Urteil des OLG Köln vom 14.12.2000

OLG Köln: darlehen, verdeckte gewinnausschüttung, rückzahlung, gesellschafter, unterbilanz, kündigung, tod, auszahlung, vollstreckung, sicherheitsleistung

Oberlandesgericht Köln, 18 U 163/00
Datum:
14.12.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 163/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 42 O 143/99
Tenor:
Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das am 19.05.2000 verkündete
Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen (42 O
143/99) wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt
die Beklagte zu 1). Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu
1) darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
192.000,00 DM abwenden, sofern nicht die Klägerinnen vor der
Vollstreckung Sicherheitsleistung in gleicher Höhe erbringen. Die
Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen
Kreditinstituts erbracht werden
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin zu 1) ist die Ehefrau des am 13.01.1999 verstorbenen Herrn K.-D. T.,
dessen Erbinnen die Klägerinnen zu je 1/2 geworden sind.
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Herr T. war Gesellschafter der 1997 gegründeten Beklagten zu 1). An dem
Stammkapital in Höhe von 50.000,00 DM war Herr T. mit 30.000,00 DM, der Beklagte zu
2) mit 20.000,00 DM beteiligt.
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Um der Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt ihrer Gründung Liquidität zur Anschaffung von
Maschinen zur Verfügung zu stellen, nahm Herr T. sogenannte
Existenzgründungsdarlehen in Höhe von insgesamt 191.500 DM auf, die er der
Beklagten zu 1) als zinsloses Darlehen zur Verfügung stellte. Die von der Beklagten zu
1) geschuldeten monatlichen Raten wurden bis zum Tod von Herrn T. gezahlt.
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Das Unternehmen der Beklagten zu 1) arbeitete im Jahre 1998 erfolgreich, was zu
Gewinnausschüttungen an die Klägerinnen im Jahre 1999 führte. Seit dem Tod von
Herrn T. blieben die Aufträge des bis dahin entscheidenden Auftraggebers, der W.
GmbH, aus, deren beherrschender Gesellschafter der Beklagte zu 2) ist. In der Folgezeit
kam es zu letztlich ergebnislos gebliebenen Verhandlungen zwischen den Klägerinnen
und dem Beklagten zu 2) über das weitere Schicksal der Beklagten zu 1). Im Hinblick
auf die erfolgte Kündigung der Existenzgründungsdarlehen kündigten die Klägerinnen
mit Anwaltsschreiben vom 10.06.1999 ihrerseits die der Beklagten zu 1) gewährten
Darlehen, die zum damaligen Zeitpunkt noch in Höhe von insgesamt 172.600,51 DM
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valutierten.
Die Klägerinnen haben beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen,
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a) an sie 172.600,51 DM nebst 4 % Zinsen
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seit dem 22.09.1999 zu zahlen,
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b) festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuld-
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nerisch verpflichtet sind, den Klägerinnen jeden Schaden zu ersetzen, der durch die
nicht frist-gerechte Rückzahlung des in dem Klageantrag a) benannten Betrags
entstehen wird.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten haben sich darauf berufen, die Beklagte zu 1) sei nicht in der Lage, die
Darlehen zurückzahlen, weil das Stammkapital aufgezehrt sei. Sie haben die
Auffassung vertreten, der von den Klägerinnen begehrten Rückzahlung stehe das
Auszahlungsverbot der §§ 30, 31 GmbHG entgegen; nach dem - von den Klägerinnen
hinsichtlich seiner Richtigkeit bestrittenen - Vermögensstatus per 31.12.1999 ergebe
sich eine Überschuldung. Darüber hinaus seien die Darlehen aber auch als Kapital
ersetzende Darlehen im Sinne von § 32 a GmbHG zu bewerten.
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Das Landgericht hat mit am 19.05.2000 verkündeten Urteil, auf das wegen seines
Inhalts Bezug genommen wird, der Klage gegen die Beklagte zu 1) in vollem Umfang
stattgegeben und die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage abgewiesen.
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Gegen dieses ihr am 26.05.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 1) mit bei Gericht
am 26.06.2000 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese fristgerecht
begründet.
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Die Beklagte zu 1) wendet sich insbesondere dagegen, dass das Landgericht die
Klageforderung nicht aufgrund des Auszahlungsverbotes des § 30 GmbHG abgewiesen
hat; das Gericht habe verkannt, dass es für die Beurteilung der Unterbilanz nicht auf den
Zeitpunkt der Kündigung, sondern den der "Entnahme" ankomme.
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Die Beklagte zu 1) beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und auch die gegen sie gerichtete Klage
abzuweisen.
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Die Klägerinnen beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat zu Recht der Klage gegen die Beklagte zu 1) stattgegeben. Die
Beklagte zu 1) schuldet die Rückzahlung der aufgrund der Kündigung fälligen Darlehen
und ist zugleich verpflichtet, Schadensersatz zu leisten, soweit durch die bislang nicht
erfolgte Zahlung den Klägerinnen ein Schaden entstanden ist.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) lassen sich die Grundsätze über ein
Kapital ersetzendes Darlehen (§ 32 a/b GmbHG) vorliegend nicht anwenden.
Ungeachtet der Vermögenssituation der Beklagten zu 1) kann von einem Stehenlassen
der Darlehen nicht gesprochen werden, weil Voraussetzung dafür ist, dass die
Klägerinnen die Krise der Gesellschaft hätten erkennen können und gleichwohl die
Darlehen nicht zurückgefordert hätten. Dies lässt sich jedoch nicht annehmen. Im
Zeitpunkt des Erbfalles ging es der Gesellschaft wirtschaftlich gut, was auch von der
Beklagtenseite nicht in Abrede gestellt wird. Vielmehr soll die Krise erst durch den Tod
des Gesellschafters T. ausgelöst worden sein. Indem die Klägerinnen das Darlehen am
10.06.1999 kündigten, gaben sie rechtzeitig zu erkennen, dass sie nicht bereit waren,
die Darlehen in der Krise weiterhin in dem Vermögen der Beklagten zu 1) zu belassen.
Innerhalb eines ihnen - nicht zuletzt unter Berücksichtigung, dass sie neu und vermutlich
ohne geschäftliche Erfahrung in die Gesellschaft gekommen waren - zuzugestehenden
angemessenen Prüfungs- und Überlegungszeitraums konnten die Klägerinnen aber
nicht die (möglicherweise bestehende) prekäre Situation der Beklagten zu 1) erkennen,
so dass auch nicht der Eindruck von einem bewussten "Stehenlassen" des Darlehens
entstehen konnte. Die Bilanz für 1998, die noch zu einer Gewinnausschüttung führte,
stammt vom 24.03.1999. Dass sich demgegenüber die Situation im Jahre 1999 relevant
verschlechterte, war für die Klägerinnen nicht ohne weiteres erkennbar. Der
ungünstigere Vermögensstatus zum 30.04.1999, dessen Richtigkeit bestritten ist,
stammt vom 28.05.1999. Indem die Klägerinnen danach am 10.06.1999 die Kündigung
aussprachen, haben sie noch innerhalb einer in diesem Zusammenhang in Anlehnung
an § 64 Abs. 1 GmbHG als angemessen anzunehmenden Frist von 3 Wochen
"rechtzeitig" zum Ausdruck gebracht, dass sie das Darlehen eben nicht in der Krise der
Beklagten zu 1) stehen lassen wollten.
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Die Begründetheit bzw. Durchsetzung der Klageforderung scheitert auch nicht an dem
Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG, auf welches sich die Beklagte zu 1) beruft. Die
Voraussetzungen der Bestimmung sind nicht gegeben.
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Fraglich ist bereits, ob in den Fällen eines Gesellschafterdarlehens der Bestimmung des
§ 30 GmbHG neben den §§ 32 a und b GmbHG grundsätzlich eine selbständige weiter
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gehende Bedeutung zukommen kann. Sind die Voraussetzungen für die Annahme
eines kapitalersetzenden Darlehens - wie im vorliegenden Fall - nicht gegeben, so dass
eine Rückzahlung an den Gesellschafter sanktionsfrei zu erfolgen hat, würde eine
daneben zum Zuge kommende uneingeschränkte Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG zu
einer berechtigten Verweigerung der Rückzahlung bzw. späteren Rückforderung führen
und damit dem Gesellschafter ein weiter gehendes Risiko aufbürden, welches auch
über das der Konkursanfechtung gemäß § 32 a KO (§§ 135, 141 InsO) hinausgeht. Die
Beantwortung der Frage kann jedoch dahinstehen, weil es sich bei der
Darlehensgewährung durch den verstorbenen Gesellschafter T. um ein im Sinne des §
30 GmbHG wertneutrales Geschäft gehandelt hat und darüber hinaus in dem für die
Bewertung einer Unterbilanz im Sinne des § 30 GmbHG entscheidenden Zeitpunkt eine
solche nicht vorlag.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist für die Feststellung der Unterbilanz nicht auf
die erst aufgrund einer Verurteilung erfolgende künftige "Auszahlung" abzustellen und
damit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht maßgeblich. Wollte man
auf den Zeitpunkt der Auszahlung abstellen, käme es streng genommen sogar auf den
der späteren Vollstreckung an und entzöge sich der Feststellung im prozessualen
Erkenntnisverfahren. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt der
Darlehensgewährung im Jahre 1997. Rechtlich maßgebend ist nämlich, dass
Auszahlungen an Gesellschafter, denen ein gegenseitiger Vertrag zugrunde liegt, bei
dem Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind - somit auch nicht teilweise eine
verdeckte Gewinnausschüttung beinhalten -, wertneutral und damit nicht verboten sind
(vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Auflage § 30 Rdn 23; OLG Brandenburg GmbHR
1999, 298). Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt der "Auszahlung" an, sondern
bereits auf den, in dem die Verbindlichkeit begründet wird und dementsprechend
bilanziell zu berücksichtigen ist. Eine solchermaßen verbotsfrei begründete
Verbindlichkeit ist von der Gesellschaft aber auch dann ohne Verstoß gegen § 30
GmbHG zu erfüllen, wenn mittlerweile eine Unterbilanz entstanden ist (BGHZ 69, 275 ff,
280 f.; Lutter/Hommelhoff, a.a.O.). Mit dem Erhalt der Darlehensvaluta im Jahre 1997
entstand für die Beklagte zu 1)die Verpflichtung zur Rückzahlung (§ 607 BGB). Im
Hinblick auf die gleichwertige Darlehensvaluta handelte es sich um ein im obigen Sinne
wertneutrales und damit nicht § 30 GmbHG unterfallendes Geschäft, das zudem zu
einem Zeitpunkt getätigt wurde, als unstreitig noch keine Unterbilanz vorlag.
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Neben dem Zahlungsanspruch ist auch der Feststellungsantrag begründet, denn
angesichts der nicht rechtzeitigen Rückzahlung der Darlehen sind für die Klägerinnen
Schäden zu gegenwärtigen aufgrund der ihnen gekündigten
Existenzgründungsdarlehen.
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Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als
unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren
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und Beschwer für die Beklagte zu 1): 182.600,51 DM.
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