Urteil des OLG Köln vom 13.04.1999

OLG Köln (treu und glauben, kläger, verjährung, verzicht, frist, zeitpunkt, vertrauensschutz, umstände, behörde, erklärung)

Oberlandesgericht Köln, 15 U 143/98
Datum:
13.04.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 U 143/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 O 82/98
Schlagworte:
Verjährung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung nach Übergang
auf Behörde
Normen:
BGB §§ 852, 208, 225, 242, 781
Leitsätze:
Auch der nach § 99 LBG übergegangene Anspruch aus unerlaubter
Handlung unterliegt der 3-jährigen Verjährung nach § 852 BGB, die
beginnt, wenn der mit der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen
betraute Bedienstete der Behörde Kenntnis erlangt. Ein vor Ablauf der
Verjährung erklärter Verzicht darauf ist unwirksam; er ergibt nur das
Recht, dem Verjährungseinwand mit der "Arglisteinrede zu begegnen,
hindert aber nicht den Ablauf der Verjährung. Ein nach Ablauf der
Verjährung, aber innerhalb der verabredeten Zeit des Verzichts
abgegebenes Anerkenntnis - ohne die Qualität des § 781 BGB - hat
daher nicht die unterbrechende Wirkung des § 208 BGB.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 3. September 1998 - 29 O 82/98 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist aber
unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die geltend
gemachte Schadensersatzforderung ist nicht mehr durchsetzbar, da verjährt, § 222 Abs.
1 BGB.
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Es gilt - auch für den gemäß § 99 LBG NW übergegangenen Anspruch - die 3-jährige
Verjährungsfrist des § 852 BGB, die in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in welchem der
Verletzte - in einem Fall wie diesem: Der mit der Vorbereitung und Verfolgung von
Schadensersatzansprüchen betraute Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde
(BGHZ 134, 343, 346 m.w.N.) - von dem Schaden und der Person des ersatzpflichtigen
Kenntnis erlangt. Nach der eigenen Sachdarstellung des Klägers soll dieser Zeitpunkt
auf den 25.06.1993 zu datieren sein, weil erst mit Zugang der Meldung des
Geschädigten vom 23.06.1993 bei dem zuständigen Referat diesem die Person des
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Schädigers bekannt geworden sei.
Davon ausgehend, ist die Erklärung vom 30.10.1995 (Bl. 49 GA), auf die Einrede der
Verjährung zunächst bis zum 31.12.1997 zu verzichten, in unverjährter Zeit abgegeben
worden. In Ansehung des § 225 Satz 1 BGB konnte dadurch kein gültiger Verzicht
bewirkt, sondern lediglich die Rechtsfolge ausgelöst werden, dass einer gleichwohl
während dieses Zeitraumes erhobenen Verjährungseinrede der Arglisteinwand hätte
entgegengesetzt werden können. Die Rüge der Berufung, das Landgericht habe die
Reichweite dieser Verzichtserklärung verkannt, geht fehl. Entgegen der von ihr
vertretenen Auffassung hindert der ungültige Verzicht nicht die Vollendung der
Verjährung, was Voraussetzung dafür wäre, dass die namens des Beklagten am
29.01.1997, also nach Ablauf der vom 25.06.1993 an berechneten 3-Jahres-Frist,
abgegebene Erklärung (Bl. 36 f. GA) den Fristenlauf noch gemäß § 208 BGB hätte
unterbrechen können.
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Die gegenteilige Rechtsansicht des Klägers, die darauf hinausläuft, den wegen § 225
Satz 1 BGB unwirksamen Einredeverzicht mit Unterbrechungs- oder Hemmungswirkung
zu versehen, findet im Gesetz keine Stütze; ebensowenig lässt sie sich an
richterrechtlich herausgebildeten Grundsätzen festmachen. Die zu diesem Problemkreis
ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung besagt lediglich, dass nach Eintritt der
Verjährung der auf dem Einredeverzicht beruhende Vertrauensschutz des Gläubigers
solange gerechtfertigt bleibe, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
begründenden Umstände andauern (vgl. etwa BGH NJW 1998, 902, 903; NJW 1979,
866, 867). Dafür, dass der unwirksame Einredeverzicht den Fristenlauf als solchen
beeinflusse, lässt sich diesen Entscheidungen nichts entnehmen.
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Das für die Richtigkeit seines Standpunktes vorgebrachte Argument des Klägers, er
dürfe im Interesse einer möglichst einfachen und kostensparenden
Schadensabwicklung nicht zu einer Klageerhebung genötigt werden, verfängt nicht. Es
ist ihm unbenommen, nach Eintritt der Verjährung bei noch fortbestehender Geltung des
(unwirksamen) Einredeverzichts und seines darauf gründenden Vertrauensschutzes
einen dann von Rechts wegen zulässigen Einredeverzicht des Anspruchsgegners zu
erbitten oder seine Forderung durch ein außergerichtliches konstitutives
Schuldanerkenntnis auf eine neue Basis zu stellen. Nur wenn weder die eine noch die
andere Erklärung abgegeben wird, ist er gehalten, alsbald nach Auslaufen seines
Vertrauensschutzes gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Eben das hätte hier früher als geschehen erfolgen müssen, weil das Anwaltsschreiben
vom 29.01.1997 weder einen wirksamen Verzicht auf die Erhebung der
Verjährungseinrede noch ein konstitutives Schuldanerkenntnis beinhaltete.
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Der Anerkenntnisvertrag im Sinne des § 781 BGB fordert ein Einvernehmen der
Parteien darüber, dass unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue
selbständige Verpflichtung geschaffen werden soll. Das im Gesamtkontext zu lesende
Schreiben vom 29.01.1997 konnte jedoch von dem Kläger nicht im Sinne eines
Angebotes zum Abschluss eines derartigen Vertrages verstanden werden, weil sich ihm
keinerlei Anhaltspunkte für einen auf eine Auswechslung des Schuldgrundes
gerichteten Willen des Beklagten entnehmen ließen. Erkennbar ging es ihm allein
darum, mit dem Kläger in Verhandlungen über eine Ratenzahlungsvereinbarung
einzutreten, was von diesem auch so verstanden worden ist, wie die in den Schreiben
vom 26.02./15.04.1997 (Bl. 51 f. GA) zum Ausdruck kommende Reaktion darauf zeigt.
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Ein nicht den Anforderungen des § 781 BGB genügendes Anerkenntnis im Sinne des §
208 BGB, von dem zugunsten des Klägers ausgegangen werden mag, kann aber - wie
vom Landgericht zutreffend erkannt - unter Umständen als Verzicht auf die
Verjährungseinrede aufzufassen sein. Wird dieser jedoch - wie hier - nicht ausdrücklich
erklärt, müssen die Umstände auf einen dementsprechenden Erklärungswillen des
Schuldners schließen lassen, für den indes vorliegend nichts spricht. Auf die hierzu im
angefochtenen Urteil gegebene zutreffende Begründung kann zwecks Vermeidung von
Wiederholungen verwiesen werden.
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Nach alledem ist der am 14.04.1998 bei Gericht eingegangene Mahnbescheidsantrag
erst gestellt worden, nachdem der damit geltend gemachte Schadensersatzanspruch
bereits seit dem 15.06.1996 verjährt war. Dem Beklagten ist es nicht im Blick auf § 242
BGB verwehrt, sich im anhängigen Rechtsstreit auf die Einrede der Verjährung zu
berufen.
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Der dem Kläger zuzubilligende Vertrauensschutz bestand im Zeitpunkt der Anbringung
seines Gesuchs auf Erlass eines Mahnbescheides nicht mehr fort. Entfallen nämlich die
den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden Umstände, erklärt
insbesondere der Schuldner, sich nicht mehr an den Verzicht halten zu wollen, so muss
der Gläubiger innerhalb einer ihrerseits nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist,
die von ihrem Zweck her kurz zu bemessen ist, seinen Anspruch gerichtlich geltend
machen (BGH NJW 1998, 902, 903 m.w.N.).
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Diese Überlegungsfrist, die in der Rechtsprechung, je nach den Umständen des Falles,
mit 3 Monaten oder auch schon mit 6 Wochen für zu lang erklärt worden ist (vgl. BGH
a.a.O. und die dortigen Nachweise), wäre vom Kläger selbst dann nicht eingehalten
worden, wenn man sie erst mit dem 01.01.1998, also nach Auslaufen der Frist für die
Geltung des (unwirksamen) Einredeverzichts, beginnen lassen wollte. Sie hat sich nicht
etwa deswegen verlängert, weil der Beklagte durch sein Verhalten den Kläger von der
rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten hat. Zwar war mit dem Schreiben vom
29.01.1997 Zahlungsbereitschaft signalisiert und durch die spätere Übersendung der
angeforderten Einkommensnachweise bekräftigt worden, aber auf das Schreiben des
Klägers vom 12.06.1997 (Bl. 53 GA) ist seitens des Beklagten keine Reaktion mehr
erfolgt, auch nicht auf die Erinnerung vom 09.09.1997 (Bl. 54 GA), mit der der Kläger
zugleich darauf hingewiesen hatte, dass er die Aufnahme monatlicher Ratenzahlungen
von jeweils 400,00 DM ab Oktober 1997 erwarte. Der Beklagte hat indes nicht nur nicht
gezahlt, sondern darüber hinaus durch Anwaltsschreiben vom 31.10.1997 - wie vom
Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen - mitteilen lassen, dass
Zahlungen auch nicht geleistet werden würden. Seither standen dem Kläger noch 2
Monate zur Verfügung, binnen deren er unter der fortdauernden Geltung des
Einredeverzichts gerichtliche Schritte hätte einleiten können. Er ist jedoch sowohl im
November wie auch im Dezember 1997 und selbst noch im Januar 1998 untätig
geblieben. Als er den streitgegenständlichen Anspruch schließlich im April 1998
anhängig machte, gab es einen ihm aufgrund des Einredeverzichts zuzubilligenden
Vertrauensschutz jedenfalls nicht mehr.
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Folglich hat der Beklagte zulässigerweise die der Sache nach begründete
Verjährungseinrede erhoben, weswegen die Klage vom Landgericht zu Recht
abgewiesen worden ist.
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Die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen dem Kläger zur Last, § 97
Abs. 1 ZPO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Gegenstandswert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer für den Kläger:
12.318,95 DM.
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