Urteil des OLG Köln vom 25.04.1997

OLG Köln (abweisung der klage, hund, kläger, besucher, schmerzensgeld, halter, schaden, ehefrau, stall, gutachten)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 32/95
Datum:
25.04.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 32/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 21 O 129/93
Schlagworte:
freilaufend Wachhund
Normen:
BGB §§ 833, 847
Leitsätze:
1. Der Halter eines als Wachhund eingesetzten Hofhundes muß damit
rechnen, daß der Hund Besucher angreift, wenn sie das frei zugängliche
Hofgelände betreten. Er muß deshalb geeignete Vorkehrungen treffen,
um die Besucher vor Angriffen des Tieres zu schützen. 2. 5000 DM
Schmerzensgeld sind für eine als Folge eines Hundebisses erlittene
schmerzhafte Wunde am Skrotum mit dauerhaftem Taubheitsgefühl im
Bereich der linken Skrotalhälfte, zehn Tagen stationärer
Krankenhausbehandlung und vier Wochen Arbeitsunfähigkeit
angemessen.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.12.1994 verkündete Urteil
der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 21 O 129/93 - wird
zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten wird das am
15.12.1994 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 21 O 129/93 -
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Unter Abweisung der
Klage im übrigen wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 298,80 DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 30.10.1992 zu zahlen. Die Kosten des
Rechtsstreit beider Instanzen trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1
Die zulässige Berufung des Beklagten hat ganz überwiegenden, die des Klägers hat
keinen Erfolg.
2
1.
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Daß dem Kläger grundsätzlich ein Schmerzensgeldanspruch gemäß § 847 BGB und
ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 833 Satz 1, 249 ff. BGB zusteht, hat das
Landgericht mit zutreffenden Erwägungen bejaht. Der Kläger wurde unstreitig durch
Anspringen und Beißen des Hundes "R." des Beklagten am 6.5.1989 am Körper
verletzt. Damit realisierte sich die typischerweise von einem Hund ausgehende
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Tiergefahr.
Den ihm als Halter obliegenden Entlastungsbeweis nach § 833 Satz 2 BGB hat der
Beklagte nicht geführt. Nicht ganz unzweifelhaft ist schon, ob der Hund "R." als Haustier,
das der Erwerbstätigkeit des Beklagten diente, anzusehen ist. Dient die mit dem Halten
des Hundes bezweckte Bewachung dem privaten Lebensbereich des Halters, kann eine
Nutztier-Eigenschaft nicht angenommen werden. Ob "R." ausschließlich als Hofhund
gehalten wurde, bedarf indes keiner abschließenden Klärung. Denn jedenfalls hat der
Beklagte bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht
beobachtet. Soweit das Tier als Wachhund eingesetzt wurde, hätte es im Stall
angekettet sein müssen; sein Bellen hätte den Hofherrn auf Unregelmäßigkeiten
aufmerksam gemacht. Durfte der Hund dagegen im Stall frei herumlaufen, hätte er beim
Öffnen der Stalltüre durch die Ehefrau des Beklagten angeleint sein müssen, da -
unstreitig war kein Hinweis auf den Hund erfolgt - nicht sichergestellt war, daß die
Stalltüre erst geöffnet wurde, wenn der Hund angeleint oder eingesperrt war. Solche
Sicherungsmaßnahmen wären angesichts des fehlenden Hinweises auf den Hund und
den ungehinderten Zutritt auf den Hof des Beklagten notwendig gewesen, um Besucher
vor dem Hund zu schützen. Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, daß der
Halter eines Wachhund eingesetzten Hofhundes damit rechnen muß, daß dieser Hund
Besucher angreift; er muß deshalb Vorsorge treffen, um die Besucher vor Angriffen des
Tieres zu schützen, wenn sie das frei zugängliche Hofgelände betreten. Das gilt auch im
Falle des Klägers, der das von ihm reparierte Auto dem Beklagten zurückbrachte.
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Ein Mitverschulden des Klägers an der Schadensverursachung ist nicht gegeben.
Unstreitig war eine Warnung vor dem Hund unterblieben. Mit einem frei laufenden Hund
mußte der Kläger vor dem Betreten des Stalles nicht ohne weiteres rechnen.
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Der von dem Hund ausgehende Biß in den Hodensack des Klägers ist eine
Körperverletzung, für die der Beklagte grundsätzlich einzustehen hat.
7
2.
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Als Folge des Hundebisses erlitt der Kläger unstreitig eine schmerzhafte blutende,
klaffende Wunde am Skrotum. Er leidet seitdem unter einem Taubheitsgefühl im Bereich
der linken Skrotalhälfte, wie sich aus der ärztlichen Bescheinigung des Herrn Dr. K. vom
7.5.1991 ergibt. Für vier Wochen war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben,
nachdem er 10 Tage stationär im Krankenhaus verbrachte. Die durch den Biß des
Hundes verursachte Narbe ist ausgeheilt.
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Auch wenn man die besondere Empfindlichkeit des von dem Hundebiß betroffenen
Körperbereichs berücksichtigt, erscheint dem Senat zum Ausgleich des immateriellen
Schadens des Klägers der vorprozessual gezahlte Betrag von 5.000,-- DM angemessen
und ausreichend.
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Ein höheres Schmerzensgeld - wie mit der Klage geltend gemacht - kann dem Kläger
nicht zugesprochen werden. Denn die von ihm behauptete bißbedingte Impotenz und
Zeugungsunfähigkeit ist nicht bewiesen. Die Bekundungen der vom Landgericht
zeugenschaftlich vernommenen Ehefrau des Klägers reichen nicht aus für den vom
Kläger zu erbringenden Nachweis, daß der Hundebiß zu seiner Zeugungsunfähigkeit
und einer erheblichen Einschränkung in seiner Potenz geführt hat. Das vom Senat
eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. vom 26.11.1996 kommt zu dem
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Ergebnis, daß bei dem Kläger zwar eine erektile Dysfunktion vorhanden, diese aber auf
venöser Insuffizienz beruht und nicht auf den Hundebiß zurückzuführen ist. Eine
Verletzung des Hodens hat nicht vorgelegen. Wenn auch das von dem
Sachverständigen erstellte Spermiogramm sich eine Subfertilität abzeichnet, hat eine
Verletzung der für die Spermiogenese relevanten Struktur nicht stattgefunden, so daß
eine Ursächlichkeit des Bisses für die Subfertilität nicht festzustellen ist. Nach dem
erstellten Spermiogramm kann von Zeugungsunfähigkeit keine Rede sein; vielmehr ist
es nach dem Gutachten noch durchaus möglich - bei nicht abgeschlossener
Familienplanung - ein Kind zu zeugen. Unter diesen Umständen können weder eine
bißbedingte Potenzstörung, noch eine Zeugungsunfähigkeit des Klägers festgestellt
werden.
3.
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Den materiellen Schaden hat das Landgericht zu Recht mit 298,80 DM als
erstattungsfähig festgesetzt. Es sind dies Verdienstausfall in Höhe von 270,-- DM , der
durch Arbeitgeberbescheinigung vom 28.4.1989 (Bl. 8 d.A.) belegt ist, sowie
Fahrtkosten zu Ärzten, die zu Recht auf 28,80 DM geschätzt worden sind. Zur
Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen des
landgerichtlichen Urteils verwiesen, denen die Berufung des Beklagten nichts
Substantiiertes entgegengesetzt hat.
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4.
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Den materiellen Schaden von 298,80 DM kann der Kläger vom Beklagten erstattet
verlangen, ein höheres Schmerzensgeld als die bereits gezahlten 5.000,-- DM dagegen
nicht.
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5.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 45.298,80 DM
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Beschwer des Klägers: 45.000,--- DM
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Beschwer des Beklagten: 298,80 DM
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