Urteil des OLG Köln vom 10.09.1993

OLG Köln (verfügung, einstweilige verfügung, erledigung des verfahrens, zpo, hauptsache, wirkung, dringlichkeit, bestätigung, bestand, antrag)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 157/92
Datum:
10.09.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 157/92
Schlagworte:
ZEITLICH BEFRISTETE ERLEDIGUNGSERKLÄRUNG
Normen:
ZPO § 935; ZPO § 940
Leitsätze:
1. Erklären die Parteien eines einstweiligen Verfügungsverfahrens den
Rechtsstreit mit Wirkung ab einem bestimmten Zeitpunkt, der nach dem
Erlaß der einstweiligen (Beschluß)Verfügung liegt, übereinstimmend in
der Hauptsache für erledigt, fehlt es für den danach noch rechtshängigen
Teil des Verfahrens an der für den Erlaß der einstweiligen Verfügung
unabdingbaren Voraussetzung des Verfügungsgrundes (Dringlichkeit).
Jedenfalls für das Verfahren der einstweiligen Verfügung kann daher
offen bleiben, ob Erledigungserklärungen wirksam dergestalt
eingeschränkt werden können, daß ein zurückliegender Zeitraum
hiervon ausgenommen wird.
2. Das in einer Beschlußverfügung ausgesprochene Verbot kann für
einen begrenzten, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum vor dem
Hintergrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der
Parteien insbesondere nicht etwa deswegen aufrechterhalten werden,
weil die Ahndung möglicher zwischenzeitlicher Zuwiderhandlungen
andernfalls an den §§ 775, 776 ZPO scheitert.
3. Haben die Parteien den Rechtsstreit -wenn auch mit zeitlicher
Eingrenzung- übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, ist
hierdurch die Rechtshängigkeit der Hauptsache (hier in Form des
Sicherungsbegehrens) beendet. Diese gestaltende Wirkung dieser
Prozeßhandlung steht einem (Hilfs)Antrag auf Bestätigung der
einstweiligen Verfügung in vollem Umfang entgegen.
Rechtskraft:
rechtskräftig
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die Berufung ist zulässig; sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
2
Mit seinem Rechtsmittel erstrebt der Antragsteller in erster Linie eine Bestätigung der
durch Beschluß des Landgerichts Köln vom 22. September 1992 erlassenen
einstweiligen Verfügung mit den Anträgen zu a, b und d in ihrem Bestand bis zum 6.
3
April 1993. Dem hierauf gerichteten Begehren hat das Landgericht zu Recht nicht
entsprochen und folgerichtig den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen.
Für den vor dem 6. April 1993 liegenden Zeitabschnitt sind die verfahrensrechtlichen
Voraussetzungen für eine Bestätigung der Beschlußverfügungen nicht erfüllt, nachdem
das Verfügungsverfahren mit Wirkung vom 6. April 1993 übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt worden ist. Nicht unzweifelhaft erscheint bereits, ob die
Erledigungserklärung wirksam dahingehend eingeschränkt werden konnte, daß ein
zurückliegender Zeitraum hiervon ausgenommen wurde. Die Frage, ob ein durch ein
Unterlassungsbegehren bestimmter Streitgegenstand im Rahmen einer
Erledigungserklärung in dieser Weise in Zeitabschnitte aufgeteilt werden kann und
sodann einzelne Teile von der den Prozeß gestaltenden Erklärung ausgenommen
werden können, damit ein ursprünglich erlangter Titel teilweise Bestand behält, bedarf
im Streitfall aber keiner vertiefenden Erörterung. Es fehlt nämlich jedenfalls an der für
den Erlaß einer einstweiligen Verfügung unabdingbaren Voraussetzungen eines
Verfügungsgrundes.
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Nach §§ 935, 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen zulässig, wenn entweder zu
besorgen ist, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die
Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden
könnte oder wenn eine einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Wird gegen eine durch Beschluß
erlassene einstweilige Verfügung gemäß §§ 925 Abs. 1, 936 ZPO Widerspruch
erhoben, so ist maßgebender Zeitpunkt für die Überprüfung dieser formellen
Voraussetzung - wie auch aller übrigen Erfordernisse einer einstweiligen Verfügung -
der Schluß der mündlichen Verhandlung (vgl. Zöller-Vollkommer, 18. Aufl., Rn. 3 zu §
925 ZPO m.w.N.). Demgemäß können im Widerspruchsverfahren auch nach Erlaß des
Verfügungsbeschlusses eingetretene Umstände vom Antragsgegner geltendgemacht
werden (vgl. Zöller-Vollkommer, Rn. 11 zu § 924 ZPO). Hieraus folgt auch, daß gerade
im Bereich des Wettbewerbsrechts allgemein davon ausgegangen wird, die
Dringlichkeit könne erst im Verfahrensverlauf entfallen (vgl. z.B. Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl., Kapitel 54 Rn. 27) mit der Folge, daß
nunmehr eine Verfahrensvoraussetzung fehle. Zu entscheiden war hier demgemäß
allein die Frage, ob die einstweilige Verfügung jetzt erlassen werden dürfte, wenn dies
noch nicht geschehen wäre, ob also die formellen Voraussetzungen vorliegen,
insbesondere auch, ob ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht ist (vgl. Stein-Jonas-
Grunsky, 20. Aufl., Rn. 3, 4 zu § 925 ZPO; MK-Heinze, Rn. 1, 2 zu § 925 ZPO).
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Im Streitfall fehlt es für den noch rechtshängigen Teil des Verfügungsverfahrens am
Verfügungsgrund bzw. an der Dringlichkeit. Von der Notwendigkeit einer einstweiligen
Regelung in dem oben genannten Sinne kann nämlich nicht ausgegangen werden,
wenn sich das im Verfügungsverfahren geltendgemachte Unterlassungsbegehren allein
- noch - auf einen Zeitraum bezieht, der in der Vergangenheit liegt. In einem solchen Fall
ist nicht zu besorgen, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands das
Recht einer Partei vereitelt werden könnte. Ebensowenig kann für die Vergangenheit
eine e i n s t w e i l i g e Regelung notwendig sein, um wesentliche Nachteile für eine
Partei abzuwenden.
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Das in der Beschlußverfügung des Landgerichts ausgesprochene Verbot kann für einen
beschränkten, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum vor dem Hintergrund der
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übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien auch nicht etwa deswegen
aufrechterhalten werden, weil die Ahndung möglicher zwischenzeitlicher Verstöße der
Antragsgegnerin aufgrund der §§ 775, 776 ZPO andernfalls prozessual nicht verwirklicht
werden könnte. Der Umstand, daß das Zwangsvollstreckungsrecht eine Vollstreckung
nach dem Entfallen eines Titels ausschließt, rechtfertigt es nicht, im Rahmen der
Entscheidung über einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung die durch die
Prozeßordnung vorgeschriebenen Voraussetzungen unbeachtet zu lassen.
Auch der Hilfsantrag, durch den die Bestätigung der landgerichtlichen
Beschlußverfügung hinsichtlich der Anträge zu a, b und d in vollem Umfang, also ohne
zeitliche Beschränkung, begehrt wird, ist nicht gerechtfertigt. Nachdem die Parteien das
Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, steht dem die
gestaltende Wirkung dieser Prozeßhandlungen entgegen, die darin liegt, daß die
Rechtshängigkeit der Hauptsache beendet ist. Auch im Zusammenhang mit der
Entscheidung über den Hilfsantrag kann dahinstehen, ob der Antragsteller die
prozeßgestaltende Wirkung für einen Teil des Streitgegenstandes ausschließen konnte,
indem er sein ursprüngliches Unterlassungsbegehren nachträglich zeitlich zergliederte.
Für den zurückliegenden Zeitraum fehlt es nämlich aus den oben dargelegten Gründen
jedenfalls an der für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung erforderlichen
Dringlichkeit.
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Daß mithin dem Begehren des Antragstellers nicht entsprochen und die
Beschlußverfügung des Landgerichts nicht - teilweise - bestätigt werden kann, erscheint
im übrigen entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht unbillig. Wird seine
eigene Sachdarstellung zugrundegelegt, so bestand nämlich keine Veranlassung für
den Antragsteller, das Verfahren in der Hauptsache für Gegenwart und Zukunft für
erledigt zu erklären und damit der Fortsetzung des Verfügungsverfahrens die Grundlage
zu entziehen. Nach seinem eigenen Vorbringen hatte er nämlich wegen mehrfacher
Verstöße der Antragsgegnerin gegen das in der Beschlußverfügung enthaltene
Unterlassungsgebot durchaus Anlaß, an der Ernsthaftigkeit einer
Unterlassungsverpflichtungserklärung der Antragsgegnerin zu zweifeln, die lediglich
durch ein Vertragsstrafeversprechen in der üblichen Höhe strafbewehrt war. Nach seiner
eigenen Darstellung bestand damit ein Grund, die Annahme der
Unterlassungsverpflichtungserklärung zu verweigern mit der Folge, daß dann auch eine
Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache nicht in Betracht gekommen wäre.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung ist mit ihrer Verkündung rechtskräftig, § 545 Abs. 2 ZPO.
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