Urteil des OLG Köln vom 08.09.1999

OLG Köln: karies, behandlungsbedürftigkeit, zahnarzt, vollstreckbarkeit, rüge, mangelhaftigkeit, anhörung, datum, wiedereröffnung, versorgung

Oberlandesgericht Köln, 5 U 35/99
Datum:
08.09.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 35/99
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 9 O 218/98
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des
Landgerichts Bonn vom 01.02.1999 - 9 O 218/98 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Das Landgericht hat die Klage - mit zutreffender Begründung - zu Recht abgewiesen.
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Die Aktivlegitimation der Klägerin ist in zweiter Instanz unter den Parteien nicht mehr
umstritten; jedenfalls ist die Beklagte hierauf im Rahmen ihrer Berufungserwiderung
nicht mehr konkret eingegangen.
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In der Sache selbst greifen die formalen Rügen der Klägerin nicht durch. Erst nach
Durchführung der Beweisaufnahme hat der Zeuge N. mit Faxschreiben nebst
persönlichem Anschreiben weitere Behandlungsunterlagen dem Gericht übersandt,
ohne dass die Klägerin diese zum Gegenstand ihres Vortrages gemacht hätte. Einer
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bedurfte es deshalb nicht.
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Im übrigen hat das Landgericht in der Sache zu Recht entschieden, dass die Klägerin
den Nachweis dafür, dass die seitens des Zeugen N. durchgeführte umfängliche
zahnprothetische Versorgung medizinisch erforderlich war, nicht geführt hat. Eine
solche medizinische Erforderlichkeit ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin
nunmehr in zweiter Instanz zum Gegenstand ihres Berufungsvorbringens gemachten,
seitens des Zeugen N. eingereichten Behandlungsunterlagen, wobei es insoweit keiner
Beweisaufnahme durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedarf.
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Aus diesen Unterlagen (Bl. 181-209 d.A.) ergeben sich nämlich gegenüber dem
erstinstanzlichen Vorbringen und den dort bereits vorliegenden Unterlagen keine
durchgreifenden neuen Gesichtspunkte, die zu einer weitergehenden Beweisaufnahme
Veranlassung geben könnten.
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Im wesentlichen beinhalten diese Unterlagen Funktionsanalysen und deren
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Auswertung, aus welchen sich mit Deutlichkeit ergibt, dass Behandlungsziel der
gesamten Behandlung in erster Linie die "Entfernung von Metallen" war.
Demgegenüber beinhalten die Unterlagen keinerlei Röntgenaufnahmen oder aber
Bissabformungen oder sonstige konkrete Unterlagen dazu, dass und aufgrund welcher
Umstände der Zahnarzt N. Veranlassung hätte haben können, von einer schleichenden
Palladiumvergiftung der Beklagten auszugehen und vor diesem Hintergrund eine
komplette zahnprothetische Neuversorgung durchzuführen.
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Soweit die Klägerin insbesondere in zweiter Instanz darauf abgestellt hat, die
umfängliche Neuversorgung sei insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil bei
der Beklagten eine Karieslage gegeben gewesen sei und außerdem Inlays
herausgefallen seien, so hat bereits der erstinstanzliche Sachverständige hierzu
spezifiziert und nachvollziehbar dargetan, dass jedenfalls nach den vom Zeugen N.
durchgeführten Maßnahmen überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte für eine Karies
und auch nicht für eine Erneuerungsbedürftigkeit der Gebisssituation erkennbar waren,
wobei ohnehin schon überaus fragwürdig erscheint, ob eine Karieslage Veranlassung
für eine komplette Neuversorgung geben kann. Hätte bei der Beklagten tatsächlich eine
derart massive Karies vorgelegen, so wäre diese auch als solche behandlungsbedürftig
gewesen. Den gesamten vorgelegten Unterlagen sind jedoch nicht die geringsten
Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass tatsächlich eine unmittelbare
Kariesbehandlung durchgeführt worden ist. Unstreitig ist eine solche jedenfalls nicht in
Rechnung gestellt worden, und es sprechen überhaupt keine vernünftigen und
nachvollziehbaren Gesichtspunkte dafür, dass ein Zahnarzt durchgeführte
Behandlungsmaßnahmen dem Patienten nicht in Rechnung stellt. Dass insoweit eine
Liquidierung erfolgt ist, hat der Zeuge N. und hat insbesondere auch die Klägerin selbst
nicht behauptet, sondern vielmehr eingeräumt, dass eine Kariesbehandlung nicht
abgerechnet worden ist.
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Soweit Inlays herausgefallen sein sollten, so ist dem Senat aus einer Reihe von Fällen
mit entsprechendem Behandlungsgegenstand bekannt, dass solche Inlays entweder
jeweils einzeln wieder eingefügt oder aber neu erstellt werden können, ohne dass
hiernach ein Behandlungsumfang in Richtung auf eine komplette Neuversorgung
erforderlich ist.
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Was die weiteren vorliegenden Behandlungsunterlagen des Zahnarztes N. anbetrifft, so
beschränken diese sich im wesentlichen auf eine Anamnese, ohne dass diese,
jedenfalls soweit aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich ist, durch eigene konkrete
Feststellungen des Zahnarztes verifiziert worden wäre. Der Zeuge N. hat es ersichtlich
verabsäumt, die Gebisssituation nach der erst ca. zwei Jahre vorher erfolgten
Neuversorgung in einer Weise zu dokumentieren, die geeignet wäre, Rückschlüsse auf
deren Qualität zu ziehen. Gerade wenn die Vorversorgung mangelhaft und umfänglich
erneuerungsbedürftig gewesen wäre, hätte es überaus nahegelegen, dies in einer
nachvollziehbaren Weise in den Behandlungsunterlagen kenntlich zu machen. Dies ist
jedoch gerade nicht geschehen. Die von der Klägerin insbesondere auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervorgehobene "Umkringelung" mehrerer
Zähne in dem formularmäßigen Zahnschema als Hinweis auf diesbezügliche sichtbare
Karies, reicht in keiner Weise aus, um insoweit eine umfängliche
Behandlungsbedürftigkeit darzutun, zumal in keiner Weise erkennbar ist, dass diese
angemerkte Karies "auf Sicht" überhaupt tatsächlich vorgelegen hat. Soweit ferner
darauf hingewiesen worden ist, es habe der Verdacht bestanden, dass auch
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weitergehende, nicht auf Sicht erkennbare Karies vorhanden gewesen sei, ist auch
diese Vermutung aus den Behandlungsunterlagen in keiner Weise nachvollziehbar und
in geeigneter Weise dokumentiert, so dass auch insoweit eine umfängliche
Behandlungsbedürftigkeit in keiner Weise ersichtlich ist.
Die von dem Zeugen N. vorgelegten, farblich ersichtlich verfälschten Fotos bieten nach
den in jeder Hinsicht überzeugend erscheinenden Ausführungen des erstinstanzlichen
Sachverständigen insbesondere auch anlässlich seiner mündlichen Anhörung vor der
Kammer des Landgerichts keine hinreichende Grundlage für diesbezügliche
Erkenntnisse und wären demzufolge auch für eine weitere Begutachtung durch einen
Sachverständigen unergiebig.
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Insoweit greift auch die Rüge der Klägerin, was die Vorgehensweise des
erstinstanzlichen Sachverständigen anbetrifft, nicht. Unstreitig hat dieser den Zeugen N.
mit Schreiben vom 15.10.1998 aufgefordert, ihm im einzelnen aufgeführte
Behandlungsunterlagen zu übermitteln. Wenn statt dessen der Zeuge dem
Sachverständigen nur eine eigene Beurteilung der Behandlungssituation übermittelte
und die angeforderten Behandlungsunterlagen nicht beifügte, so hatte der
Sachverständige keine Veranlassung, insoweit weiter nachzufragen; vielmehr konnte
und musste er davon ausgehen, dass entweder bei dem Zeugen N. keine weiteren
Unterlagen vorhanden waren oder aber dieser nicht willens war, diese vorzulegen.
Ersichtlich diente das Schreiben des Zeugen N. nur dazu, dem Sachverständigen die
eigene Sicht der Dinge des Zeugen N. zu vermitteln, ohne dies durch eigene
Behandlungsunterlagen in ausreichendem Maße zu dokumentieren. Schon vor diesem
Hintergrund aber auch angesichts des Umstandes, dass die nunmehr vorliegenden
Behandlungsunterlagen überhaupt keine neuen Gesichtspunkte erbringen, erübrigte
sich eine weitere Beweisaufnahme durch Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens.
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Eine Vernehmung des behandelnden Arztes, des Zeugen N., zur Frage der Indikation
und Mangelhaftigkeit bzw. Mangelfreiheit seiner Arbeit kommt nicht in Betracht,
jedenfalls dann nicht, soweit diese Frage der medizinischen Erforderlichkeit der
durchgeführten Behandlung grundsätzlich durch ein Sachverständigengutachten geklärt
werden kann und zu klären ist. Gerade dies ist aber bereits in erster Instanz mit einem
für die Klägerin negativen Ergebnis erfolgt, ohne dass im Berufungsverfahren neue, zu
einer weiteren Beweisaufnahme Veranlassung gebende Umstände aufgezeigt und
durch Behandlungsunterlagen belegt worden sind.
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Die Berufung der Klägerin war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 ZPO
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713
ZPO.
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Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer der Klägerin: 22.059,68 DM.
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