Urteil des OLG Köln vom 02.09.1996

OLG Köln (faires verfahren, partei, zpo, befangenheit, zweifel, messung, datum, termin, richtigkeit, büro)

Oberlandesgericht Köln, 11 W 59/96
Datum:
02.09.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 W 59/96
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 8 O 238/95
Normen:
ZPO §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 1
Leitsätze:
Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen kann
dann gerechtfertigt sein, wenn ihm ein grober, eine Partei einseitig
bevorzugender Verstoß gegen die Verpflichtung zur neutralen Ermittlung
des Sachverhalts vorgeworfen werden kann. Unter diesem
Gesichtspunkt begründet insbesondere die Besorgnis der Befangenheit,
wenn der Sachverständige zur Materialsammlung nur eine der Parteien
zuzieht. Durch die einseitige Bevorzugung einer Partei wird das Recht
des anderen auf Waffengleichheit und faires Verhalten verletzt.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des
Landgerichts Aachen vom 2O. 6. 1996 - 8 O 238/95 - wird
zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des
Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e
1
Die gemäß §§ 4O6 Abs. 5, 577, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der
Sache keinen Erfolg.
2
Das Landgericht hat im angegriffenen Beschluß zu Recht den Befangenheitsantrag der
Beklagten gegen den Sachverständigen R.-R. zurückgewiesen.
3
Gemäß §§ 4O6 Abs. 1, 42 Abs. 1 ZPO setzt die Ablehnung eines Sachverständigen
wegen Besorgnis der Befangenheit Gründe voraus, die vom Standpunkt eines
vernünftigen Betrachters geeignet sind, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des
Sachverständigen zu rechtfertigen. Eine subjektive und unvernünftige Vorstellung einer
Partei genügt dagegen nicht. Insbesondere sind sachliche Mängel der Begutachtung
regelmäßig kein Grund, objektive Zweifel an der Unvoreingenommenheit des
beauftragten Sachverständigen auszulösen. Etwas anderes kann aber dann gelten,
wenn dem Sachverständigen ein grober, eine Partei einseitig bevorzugender Verstoß
gegen die Verpflichtung zur neutralen Ermittlung des Sachverhalts vorgeworfen werden
kann. Unter diesem Gesichtspunkt begründet insbesondere die Besorgnis der
Befangenheit, wenn der Sachverständige zur Materialsammlung nur eine der Parteien
hinzuzieht. Durch die einseitige Bevorzugung einer Partei wird das Recht der anderen
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auf Waffengleichheit und faires Verfahren verletzt (BGH NJW 1975, 1363; OLG Hamm,
MDR 73, 144; OLG Hamburg MDR 69, 489).
Gemessen an diesen Grundsätzen kann dem Sachverständigen im vorliegenden Fall
ein die Besorgnis der Befangenheit auslösender Fehler nicht vorgeworfen werden.
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Die Behauptung der Beklagten, über den bevorstehenden Termin zur
Verbrauchsmessung im -Gegensatz zum Kläger- nicht unterrichtet worden zu sein,
genügt nicht. Grundsätzlich muß nämlich von der ablehnenden Partei der
Ablehnungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 4O6 Abs. 3 ZPO). Das Landgericht hat
hier zutreffend entschieden, daß nach dem Schreiben des Sachverständigen vom 17. 6.
1996 nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden kann, daß die Beklagte vom
Termin der bevorstehenden Messung nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden ist. Der
Sachverständige hat nämlich nach dem zitierten Schreiben anhand seiner Handakten
festgestellt, daß er am 6. 3. 1996 das Büro der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten
über die bevorstehende Messung des Kraftstoffverbrauchs beim TÜV in E. unterrichtet
hat. Die Beklagte hat die Unrichtigkeit dieser Darstellung des Sachverständigen nicht
nachhaltig in Zweifel ziehen können. Soweit sie mit Schriftsatz vom 21. 6. 1996
angeführt hat, daß eingehende Anrufe im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten
regelmäßig mit Datum und Namen des Anrufers schriftlich aufgenommen werden und
sich im vorliegenden Fall keine derartige Nachricht findet, genügt dies zur
Glaubhaftmachung eines Ablehnugsgrundes nicht. Dieses Vorbringen ermöglicht
nämlich nicht die Feststellung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGH VersR
1976, 928, (929)) seiner Richtigkeit. Es ist letztlich nicht auszuschließen, daß die aus
damaliger Sicht wenig bedeutsame telefonische Mitteilung des Sachverständigen über
den vorgesehenen Prüfungszeitraum beim TÜV in E. im Drange des Tagesgeschäfts
bei den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten untergegangen ist. Diese Möglichkeit ist
zumindest ebenso wahrscheinlich wie die Darstellung des Sachverständigen. Vor
diesem Hintergrund verdient keine der beiden, sich im übrigen beweislos
gegenüberstehenden Schilderungen den Vorzug.
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Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 14. 5. 1996 ihre Ablehnung auch darauf gestützt
hat, daß die Verbrauchsmessung nicht bei der Firma P. in Z., sondern beim TÜV in E.
durchgeführt wurde, hat das Landgericht in dem angegriffenen Beschluß mit
zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug
genommen wird (§ 543 Abs. 1 ZPO), den Befangenheitsantrag zurückgewiesen.
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Schließlich rechtfertigen auch die von der Beklagten geltendgemachten Zweifel an der
sachlichen Richtigkeit der Begutachtung nach den oben dargestellten Grundsätzen
keine Besorgnis der Befangenheit. Die erhobenen methodischen und technischen
Bedenken gegen die durchgeführte Messung betreffen im übrigen in erster Linie den
vom Sachverständigen als Gehilfen herangezogenen TÜV.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich analog § 97 ZPO.
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Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 12 Abs. 2 Satz 1 GKG; OLG Köln Rechtspfleger
1987, 166): 4.OOO,OO DM
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