Urteil des OLG Köln vom 20.07.2007

OLG Köln: rechtliches gehör, akteneinsicht, freiwillige gerichtsbarkeit, ausschlagung, rüge, gefahr, erbschaft, verwahrung, original, einsichtnahme

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 34/07
Datum:
20.07.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Wx 34/07
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 4 T 232/07
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 29. Juni 2007
gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 30.
Mai 2007 - 4 T 232/07 - wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
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Die weitere Beschwerde ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung
des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 27 Abs. 1
FGG, 546 ZPO.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerdeführerin und ihrem
Verfahrensbevollmächtigten die von ihnen nachgesuchte Akteneinsicht nicht
versagt. Vielmehr können sie zum einen auf der Geschäftsstelle des Gerichts
Einsicht in die Nachlaßakten nehmen. Darüber hinaus hat die Rechtspflegerin
dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom
19. April 2007 angeboten, die Akte an das Amtsgericht Oldenburg zu
versenden, damit er sie dort auf der Geschäftsstelle jenes Amtsgerichts
einsehen kann. In demselben Schreiben ist dem Verfahrensbevollmächtigten
der Beschwerdeführerin auch angeboten worden, ihm eine Ablichtung der Akte
zur Verfügung zu stellen. Dieses Angebot, ein Aktendoppel anzufertigen und
dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zuzuleiten, hat der
Vorsitzende der Beschwerdekammer in einem mit ihm am 30. Mai 2007
geführten Telefonat wiederholt. Diese Angebote hat der
Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin indes abgelehnt. Er verlangt
mit den namens seiner Mandantin eingelegten Rechtsmitteln, daß ihm die
Nachlaßakte zur Einsicht in seine Kanzlei übersandt wird. Dieses Verlangen
haben die Vorinstanzen indes rechtsfehlerfrei abgelehnt.
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Das Recht der Prozeßparteien oder Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht - im
Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 34 Abs. 1 FGG - beschränkt
sich grundsätzlich auf Einsicht in die Akten auf der Geschäftsstelle des
aktenführenden Gerichts. Weder ein Beteiligter noch sein
Verfahrensbevollmächtigter haben einen Rechtsanspruch darauf, daß die Akten
dem Verfahrensbevollmächtigten zur Einsicht in seine Büroräume überlassen
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werden (vgl. BGH; NJW 1961, 559; BFH, NJW 1968, 864; BFH/NV 2003, 59 f.;
OLG Brandenburg, NJW-RR 2000, 1091; OLG Dresden, Rpfleger 1997, 27 [28];
OLG Frankfurt, NJW 1992, 846; LG Heidelberg, BWNotZ 1985, 91; Kahl in
Keidel/Kuntze/ Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 34, Rdn.
22; von König in Jansen, FGG, 3. Aufl. 2006, § 34, Rdn. 13; Schneider, Rpfleger
1987, 428), und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gewährung
rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfG, HFR 1982, 77; Kahl in Keidel/
Kuntze/Winkler, a.a.O.). Vielmehr steht die Entscheidung über die Art der
Akteneinsicht, also darüber, ob die Akteneinsicht auf die Durchsicht der Akten
auf der Geschäftsstelle des zuständigen oder eines auswärtigen Gerichts
beschränkt ist oder ob sie einem Rechtsanwalt zur Mitnahme in seine Kanzlei
überlassen bzw. dorthin übersandt werden, nach ganz einhelliger Auffassung in
Rechtsprechung und Schrifttum im pflichtgemäßen Ermessen des in der Sache
zuständigen Rechtspflegers oder Richters (vgl. BGH, a.a.O.; BayObLGZ 1995, 1
[3]; Senat, Rpfleger 1983, 325; OLG Düsseldorf, MDR 1987, 768 [769]; OLG
Dresden, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; Bassenge/Herbst, FGG/ RPflG 11. Aufl.
2007, § 34 FGG, Rdn. 4 und 7; Kahl in Keidel/Kuntze/ Winkler, a.a.O.; von König
in Jansen, FGG, a.a.O.; Schneider, a.a.O.). Der Senat kann diese
Ermessensentscheidung der Vorinstanzen im Verfahren der weiteren
Beschwerde nur in eingeschränktem Umfang, d.h. nur auf Rechtsfehler hin
überprüfen, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO (vgl. BayObLG, NJW-RR 1990, 52 [53];
BayObLG NJW-RR 1992, 1159; OLG Hamm, OLGZ 1986, 1 [6]; Meyer-Holz in
Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 27, Rdn. 23 mit weit. Nachw.). Auch neues,
erstmals in dritter Instanz in das Verfahren eingeführtes Vorbringen, wie
beispielsweise das des Schriftsatzes vom 29. Juni 2007 zu den wirtschaftlichen
Verhältnissen der Beschwerdeführerin, kann - was der
Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin übersieht - der Senat als
Rechtsbeschwerdegericht gemäß den §§ 27 Abs. 1 FGG, 559 ZPO nicht
berücksichtigen (vgl. nur Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 27,
Rdn. 42 ff. mit zahlr. weit. Nachw.). Die Entscheidung des Landgerichts hält der
Überprüfung nach diesen Grundsätzen statt; auch der Senat hätte über das
Begehren der Beschwerdeführerin, die Akten ihrem Verfahrensbevollmächtigten
in seine Büroräume zu übersenden, nicht anders entschieden als die
Vorinstanzen.
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Die Verfahrensrügen der weiteren Beschwerde gehen fehl. Die Entscheidung
des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Anspruchs der
Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
Die Rüge der weiteren Beschwerde, die Beschwerdeführerin habe in den
Tatsacheninstanzen keine Gelegenheit gehabt, zu den im ersten Absatz der
Gründe des angefochtenen Beschlusses angeführten, unter Ziff. 2 a) der
Beschwerdebegründung im Wortlaut wiederholten Sachverhalt Stellung zu
nehmen, ist teilweise schon sachlich falsch. So ist bereits die erste dieser
Feststellungen, daß nämlich der Erblasser E N zwischen dem 29. und 30.
August 1998 in C-H verstorben ist, der Beschwerdeführerin bereits durch das
Schreiben des Nachlaßgerichts vom 12. März 2007
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bekannt gegeben worden. Ausweislich seines Schriftsatzes vom 12. April 2007
hat dieses Schreiben auch ihrem Verfahrensbevollmächtigten vorgelegen. Auch
die weiteren Feststellungen des Landgerichts, daß nämlich mehrere potentielle
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Erben die Erbschaft ausgeschlagen hatten, waren der Beschwerdeführerin und
ihrem Verfahrensbevollmächtigten, wenn auch nicht in allen Einzelheiten,
bereits durch jenes Schreiben vom 12. März 2007 bekannt gegeben worden.
Weitere Angaben hat das Amtsgericht dem Verfahrensbevollmächtigten der
Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. April 2007 gemacht. Jedenfalls aber
beruht der angefochtene Beschluß des Landgerichts nicht darauf, daß die im
ersten Absatz seiner Gründe wiedergegebenen Tatsachen, wer im einzelnen
wann die Erbschaft nach dem Erblasser ausgeschlagen hat, der
Beschwerdeführerin bis zum Erlaß der Beschwerdeentscheidung nicht im
einzelnen bekannt gewesen sein mögen. Auch die weitere Beschwerde zeigt
nicht auf, was die Beschwerdeführerin zu der im Beschwerdeverfahren vor dem
Landgericht allein entscheidungserheblichen Frage der Ausübung des
Ermessens bei der Bescheidung des Antrags auf Überlassung der Akten in die
Büroräume des Rechtsanwalts weiter hätte vortragen wollen oder können, wenn
sie jene Einzelheiten, also beispielsweise den Umstand, daß Frau B M die
Erbschaft am 10. Mai 1999 ausgeschlagen hat, schon vorher gekannt hätte.
Vielmehr haben diese Umstände mit der hier allein erheblichen Frage
ersichtlich nichts zu tun.
Auch daß die Beschwerdeführerin erst aus dem Beschluß des Landgerichts
erfahren hat, daß die Akte damals, nämlich bis zur Nichtabhilfeentscheidung
des Amtsgerichts vom 24. Mai 2007 "lediglich 69 Seiten" (richtig wäre: 69 Blatt)
umfaßte - inzwischen ist sie allerdings bedingt durch die Rechtsmittel der
Beschwerdeführerin und einzelne weitere Eingänge ein wenig dicker -, zeigt
keine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Gewährung des
rechtlichen Gehörs auf, auf dem die angefochtene Entscheidung des
Landgerichts beruhen könnte. Das Landgericht war schon nicht verpflichtet, der
Beschwerdeführerin den Inhalt und Umfang der Akten im einzelnen bekannt zu
geben, ehe im Beschwerderechtszug über ihren Antrag auf Akteneinsicht
entschied. Vielmehr hatte die Beschwerdeführerin mit dem von ihrem
Verfahrensbevollmächtigten abgelehnten Angebot, die Akten auf der
Geschäftsstelle des Amtsgerichts Oldenburg einzusehen, hinreichend
Gelegenheit, den Umfang der Akte in Erfahrung zu bringen und hierzu, soweit
dies für die Ausübung des Ermessens bei der Entscheidung über ihr darüber
hinausgehendes Gesuch auf Überlassung der Akten an ihren Bevollmächtigten
von Bedeutung sein konnte, vorzutragen. Daß er bereits den Umfang der Akte
und damit die Frage, ob ihre Durchsicht - im Sinne der von ihm angeführten
Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 9. Juli 1991 (NJW 1992,
846) - "im Hinblick auf ihren Umfang … zeitaufwendig" sein würde, nicht
aufgrund einer Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts
Oldenburg hätte prüfen und dann dazu vortragen können, kann der
Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin nicht ernsthaft behaupten.
Dies bedarf indes keiner weiteren Vertiefung. Denn auch in diesem Punkt zeigt
die weitere Beschwerde nicht auf, daß die angefochtene Entscheidung auf dem
von ihr gerügten Verfahrensfehler beruht, d.h. was die Beschwerdeführerin im
Verfahren vor dem Landgericht weiter hätte vortragen können, wenn ihr die in
der Beschwerdeentscheidung berücksichtigte Tatsache des Umfangs der Akte
von damals 69 Blatt schon vor dem Erlaß jener Beschwerdeentscheidung
mitgeteilt worden wäre. Denn selbst wenn die Beschwerdeführerin dies im
Anschluß an eine entsprechende Mitteilung des Gerichts in Abrede gestellt oder
ins Blaue hinein einen größeren Umfang der Akte behauptet hätte, hätte das
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Landgericht dann nur - und zwar ohne weitere Ermittlungen - den sich
unmittelbar aus der Akte selbst ergebenden Umfang der Akte von damals 69
Blatt feststellen und seiner Entscheidung zugrunde legen können.
Fehl geht schließlich auch die Rüge der weiteren Beschwerde, das Landgericht
habe den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs
deshalb verletzt, weil für sie "nicht ersichtlich" gewesen sei, daß für eine
Überlassung der Akten an ihren Verfahrensbevollmächtigten "besondere
Gründe" sprechen müßten. Diese Rüge geht von einem unzutreffenden
Sachverhalt aus. Die Beschwerdeführerin und ihr Verfahrensbevollmächtigter
sind dadurch, daß das Landgericht bei seiner Entscheidung auf das Fehlen
"besonderer Gründe" für die Überlassung der Akten in die Kanzleiräume
abgestellt hat, nicht überrascht worden. Vielmehr war für sie aufgrund der
Entscheidungen des Amtsgerichts - jedenfalls bei hinreichend sorgfältiger
Durchsicht dieser Entscheidungen - unschwer erkennbar und damit im Sinne
der weiteren Beschwerde "ersichtlich", daß es auf diesen Gesichtspunkt
ankommen konnte. Damit hatten sie Anlaß und Gelegenheit, hierzu vorzutragen,
so daß ihnen auch hierzu rechtliches Gehör gewährt worden ist. Schon der mit
der Erstbeschwerde angefochtene Beschluß der Rechtspflegerin des
Amtsgerichts vom 3. Mai 2007 stellt ausdrücklich darauf ab, daß einem
Rechtsanwalt Akten zur Mitnahme in seine Kanzleiräume nur zu überlassen
seien, "wenn hierfür besondere Gründe sprechen". Dabei hat das Amtsgericht
auf die Kommentierung von Kahl (in Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 34, Rdn.
22) Bezug genommen. Auch dort ist - unter Angabe weiterer Nachweise -
ausgeführt, daß an verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwälte Akten "in die
Wohnung oder Kanzleiräume nur überlassen (werden), wenn hierfür besondere
Gründe" sprechen. Daß es der Verfahrensbevollmächtigte der
Beschwerdeführerin nach den Angaben der weiteren Beschwerde - aufgrund
einer im übrigen unzutreffenden Mutmaßung über den Inhalt jener
Kommentierung - trotz des von ihm bei anderer Gelegenheit betonten Wunschs
einer "grundsätzliche(n) Klärung" nicht für erforderlich erachtet hat, diese ihm
schon vom Amtsgericht genannte Belegstelle einzusehen, mag verwundern,
ändert aber nichts daran, daß der Verfahrensbevollmächtigten der
Beschwerdeführerin und damit sie selbst schon mit dem genannten Beschluß
des Amtsgericht auf den Aspekt der "besonderen Gründe" hingewiesen worden
sind, so daß sie Gelegenheit hatten, hierzu vorzutragen und ihr damit im
Beschwerdeverfahren in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt
worden ist. Zudem ist der genannte Aspekt auch in der
Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts angesprochen. Dort hat das
Amtsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß auch nach der Entscheidung
des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 9. Juli 1991, auf welche die
Beschwerdeführerin sich stützt und die ihr Verfahrensbevollmächtigter in Bezug
genommen hat, im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit die Überlassung
von Akten an den Rechtsanwalt zur Einsicht in seiner Kanzlei von dem
Vorliegen besonderer Gründe abhängig zu machen sei.
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Unberechtigt ist auch die Rüge der weiteren Beschwerde, das Landgericht hätte
die Frage nach dem Vorliegen "besonderer Gründe" in dem genannten Sinne
von Amts wegen weiter aufklären müssen. Zwar gilt der
Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG) auch im Beschwerdeverfahren (vgl.
Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 12, Rdn. 71; Sternal in Keidel/
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Kuntze/Winkler, a.a.O., § 23, Rdn. 3; jeweils mit weit. Nachw.). Er enthebt die
Beteiligten indes nicht von der Verpflichtung, durch eingehende
Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl.
Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 12, Rdn. 121 mit weit. Nachw.). Da
hier der Gesichtspunkt der "besonderen Gründe" bereits in den Entscheidungen
des Amtsgerichts ausdrücklich angesprochen worden war und solche Gründe
allein in der Sphäre der Beschwerdeführerin selbst und ihres
Verfahrensbevollmächtigten liegen konnten, konnte das Landgericht ohne
Verletzung der Amtsermittlungspflicht davon ausgehen, daß - sofern solche
gegeben waren - diese von der Beschwerdeführerin vorgetragen worden wären.
Dies ist indes nicht geschehen; auch die weitere Beschwerde zeigt keine
solchen "besonderen Gründe" auf.
Auch die Ermessensausübung des Landgerichts selbst hält der rechtlichen
Überprüfung durch den Senat stand. Im Zivilprozeß mag bei der Entscheidung,
ob einem Rechtsanwalt die Akten des Verfahrens zur Einsichtnahme in seine
Kanzlei überlassen waren, zwar ein großzügiger Maßstab anzulegen sein (vgl.
OLG Hamm, ZIP 1990, 1369; Schneider, Rpfleger 1987, 428 mit weit. Nachw.),
wobei allerdings auch dort keine Verpflichtung besteht, die Akten dem Anwalt in
seine Kanzlei zu übersenden (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 387 [388];
Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 299, Rdn. 4 a). Dieser großzügigere
Maßstab beruht ersichtlich darauf, daß im Zivilprozeß die Gefahr eines
Verlustes der Akten deshalb weniger Gewicht hat, weil von den Parteien
Urkunden regelmäßig nicht im Original, sondern nur in Kopie zur Akte gereicht
und erst - soweit noch erforderlich - im Verhandlungstermin zu Beweiszwecken
vorgelegt werden (vgl. §§ 131 Abs. 1, 420 ZPO), so daß sich die Akten im Falle
ihres Verlustes regelmäßig anhand der Handakten des Prozeßbevollmächtigten
der Gegenseite wieder rekonstruieren lassen werden. Für die Akten im
Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere in Nachlaßsachen, gilt
dies nicht. Hier wiegt die Gefahr eines Verlustes der Akten weit schwerer, weil
die Akten regelmäßig Urkunden im Original enthalten, die sich im Falle eines
Verlustes der Akten nicht mehr rekonstruieren lassen, so daß ein solcher Verlust
mit schwerwiegenden oder selbst unersetzlichen Nachteilen für andere
Beteiligte verbunden sein kann. Darauf weist die schon in dem Beschluß des
Amtsgerichts vom 3. Mai 2007 angeführte Kommentierung von Kahl (vgl. Kahl in
Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 34, Rdn. 22) zutreffend hin. Es ist deshalb aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanzen bei der Ausübung
ihres Ermessens diesem Gesichtspunkt gegenüber der Bequemlichkeit des
Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin den Vorrang eingeräumt
haben. Vielmehr entspricht diese Handhabung der Rechtsprechung des Senats
(vgl. Senat Rpfleger 1983, 325) und seiner ständigen, seit mehr als dreißig
Jahren geübten Praxis, nach der in Fällen, in denen bei ihm um Akteneinsicht in
ihm vorliegende Akten in Nachlaßsachen nachgesucht wird, diese den
Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten zustehende Akteneinsicht auf
die Durchsicht im Gerichtsgebäude begrenzt ist. Dabei läßt sich der Senat von
der Erwägung leiten, daß solche Akten in Nachlaßsachen, ebenso wie Grund-,
Register-, Zwangsversteigerungs- oder Insolvenzakten, regelmäßig eine
Vielzahl von Unterlagen enthalten, deren rechtzeitige Rekonstruktion bei Verlust
oder verzögerter Rückgabe der Akten schwierig oder sogar unmöglich sein
kann. Zwar ist auch bei der Bearbeitung der Akten durch das Gericht bzw. bei
ihrer Versendung an ein auswärtiges Gericht oder an die Rechtsmittelinstanz
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die Möglichkeit, daß die Akten verloren gehen, nicht vollständig
auszuschließen. Sie muß aber im Interesse aller Beteiligten bei
Angelegenheiten aus den vorgenannten Gebieten, und damit auch in
Nachlaßsachen, möglichst gering gehalten werden. Die Gefahr eines Verlustes
der Akten durch Handlungen Außenstehender ist jedenfalls deutlich geringer,
wenn und solange sich die Akten in amtlicher Verwahrung befinden.
Umstände, aus denen sich abweichend von diesem Grundsatz ein Rechtsfehler
bei der Ausübung des tatrichterlichen Ermessens im vorliegenden konkreten
Einzelfall ergeben könnte, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Der
Einwand der Erstbeschwerde, im vorliegenden Fall bestehe die Gefahr
unersetzlicher Nachteile für andere Beteiligte bei einem Verlust der Akte
deshalb nicht, weil sie kein Original-Testament enthalte, greift zu kurz. Der
Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin verkennt, daß Testamente
nicht die einzigen Urkunden sind, die für eine Nachlaßsache und für die Rechte
der übrigen Beteiligten von ausschlaggebender Bedeutung sein können. Wie
das Amtsgericht der Beschwerdeführerin bereits mit Schreiben vom 13. März
2007 mitgeteilt hatte, welches ihrem Verfahrensbevollmächtigten ausweislich
seines Schriftsatzes vom 12. April 2007 jedenfalls seit diesem Tage vorgelegen
hat, hatten bereits mehrere Erben der vorhergehenden Ordnung die Erbschaft
ausgeschlagen. Eine solche Ausschlagung kann wirksam nur innerhalb von
sechs Wochen seit dem Erbfall und dem Zeitpunkt, zu dem der ausschlagende
Erbe von ihm und dem Berufungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 1944 Abs. 1,
Abs. 2 Satz 1 BGB), und nur durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht (§
1945 Abs. 1, 1. Halbsatz BGB) in einer der in § 1945 Abs. 1, 2. Halbsatz BGB
vorgeschriebenen Formen erfolgen. Dabei obliegt dem Nachlaßgericht
zunächst nur die Entgegennahme der Ausschlagung und die Unterrichtung des
Nächstberufenen (§ 1953 Abs. 3 BGB), nicht aber die Prüfung der Wirksamkeit
der Ausschlagung (vgl. BayObLGZ 1985, 244 ff.; Frieser/ Rausch, Erbrecht,
2007, § 1953 BGB, Rdn. 7; Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl. 2007, § 1945,
Rdn. 6; PWW/Tschichoflos, BGB, 2. Aufl. 2007, § 1945, Rdn. 15). Für
diejenigen, welche die Ausschlagung erklärt haben, besteht deshalb ein
gewichtiges Interesse daran, durch ihre in den Nachlaßakten befindliche
Erklärung und den darauf gesetzten Eingangsvermerk des Nachlaßgerichts die
Wahrung von Form und Frist der Ausschlagung - etwa bei Inanspruchnahme
durch einen Gläubiger des Erblassers - nachweisen (vgl. dazu
Baumgärtel/Schmitz, Handbuch der Beweislast, Bd. II, 2. Aufl. 1999, § 1944,
Rdn. 2 mit weit. Nachw.) zu können. Auch für ein späteres Erbscheinsverfahren
ist es unverzichtbar, die Wahrung von Form und Frist der Ausschlagung an
Hand der Nachlaßakten feststellen zu können.
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Im Ansatz fehl geht die Erwägung der Erstbeschwerde, da der Nachteil für die
übrigen Beteiligten gleich groß sei, wenn die Akten bei der Beschwerdeführerin
und ihrem Verfahrensbevollmächtigten angebotenen Übersendung der Akten an
das Amtsgericht Oldenburg in Verlust gerieten, "sei nicht einzusehen", weshalb
die Akten dann nicht an die Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten gesandt
werden könnten. Mit dieser Argumentation setzt der Verfahrensbevollmächtigte
der Beschwerdeführerin lediglich sein eigenes Ermessen an die Stelle des
Ermessens des zuständigen Gerichts, zeigt aber keinen Ermessensfehler bei
der Ausübung des Ermessens durch die Rechtspflegerin und / oder die
Beschwerdekammer des Landgerichts auf. Daß die Vorinstanzen bei der
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Ausübung ihres Ermessens dem Interesse der Beschwerdeführerin und ihres
Verfahrensbevollmächtigten Rechnung getragen haben, nicht von Oldenburg
nach Bonn fahren zu müssen, um die Akten einzusehen, dabei aber zur
Minimierung des Verlustrisikos den Fortbestand der amtlichen Verwahrung für
geboten erachteten, hat nicht zur Folge, daß sie wegen dieser
Ermessensausübung den Wünschen des Verfahrensbevollmächtigten der
Beschwerdeführerin noch weiter entgegen kommen müßten. Dies gilt um so
mehr, als auch nur bei einem Fortbestand der amtlichen Verwahrung für den nie
ganz auszuschließenden Fall, daß die Akten zur Bearbeitung eines eiligen
Antrages sogleich wieder von dem Nachlaßgericht benötigt werden, ihre
sofortige Rücksendung gesichert und nicht nur von dem guten Willen des
zeitweiligen Besitzers der Akten abhängig ist oder durch etwa in seiner Kanzlei
auftretende Probleme verhindert wird.
Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der Senat nicht von dem von der
Beschwerdeführerin angeführten Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt
vom 9. Juli 1991 (NJW 1992, 846) ab. Eine Vorlage der weiteren Beschwerde
an den Bundesgerichtshof (§ 28 Abs. 2 Satz 1 FGG) ist deshalb nicht veranlaßt.
Vielmehr hat auch das Oberlandesgericht Frankfurt in jenem Beschluß in
Übereinstimmung mit der übrigen, einhelligen Rechtsprechung ausdrücklich
festgestellt, daß weder ein Beteiligter noch sein Verfahrensbevollmächtigter
einen Rechtsanspruch darauf haben, daß diesem Akten zur Einsicht in seine
Büroräume überlassen werden, sondern daß die Entscheidung über diese
Frage im pflichtgemäßen Ermessen des um Akteneinsicht angerufenen Gerichts
steht. Eine Verdichtung des Ermessens zu einer Pflicht zur Überlassung der
Akten hat das Oberlandesgericht nur unter der - von ihm bei dem von ihm
beurteilten Fall als gegeben angenommenen - Voraussetzung bejaht, daß
gegen eine solche Überlassung der Akten in die Kanzlei des Akten nichts, für
sie dagegen besondere Gründe sprechen. Damit unterscheidet sich der von
dem Oberlandesgericht Frankfurt beurteilte Fall in den wesentlichen
entscheidungserheblichen Punkten von dem vorliegenden Sachverhalt. Denn
hier sprechen mit den oben dargestellten objektiven Risiken wesentliche
Gründe gegen eine solche Überlassung, während "besondere" Gründe für eine
solche Überlassung nicht dargetan oder sonst ersichtlich sind: Das
Oberlandesgericht Frankfurt hat seinerzeit ausdrücklich auf den "Umfang" der
Akten - zu überprüfen war in jenem Fall eine Vermögensverwaltung - abgestellt,
während dieser Umfang hier durchaus überschaubar ist. Daß die Durchsicht der
Akten in der eigenen Kanzlei weniger beschwerlich ist als die Akteneinsicht auf
der Geschäftsstelle des Gerichts, trifft zwar zu, ist aber gerade kein "besonderer"
Grund, sondern in jedem Fall anzunehmen. Hinter diesem Interesse brauchen
die gegen eine solche Überlassung der Akten sprechenden Gesichtspunkte
deshalb nicht zurückzutreten.
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Die weitere Beschwerde ist somit zurückzuweisen. Eine Kostenentscheidung ist
nicht veranlaßt, da am Beschwerdeverfahren kein Beschwerdegegner beteiligt
ist.
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Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: EUR 50,--
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