene
Toleranzabzug in Höhe von 5 % in den Urteilsgründen mitgeteilt. Konkrete Umstände,
die Zweifel an der fehlerfreien Bedienung der ProViDa-Überwachungsanlage oder
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dessen ordnungsgemäßer Funktion begründen könnten, sind nicht geltend gemacht
worden.
2. Hinsichtlich der festgesetzten Rechtsfolgen kann das angefochtene Urteil dagegen
keinen Bestand haben.
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Die erkannte Geldbuße in Höhe von 1.800,00 Euro überschreitet den gemäß § 24
Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 17 Abs. 2 OWiG für eine Verkehrsordnungswidrigkeit
zulässigen Höchstbetrag der Geldbuße. Nach § 24 Abs. 2 StVG kann eine
Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 2.000,00 Euro
geahndet werden. Für die Fälle, in denen wie hier das Gesetz für vorsätzliches und
fahrlässiges Handeln eine Geldbuße androht, ohne im Höchstmaß zu unterscheiden,
kann fahrlässiges Handeln im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten
Höchstbetrages der Geldbuße geahndet werden. Mithin betrug die Höchstgeldbuße
1.000,00 Euro. Diese gesetzliche Höchstgrenze gilt auch dann, wenn das Gericht von
dem im Bußgeldbescheid festgesetzten Fahrverbot absieht oder dieses herabsetzt (OLG
Düsseldorf, VRS 65, 51; Mitsch, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Auflage, § 17 Rdnr.
145)
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Da das Amtsgericht ausreichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen
des Betroffenen, zu den Voreintragungen im Verkehrszentralregister sowie den übrigen
für die Festlegung der Sanktion bedeutsamen Umstände getroffen hat (vgl. zu dieser
Voraussetzung einer eigenen Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts Senge. In:
Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 79 Rdnr. 153), bedarf es einer Zurückverweisung an
das Amtsgericht nicht. Vielmehr kann das Rechtsbeschwerdegericht über die
Angemessenheit der Geldbuße und die Berechtigung des angeordneten Fahrverbots
gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden (Senge, a.a.O., Rdnr. 159).
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Im Rahmen der nunmehr festzusetzenden Sanktion ist zu berücksichtigen, dass der
Senat aufgrund des Verschlechterungsverbots daran gehindert ist, die vom Amtsgericht
Köln in dem angefochtenen Urteil angeordnete Dauer des Fahrverbots von einem
Monat, die von dem in § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 BKatV, 11.3.10
BKat vorgesehenen Regelfahrverbot von 3 Monaten erheblich abweicht, zu verlängern.
Die Verhängung eines Fahrverbots nach § 25 StVG stellt gegenüber der Geldbuße die
höhere und härtere Sanktion dar. Da dessen Gewicht im Rahmen der gebotenen
Gesamtschau auch durch eine nachhaltige Ermäßigung der erkannten Geldbuße nicht
ausgeglichen werden kann, verstößt nicht nur seine erstmalige Verhängung (vgl. hierzu
OLG Karlsruhe, VRS 86, 137; OLG Stuttgart, VRS 70, 288), sondern auch eine
Verlängerung des Fahrverbots in einem nur von dem Betroffenen betriebenen
Rechtsmittelverfahren gegen das Verschlechterungsverbot.
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In Anbetracht dessen, dass es somit bei dem vom Amtsgericht angeordneten Fahrverbot
von einem Monat sein Bewenden haben muss, ist im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 3
OWiG vorzunehmenden Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls auch unter
Berücksichtigung der sich nur auf 1.200,00 Euro netto belaufenden Einkünfte und der
Unterhaltsverpflichtungen zur Erzielung einer nachhaltigen erzieherischen Wirkung auf
den teilweise einschlägig vorbelasteten Betroffenen die Verhängung der
Höchstgeldbuße in Höhe von 1.000,00 Euro erforderlich.
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Gemäß § 25 Abs. 2a StVG wird das einmonatige Fahrverbot erst wirksam, wenn der
Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens
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jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft."
Dem stimmt der Senat zu.
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Die Rechtsbeschwerde ist uneingeschränkt eingelegt worden. Ein konkreter Antrag,
dem eine Beschränkung entnommen werden könnte, ist nicht gestellt worden. Auch der
Begründung lässt sich ein entsprechender Wille nicht eindeutig entnehmen; vielmehr
wird darauf verwiesen, dass die allgemeine Sachrüge erhoben wird, "ohne diese auf die
nachstehenden Asuführungen zu beschränken". Daher war die Rechtsbeschwerde zu
verwerfen, soweit es den Schuldspruch und den nicht abgeänderten Teil des
Rechtsfolgenausspruchs betrifft.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf § 473
Abs. 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.
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