Urteil des OLG Köln vom 23.06.1995

OLG Köln: arzneimittel, einstweilige verfügung, medikament, unternehmen, abgabe, unternehmer, händler, apotheker, bevölkerung, versorgung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 20 W 14/95
23.06.1995
Oberlandesgericht Köln
20. Zivilsenat
Urteil
20 W 14/95
Landgericht Köln, 16 O 197/95
Die als Berufung zu behandelnde Beschwerde des Verfügungsklägers
vom 26.04.1995 gegen den Beschluß des Landgerichts Köln vom
25.04.1995 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens
trägt der Verfügungskläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung als Berufung zu behandelnde
Beschwerde des Verfügungsklägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat den Antrag
des Verfügungsklägers, wonach der Verfügungsbeklagten aufgegeben werden soll, ihm ab
sofort wöchentlich bis jeweils Mittwoch Mittag 5 Flaschen Prolastin HS Zug-um-Zug gegen
Zahlung von 1.092,50 DM zu liefern, zu Recht zurückgewiesen. Für den Erlaß der
beantragten einstweiligen Verfügung fehlt es bereits an einem Verfügungsanspruch. Der
Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten nicht seine Belieferung mit dem
vorgenannten Medikament verlangen.
Eine vertragliche Verpflichtung der Verfügungsbeklagten zur Belieferung des
Verfügungsklägers mit dem Medikament Prolastin HS besteht nicht. Der Verfügungskläger
behauptet nicht, mit der Verfügungsbeklagten vereinbart zu haben, daß sie ihn im
Bedarfsfalle mit jedem Medikament oder Präparat zu beliefern hat, das sie in ihrem
Unternehmen herstellt. Einen entsprechenden Anspruch kann der Verfügungskläger auch
nicht daraus herleiten, daß er seit Jahren unmittelbar von der Verfügungsbeklagten
Medikamente bezieht. Durch diese Geschäftsbeziehung ist keine Verpflichtung der
Verfügungsbeklagten begründet worden, den Verfügungskläger mit jedem von ihr
hergestellten Produkt zu beliefern.
Auf § 1 ApoG kann der Verfügungskläger seinen Antrag auf Erlaß der von ihm erstrebten
einstweiligen Verfügung nicht stützen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine
Bestimmung des öffentlichen Rechts. Durch sie ist festgelegt, daß die im öffentlichen
Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzeimittelversorgung der
Bevölkerung den Apotheken obliegt. Aus dieser gesetzlichen Bestimmung ergibt sich aber
für den einzelnen Apotheker kein Belieferungsanspruch gegen die bestehenden
pharmazeutischen Unternehmen. Insoweit ist § 1 ApoG keine Anspruchsgrundlage.
Unabhängig davon besteht auch keine Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen,
nur Apotheker mit den von ihnen hergestellten Medikamenten und Präparaten zu beliefern.
6
7
8
9
Zwar ist aus § 1 ApoG zu schließen, daß die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung den
Apotheken zukommt und sie zur Erfüllung dieser Aufgabe berufen und bestimmt sind.
Dabei handelt es sich um eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers. Sie schließt
aber nicht aus, daß die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch die Apotheken bei
besonders begründetem Anlaß durchbrochen werden darf, wie beispielsweise bei der
Zulassung von Arzneimitteln für den Verkehr außerhalb der Apotheken gemäß §§ 44 ff
AMG (vgl. Schiedenmair-Dieck, ApoG, zu § 1 ApoG, Rn. 10).
Solche gesetzlichen Ausnahmetatbestände in denen die Regel von § 1 ApoG
durchbrochen wird, enthält die Vorschrift des § 47 AMG. Danach dürfen pharmazeutische
Unternehmen und Großhändler apothekenpflichtige Arzneimittel außer an Apotheken auch
an die in § 47 Nr. 1 bis 7 AMG bezeichneten Stellen und Personen abgeben. Diese
Vorschrift ergänzt die Bestimmungen über die Abgabe der in § 43 Abs. 1 AMG genannten
Arzneimittel im Einzelhandel, in dem sie bestimmt, daß pharmazeutische Unternehmer und
Großhändler apothekenpflichtige Arzneimittel, von bestimmten Ausnahmen abgesehen
(Abs. 1 Nr. 1 bis 7), nur an Apotheken liefern dürfen. Dadurch wird verhindert, daß diese
Arzneimittel im Großhandel an nichtberechtigte Verkaufsstellen, sonstige Abgabestellen
und Einzelpersonen geliefert werden. Andererseits wird die Abgabe apothekenpflichtiger
Arzneimittel im Einzelhandel durch Großhändler und pharmazeutische Unternehmer an
bestimmte Personen und Stellen - zum Teil beschränkt auf ganz bestimmte Arzneimittel -
aus Gründen des Gemeinwohles zugelassen (vgl. Klösel/Cyran, AMG, zu § 47 AMG Bl. 75
b Ziffer 2). Es ist deshalb nicht richtig, daß aus § 43 Abs. 1 AMG folge, daß nur die in § 44
AMG oder die in einer nach § 45 Abs. 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung genannten
Arzneimittel für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind. Vielmehr
beinhaltet auch § 47 AMG eine die Vorschrift des § 43 Abs. 1 AMG ergänzende
Ausnahmeregelung von dem Grundsatz, daß pharmazeutische Unternehmer und
Großhändler apothekenpflichtige Arzneimittel nur an Apotheken abgeben dürfen.
Bei der Belieferung des Verfügungsklägers in seiner Eigenschaft als Apotheker mit
Arznemitteln geht es auch nicht um einen Einzelhandel im Sinne von § 43 Abs. 1 AMG.
Darunter wird nach herrschender Auffassung jede berufs- oder gewerbsmäßige, auf die
unmittelbare Versorgung des Endverbrauchers gerichtete Tätigkeit verstanden. An diesen
Voraussetzungen fehlt es bei einer Lieferung von einem pharmazeutischen Unternehmer
an den Großhandel oder an einen Apotheker, weil es sich dabei um keine unmittelbare
Versorgung des Endverbrauchers handelt (Klösel/Cyran, AMG, zu § 43 AMG Bl. 73 c Zif. 3).
Zu den Arzneimitteln, für die durch § 47 AMG eine Ausnahme von dem üblichen
Vertriebsweg (Abgabe an Apotheken) eröffnet ist, gehören "aus menschlichem Blut
gewonnene Blutzubereitungen" (§ 47 Abs. 1 Ziffer 2 a AMG). Um ein solches Medikament
handelt es sich bei dem Prolastin HS, das aus dem Plasma gesunder Spender gewonnen
wird. Dieses Medikament muß die Verfügungsbeklagte nicht an Apotheken abgeben.
Vielmehr kann seine Abgabe auch an die in § 47 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 AMG aufgeführten
Stellen erfolgen. Dazu gehören Krankenhäuser und Ärzte. Insoweit ist der
Verfügungsbeklagten die Wahl des Vertriebsweges freigestellt. Daraus folgt zugleich, daß
bei diesem Medikament die Apotheken auch nicht nach § 1 ApoG verpflichtet sind. Deshalb
kann der Verfügungskläger von der Verfügungsbeklagten nicht verlangen, ihn mit Prolastin
HS zu beliefern, so daß es letztlich nicht darauf ankommt, ob die Apotheke des
Verfügungsklägers über Räumlichkeiten und Einrichtungen verfügt, die zur Aufnahme und
Lagerung von Prolastin HS geeignet sind, und der Verfügungskläger selbst die dafür
erforderliche Sachkunde besitzt.
10
11
12
13
14
15
16
Schließlich scheidet auch § 26 Abs. 2 GWB als Anspruchsgrundlage für die vom
Verfügungskläger beantragte einstweilige Verfügung aus. Für das Vorliegen der
Voraussetzungen eines Anspruches nach dieser Vorschrift hat der Verfügungskläger nicht
einmal ansatzweise vorgetragen.
Auch nach § 26 GWB kann ein Unternehmen den Vertriebsweg bestimmen. Es darf nur
nicht gleichartige Abnehmer ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln und
benachteiligen. Der Anwendung von § 26 Abs. 2 GWB steht hier bereits entgegen, daß
Apotheken, Ärzte und Krankenhäuser im Verhältnis zueinander keine gleichartigen
Unternehmen i.S.d. vorstehenden Vorschrift sind. Gleiches gilt für Krankenhausapotheken
und krankenhausversorgende Apotheken.
Von Seiten der Verfügungsbeklagten liegt auch kein Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot einer Apotheke in Form einer unmittelbaren oder mittelbaren
unbilligen Behinderung oder unterschiedlichen Behandlung vor. Denn für die Abgabe
eines Arzneimittels i.S.v. § 47 Abs. 1 Ziffer 2 a AMG, zu denen das Prolastin HS gehört,
besteht gerade eine gesetzliche Ausnahmeregelung von der Verpflichtung der
pharmazeutischen Unternehmer und Großhändler, Arzneimittel an Apotheken abzugeben.
Angesichts dieser gesetzlichen Regelung kann von einer Diskriminierung des
Verfügungsklägers in seiner Eigenschaft als Betreiber einer Apotheke keine Rede sein.
Da für den Erlaß der einstweiligen Verfügung schon kein Verfügungsanspruch besteht,
mußte die als Berufung zu behandelnde Beschwerde schon aus diesem Grunde erfolglos
bleiben, ohne daß noch geprüft werden mußte, ob für die beantragte Leistungsverfügung
ein Verfügungsgrund vorliegt.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Verfügungsklägers vom 22.06.1995 gibt keine
Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert für die Berufung und Beschwer des Verfügungsklägers: 15.000,00 DM.