Urteil des OLG Köln vom 04.03.1994

OLG Köln (erwerbstätigkeit, kind, ehegatte, beschwerde, versorgung, aufgaben, teil, hochschulstudium, geburt, zpo)

Oberlandesgericht Köln, 25 UF 102/93
Datum:
04.03.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 UF 102/93
Vorinstanz:
Amtsgericht Wermelskirchen, 5 F 34/92 - VA -
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 6. April 1993
verkündete Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht -
Wermelskirchen - 5 F 34/92 - aufgehoben und festgestellt, daß zwischen
den Parteien ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Die
Gerichtskosten beider Instanzen tragen die Parteien je zur Hälfte. Eine
Erstattung der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen findet nicht
statt.
G r ü n d e
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Die Parteien, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 15.06.1984 geheiratet.
Aus der Ehe ist ein am 23.01.1985 geborenes Kind hervorgegangen. Auf den dem
Antragsgegner am 23.08.1990 zugestellten Scheidungsantrag, dem der
Antragsgegner zugestimmt hat, hat das Amtsgericht durch das hiermit in Bezug
genommene Urteil vom 25.06.1991 - 5 F 128/90 AG Wermelskirchen - die Ehe der
Parteien geschieden und das Sorgerecht betreffend das gemeinsame Kind geregelt.
In dem abgetrennten Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich ist durch
Beschluß des Amtsgerichts vom 06.04.1993 - 5 F 34/92 AG Wer-melskirchen - der
Versorgungsausgleich dahingehend durchgeführt worden, daß von dem Konto der
Antrag-stellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf das Konto
des Antragsgegners bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 91,71 DM, bezogen auf den
31.07.1990, übertragen werden.
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Gegen den zuletzt genannten, ihr am 22.04.1993 zugestellten Beschluß hat die
Antragstellerin am 24.05.1993 (Montag) Berufungsbeschwerde eingelegt und diese
nach Fristverlängerung bis 27.09.1993 mit dem am 26.07.1993 eingegangenen
Schriftsatz begründet.
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Mit ihrem Rechtsmittel rügt die Antragstellerin, daß das Familiengericht zu Unrecht
das Eingreifen des Ausschlußtatbestandes des § 1587 c Ziffer 1 BGB verneint habe.
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Die Antragstellerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, daß zwischen
den Parteien ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist in der Sache
begründet.
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Die Antragstellerin macht mit Recht geltend, daß das Eingreifen der Härteregelung
des § 1587 c Nr. 1 BGB angezeigt ist. Zwar findet grundsätz-lich gemäß § 1587 Abs.
1 Satz 1 BGB zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Versorgungsausgleich
statt, soweit für sie oder einen von ihnen in der Ehezeit Anwartschaften oder
Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder Berufs- oder Erwerbs-unfähigkeit
der in § 1587 a Abs. 2 genannten Art begründet oder aufrechterhalten worden sind,
wobei ausgleichspflichtig gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB derjenige Ehegatte mit den
werthöheren Anwart-schaften oder Aussichten auf eine auszugleichende Versorgung
ist. Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich jedoch nicht statt,
soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berück-sichtigung der
beiderseitigen Verhältnisse, ins-besondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs
während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Die
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Anwendung dieser Härteregelung kommt in Betracht, wenn aufgrund besonderer
Verhältnisse die Durchführung des Wert-ausgleichs dem Grundgedanken des
Versorgungsaus-gleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH NJW
1982, 989). Der Gesetzgeber hatte mit dem Versorgungsausgleich vornehmlich im
Auge, die soziale Lage des geschiedenen Ehegatten zu verbessern, der - wie
zumeist die Ehefrau - wegen in der Ehe übernommener anderer Aufgaben Ein-
schränkungen in einer Erwerbstätigkeit auf sich genommen und dadurch die
ehebedingten Nachteile in seiner versorgungsrechtlichen Lage erlitten hat (BGH
NJW 1979, 1289). Dieser Grundgedanke trifft jedoch nicht zu, wenn der Verzicht auf
eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit nicht auf einer zwischen den Ehegatten
vereinbarten Verteilung der ehelichen Aufgabenbereiche, sondern darauf beruht, daß
der nicht erwerbstätige Ehegatte seine Arbeitskraft auf eine Hochschulausbildung
verwendet, die ihn im wesentlichen daran hindert, sich anderen neben einer
Erwerbstätigkeit zu erfüllenden ehelichen Aufgaben in größerem Ausmaß zu
widmen, als dies auch der andere Ehegatte neben seiner Erwerbstätigkeit noch tut.
Die Nachteile im Aufbau eigener Versorgungsanwartschaften während einer
akademischen Ausbildung sind in diesem Fall nicht ehebedingt, sie würden in
gleicher Weise ein-treten, wenn der Studierende nicht verheiratet wäre. Im übrigen
werden sie sogar auch noch teil-weise durch die Anrechnung von Ausbildungszeiten
bei der späteren Erlangung von Versorgungs- und Versicherungsansprüchen wieder
ausgeglichen. Aller-dings stellt es noch keine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 1587
c Nr. 1 BGB dar, wenn lediglich ein Fall vorliegt, auf den ein Grundgedanke des
Versorgungsausgleich nicht mehr zutrifft. Es müssen darüber hinausgehende
Feststellungen getroffen werden (vgl. BGH NJW 1984, 302 f.).
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Im Verhältnis der Parteien ergibt sich die grobe Unbilligkeit insbesondere aus dem
Umstand, daß die Antragstellerin durch ihre Erwerbstätigkeit, die sie trotz der Geburt
des gemeinsamen Kindes bis auf die Zeit des gesetzlichen Mutterschutzes voll-tags
ausübte, im wesentlichen den Familienunterhalt sichergestellt hat und damit dem
Antragsgegner die Möglichkeit zum Betreiben seines Studiums gewährte, während
sie nach Abschluß des Studiums - entgegen der ursprünglichen gemeinsamen
Lebens-planung - ihrerseits nicht mehr in den Genuß kam, an der Verbesserung der
Erwerbschancen und der sozialen Lage des Antragsgegners mit teilzuhaben. Das
ergibt sich aus folgenden Umständen: Zwischen den Parteien bestand bei der
Eheschließung im Juni 1984 Einvernehmen darüber, daß der Antrags-gegner sein
1981 begonnenes Hochschulstudium fort-setzen und zu Ende bringen sollte, um für
die Parteien damit eine bessere soziale Absicherung für die Zukunft zu erreichen.
Das setzte die volle Erwerbstätigkeit der Antragstellerin voraus. Daran wurde trotz der
Geburt des gemeinsamen Kindes im Januar 1985 festgehalten. Die Betreuung des
Kindes wurde mit Hilfe der Mutter der Antragstellerin, die während der beruflichen
Abwesenheit der Antrag-stellerin das Kind versorgte, geregelt. Wohl kann davon
ausgegangen werden, daß der Antragsgegner bei der Erledigung der Hausarbeiten
tatkräftig mitwirkte. Dennoch konzentrierte er sich im wesent-lichen auf sein
Hochschulstudium, das er demgemäß im Herbst 1987 mit dem Staatsexamen
abschloß. Ab Mai 1988 bis April 1989 nahm der Antragsgegner zwischenzeitlich eine
volltätige Arbeit als Krankenpflegerhelfer auf, wie er es schon vor der Eheschließung
in der Zeit von Oktober 1979 bis Mitte April 1981 getan hatte. Von Mai 1982 bis
Februar 1988 hatte er zudem 14-täglich durch Wochenenddienst und gelegentlich
durch vollschich-tige Tätigkeit in den Semesterferien etwas hinzu-verdient. Dadurch
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erzielte er Einkünfte, die durch-schnittlich nicht über der Geringverdienergrenze
lagen. Ab Juni 1989 nahm der Antragsgegner den Referendarsdienst auf. Die Eltern
des Antragsgegner wandten während des Studiums der Familie ihres Sohnes
monatlich 450,-- DM zu, so daß von seiten des Antragsgegners mitsamt seinen
Einkünften aus dem 14-täglichen Wochenenddienst rund 900,-- DM einkamen. Den
maßgeblichen Teil des Familien-unterhalts brachte jedoch die Antragstellerin durch
ihre Vollzeiterwerbstätigkeit als kaufmännische Angestellte auf. Das wird auch
dadurch bestätigt, daß der Antragsgegner die Antragstellerin noch auf
Trennungsunterhalt in Anspruch nehmen wollte.
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Nach alledem steht fest, daß die Antragstellerin aufgrund überobligatorischen
Arbeitseinsatzes dem Antragsgegner die Fortsetzung und den Abschluß eines
Hochschulstudiums ermöglicht hat, ohne wegen der kurzen Ehedauer noch an den
Früchten dieser erfolgreich abgeschlossenen akademischen Ausbildung
partizipieren zu können. Der Antragsgegner hat ehebedingte Nachteile - etwa durch
Zurückstellung einer Erwerbstätigkeit zu Gunsten der Erfüllung anderer ehelicher
Aufgabenbereiche - nicht erfah-ren, sondern vielmehr mit Hilfe der Antragstellerin
durch Absolvierung des Hochschulstudiums eine Ver-besserung seiner künftigen
Erwerbschancen erreicht. Dabei ist letztlich unmaßgeblich, ob er in dem Studienfach
selbst beruflich tätig geworden ist (vgl. BGH NJW-RR 1987, 578, 579 m.w.N.). Wenn
nun-mehr die Antragstellerin auch noch von den während der Ehezeit erworbenen
Versorgungsanwartschaften die Hälfte des Wertunterschiedes an den Antragsgeg-
ner abgeben müßte, so würde dieses zu einer groben Unbilligkeit zu Lasten der
Antragstellerin führen, die es rechtfertigt, den Versorgungsausgleich hier
auszuschließen.
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Der angefochtene Beschluß war demnach abzuändern, wie aus dem Beschlußtenor
ersichtlich ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 93 a ZPO, 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Im
Grundsatz ist davon auszugehen, daß jede Partei ihre Kosten selbst zu tragen hat.
Eine Ausnahme davon ist nur aufgrund besonderer Umstände gerechtfertigt, die hier
nicht erkennbar vorliegen.
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Beschwerdewert gemäß § 17 a Abs. 1 GKG: 1.100,52 DM (12 x 91,71 DM).
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