Urteil des OLG Köln vom 15.04.2005

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Oberlandesgericht Köln, 4 UF 20/05
Datum:
15.04.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 UF 20/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Brühl, 33 F 422/03
Tenor:
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Berufungsverfahrens
Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
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Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Berufungsverfahrens
Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war zurückzuweisen, da die beabsichtigte
Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht bietet.
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Erfolgversprechend kann die Berufung allenfalls insoweit sein, als sich der Kläger
dagegen wehrt, dass das Amtsgericht die Abänderung des Unterhaltstitels aus dem
gerichtlichen Vergleich des Amtsgerichts – Familiengericht – Brühl vom 10.04.2002 – 33
F 448/01 – erst ab dem 24.02.2004 (Eröffnung des Insolvenzverfahrens) ausgesprochen
hat. Dabei ist nämlich unberücksichtigt geblieben, dass nach dem Vortrag des Klägers
jedenfalls bereits ab Sommer 2003 die titulierten Kindertagesstättenkosten in Höhe von
52 € monatlich wegen Einschulung des Beklagten weggefallen sind. Allerdings kann
insoweit keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Begründet wäre die Berufung damit
lediglich in Höhe eines Betrages von 208 € (52 € x 4). Der Kläger begehrt Abänderung
des Unterhaltstitels ab November 2003. Tatsächlich abgeändert wurde laut dem
amtsgerichtlichen Urteil der Unterhaltstitel ab dem 24.02.2004 (Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das private Vermögen des Klägers). Damit liegt die
Erfolgsaussicht der Berufung unter der Berufungssumme im Sinne von § 511 Abs. 2 Nr.
1 ZPO von mehr als 600 €.
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Wird eine Berufung eingelegt, deren Wert die Berufungssumme übersteigt, und zugleich
Prozesskostenhilfe beantragt, hat aber der Berufungsantrag sachlich nur teilweise
Erfolgsaussicht und liegt dieser Teil unterhalb der Mindestbeschwer, so ist die Berufung
zwar zunächst zulässig. PKH darf dem Berufungskläger aber nicht gewährt werden, weil
er keinen zulässigen erfolgversprechenden Berufungsantrag stellen kann. Würde sie
ihm für einen Antrag mit einem Wert von bis zu 600 € bewilligt und würde er darauf in
der mündlichen Verhandlung unter Berufungsrücknahme im übrigen nur diesen Antrag
stellen, so müsste die Berufung verworfen werden. Denn sie wird unzulässig, wenn der
Berufungskläger, ohne durch eine Veränderung des Beschwerdegegenstandes hierzu
gezwungen zu sein, seinen Antrag soweit ermäßigt, dass er die Berufungssumme nicht
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mehr erreicht (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 114 Rdnr. 28 unter Hinweis auf
BGH NJW 1983, 1063 m.w.N.).
Soweit sich der Kläger dagegen wehrt, ab November 2003 höheren Kindesunterhalt als
114 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe abzüglich eines gegebenenfalls
anzurechnenden Kindergeldanteils, für November und Dezember 2003 monatlich 260 €
- 29 € = 231 € monatlich, seit Januar 2004 monatlich 275 € - 26 € = 249 € zu zahlen,
verspricht die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Für die Zeit von November 2003 bis
zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Privatvermögen des Klägers am 24.
Februar 2004 verbleibt es bei dem durch den Unterhaltsvergleich titulierten
geschuldeten Kindesunterhalt von 190,10 % des Regelbetrags der jeweiligen
Altersstufe (ab 01.07.2003 also 190,10 % von 241,-- € = 458,-- €). Ab Insolvenzeröffnung
schuldet der Kläger dem Beklagten jedenfalls Kindesunterhalt in der vom
Familiengericht in dem angegriffenen Urteil festgestellten Höhe.
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In diesem Umfang ist der Kläger leistungsfähig. Er hat nicht darlegen und in geeigneter
Form glaubhaft machen können, dass er unverschuldet teilweise leistungsunfähig
geworden ist.
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Dem Kläger muss nämlich vorgeworfen werden, dass er keine ausreichenden
Bemühungen unternommen hat, um eine neue Arbeitsstelle zu finden, die es ihm
ermöglicht, seinen eingegangenen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen.
Gegenüber minderjährigen Kindern trifft den Unterhaltsschuldner eine gesteigerte
Erwerbsobliegenheit. Der Kläger hat seiner Darlegungs- und Beweisführungslast
insoweit bereits nicht genügt, wonach er vorzutragen hat, dass er trotz intensiver
Arbeitsbemühungen nicht in der Lage ist, eine neue Arbeitsstelle zu finden, die es ihm
ermöglicht hätte, den vergleichsweise geschuldeten Unterhalt zu zahlen. Allein der
Umstand, dass der Kläger sich nach Stellung des Insolvenzantrages beim Arbeitsamt
als arbeitslos gemeldet hat, reicht für eine ausreichende Arbeitssuche nicht aus.
Erwartet wird vielmehr eine intensive und konkrete Eigenbemühung in Form der
regelmäßigen Lektüre der örtlichen Zeitungen und sonstigen Werbeträger sowie die
Bewerbung auf alle Annoncen, die für Stellensuchende in Betracht kommen und einen
für den Bewerber günstigen Tätigkeitsbereich haben. Dabei hat der Unterhaltspflichtige
die ihm zur Verfügung stehende freie Arbeitszeit in vollem Umfange zu nutzen, um seine
Bewerbungsbemühungen durchzuführen. Der Kläger ist nicht einmal ansatzweise den
Anforderungen für solche Arbeitsbemühungen nachgekommen. So trägt er auf Seite 3
unten der Berufungsbegründung (Bl. 141 GA) lediglich zwei Initiativbewerbungen vor,
die negativ beschieden worden sind. Sein Entschluss vom Oktober 2004, sich erneut
selbständig zu machen, ist nicht geeignet, solche Arbeitsbeschaffungsbemühungen
entbehrlich erscheinen zu lassen. Gerade die Vergangenheit hat gezeigt, dass der
Kläger aus selbständiger Tätigkeit nicht in der Lage ist, seinen und seines Kindes
Unterhaltsbedarf zu decken. Der Kläger hat weder konkret dargelegt noch in geeigneter
Weise glaubhaft gemacht, dass er aus seiner begonnenen selbständigen Tätigkeit
Einkünfte zu erwarten hat, die es ihm ermöglichen, den geschuldeten Unterhalt zu
zahlen. Der Kläger hat weder ein von ihm erstelltes Unternehmenskonzept noch daraus
resultierende realistische Gewinnerwartungen dargelegt. Zwar bleibt es dem
Unterhaltsschuldner im Rahmen der grundrechtlich geschützten, ihm zuzubilligenden
freien Wahl des Berufs grundsätzlich überlassen, in welcher Form er erwerbstätig ist.
Grenzen findet aber die freie Berufswahl dort, wo für den Unterhaltsschuldner erkennbar
wird, dass er mit der ausgeübten Tätigkeit seinen Unterhaltsverpflichtungen auch nach
einer gewissen Anlaufphase in naher Zukunft nicht nachkommen kann. Nimmt der
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Unterhaltsschuldner eine selbständige Tätigkeit auf, so ist von ihm zu erwarten, dass er
anhand eines von ihm erarbeiteten Unternehmenskonzeptes realistisch abschätzen
kann, ob und ab wann ausreichende Gewinne aus der Erwerbstätigkeit zu erzielen sind,
um seine Unterhaltsschulden erfüllen zu können. Kann er dies nicht, so ist er gehalten,
in abhängiger Beschäftigung tätig zu werden, wenn erwartet werden kann, dass er
hieraus genügend Einkünfte erzielen kann.
Dass der Kläger trotz geeigneter intensiver Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz
in abhängiger Beschäftigung nicht in der Lage ist, eine solche Arbeitsstelle zu finden,
hat er nicht ausreichend dargetan und in geeigneter Form glaubhaft gemacht. Der
Kläger kann sich nicht darauf berufen, bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation bestehe
für ihn in der erforderlichen Gehaltsgruppe keine reale Beschäftigungschance. Soweit er
sich darauf beruft, dass er sein früheres Gehalt in dieser Höhe nur deswegen bezogen
habe, weil er eng verbunden mit seiner damaligen Arbeitgeberin gewesen sei, reicht
dies nicht aus, um seine Unvermittelbarkeit in eine entsprechende neue Stellung zu
belegen. Hierzu fehlen ausreichende Angaben zu Art und Umfang seiner damaligen
Tätigkeit, seiner davor liegenden Beschäftigung und zur Höhe früherer Einkommen.
Auch fehlen Angaben zu seiner Berufsausbildung und zu seiner Berufspraxis.
Jedenfalls erhielt der Kläger über lange Zeit ein Gehalt, welches ihm ermöglichte,
Unterhalt nach der 12. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen. Zwar ist
es nicht von der Hand zu weisen, dass das bei Vergleichsschluss zu Grunde gelegte
Erwerbseinkommen von brutto 6.224,91 € recht hoch war und dass es schwierig sein
wird, eine neue Stelle zu finden, welche ihm gleich hohe Erwerbseinkünfte ermöglicht.
Gleichwohl kann dies abschließend erst beurteilt werden, wenn entsprechende
Erwerbsbemühungen, die erfolglos geblieben sind, in ausreichendem Umfange
dargelegt werden. Es gibt keine entsprechende Vermutung dahin, dass grundsätzlich
solch hohe Gehälter heute nicht mehr zu erzielen sind. Von daher geht auch der
Einwand des Klägers fehl, das Familiengericht habe sich nicht ausreichend mit der
Frage auseinander gesetzt, aus welcher Tätigkeit denn der Kläger das für die bisher
geschuldeten Unterhaltszahlungen erforderliche Einkommen erzielen könnte. Das
darzulegen, ist zunächst Aufgabe des Klägers.
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Dem Kläger kann auch nicht gefolgt werden, dass er unverschuldet leistungsunfähig
geworden ist. Nach seinem eigenen Vortrag bestand schon seit spätestens Januar 2003
genügend Anlass zu der Annahme, dass aus dem ursprünglich von seiner
Lebensgefährtin betriebenen Gewerbe, welches er nach deren Tod weiterführte, kein
ausreichendes Einkommen mehr zu erzielen war, sondern vielmehr die Gefahr bestand,
dass er sich übermäßig verschuldete, was dann auch eintrat, wie die Einleitung und
spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens zeigt. Bei dieser Sachlage war der Kläger
gehalten, in Anbetracht der ihn treffenden Unterhaltsverpflichtung sich um die Aufnahme
einer anderweitigen Tätigkeit zu bemühen, um seinen Unterhaltsverpflichtungen weiter
nachkommen zu können. Dem unterhaltsberechtigten Kläger kann der Beklagte
jedenfalls nunmehr nicht entgegen halten, dass er schon spätestens seit Beginn 2003
nur noch über ein stark reduziertes Einkommen verfügte und sich zur Aufrechterhaltung
seiner selbständigen Tätigkeit in großem Umfang verschulden musste. Bei vernünftiger
wirtschaftlicher Betrachtungsweise musste der Kläger erkennen, dass er bei
Aufrechterhaltung des Gewerbebetriebes weder seinen, noch den Unterhaltsbedarf
seines Sohnes in ausreichendem Maße decken konnte. Im Hinblick auf die ihn treffende
Unterhaltspflicht oblag es ihm damit, sich um eine entsprechend gut vergütete Arbeit zu
bemühen.
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Eine Reduzierung der hierzu erforderlichen Bemühungen kann auch nicht damit
gerechtfertigt werden, dass der Kläger infolge des eingeleiteten und später eröffneten
Insolvenzverfahrens noch in größerem Umfang in seinem Betrieb tätig werden musste.
Zum einen musste sich der Kläger – wie oben bereits ausgeführt – bei der gegebenen
Sachlage schon vor November 2003 um eine neue Arbeitsstelle bemühen. Zum
anderen wird nicht näher dargetan, in welchem Umfang der Kläger noch in seinem alten
Betrieb tätig werden musste. Jedenfalls genügten die wenigen dargelegten
Anstrengungen des Klägers, eine neue Arbeitsstelle zu finden, nicht den zu stellenden
Anforderungen an eine intensive Arbeitsplatzsuche.
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Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das vorliegende Verfahren nicht gemäß
§ 240 ZPO unterbrochen. Die Unterbrechungswirkung gilt nur insoweit, wie das
Unterhaltsverfahren die Insolvenzmasse betrifft. Vorliegend hat das Familiengericht
berücksichtigt, dass Gegenstand des Unterhaltsverfahrens nur noch das für die
gewöhnlichen Gläubiger unpfändbare Vermögen ist, welches jedoch dem Zugriff der
Unterhaltsgläubiger nicht entzogen ist (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe, FamRZ 2004,
821).
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Ausgehend von dem dem Kläger zur Verfügung stehenden Arbeitslosen– bzw.
Überbrückungsgeld kann die Höhe des nunmehr ausgeurteilten Unterhaltsbetrages
nicht beanstandet werden.
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Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Antrag des Klägers, ihm zur
Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, zurück zu
weisen war, weil die Berufung in einer die Berufungssumme übersteigenden Höhe nicht
die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet.
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