Urteil des OLG Köln vom 21.11.2008

OLG Köln: vergleich, einweisung, kaufmännische ausbildung, fristlose kündigung, verfügung, aufrechnung, beweislast, fehlbetrag, inventur, wertzeichen

Oberlandesgericht Köln, 19 U 72/08
Datum:
21.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 72/08
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 1O 766/03
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer
Landgerichts Aachen vom 24.4.2008 - 1 O 766/03 - abgeändert und die
Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die
Klägerin 34.513,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz aus 46.525,40 € vom 1.12.2003 bis zum
29.2.2004 sowie aus 34.513,68 € seit dem 1.3.2004 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 4/5 und der
Klägerin zu 1/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen,
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf
Grund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn
nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe
von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
I.
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Die Parteien streiten um die Erstattung von Fehlbeträgen aus Q.-Agenturgeschäften.
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Die Beklagte, Inhaberin eines Textilreinigungsbetriebes, war gemäß einem am
28.7.1998 geschlossenen Vertrag ab dem 21.9.1998 für die Klägerin als Betreiberin
einer Q.-Agentur tätig. Die Parteien vereinbarten, dass die Beklagte mit der
Rechtsstellung einer Handelsvertreterin im Nebenberuf den Vertrieb von
Verkaufsprodukten und Dienstleistungen der Klägerin sowie der E.U. AG und der E. Q.
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Verkaufsprodukten und Dienstleistungen der Klägerin sowie der E.U. AG und der E. Q.
AG neben ihrem Reinigungsbetrieb übernehmen sollte. Wegen der Einzelheiten wird
auf den Q.-Agenturvertrag vom 28.7.1998 (Anlage K1, Bl. 24 ff. GA) verwiesen. Für ihre
Leistungen nach dem Agenturvertrag erhielt die Beklagte eine Grundvergütung nebst
Provisionen und Nebenzahlungen. Die Q.-Agentur der Beklagten wurde von der
Klägerin mit der notwendigen Einrichtung wie Tresor und Kassenlade sowie mit dem
EPOS-Buchungssystem, bestehend aus der erforderlichen Hard- und Software,
ausgestattet. Über das EPOS-System musste die Beklagte alle Geschäftsvorfälle
buchen. Die hierbei im Front-Office eingegebenen Datensätze erhielten eine laufende
Nummer und wurden nachts über eine Datenleitung zu dem bei der Klägerin
befindlichen Back-Office übermittelt und weiterverarbeitet.
In den ersten beiden Wochen – so unstreitig in erster Instanz - wurde die Beklagte vor
Ort von einer Mitarbeiterin halbtags betreut und in den Umgang mit dem EPOS-System
eingeführt.
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Hierzu wurde ihr ein Handbuch übergeben. Zusätzlich besuchte die Beklagte – wie in
erster Instanz unstreitig war - im Laufe der Zeit diverse Workshops zum EPOS-System.
Am Tag der Eröffnung der Q.-Agentur wurde der Beklagten ein Bargeldbestand in Höhe
von 30.000,- DM zur Verfügung gestellt, damit sie von Beginn an Auszahlungen an
Postbankkunden vornehmen konnte, ohne auf Eigenmittel zurückgreifen zu müssen.
Zuführungen und Entnahmen in den bzw. aus dem Kassenbestand waren durch
entsprechende Buchungen zu dokumentieren. Im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleichs
konnte die Beklagte Fehlbeträge bzw. Überschüsse feststellen, indem sie den
tatsächlich gezählten Bestand eingab. Differenzbeträge (sog. Bargelddifferenz) wurden
auf ihrem Konto gut- oder als Fehlbetrag angeschrieben und der EPOS-Wert mit dem
Kassenbestand wieder gleichgesetzt. Da nur eine Umbuchung innerhalb des Systems
erfolgte, änderte sich durch den Soll-Ist-Vergleich als solchen nichts an den
Gesamtverbindlichkeiten der Beklagten.
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Am 30.9.1999 führte die Beklagte erstmals einen Soll-Ist-Vergleich durch, der einen
Sollbestand in Höhe von 74.149,73 DM ergab. Daraufhin setzte sich die Beklagte mit
einem Mitarbeiter der Klägerin, dem Zeugen N., in Verbindung. Am 16.2.2000 führte der
Zeuge N. , wie in erster Instanz unstreitig gewesen ist, für die Beklagte zunächst einen
Soll-Ist-Vergleich durch, der ein Haben von 31.757,30 DM auswarf, so dass sich der
Sollbestand auf 42.392,43 DM verringerte, sowie einen weiteren Soll-Ist-Vergleich, der
ein Soll von 59.001,22 DM ergab, so dass sich der Sollbestand der Beklagten auf
101.393,65 DM erhöhte. Auf nachfolgende Verhandlungen hin schrieb die Klägerin der
Beklagten aus Kulanz einen Betrag von 12.140,19 DM gut, so dass sich nach dem am
24.8.2000 vorgenommenen Soll-Ist-Vergleich ein Soll von 89.756,81 DM (45.891,93 €)
ergab. Mit Schreiben vom 15.5.2002 (nicht 15.2.2002, wie in dem erstinstanzlichen
Urteil offensichtlich irrtümlich angegeben) erklärte die Klägerin, sie kündige den Q.-
Agenturvertrag fristlos aus wichtigem Grund, hilfsweise auch fristgerecht zum
30.11.2003. Verhandlungen über eine Ratenzahlungsvereinbarung verliefen erfolglos.
Die Klägerin sah in der Folge davon ab, die fristlose Kündigung durchzusetzen. Der
letzte von der Beklagten ausgeführte Soll-Ist-Vergleich ergab am 31.10.2002 einen
Sollbestand von 46.525,40 €. Dieser Betrag stimmte noch mit den anlässlich der
Schluss-Inventur am 29.11.2003 festgestellten Werten von Bargeldbestand und
Warenbestand überein.
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Die Klägerin hat behauptet, das EPOS-System habe überwiegend fehlerfrei gearbeitet.
Auftretende Fehler oder Probleme seien den Agenturen entweder jeweils rechtzeitig
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mitgeteilt worden oder auf einen Tag beschränkt gewesen. Sie hätten jedenfalls nicht
den Fehlbestand der Beklagten beeinflusst. Die Beklagte habe von Beginn an täglich
überprüfen können, ob der tatsächliche Bargeldbestand mit dem Bargeldsollbestand
des EPOS-Systems übereinstimmte. Im Hinblick auf eine der Beklagten unstreitig
zustehende Bonuszahlung für das Jahr 2003 in Höhe von 12.011,72 € hat die Klägerin
ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu
verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 46.525,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.12.2003 zu zahlen. Die
Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat behauptet, der am 30.9.1999
festgestellte Fehlbestand sei ausschließlich in der Zeit vom 1.7.1999 bis zum 28.2.2000
entstanden und auf Systemfehler des EPOS-Systems zurückzuführen. In dieser Zeit sei
das EPOS-System zwei- bis dreimal pro Woche abgestürzt, wobei nicht gewährleistet
gewesen sei, dass alle zuvor erfassten Geschäftsvorgänge bei einem Neustart erhalten
geblieben seien. Ungefähr einmal monatlich sei in den Jahren 1999/2000 die
Kassendiskette defekt gewesen, was ebenfalls zu einem Datenverlust habe führen
können. Darüber hinaus sei nicht sichergestellt, dass die Daten vom Front-Office zum
Back-Office gelangt seien. Auch seien Manipulationen von außen möglich gewesen.
Bei anderen Q.-Agenturen seien ebenfalls beträchtliche Fehlbeträge aufgelaufen.
Jedenfalls nachdem die Probleme aufgetaucht seien, habe sie, die Beklagte, den
Kassenbestand täglich, teils auch mehrfach täglich, gezählt. Der Bargeldsollbestand sei
indes erst ab dem 1.10.1999 unter Einschluss der nach ihrer – der Beklagten -
Überzeugung für den Fehlbestand verantwortlichen "Umsätze Handelsware", d.h.
überwiegend Umsätze aus dem Verkauf von Telefonkarten und Briefmarken,
überprüfbar gewesen. Zum 1.7.1999 sei nämlich eine Umstellung der Geschäftspraxis
bezüglich der Handelswaren erfolgt, und seit dem 1.10.1999 seien die Handelswaren -
unstreitig – als Kommissionsware verkauft worden. Die Beklagte sei in der Vorlaufzeit
angewiesen worden, den Erwerb von Briefmarken buchungstechnisch über eine nicht
mit einem Geldfluss verbundene 1201-Buchung anstatt, wie zuvor, durch eine 1903-
Buchung zu erfassen. Zu Fehlbeträgen sei es darüber hinaus im Zusammenhang mit
der Euro-Währungsumstellung gekommen. Nachdem der Fehlbestand aufgetreten und
sich die Beklagte sogleich an die Klägerin gewandt habe, habe deren Mitarbeiter N.
stets erklärt, sie solle sich keine Sorgen machen, es würde sich alles aufklären. Die
Beklagte hat gemeint, schon deswegen könne die Klägerin den Fehlbetrag jetzt nicht
ersetzt verlangen. Ferner hat die Beklagte geltend gemacht, das Ergebnis der von dem
Zeugen N. durchgeführten Soll-Ist-Vergleiche vom 16.2.2000 sei nicht nachvollziehbar,
und von der Beklagten seien diese nicht eingegeben worden. Darüber hinaus hat die
Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben sowie erklärt, sie rechne mit der
Bonuszahlung für das Jahr 2003 in Höhe von 12.011,72 € auf.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens
sowie eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Diplom-Mathematiker L.
antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
der Klägerin habe es oblegen zu beweisen, dass sie der Beklagten ein voll
funktionsfähiges Buchungssystem zur Verfügung gestellt habe, wohingegen es Sache
der Beklagten sei, den Verbleib des ausgewiesenen Kassenbestandes darzutun und
sich notfalls zu entlasten. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei das
Buchungssystem in sich schlüssig und stimmig. Hinsichtlich der "Umsätze
Handelsware" habe es im Buchungssystem zum 1.7.1999 keine Umstellung des
Systems gegeben, sondern erst am 1.10.1999. Bei den von der Beklagten
vorgenommenen 1201-Buchungen habe es sich nicht um "Luftbuchungen" ohne
Geldfluss gehandelt. Soweit es nach den Feststellungen des Sachverständigen sechs
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Programmabstürze gegeben habe, hätten diese nicht zu Datenverlusten geführt. Im
Übrigen seien die Behauptungen, dass Defekte der Kassendisketten oder
Manipulationen Dritter mögliche Fehlerursachen seien, Behauptungen ins Blaue. Die
Klägerin habe auch ihren Einweisungspflichten genügt. Der Beklagten sei es nicht
gelungen, sich hinsichtlich des Fehlbestandes zu entlasten. Soweit es nach Angaben
des Q.-Agenturverbandes auch bei anderen Q.-Agenturen Fehlbestände gebe, besage
dies nichts zu deren Ursachen. Mit der von der Beklagten behaupteten Zählung des
Geldbestandes ohne Abgleich mit den Buchungen allein habe sie auch nicht den
Sorgfaltspflichten einer Kauffrau genügt. Fehler im Hinblick auf die Euro-Umstellung
seien nicht substantiiert dargelegt. Soweit die Beklagte eine Doppelbuchung geltend
mache, sei nach den Feststellungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass es
zwei Warenlieferungen gleicher Höhe gegeben habe. Da die eine Lieferung von der
Wertzeichenzentrale gekommen sei und die andere von einer Postfiliale, sei eine
Doppelbuchung unwahrscheinlich. Unterlagen, aus denen sich ergebe, dass eine
zweite Lieferung am 17.12.1998 ausschließbar sei, habe die Beklagte trotz Hinweises
nicht vorgelegt. Zweifel am Fehlbetrag bestünden lediglich hinsichtlich des zweiten Soll-
Ist-Vergleichs vom 16.2.2000. Die Beklagte sei indes jeden weiteren Vortrag zum
16.2.2000 schuldig geblieben. Ihr Einwand, ein Mitarbeiter der Klägerin habe die
Buchungen vorgenommen, entlaste sie nicht, da es ihre Pflicht gewesen sei, die
Buchungen zu verfolgen und zu überprüfen. Soweit die Beklagte die Aufrechnung mit
einer Bonuszahlung erklärt habe, greife diese wegen des von der Klägerin geltend
gemachten Zurückbehaltungsrechtes nicht durch.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin das Ziel
der Klageabweisung verfolgt. Sie macht geltend, die Klägerin habe nicht bewiesen,
dass die Beklagte durch die Geschäftsbesorgung 46.525,40 € erhalten habe, denn dies
ergebe sich nicht durch Ablesen einer Anzeige des EPOS-Systems. Das Risiko einer
Bargelddifferenz trage die Klägerin. Das EPOS-System sei kein ordentliches
Buchungsprogramm, sondern ein Buchungserfassungssystem, wie der von dem
Landgericht Stuttgart in einem anderen Verfahren beauftragte Sachverständige Dr. C. ,
der als Steuerprüfer kompetenter sei als der Mathematiker L. , erklärt habe. Dieser habe
auch darauf hingewiesen, dass es entscheidend auf die Zusammenhänge der
Buchhaltung ankomme. Die Berechnung der Forderung der Klägerin sei aber anhand
der Buchungsjournale nicht nachvollziehbar. Aufgrund von Störungen sei häufig von
Null begonnen und somit der Verkauf unterbrochen worden. Es sei immer wieder zu
Systemabstürzen gekommen, teilweise zweimal täglich. Bereits deswegen habe die
Klägerin ihre Forderung nicht hinreichend dargelegt. Inzwischen sei bekannt, dass die
Klägerin auf CD gespeicherte Einzelbuchungsbelege vorlegen könne, anhand derer ein
Wirtschaftsprüfer in der Lage sei, die Korrektheit oder Unkorrektheit der einzelnen
Buchungen herauszufinden. Zu der Vorlage der Unterlagen sei die Klägerin ohnehin
gemäß § 87 c HGB verpflichtet. Sie beantrage daher, einen Steuer- und
Wirtschaftsprüfer als weiteren Sachverständigen zu beauftragen. Zudem trägt sie vor,
ein Sachverständiger habe in einem Verfahren vor dem Landgericht Freiburg
festgestellt, dass die Zahlen im Front-Office und Back-Office-Bereich nicht immer
übereinstimmten und auch Differenzen bei der Währungsumstellung aufgetreten seien.
Er habe darüber hinaus festgestellt, dass das EPOS-System während der Betriebszeit
nicht mit dem Back-Office der Klägerin korrespondiert habe. Back- und Front-Office
stünden – insoweit unstreitig - nur nachts während der Datenübertragung miteinander in
Verbindung. Es sei für die Klägerin möglich gewesen, auf das EPOS-System der
Beklagten Zugriff zu nehmen, und dies sei auch geschehen. Die eigentliche Buchung
erfolge nicht durch den Agenturnehmer, sondern durch die Klägerin, weil das System
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kein Finanzbuchhaltungsmodell sei, sondern lediglich Daten sammle. Der
Sachverständige Dr. C. habe auch festgestellt, dass die Filialbezirksleitung Korrekturen
mit dem betroffenen Agenturnehmer habe durchführen können, was zeige, dass ein
Zugriff auf das Frontoffice über ein Administratorenpasswort möglich gewesen sei.
Daher liege die Beweislast für die Bargelddifferenz bei der Klägerin. In einem anderen
Verfahren habe die Klägerin sogar zugestanden, dass es Manipulationen durch Dritte
gegeben habe. Beim Überspielen der Daten auf das Back-Office seien Möglichkeiten
des Zugriffs gegeben. Es könnten fremde Personen, wie Mitglieder des Chaos-
Computer-Clubs, Zugriff von außen auf ein Front-Office nehmen. Der Beklagten habe in
der Zeit vom 1.10.1999 bis 21.7.2002 auch überhaupt keine Prüfungsmöglichkeit zur
Verfügung gestanden. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob die Klägerin
Handelsvertreterin sei, denn nach einem Urteil des Landgerichts Dortmund seien die Q.-
Agenturpartner abhängig Beschäftigte, so dass sich die Beweislast zu Lasten der
Klägerin umkehre. Die Klägerin habe der Beklagten weitreichende Vorgaben machen
können, vor allem habe die Beklagte das EPOS-System nutzen müssen. Die Beklagte
sei auch nicht ansatzweise ausreichend geschult worden. In Postämtern seien
Personen regelmäßig drei Jahre geschult worden. Der Umgang mit dem System sei
nicht in zwei Wochen halbtags erlernbar. Mit ihrer Replik auf die Berufungserwiderung
behauptet die Beklagte, es habe nur eine fünftägige Einweisung stattgefunden. Eine
Schulung habe sie nie erhalten. Die Beklagte sei auch nie darüber belehrt worden, wie
mit unerklärlichen Kassendifferenzen zu verfahren sei. Vielmehr sei sie stets nur
vertröstet worden, dass sich alles aufklären werde. Die Einrede der Verwirkung werde
daher aufrecht erhalten. Zudem sei von einem Mitverschulden der Klägerin bzw. von
einer Verletzung vertraglicher Nebenpflichten auszugehen, denn die Klägerin habe
nicht einfach zusehen dürfen, wie die Differenzen anwuchsen. Die Beklagte habe
zudem darauf vertrauen dürfen, nicht in Anspruch genommen zu werden, da die
Klägerin mit Schreiben vom 21.7.2000 angekündigt habe, in Fällen von Fehlbeständen
bis zu 100.000,- DM auf die Geltendmachung der Forderung möglicherweise zu
verzichten. Dies zeige, dass die Klägerin selbst von der Fehlerhaftigkeit des Systems
ausgehe. Entgegen der von dem Landgericht vertretenen Auffassung sei es am
17.12.1998 sehr wohl zu einer Doppelbuchung gekommen. Die Beklagte habe nicht
zwei Lieferungen in gleicher Höhe erhalten. Die Beweislast hierfür obliege der Klägerin.
Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie es am 16.2.2000 innerhalb weniger Stunden zu
einer solchen Bargelddifferenz habe kommen können. Angaben dazu könne die
Beklagte nicht machen, weil nicht sie, sondern Mitarbeiter der Klägerin die Buchungen
und die Soll-Ist-Vergleiche durchgeführt hätten. Sie - die Beklagte – habe
selbstverständlich versucht, dem Zeugen N. inhaltlich zu folgen, doch dieser habe sich
die Bargelddifferenzen selbst nicht erklären können. Mit ihrer Replik auf die
Berufungserwiderung hat sie vorgebracht, eine Bargelddifferenz von 12.100,- DM sei
von dem Zeugen N. ausgebucht worden, was nicht nachvollziehbar sei, wenn alles
korrekt gelaufen wäre. Am 16.2.2000 habe es drei Soll-Ist-Vergleiche mit jeweils
unterschiedlichen Ergebnissen gegeben. Sie – die Beklagte – erinnere sich nicht mehr,
ob sie selbst vor Ort gewesen sei, jedoch gehe sie davon aus, dass der Zeuge N.
wiederum vor Ort gewesen sei. Es sei jedenfalls lohnenswert, sich die Belege vom 15.
und 16.2.2000 von der Klägerin vorlegen und die beiden Tage prüfen zu lassen. Die
Probleme davor seien in der "Handelswarenzeit" vom 1.7. bis 30.9.1999 aufgetreten, in
der Zeit, als eine Kontrolle nicht möglich gewesen sei. Nach dem 30.9.2000 sei der
Fehlbestand stets unverändert gewesen. Der Fehlbetrag habe ca. 74.000,- DM
betragen, und ziemlich genau für 74.000,- DM habe die Beklagte vom 1.7. bis 30.9.1999
Briefmarken erworben. Hinsichtlich der Warenlieferungen von Dezember 1999
behauptet sie, sie habe lediglich einmal, am 15.12.1998, Waren im Wert von 10.580,-
DM bestellt, was die Klägerin mit Schreiben vom 16.12.1998 bestätigt und worauf sich
die Lieferscheinnummer 12/0657 bezogen habe. Ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich
der Bonuszahlung stehe der Klägerin nicht zu, da ein vertraglich vereinbartes
Aufrechnungsverbot für die Klägerin bestehe.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Aufhebung des Urteils des LG Aachen vom 24.4.2008 – 1 O
766/03 – abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das
erstinstanzliche Urteil. Sie macht geltend, die Tatsache, dass die Beklagte 46.525,40 €
im Rahmen des Betriebs der Partnerfiliale erlangt habe, ergebe sich aus dem von der
Klägerin vorgelegten und von dem Sachverständigen geprüften vollständigen
Buchungsjournal, in dem alle Buchungen aufgeführt seien. Nachdem der
Sachverständige bestätigt habe, dass die Klageforderung nachvollziehbar belegt sei
und die Beklagte nicht einen konkreten Punkt benannt habe, der hierzu in Widerspruch
stehe, bestehe keine Veranlassung zur Vorlage weiterer Unterlagen. Die Verweise auf
das nicht rechtskräftige Urteil des Landgerichts Freiburg griffen nicht durch, da zum
einen der Sachverhalt nicht vergleichbar sei und zum anderen die dortigen
Ausführungen auch inhaltlich unzutreffend seien. Das von der Beklagten
herangezogene Gutachten des Sachverständigen Dr. C. habe sich dadurch
ausgezeichnet, dass der Sachverständige das EPOS-System allenfalls teilweise
verstanden habe. Soweit sich die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz auf ihre
Arbeitnehmereigenschaft berufe, sei dies als verspätet nicht zu berücksichtigen und
inhaltlich unzutreffend. Es sei nicht erkennbar, warum ein einheitlicher Auftritt von
Partnerfilialen oder die Aushändigung eines Handbuchs zu einer persönlichen
Abhängigkeit führen sollten. Die Öffnungszeiten habe die Beklagte im Übrigen selbst
bestimmt. Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht zuzurechnen. Allein die Beklagte
habe Zugriff auf das Bargeld und mithin die Möglichkeit gehabt, Differenzen
festzustellen. Der für die Beklagte zuständige Betreuer habe sich zudem intensiv
bemüht, die Beklagte bei der Überprüfung der von ihr durchgeführten Buchungen zu
unterstützen. Unzutreffend sei die Behauptung der Beklagten, in der Zeit vom 1.10.1999
bis 21.7.2002 sei eine Überprüfung der Verkaufsprodukte oder gar des Bargeldes nicht
möglich gewesen. Lediglich im Zeitraum vom 1.10.1999 bis Mitte Juli 2000 seien die im
EPOS informatorisch geführten Sollbestände der Telefonkarten und Wertzeichen –
anders als zuvor und später – nicht angezeigt worden. Es habe auch keine
Doppelbuchung einer Lieferung von Wertzeichen und Telefonkarten gegeben, sondern
zwei Wertzeichenzugangsbuchungen an unterschiedlichen Tagen, nämlich dem 17.
und 23.12.1998. Die Frage, wer am 16.2.2000 bei dem Soll-Ist-Vergleich die jeweiligen
Werte eingegeben habe, sei unerheblich, da sich dadurch die im System geführten
Verbindlichkeiten nicht änderten.
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II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg und führt dazu,
dass sich der von der Beklagten an die Klägerin zu zahlende Betrag auf 34.513,68 €
reduziert.
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A. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung eines
Kassenfehlbestandes in Höhe von 46.525,40 € gemäß § 9 Abs. 1 und 3 des Vertrages
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i.V.m. §§ 675, 667 BGB zu.
I. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Kassenfehlbeständen richtet sich nach §
9 Abs. 1 und 3 des Vertrages i.V.m. §§ 675, 667 BGB, ohne dass arbeitsrechtliche
Besonderheiten zu berücksichtigen wären. Gemäß § 1 Abs. 3 des Vertrages nahm die
Beklagte als selbständige, eigenverantwortliche Kauffrau die Interessen der Klägerin
wahr und handelte im Namen und für Rechnung der Klägerin. In eigenem Namen und
für eigene Rechnung führte sie – zeitweilig - lediglich Verkaufstätigkeiten durch. Die
Beklagte hat von diesen Eigengeschäften abgesehen eine Tätigkeit wirtschaftlicher Art
zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen übernommen und war damit betraut,
für die Klägerin Geschäfte in deren Namen abzuschließen. Es liegt mithin ein
Geschäftsbesorgungsvertrag in Gestalt eines Handelsvertretervertrages gemäß §§ 675
BGB, 84 HGB vor.
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Hierbei war die Beklagte entgegen der von ihr – erstmals in der Berufungsinstanz -
vertretenen Auffassung auch selbständig tätig. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei
seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, § 84 Abs. 1 S. 2 HGB.
Für die Abgrenzung entscheidend ist das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und
tatsächlichen Handhabung, wobei als Abgrenzungskriterien beispielsweise Ort, Zeit
sowie Art und Weise der Tätigkeit, Unternehmerrisiko sowie Art und Weise der
Vergütung in Betracht kommen (Baumbach/Hopt, HGB, 33. Auflage, § 84 Rn. 36). Nach
dem zu bewertenden Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung war die Beklagte
selbständig. Sie hat zeitgleich ihr Textilreinigungsunternehmen weiter betrieben und
Mitarbeiter beschäftigt. Soweit die Klägerin der Beklagten Vorgaben gemacht hat, waren
die Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit der Beklagten überwiegend durch
zwingende Anforderungen der Geschäftsart bedingt und nahmen im Übrigen kein
solches Ausmaß an, dass von einer Weisungsabhängigkeit wie bei einem Arbeitnehmer
die Rede sein könnte. Eine Weisungsabhängigkeit ist nicht etwa anzunehmen, weil die
Beklagte auf das EPOS-System zurückgreifen, eine Agenturtheke mit dem eigentlichen
Terminal sowie einzelne Einrichtungsgegenstände im Q.-Agentur-Design zu
übernehmen hatte. Die Nutzung eines von der Klägerin gestellten Terminals nebst
aufwändigem EDV-System ist für Bankgeschäfte und für die moderne Logistik
unabdingbar. Es versteht sich von selbst, dass sich der Anwender solcher Systeme den
sich daraus ergebenden Vorgaben anzupassen hat. Mit einem Weisungsrecht des
Arbeitgebers hat dies entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nichts zu
tun. Dies gilt gleichermaßen für den von der Beklagten angeführten Umstand, dass es
ihr nicht gestattet war, die Preise für die von der Klägerin zu erbringenden Leistungen
frei zu bestimmen. Soweit die Klägerin als das die Dienstleistung dem Kunden
gegenüber erbringende Unternehmen auf einen einheitlichen Auftritt Wert legte, steht
dies in keinerlei Zusammenhang für die Frage der Selbständigkeit der Beklagten, die im
Übrigen in der Gestaltung der Räumlichkeiten, in dem sie ihren Textilreinigungsbetrieb
betrieb, frei blieb. Dass die Beklagte das Post-, Bank und Fernmeldegeheimnis zu
wahren hatte, ist eine Selbstverständlichkeit. Die Übernahme einer entsprechenden
Verpflichtung auch der Klägerin gegenüber (Anlage 5 des Vertrages, Bl. 39 f. GA) ist für
die Frage der Selbständigkeit der Beklagten ohne jede Bedeutung. Soweit sich die
Beklagte auf Vorgaben hinsichtlich der Öffnungszeiten beruft, bestehen diese darin,
dass sie den Betrieb ganzjährig sicherzustellen hatte. Dies beruht auf dem Erfordernis
der Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Bevölkerung mit den Diensten der
Klägerin und vermag die Annahme einer Unselbständigkeit der Beklagten nicht zu
begründen.
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II. Soweit die Beklagte von der Klägerin zur Ausführung der Tätigkeit bzw. aus der
Tätigkeit für die Klägerin Einnahmen erzielt hat, sind diese als das Erlangte aus der
Geschäftsbesorgung gemäß § 667 BGB auszukehren. Diesbezüglich haben die
Parteien vereinbart, dass der Kassenbestand der Beklagten zusteht und sich der
Herausgabeanspruch in entsprechender Höhe in eine Geldwertschuld umwandelt (§ 2
Abs. 6 des Vertrages, Bl. 26 GA). Diese Geldwertschuld beläuft sich, wie die Klägerin
hinreichend dargelegt und bewiesen hat, auf 46.525,40 €.
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1) Hinsichtlich des Umfangs des aus einer Geschäftsbesorgung Erlangten ist, wie das
Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die Darlegungs- und Beweislast zweigeteilt. Es
ist zunächst Sache des Auftraggebers darzutun und zu beweisen, was der Beauftragte
durch die Geschäftsbesorgung erlangt hat. Der Beauftragte hingegen hat hinsichtlich der
Fehlbestände deren Verbleib darzutun und sich gegebenenfalls zu entlasten (BGH U. v.
18.11.1986, IVa ZR 79/85 – juris). In den sog. "Q.-Agenturfällen" gilt nichts
Abweichendes. Dies bedeutet im Hinblick auf den Einsatz des EPOS-Systems, dass die
Klägerin, die sich auf einen von dem System errechneten positiven Endsaldo beruft,
zunächst nachzuweisen hat, dass sie dem Agenturpartner ein funktionierendes EPOS-
System zur Verfügung gestellt hat. Weitere Darlegungen zur Richtigkeit jeder einzelnen
Buchung der Geschäftsvorfälle seitens der Auftraggeberin sind indes nicht erforderlich,
weil der Auftragnehmer die Geschäftsvorfälle in das System eingegeben hat, der
Auftraggeber daher in die Richtigkeit der vorgenommenen Eingaben vertrauen und sich
dieser zu einer schlüssigen Darlegung und zum Nachweis eines zu seinen Gunsten
resultierenden Endsaldos bedienen darf (so auch die überwiegende Auffassung in der
Rechtsprechung, vgl. OLG Koblenz, U. v. 30.1.2006, 12 U 127/01 - juris; OLG
Saarbrücken, 17.10.2007, 1 U 634/06 – juris; OLG Frankfurt, U. v. 30.1.2008, 4 U 159/06
– juris). Sache des Agenturbetreibers ist es, den Verbleib des Kassenbestandes
darzutun und sich wegen etwaiger Fehlbestände zu entlasten, wobei der
Agenturbetreiber nicht nur für die Eingaben verantwortlich ist, sondern auch
darlegungspflichtig für eventuelle Fehleintragungen (OLG Frankfurt, a.a.O.). Nur diese
Verteilung der Darlegungs- und Beweislast trägt dem Umstand Rechnung, dass die
Klägerin, die den tatsächlichen Geschehensablauf nicht kennt, nicht in der Lage sein
kann, den Nachweis der inhaltlichen Richtigkeit jeder einzelnen, von ihr nicht
durchgeführten Buchung zu führen. Der Agenturbetreiber ist daher an seinen eigenen
Erklärungen zur Art und Inhalt des jeweiligen geschäftlichen Vorganges und des daraus
Erlangten festzuhalten.
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2) Die Klägerin hat den Beweis geführt, dass das EPOS-System im Allgemeinen zu
korrekten Ergebnissen führt und mithin der von dem System errechnete Fehlbestand
tatsächlich entstanden ist.
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a) Die Funktionsfähigkeit des EPOS-Systems als Informationsverarbeitungssystem als
solches hat der Sachverständige L. unter Hinweis auf bereits vorliegende Gutachten
zwar ausdrücklich nicht geprüft, sondern sich auf die Prüfung der Buchungen
beschränkt, was im Grundsatz von der Beklagten auch nicht beanstandet wird. Gemäß
den von der Klägerin vorgelegten Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. M. vom
22.4.2003 sowie 30.7.2003 (Anlagen K 12 und K 13, erstattet in bei den Landgerichten
Augsburg und Traunstein anhängigen Verfahren), des Sachverständigen Dipl.-Kfm. O.
vom 25.6.2000 (Anlage K 10, erstattet in dem Verfahren 8 O 111/99 LG Koblenz = 12 U
127/01 OLG Koblenz) sowie des Privatgutachters Dipl.-Ing. M.-F. vom 17.5.2001
(Anlage K 11) wurden nach jeweils umfangreichen Versuchen an dem EPOS-System
keine Fehler an dem eigentlichen Buchungssystem entdeckt. Auch der Sachverständige
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Diplom-Mathematiker L. hat anhand der von ihm vorgenommenen Auswertung von
Buchungen keine Fehler entdeckt, sondern ist zu dem Ergebnis gekommen, das
Buchungssystem sei in sich schlüssig und stimmig.
Anlass, an der Richtigkeit dieses Ergebnisses zu zweifeln, besteht nicht. Das bereits im
Februar 2004 von der Beklagten angekündigte Gutachten des Q.-Agenturverbandes zur
Fehlerhaftigkeit des EPOS-Systems ist nach ihren Angaben in der mündlichen
Verhandlung vom 17.10.2008 ergebnislos verlaufen. Auch der Umstand, dass der Q.-
Agenturverband Rückmeldungen mit der Bestätigung von Fehlbeständen von nur 294
Agenturbetreibern erhalten hat – ohne dass die Höhe der Fehlbestände und deren
Ursache geklärt wären – spricht in Anbetracht der Zahl von mehreren tausend Q.-
Agenturen nicht gegen, sondern eher für die Zuverlässigkeit des Buchungssystems.
Soweit das System von dem Sachverständigen L. als in sich stimmig bewertet worden
ist, kommt dem hohe Bedeutung zu, denn das in sich stimmige System hätte im Falle
fehlerhafter Verarbeitung von Buchungen die Fehler durch logisch richtige Parallel- oder
Gegenbuchungen in einer Weise verborgen, dass Brüche bei der Prüfung nicht sichtbar
waren. Dies erscheint höchst unwahrscheinlich. Hinzu kommt vorliegend, dass es nach
der Behauptung der Beklagten seit dem 28.2.2000, nach den Feststellungen des
Landgerichts jedenfalls nach dem 31.10.2002, keine weiteren Fehlbestände mehr
gegeben hat, ohne dass vorgetragen worden oder sonst ersichtlich wäre, dass an dem
EPOS-System Änderungen vorgenommen worden wären. Gegen die Annahme einer
fehlerfreien Verarbeitung der Daten im Allgemeinen hat die Beklagte zudem
ausdrücklich keine Einwände erhoben (Schriftsatz vom 17.2.2004, Bl. 117 GA).
23
Da, wie der Sachverständige Dipl.-Kfm. O. (Anlage K 10, S. 3) ebenso wie der
Privatgutachter Dipl.-Ing. M.-F. (S. 11, Anlage K 11) ausgeführt haben, eine völlige
Fehlerfreiheit einer derartig komplexen Software im Einzelfall nicht beweisbar und daher
nur ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit erreichbar ist, besteht allerdings lediglich eine
tatsächliche Vermutung des Inhaltes, dass wegen der Unentdecktheit von Fehlern des
Systems nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass korrekt eingegebene
Buchungen in jedem einzelnen Fall auch korrekt gespeichert und weiterverarbeitet
worden sind. Die Beklagte hat daher, soweit sie Fehler des Programms geltend macht,
keinen vollen Gegenbeweis zu führen, sondern kann sich darauf beschränken, die
Tatsachen darzutun und zu beweisen, die die Annahme der Fehlerfreiheit des Systems
bezogen auf einzelne Vorgänge ernsthaft erschüttern. Soweit die Beklagte hingegen
fehlerhafte Ergebnisse infolge von Anwenderfehlern – beispielsweise Eingabefehler –
behauptet, obliegt es ihr, den Nachweis der Unrichtigkeit ihrer Erklärung gemäß § 286
ZPO zu führen.
24
3) Die Beklagte hat keine hinreichend konkreten Tatsachen vorgetragen und unter
Beweis gestellt, die die Annahme stützen, dass es infolge eines Anwenderfehlers zu
Buchungsfehlern gekommen ist, oder die die Annahme zu erschüttern vermögen, dass
das EPOS-System fehlerfrei funktioniert hat.
25
a) Manipulationen des Systems von außen sind nicht berücksichtigungsfähig
vorgebracht. Soweit die Beklagte in zweiter Instanz erstmals geltend macht, die Klägerin
selbst habe im Back-Office Buchungsdaten verändert, ist dieser Vortrag neu. In erster
Instanz hat sie lediglich vorgetragen, Manipulationen Dritter, beispielsweise durch
Hacker, seien möglich bzw. ein Mitarbeiter der Klägerin, gegen den ein
Ermittlungsverfahren anhängig sei, habe Manipulationen vorgenommen. Dem Vortrag
der Klägerin, wonach in einem Fall Manipulationen durch einen ihrer Mitarbeiter
26
dergestalt erfolgt seien, dass dieser sich in der Q.-Agentur unter einem Vorwand Zugriff
auf das Terminal verschafft habe, ist die Beklagte in erster Instanz nicht mehr entgegen
getreten. Die Behauptung von Manipulationen aus der Sphäre der Klägerin im Back-
Office-Bereich sind daher in erster Instanz nicht aufrecht erhalten worden. Anlass zur
Zulassung des als neu zu bewertenden Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO besteht
nicht. Ungeachtet dessen handelt es sich hierbei ohnehin um eine unbeachtliche
Behauptung ins Blaue, denn die Beklagte benennt keinerlei Anhaltspunkte, die eine
solche Annahme stützen könnten. Dies gilt insbesondere auch für den in dem
Schriftsatz vom 14.10.2008 schlagwortartig vorgebrachten Einwand, Mitglieder des
Chaos-Computer-Clubs seien zu Zugriffen von außen auf das Front-Office in der Lage.
Was die Richtigkeit der Übertragung der Daten vom Front- ins Backoffice im
Allgemeinen angeht, hat der Sachverständige Prof. Dr. M. in dem von der Klägerin
vorgelegten Gutachten vom 22.4.2003 (Anlage K 12, S. 47 f.) anhand des von ihm
getesteten Systems ausgeführt, dass die Journalsätze vollständig auf der Back-Office-
Umgebung angekommen seien. Der Sachverständige L. hat vorliegend ausweislich
seines Gutachtens vom 9.6.2006 (S. 12, Bl. 347 GA) im Rahmen seiner Prüfung der
Buchungen anhand der Excel-Liste von sämtlichen Buchungen durch die Agentur der
Beklagten die Vollständigkeit sämtlicher Buchungssätze festgestellt. Daher besteht
auch kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass Datensätze abgefangen oder hinzugefügt
worden wären. Soweit die Beklagte pauschal Zweifel an der Richtigkeit äußert, genügt
sie hiermit ihrer Darlegungslast nicht. Vielmehr müsste sie konkrete Vorgänge
benennen, die auf eine fehlerhafte Erfassung von Daten durch Manipulationen Dritter
schließen lassen. Dazu wäre sie in der Lage. Sie verfügt nämlich, wie sich aus dem
Gutachten des Sachverständigen L. ergibt (Gutachten vom 9.6.2006, S. 12, Bl. 347 GA),
über eine Reihe von Ordnern, in der sie die Kontrollausdrucke abgeheftet hat, die bei
dem täglichem Kassenschluss erstellt worden waren (Vorgangslisten), mithin noch
bevor Zugriffsmöglichkeiten seitens des Back-Office entstanden. Diese Datensätze
könnte sie mit dem Datenbestand bei der Klägerin (Inhalt der Excel-Datei Hülle Bl. 354
GA) abgleichen und Diskrepanzen zwischen den Datensätzen herausfinden und dazu
vortragen. Die pauschale Bezugnahme auf in anderen Verfahren eingeholte und hier
nicht vorgelegte Sachverständigengutachten zu hier nicht bekannten Fragestellungen
und nicht bekanntem Tatsachenhintergrund ersetzt einen Vortrag zu konkreten
Anhaltspunkten für Manipulationen hingegen nicht. Soweit die Möglichkeit eines Zugriffs
mittels Administratorenpasswort auf das Front-Office vorgetragen wird, ist nicht erläutert,
wie dies hätte vonstatten gehen können. Die Inbetriebnahme des Front-Office setzt
voraus, dass sich jemand in die Räumlichkeiten der Agentur begibt und mittels
Kassendiskette, die gleichsam der Schlüssel zur Kasse ist, und/oder
Administratorenpasswort - letzteres zudem unter Umgehung des von dem
Sachverständigen Prof. Dr. M. erläuterten Sicherungssystems, des "Safe-Guard-
System" (vgl. Gutachten vom 22.4.2003, Anlage K 12, S. 11) - an dem dortigen Terminal
Veränderungen vornimmt. Die Beklagte hat indes weder vorgetragen, wann es zu
solchen Möglichkeiten des Zugriffs gekommen sein kann, noch welche der ihr anhand
ihres eigenen Datenmaterials bekannten Buchungen aus welchem Grunde verdächtig
sind.
27
b) Soweit die Beklagte Fehler im Zusammenhang mit der Währungsumstellung geltend
macht, fügt sich dies nicht zu ihrem Vortrag, wonach der Fehlbestand bis Ende Februar
2000 entstanden sei, also in der Zeit vor der Währungsumstellung. Hinzu kommt, dass
die Beklagte nicht dargelegt hat, anhand welcher konkreter Buchungen Fehler bei der
Umstellung zu erkennen sein sollen. Die pauschale Bezugnahme auf ein in einem
28
anderen Rechtsstreit eingeholtes und hier nicht vorliegendes Gutachten ersetzt auch an
dieser Stelle einen konkreten Vortrag nicht.
c) Ohne Erfolg macht die Beklagte Störungen der Datenspeicherung und
Datenverarbeitung durch Systemabstürze, die in der Zeit vom 1.7.1999 bis 28.2.2000
zwei- bis dreimal pro Woche (so Schriftsatz vom 17.4.2004) bzw. teilweise zweimal
täglich (so Schriftsatz vom 14.10.2008) erfolgt sein sollen, geltend. Der Sachverständige
L. hat ausgeführt, die Prüfung der – nur sechs - Abstürze, die sich in dem von der
Beklagten genannten Zeitraum des Entstehens der Fehlbestände ereignet hätten, habe
keine Beanstandungen ergeben. Hiergegen ist seitens der Beklagten in erster Instanz
nichts mehr vorgebracht worden. Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung
pauschal Bezug nimmt auf Ausführungen eines Sachverständigen in einem anderen
Verfahren, wonach wegen häufiger Störungen die Buchungsjournale nicht
nachvollziehbar seien, liegen solche Störungen ausweislich der Ausführungen des
Sachverständigen jedenfalls hier nicht vor. Soweit die Beklagte in diesem
Zusammenhang die Einholung eines Gutachtens eines Wirtschaftsprüfers beantragt, um
die Korrektheit der einzelnen, nicht näher bezeichneten Buchungen zu prüfen, ist
diesem auf Ausforschung gerichteten Beweiserbieten nicht nachzukommen.
29
d) Zunächst behauptete Fehler im Zusammenhang mit der Erfassung und Berechnung
der vormaligen Handelsware, ab 1.10.1999 Agenturware, werden von der Beklagten
nicht mehr geltend gemacht, nachdem der Sachverständige L. ausgeführt hatte, dass es
weder Systemfehler gebe noch die von der Beklagten vorgetragene Vorgehensweise
bei den Wareneingangsbuchungen zu Fehlern geführt habe. Dem ist die Beklagte nicht
mehr entgegen getreten. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2008 zudem
erklärt, das von dem Q.-Agenturverband in Auftrag gegebene Gutachten habe
diesbezüglich keine Fehler zutage gebracht.
30
e) Soweit die Beklagte eine Doppelverbuchung einer Briefmarken- sowie
Telefonkartenlieferung im Dezember 1998 geltend macht, ist weder ein Anhaltspunkt für
einen Systemfehler noch ein Anwendungsfehler hinreichend dargetan und unter Beweis
gestellt. Mit dem Argument, sie habe jedenfalls nur eine Warenlieferung bestellt, kann
sie nicht gehört werden, da auch eine versehentlich doppelt erfolgte Lieferung auf eine
Bestellung zu einer Erhöhung des Bargeldsollbestandes führen muss.
31
Eine systemfehlerhafte Erfassung des Vorgangs ist nicht hinreichend substantiiert
dargetan. Die Beklagte hat nicht anhand ihrer eigenen, täglich erstellten
Kontrollausdrucke konkret dargelegt, dass die Buchungsjournale vom 17. und
23.12.1998 (Journalnummern 2779, 2780, 4495, 4496; vgl. Gutachten des
Sachverständigen L. Bl. 436, 441 ff. GA) mit dem Inhalt der von der Beklagten täglich
erstellten Kontrollausdrucke nicht übereinstimmen. Ein Systemfehler in Form einer
Doppelverbuchung einer Lieferung ist auch deshalb auszuschließen, weil nicht etwa ein
Datensatz schlicht verdoppelt worden ist. Vielmehr weisen die einzelnen Vorgänge
unterschiedliche Daten nach Uhrzeit, Journalnummern, Gegenkasse und
Liefernummern aus. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom
17.10.2008 die Vermutung geäußert hat, eine Mitarbeiterin habe wohl in der Hektik des
Weihnachtsgeschäftes versehentlich eine Lieferung doppelt verbucht, ist weder
vorgetragen, worauf sie ihre Vermutung stützt, noch ist ihr ohnehin nicht nach § 531 Abs.
2 ZPO in der Berufungsinstanz zuzulassendes Vorbringen unter Beweis gestellt. Gegen
das Vorliegen einer Doppelverbuchung von Warenlieferungen – sei es infolge eines
Systemfehlers oder infolge einer Falscheingabe – spricht zudem, dass Telefonkarten
32
und Briefmarken im Wert von 10.580,- DM später nicht gefehlt haben. Wie der
Sachverständige L. ausgeführt hat, ist bei der Inventur vom 30.9.1999 hinsichtlich der
Telefonkarten überhaupt kein Fehlbestand festgestellt worden, hinsichtlich der
Wertzeichen nicht im Wert von über 10.000,- DM, sondern nur von 2.059,75 DM. Dass
die Software einen System- oder gar Anwenderfehler bezüglich der Telefonkarten
zufällig vollständig ausgeglichen haben könnte, ist unwahrscheinlich.
f) Ohne Erfolg macht die Beklagte System- oder Anwenderfehler in Bezug auf die
Vorgänge vom 16.2.2000 geltend. Diese werden von der Beklagten schon nicht
einheitlich dargestellt. So soll nach dem Vorbringen der Beklagten in erster Instanz der
Zeuge N. Buchungen ausgeführt haben, und es sollen von der Beklagten noch niemals
zwei Soll-Ist-Vergleiche an einem Tage durchgeführt worden sein (Schriftsatz vom
17.2.2004). Auch will sie sich bemüht haben, dem Zeugen N. inhaltlich zu folgen
(Berufungsbegründung S. 12, Bl. 555 GA). Dem gegenüber hat sie mit Schriftsatz vom
14.10.2008 geltend gemacht, sie erinnere sich nicht mehr genau daran, ob sie
persönlich zugegen gewesen sei, sowie, dass an diesem Tage drei Soll-Ist-Vergleiche
mit drei – nicht näher dargestellten – Ergebnissen durchgeführt worden seien. Schon
diese nicht erläuterten Diskrepanzen im Vortrag der Beklagten zur Zahl der Soll-Ist-
Vergleiche lassen eine Beweisaufnahme zu der Frage, wie es zu den welchen?)
Buchungen und Ergebnissen von Soll-Ist-Vergleichen vom 16.2.2000 gekommen ist,
nicht zu.
33
Der Umstand, dass es – mindestens – zwei Soll-Ist-Vergleiche gegeben hat, von denen
einer ein Haben und der andere ein Soll aufwies, ist für sich genommen weder ein
konkretes Zeichen für Fehleingaben noch für eine Fehlverarbeitung, da denkbarerweise
Abweichungen allein schon wegen zeitlicher Diskrepanzen von Wertstellung und
Verbuchung von Warenlieferungen zustande gekommen sein können. Nachdem die
Beklagte keinerlei Angaben zu dem Inhalt der am 16.2.2000 vorgenommenen
Buchungen gemacht und sie insbesondere die ihr vorliegenden Kontrollausdrucke vom
16.2.2000 weder zu den Akten gereicht und noch dazu vorgetragen hat, sind keinerlei
Anhaltspunkte für Fehler dargetan. Die Beklagte hat insbesondere auch nicht
aufgezeigt, dass es an diesem Tag Buchungen von einem solchen Umfang, dass
Diskrepanzen in einer Größenordnung von 27.000,- DM bei korrekter Eingabe oder
Weiterverarbeitung nicht hätte zustande kommen können, nicht gegeben habe. Auch hat
sie noch nicht einmal vorgetragen, dass es keine Buchungen auf ihr eigenes Konto
gegeben habe. Im Termin vom 17.10.2000 hat sie lediglich ohne weitere Erläuterung
einen Ordner vorgezeigt, in dem der Senat Kontrollausdrucke auch vom 16.2.2000
vorgefunden hat, und aus denen u.a. mindestens eine Buchung über einen Betrag von
über 30.000,- DM hervor ging.
34
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, sie sei zu weiterem Vortrag nicht in der
Lage und wisse nicht, was von Seiten des Mitarbeiters der Klägerin verbucht worden ist.
Insbesondere vermindert es ihre Darlegungs- und Beweislast nicht, soweit sich die
Beklagte darauf beruft, sie könne sich nicht daran erinnern, ob sie am 16.2.2000
persönlich zugegen gewesen sei. Es erscheint ausschließbar, jedenfalls erschließt es
sich nicht, dass die Beklagte sich an die wegen der differierenden Ergebnisse der Soll-
Ist-Vergleiche sowie der Höhe des ausgewiesenen Sollbestandes bemerkenswerten
Vorgänge vom 16.2.2000 nicht erinnert, in Bezug auf welche sie zuvor noch vorgetragen
hatte, sie habe selbstverständlich versucht, dem Zeugen N. inhaltlich zu folgen. Auch im
Übrigen ist es zunächst Sache der Beklagten, anhand der ihr vorliegenden Unterlagen
darzulegen, welche Buchungen Anlass zu Zweifeln geben, bzw. konkret darzulegen,
35
dass und warum die ihr vorliegenden Unterlagen einen solchen Vortrag nicht
ermöglichen und ggfs. welcher zusätzlicher, von der Klägerin vorzulegender Daten es
bedarf. Nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2008
hat die Beklagte erst gar nicht versucht, überhaupt die Voraussetzungen für einen
solchen Vortrag zu schaffen. Sie will ihren Angaben zufolge ihre Unterlagen dem Q.-
Agenturverband vorgelegt haben – soweit damit auch die täglichen Kontrollausdrucke
gemeint gewesen sein sollen, trifft dies nicht zu, da sie im Termin vom 17.10.2008
aufgefunden worden sind – und bislang trotz der annähernd fünfjährigen Dauer des
Rechtsstreits noch keine Zeit gefunden haben, Kopien, über die sie nach eigenen
Angaben denkbar noch verfügt oder die sie sich jedenfalls in der Zwischenzeit hätte
verschaffen können, herauszusuchen, zu prüfen und auf dieser Grundlage so weit wie
ihr möglich vorzutragen. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Klägerin habe in
anderen Fällen auf CD gespeicherte Einzelbuchungsbelege vorgelegt. Es ist nicht
erkennbar, welche weder in den Buchungsjournalen noch in den Kontrollausdrucken
oder in Kontoauszügen vorhandenen Daten darin enthalten sein sollten, die die
Beklagte, die noch nicht einmal die ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen
ausgewertet hat, zur Darlegung konkreter Buchungsfehler benötigt. Nachdem somit von
der Beklagten, die mit dem angefochtenen Urteil auf ihre Darlegungslast hingewiesen
worden ist, nicht dargetan worden ist, zu welchen konkreten Geschehensabläufen sie
weder Kenntnis besitzt noch sich Kenntnis verschaffen kann oder welche der
aufgezeichneten Buchungen sie nicht verstanden hat, besteht kein Anlass, der Klägerin
eine erhöhte sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen und ihr aufzugeben, die
Buchungen vom 16.2.2000 zu erläutern.
g) Zuletzt kann auch nicht unterstellt werden, dass ausschließlich Fehler des Systems
oder unerkannte Anwenderfehler zu dem Fehlbestand geführt haben konnten.
Wenngleich die Klägerin die Beklagte für zuverlässig gehalten hat, bleibt die nicht
gänzlich fernliegende Möglichkeit, dass Dritte, beispielsweise Mitarbeiter der Beklagten,
Geld aus der Kasse entnommen haben.
36
Nach alledem hat die Klägerin den Nachweis geführt, dass das EPOS-System zu
korrekten Ergebnissen geführt und der errechnete Fehlbestand entsprechend dem
letzten Soll-Ist-Vergleich vom 29.11.2003 in Höhe von 46.525,40 € entstanden ist.
37
3. a) Dieser Betrag ist von der Beklagten an die Klägerin herauszugeben. Grundsätzlich
ist das aus der Geschäftsbesorgung erlangte Geld auch dann herauszugeben, wenn es
nicht mehr vorhanden, aber nicht bestimmungsgemäß verwendet worden ist, wobei der
Beauftragte die bestimmungsgemäße Verwendung zu beweisen hat (BGH, U. v.
4.11.2002, II ZR 210/00 – juris; OLG Frankfurt, U. v. 30.1.2008, 4 U 159/06 - juris). Den
Nachweis einer bestimmungsgemäßen Verwendung hat die Beklagte angesichts des
Ergebnisses der Inventur nicht zu führen vermocht.
38
b) Von der Haftung für diesen Fehlbetrag ist die Beklagte nicht befreit.
39
aa) Zwar hat der Beauftragte bei einer Herausgabeverpflichtung nach § 667 BGB, deren
Gegenstand Geld ist, anders als der gewöhnliche Geldschuldner, der mit der
vertraglichen Begründung einer Zahlungsverpflichtung eine Garantie für das eigene
Zahlungsvermögen übernimmt, keinen Austauschwert aus dem eigenen Vermögen zu
erbringen. Den Auftraggeber trifft die Gefahr, dass der Leistungsgegenstand bei dem
Beauftragten ohne dessen Verschulden untergeht (BGH U. v. 21.12.2005, III ZR 9/05 –
juris). Der Beauftragte haftet allein wegen von ihm zu vertretender Pflichtverletzungen
40
(BGH, a.a.O.), also mit Entlastungsmöglichkeit nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Vorliegend
haben die Parteien indes darüber hinaus in § 2 Abs. 6 S. 1 des Vertrages die
Umwandlung der Einnahmen aus den erbrachten Dienstleistungen in eine
Geldwertschuld verabredet und die Beklagte zur Berechtigten an dem Kassenbestand
bestimmt. Damit hat die Beklagte eine gewöhnliche Zahlungsverpflichtung und mithin
auch eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht im Sinne einer unbeschränkten
Vermögenshaftung übernommen. Diese Abrede ist nicht schon mit Rücksicht auf
arbeitsrechtliche Grundsätze, wonach eine unbeschränkte Mankohaftung nicht wirksam
vereinbart werden kann (vgl. BAG, U. v. 2.12.1999, 8 AZR 386/98 – juris), unwirksam, da
die Beklagte, wie bereits ausgeführt, keine Arbeitnehmerin der Klägerin war. Die Frage,
ob die formularmäßige Bestimmung, die die Umwandlung der auf das Erlangte
begrenzten Haftung in eine verschuldensunabhängige und der Höhe nach unbegrenzte
– wenn auch versicherbare (vgl. Anlage 4 des Vertrages, Bl. 38 GA) - Haftung nach sich
ziehen kann, gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist (zur Unwirksamkeit einer auf
eine verschuldensunabhängige Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz nach §
437 BGB wegen Rechtsmängeln gerichteten Klausel vgl. BGH NJW 2006, 47), bedarf
keiner Vertiefung. Der Beklagten ist es nämlich nicht gelungen, sich im Sinne von § 280
Abs. 1 S. 2 BGB zu entlasten.
bb) Die Beklagte vermag sich schon deshalb nicht zu entlasten, weil sie zunächst über
mehr als ein Jahr hinweg trotz des Einsatzes des für sie neuen und komplexen
Buchungssystems keinen Soll-Ist-Vergleich nebst Inventur durchgeführt hat. Auch
soweit sie behauptet, sie habe nachfolgend mehrfach täglich den Geldbestand geprüft,
besagt dies ohne Abgleich mit den Buchungen nichts und begründet nicht die
Annahme, sie habe die an eine ordentliche Kauffrau gerichteten Sorgfaltsanforderungen
erfüllt. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, sie habe in der Zeit vom 1.10.1999 bis
zum 21.7.2002 hinsichtlich der sog. Handelsware überhaupt keine Prüfungsmöglichkeit
gehabt. Hierbei handelt es sich um ein streitiges neues Angriffs- und
Verteidigungsmittel, das in erster Instanz bereits hätte vorgebracht werden können und
das deswegen nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist. In erster Instanz hatte die
Beklagte nämlich einen hiervor abweichenden Zeitraum, d.h. die Zeit vor dem
1.10.1999, als die Handelsware als solche und nicht als Kommissionsware behandelt
worden war, genannt (vgl. Schriftsatz vom 17.2.2004, Bl. 115 GA; Schriftsatz vom
30.4.2004, Bl. 167 GA). Ungeachtet dessen, dass das neue streitige Vorbringen in der
Berufungsinstanz nicht zuzulassen ist, ist auch nicht nachvollziehbar, was konkret nach
dem 1.10.1999 nicht prüfbar gewesen sein soll. Darüber hinaus ist nicht dargetan, in
welcher Weise die angeblich fehlende Prüfungsmöglichkeit zu Fehlern geführt haben
kann, da fehlende Überprüfungsmöglichkeiten zunächst einmal allenfalls zu verspäteter
Entdeckung von Fehlern aus der Vergangenheit führen, diese aber nicht verursachen.
41
Die tägliche Prüfbarkeit der Kasse in der Zeit vor dem 1.10.1999, deren Fehlen die
Beklagte mit Schriftsatz vom 14.10.2008 geltend macht, ist in erster Instanz unstreitig
geworden, nachdem sich die Beklagte nach Eingang des Sachverständigengutachtens
nicht gegen die Ausführungen des Sachverständigen gewandt hat, wonach mit einer
von dem Sachverständigen im Einzelnen beschriebenen Nebenrechnung eine tägliche
Prüfung möglich gewesen sei. Sie hat lediglich eingewandt, dass ein Hinweis hierauf
nicht erfolgt sei. Soweit die Beklagte den Einwand der fehlenden Prüfbarkeit der Kasse
vor dem 1.10.1999 mit ihrem Schriftsatz vom 14.10.2008 wieder aufgreift, ist sie hiermit
gemäß § 531 Abs. 2, 530, 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO ausgeschlossen. Im Übrigen ist der
Einwand angesichts der von dem Sachverständigen aufgezeigten Möglichkeiten der
Prüfung, auf die die Beklagte nicht eingegangen ist, unsubstantiiert. Soweit, wie
42
erstinstanzlich von der Beklagten geltend gemacht worden ist, eine Aufklärung über die
Prüfungsmöglichkeit nicht erfolgt sein sollte, ist darin keine Verletzung der
Aufklärungspflicht durch die Klägerin zu sehen. Für jeden Nutzer des Systems – erst
recht für einen Agenturbetreiber, der, wie die Beklagte, über eine kaufmännische
Ausbildung und über Computererfahrung verfügt – liegt es auf der Hand, dass
Warenbestände, die nicht im Einzelnen im System erfasst sind, auf einer separaten Liste
geführt werden müssen, wenn man sie in die Berechnung einbeziehen will.
cc) Soweit die Beklagte geltend macht, sie sei mit dem EPOS-System überfordert
gewesen, entlastet sie dies nicht. Die Beklagte hat die vertragliche Verpflichtung
übernommen, mit diesem System zu arbeiten, sie hat daher dafür Sorge zu tragen, dass
sie zu einem ordnungsgemäßen Umgang mit dem System in der Lage ist, indem sie
sich einweisen lässt, Handbücher studiert und sich ggfs. bei Fragen an
Anwenderbetreuer wendet. Persönliche Überforderung entlastet im Rechtsverkehr erst,
wenn der Vertragspartner in diesem Zusammenhang seinerseits vertragliche
Einweisungs- oder Beratungspflichten verletzt hat und deswegen gemäß § 280 Abs. 1
BGB zum Schadensersatz verpflichtet wäre, was dem die Beratungspflichten
Verletzenden gemäß § 242 BGB entgegen gehalten werden könnte.
43
Die Verletzung einer für den Fehlbestand kausalen Einweisungs- und Beratungspflicht
durch die Klägerin hat die Beklagte nicht dargetan. Unstreitig ist eine Einweisung vor Ort
erfolgt. Der Beklagten standen zudem ein Handbuch sowie eine Hotline zur Verfügung.
Es ist nicht konkret vorgetragen, was an dieser Einweisung und Hilfestellung
unzureichend gewesen sein soll und inwieweit Fehlbestände auf einen Mangel der
Einweisung zurückzuführen sein sollen. Auch ist nicht dargetan, wie es der Beklagten
durch Vermeidung welcher auf mangelhafte Einweisung zurückzuführende fehlerhafte
Handhabung gelungen sein soll, seit dem 28.2.2000 ohne nennenswerte Erhöhung der
Fehlbestände zu arbeiten.
44
Da nicht dargelegt ist, dass die Fehlbestände auf Verständnismängel zurückzuführen
sind, ist auch dem beantragten Sachverständigenbeweis zu der Tatsache, dass das
Programm in zwei Wochen nicht erlernbar sei, nicht nachzukommen. Hinzu kommt, dass
die unter Beweis gestellte Tatsache von dem individuellen Leistungsvermögen abhängt
und schon nicht ersichtlich ist, auf welches Niveau insoweit abzustellen sein sollte.
Weiterhin ist der Umfang der Einweisung vor Ort unklar, nachdem die Beklagte mit
Schriftsatz vom 14.10.2008 behauptet hat, die Einweisung sei nur über fünf Tage,
anstatt, wie bis dahin unstreitig gewesen ist, über zwei Wochen erfolgt. Der Umstand,
dass es vormals mehrjährige Ausbildungen zum Postbeamten gegeben hatte, besagt für
die hier zu klärende Frage eines von der Klägerin zu vertretenden Einweisungsmangels
nichts. Mit dem erstmals im Schriftsatz vom 14.10.2008 vorgetragenen Einwand,
Schulungen seien nicht angeboten worden, kann sie nicht gehört werden, nachdem in
erster Instanz unstreitig war, dass die Beklagte mehrere Workshops besucht hatte, und
auch noch in der Berufungsbegründung von Workshops in unregelmäßigen Abständen
die Rede ist, §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO sowie § 138 Abs. 1 ZPO.
45
Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass irgendeine, auf konkrete Vorgehensweisen
bezogene Frage unbeantwortet geblieben wäre oder der Mitarbeiter der Klägerin, der
die Beklagte nach dem Auftreten der Fehlbestände unterstützen sollte, etwas übersehen
hätte. Die allgemeine Frage der Beklagten, warum es zu einem Fehlbestand gekommen
ist, konnte die Klägerin nicht beantworten, nachdem weder das System fehlerhaft noch
erkennbar ist, dass bestimmte Vorgänge in sich unschlüssig erscheinen mussten.
46
Soweit die Mitarbeiter der Klägerin die Beklagte mit den Worten beruhigt haben sollten,
dass sich alles aufklären werde, kann darin nicht eine Erklärung des Inhaltes erblickt
werden, dass der Beklagten bestätigt werde, alles richtig gemacht zu haben und nur das
System nicht richtig funktioniere. Ein Anhaltspunkt für eine Fehlberatung, die dazu
geführt hätte, dass die Beklagte mit fehlerhaften Buchungsweisen fortgefahren wäre
oder Fehler der Vergangenheit nicht entdeckt hätte, ergibt sich daraus nicht.
Eine von der Beklagten geltend gemachte unzureichende Belehrung für den Fall von
Kassendifferenzen ist nicht hinreichend dargetan, nachdem nichts zu Inhalten der
Einweisung sowie des ihr überlassenen Handbuches vorgetragen ist. Hinzu kommt,
dass ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Urteils des Landgerichts Freiburg
vom 13.6.2008 – 2 O 8/07 – jedenfalls in dem dort entschiedenen Fall ein Kapitel des
von der Klägerin zur Verfügung gestellten Handbuchs dem Thema Bargelddifferenzen
gewidmet war.
47
Eine Pflichtwidrigkeit kann entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung
auch nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin "zugeschaut" hätte, wie die
Fehlbestände der Beklagten angewachsen sind. Fehlbestände, die als Zeichen von
Problemen der Beklagten mit dem System hätten aufgefasst werden können, konnte die
Klägerin vor dem 30.9.1999 nicht erkennen, da die Beklagte trotz der Komplexität des
Systems über mehr als ein Jahr ohne jede Inventur gewirtschaftet hatte. Der Klägerin
kann auch nicht vorgeworfen werden, sie hätte nach dem 30.9.1999 sofort kündigen
müssen. Abgesehen davon, dass die Beklagte, die selbst am besten eine
Überforderung hätte feststellen können, ihrerseits hätte kündigen können, anstatt
"zuzuschauen", wie die Fehlbestände anwachsen, spricht auch nichts dafür, dass das
Vertragsverhältnis seitens der Beklagten nach einer Kündigung durch die Klägerin
sofort aufgegeben und das Anwachsen weiterer Fehlbestände verhindert worden wäre.
Nach der außerordentlichen Kündigung vom 15.5.2002 hat die Beklagte den Betrieb der
Agentur nämlich nicht sogleich aufgegeben, sondern ihn bis zum Ende der
regelmäßigen Kündigungsfrist fortgesetzt.
48
4) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Klägerin habe einen Verzicht auf
einen Ausgleich von Fehlbeständen erklärt. Soweit die Beklagte hierfür auf ein
ausdrücklich nur an Partnerfilialen und gerade nicht an die Q.-Agenturen gerichtetes
Schreiben der Klägerin vom 21.7.2000 (Bl. 264 GA) verwiesen hat, hat die Beklagte
zuletzt (Schriftsatz vom 14.10.2008) selbst eingeräumt, dass mit dem Schreiben nicht
pauschal Forderungen erlassen worden seien. Dem Schreiben kann auch nicht, wie die
Beklagte meint, entnommen werden, dass ein solcher Verzicht "möglich" – im Sinne von
in-Aussicht-gestellt – sei. Vielmehr enthält das Schreiben lediglich einen Hinweis auf zu
erwartende Fehlanzeigen – nicht: Fehlbestände - bei Umstellung des Systems der
Filialen. Eine Ankündigung des Inhaltes, dass Kassenfehlbestände bis zu 100.000 DM
nicht geltend gemacht werden würden, kann dem Schreiben noch nicht einmal in
Ansätzen entnommen werden.
49
"Tröstende Worte" seitens der Mitarbeiter der Klägerin, dass sich alles aufklären werde,
haben bezüglich des Bestands der Forderung und des Willens der Klägerin zur
Geltendmachung der Forderung keinerlei Erklärungswert, wobei hinzu kommt, dass
nichts dafür dargetan ist, dass das Personal der Klägerin vor Ort zur Abgabe von
Verzichtserklärungen bevollmächtigt gewesen wäre. Die Beklagte hat zudem ohnehin
nicht konkret vorgetragen, dass seitens der Mitarbeiter ein Verzicht erklärt worden oder
angekündigt worden sei, sondern nur, dass sie – die Beklagte – "davon ausgegangen"
50
sei, dass nicht nur 12.000,- DM, sondern der gesamte Fehlbestand ausgebucht werden
würde.
5) Die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Anspruchs auf Herausgabe der
Fehlbeträge liegen nicht vor. Die beruhigende Äußerung, es werde sich alles aufklären,
gab der Beklagten noch keinen Anlass, darauf zu vertrauen, dass die Klägerin von der
Geltendmachung der Forderung absehen würde, wenn sich die Gründe für den
Fehlbestand nicht aufklären lassen. Soweit sich die Beklagte auf die Ausbuchung eines
Betrages von 12.000,- DM beruft, begründete dies, wie das Landgericht zutreffend
ausgeführt hat, nicht die berechtigte Erwartung, der darüber hinaus gehende Betrag
würde ebenfalls ausgebucht werden, nachdem nichts dafür vorgetragen worden ist,
womit die Klägerin die Ausbuchung nur eines Teilbetrages begründet haben soll.
Außerdem ist das sog. Zeitmoment nicht erfüllt. Die Forderung der Klägerin ist erst mit
der einvernehmlichen Beendigung des Vertragsverhältnisses, also am 30.11.2003 fällig
und Klage noch in demselben Jahr erhoben worden. Deshalb ist auch eine Verjährung,
auf die sich die Beklagte in erster Instanz berufen hatte, nicht eingetreten.
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Der Klägerin steht mithin gegen die Beklagte ein Rückerstattungsanspruch in Höhe von
46.525,40 € zu.
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B. Erfolg hat die Berufung der Beklagten, soweit sie sich auf eine Hilfsaufrechnung mit
einer – unstreitigen - Bonuszahlung für das Jahr 2003 in Höhe von 12.011,72 € stützt.
Das in § 11 Abs. 2 des Vertrages vereinbarte Aufrechnungsverbot ist nicht einschlägig,
da die Forderung der Beklagten unstreitig ist. Der Aufrechnung steht § 390 BGB nicht
entgegen. Eine Aufrechnung ist zwar gemäß § 390 BGB ausgeschlossen, wenn der zur
Aufrechnung gestellten Gegenforderung eine Einrede – dazu gehört auch die Ausübung
eines Zurückbehaltungsrechtes - entgegen gehalten wird, wobei es auch nicht darauf
ankommt, ob die Einrede bereits erhoben ist (Palandt/Grüneberg, 67. Auflage, § 390 Rn.
2). Daher würde es der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch die
Klägerin nicht entgegen stehen, dass die Beklagte bereits zuvor die Aufrechnung erklärt
hatte. Indessen findet der Aufrechnungsausschluss nach § 390 BGB nicht statt, wenn
das Zurückbehaltungsrecht gerade diejenige Forderung sichert, gegen die sich die
Aufrechnung richtet (BGH U. v. 12.7.1990, III ZR 174/89 – juris). Vorliegend soll das von
der Klägerin ausgeübte Zurückbehaltungsrecht die Forderung der Klägerin auf Zahlung
in Höhe des Kassenfehlbetrages sichern, deren Erfüllung die seitens der Beklagten
erklärte Hilfsaufrechnung dienen soll. Insoweit ist das Zurückbehaltungsrecht
gegenstandslos geworden und die Klageforderung gemäß § 389 BGB in Höhe von
12.011,72 € erloschen, so dass sich die noch offene Forderung der Klägerin auf
34.513,68 € beläuft.
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C. Der Klägerin stehen Zinsen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß §§
286, 288 Abs. 1 BGB zu. Fällig war der Zahlungsanspruch mit Ende des Vertrages am
30.11.2003, so dass die Beklagte gemäß § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB seit dem
1.12.2003 ohne weitere Mahnung in Verzug war. Der geschuldete Betrag ist gemäß §
288 BGB in der gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1, § 7 EGBGB seit dem 1.1.2002 geltenden
Fassung mit 5% über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Infolge der von der Beklagten
erklärten Aufrechnung, die gemäß § 389 BGB zum 29.2.2004 zurückwirkt, weil die
Forderung gemäß § 3 Abs. 4 S. 2 des Vertrages Ende Februar 2004 fällig geworden ist,
ermäßigte sich seither der zu verzinsende Betrag um die Höhe des Jahresbonus.
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D. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708
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Nr. 10 und 11, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des
§ 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch
erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Rechtsfragen
grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein
könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 58.537,12 €
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Klageforderung: 46.525,40 €
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Hilfsaufrechnung: 12.011,72 € (§ 45 Abs. 3 GKG)
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