Urteil des OLG Köln vom 04.01.2000

OLG Köln: öffentliches interesse, beteiligter, konkursverfahren, verweigerung, ausnahme, entstehungsgeschichte, bedürfnis, unzumutbarkeit, prozesskostenvorschuss, quote

Oberlandesgericht Köln, 20 W 45/99
Datum:
04.01.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
20 W 45/99
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 11 O 52/99
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Landgerichts Bonn vom 9. Juli 1999 - 11 O 52/99 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens;
außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Antragsteller begehrt als Konkursverwalter Prozesskostenhilfe für eine
beabsichtigte Klage auf Rückerstattung von Zahlungen der Gemeinschuldnerin in Höhe
von 36.000,- DM aus dem Gesichtspunkt eigenkapitalersetzender
Nutzungsüberlassung. Zu den Vermögensverhältnissen hat er vorgetragen, der
Massebestand belaufe sich auf 11.030,92 DM, aus dem zunächst die Massekosten
einschließlich der Konkursverwaltergebühren zu begleichen seien. Der verbleibende
Rest von 1.087,60 DM reiche zur Deckung der Prozesskosten nicht aus. Eine
Vorschusspflicht der Sozialversicherungsträger und der Finanzverwaltung als
Konkursgläubiger gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KO, bestehe nicht.
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Das Landgericht hat mit Beschluss vom 09.07.1999 den Antrag auf Prozesskostenhilfe
zurückgewiesen und zur Begründung im Anschluss an die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 24.03.1998 die Auffassung vertreten, der Finanzverwaltung sei
als wirtschaftlich am Rechtsstreit Beteiligter ein Vorschuss auf die Prozesskosten im
Sinne des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO zumutbar. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit
der Beschwerde vom 17.08.1999, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Zu den
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze und die angefochtene Entscheidung verwiesen.
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II.
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Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache
keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage des Antragstellers als Konkursverwalter
abgelehnt.
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Die beantragte Prozesskostenhilfe war zu versagen, weil die Voraussetzungen des §
116 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht gegeben sind. Nach dieser Vorschrift erhält der
Konkursverwalter als Partei kraft Amtes bei hinreichenden Erfolgsaussichten der
beabsichtigten Prozessführung Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der
verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und es den am
Rechtsstreit wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Das
Landgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass die Finanzverwaltung, die als
Konkursgläubiger gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO bei Obsiegen im Prozess nahezu
vollständige Befriedigung erlangen kann, wirtschaftlich Beteiligter am Gegenstand des
Rechtsstreits im Sinne des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO ist und ihr zuzumuten ist, die
Prozesskosten dem Konkursverwalter vorzuschießen. Eine generelle Freistellung der
Finanzverwaltung von der Kostentragungslast ohne Prüfung der Umstände des
Einzelfalles ist nicht gerechtfertigt. Der Senat gibt insoweit im Hinblick auf die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.03.1998 (BGH NJW 1998, 1868 f.; zust.
Wax LM § 116 ZPO Nr. 9; Gottwald/Baumann JZ 1998, 1179; Zöller-Philippi, ZPO, 21.
Aufl., § 116 Rn 9 f.; ebenso OLG Schleswig ZInsO 1999, 44; krit. Pape ZIP 1998, 791)
seine bisher vertretene gegenteilige Auffassung (vgl. OLG Köln ZIP 1994, 724 = OLGR
1994, 278) auf.
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Soweit der Antragsteller demgegenüber auf die Rechtsprechung anderer Senate des
Bundesgerichtshofs zur Freistellung der Sozialversicherungsträger von der
Vorschusspflicht (BGH NJW 1991, 40 ff.; NJW 1993, 135 ff.) hinweist, steht diese im
Ergebnis nicht entgegen, da die Frage der Kostenvorschusspflicht der Finanzverwaltung
bisher offengelassen war. Der in den genannten Entscheidungen enthaltene Hinweis
auf die fehlende Bereitstellung von Haushaltsmitteln bei den Gläubigern öffentlicher
Abgaben zur Leistung von Kostenvorschüssen für die vom Konkursverwalter
beabsichtigte Prozessführung führt nicht zur einer generellen Freistellung dieser
Gläubiger von der Leistung derartiger Vorschüsse. Der Bundesgerichtshof weist zu recht
darauf hin, dass es Sache des Steuerfiskus wäre, entsprechende Vorsorge zu treffen,
wenn tatsächlich keine geeigneten Haushaltstitel zur Leistung von
Prozesskostenvorschüssen vorhanden wäre (BGH NJW 1998, 1868, 1869).
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Allein der Umstand, dass die Finanzbehörden bei der Prüfung der Erfolgsaussichten
eines vom Konkursverwalter beabsichtigten Prozesses möglicherweise sehr hohe
Anforderungen stellen und deshalb eine Vorschusszahlung in der Praxis nur äußerst
selten erfolgen wird, rechtfertigt keine leichteren Anforderungen. Der Antragsteller weist
zwar zu recht darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 116 ZPO durch
das Gesetz über die Prozesskostenhilfe vom 13.07.1980 (BGBl. I, 677) der
Rechtsverfolgung durch den Konkursverwalter ein eigenständiges öffentliches Interesse
zuerkannt hat. Dabei kann dahinstehen, ob nach der Neufassung die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe für den Konkursverwalter nunmehr die Regel und die Verweigerung
die Ausnahme sein soll, damit das Konkursverfahren die ihm auch im öffentlichen
Interesse übertragene Aufgabe erfüllen kann, die geordnete und rechtlich gesicherte
Abwicklung eines auch masselosen Unternehmens vor allem zum Schutz sozial
Schwächerer herbeizuführen (so BGH NJW 1991, 40, 41 f.; 1993, 135, 136;
ausdrücklich ablehnend dagegen BGH NJW 1998, 1868, 1869 jeweils mit Hinweisen
zur Entstehungsgeschichte des Gesetzes).
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Auch unter Berücksichtigung der mit der Neuregelung verfolgten gesetzgeberischen
Intention ist es jedoch nicht Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens, dem
Konkursverwalter Prozesse zu ermöglichen, bei denen die wirtschaftlich Berechtigten
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das Risiko einer eigenen Prozessführung selbst bei ausreichenden eigenen Mitteln und
der Chance auf vollständige Befriedigung ihrer Forderung nicht übernehmen. Die
Neuregelung war vielmehr veranlasst durch die häufigen Fälle, in denen eine
Finanzierung des Prozesses durch zahlungsfähige Gläubiger deshalb unterblieben war,
weil diese wegen der geringen Quote, die auf sie entfallen würde, nicht bereit waren,
das Prozessrisiko zu tragen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drs.
8/3068, S. 26). Diesem Bedürfnis kann durch die die konkret zu stellenden
Anforderungen an die Zumutbarkeit eines Kostenvorschusses Rechnung getragen
werden. Es rechtfertigt jedoch keine generelle Freistellung des Steuerfiskus.
Die Leistung eines Prozesskostenvorschuss ist der Finanzverwaltung im konkreten Fall
zumutbar, da im Falle des Obsiegens eine nahezu vollständige Befriedigung ihrer
Forderung zu erwarten ist. Zuzumuten sind Prozesskostenvorschüsse solchen
Beteiligten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und deren zu
erwartender Nutzen bei vernünftiger Betrachtungsweise bei einem Erfolg der
Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird (BGH NJW 1991, 40, 41).
Insoweit wäre dem Steuerfiskus die Aufbringung der Kosten für einen Masseprozess
dann nicht zuzumuten, wenn ein Prozesserfolg überwiegend den nicht mit einer
Vorschusspflicht belasteten Konkursgläubigern nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zugute käme
(vgl. BGH NJW 1994, 3170, 3171). Ein Erfolg der beabsichtigten Zahlungsklage über
36.000,- DM käme jedoch ganz überwiegend dem Fiskus zugute, da nach den Angaben
des Klägers bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO nur in Höhe
von 6.843,27 DM bestehen und somit die Forderung des Finanzamtes in Höhe von
30.474,80 DM nahezu vollständig befriedigt werden könnte.
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Weitere Anhaltspunkte, aus denen sich die Unzumutbarkeit einer Vorschussleistung
z.B. im Hinblick auf die spätere Durchsetzbarkeit der titulierten Forderung ergeben
könnte, sind nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO.
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Beschwerdewert: bis 8.000,- DM
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