Urteil des OLG Köln vom 26.11.1998

OLG Köln (egv, eugh, bundesrepublik deutschland, schutz der gesundheit, einfuhr, auflage, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, verhältnis zu, kommission der europäischen gemeinschaft, wirkung)

Oberlandesgericht Köln, 7 U 55/96
Datum:
26.11.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 U 55/96
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 1 O 280/92
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Grund- und Teilurteil des
Landgerichts Bonn vom 8.12.1995 teilweise abgeändert und wie folgt
neu gefasst: Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit der
Klägerin ein Scha-den dadurch entstanden ist, dass ihr im Zeitraum vom
1.8.1989 bis zum 19.10.1989 eine Weitervermarktung von lebend
importierten Süßwasserkrebsen nur insoweit möglich war, als sie diese
zu Produkten weiterverarbeitete. Sie ist ferner dem Grunde nach
gerechtfertigt, soweit der Klägerin ein Schaden dadurch entstanden ist,
dass ihr ab dem 1.1.1993 die Einfuhr von Süßwasserkrebsen nur unter
Auflagen genehmigt wurde. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die
weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Berufung der
Beklagten wird zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die
Anspruchshöhe wird der Rechtsstreit an das Landgericht
zurückverwiesen. Diesem bleibt auch die Kostenentscheidung
einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin betreibt - im wesentlichen zu gastronomischen Zwecken - den Import und
Handel mit Süßwasserkrebsen. Die Krebse werden teilweise von ihr zu Produkten
weiterverarbeitet, zu einem größeren Teil lebend an den Zwischenhandel, an den
Einzelhandel, an die gehobene Gastronomie und vereinzelt an sonstige Endabnehmer
geliefert. Nach den (insoweit allerdings etwas wechselnden) Angaben der Klägerin
entfallen von ihren geschäftlichen Aktivitäten etwa 90% auf den Handel mit Krebsen und
Krebsprodukten. Von den importierten Krebsen verarbeitet sie etwa 20% zu
gastronomischen Produkten wie Krebsbutter, Krebspaste u.ä., die übrigen vermarktet sie
lebend weiter, davon den wohl überwiegenden Teil an den Zwischenhandel. Im hier
näher interessierenden Zeitraum von 1989 bis 1994 bezog die Klägerin
Süßwasserkrebse der Arten astacus leptodactylus und procambarus clarkii
überwiegend aus Kenia und der Türkei (hier hatte die Klägerin auch zu Zuchtzwecken
einen See gepachtet), zu einem geringen Anteil aus Portugal. Seit Ende 1992 kam - mit
zunehmender Bedeutung - der Import australischer Krebse hinzu.
2
Mit Wirkung vom 1.8.1989 trat die am 24.7.1989 erlassene erste Verordnung zur
Änderung der Bundesartenschutzverordnung (BGBl. I S. 1525) in Kraft. Danach wurden
3
neben zahlreichen weiteren Tier- und Pflanzenarten auch Süßwasserkrebse unter
Schutz gestellt und den Beschränkungen des damaligen § 21 b BNatSchG (in der
Fassung der Bekanntmachung vom 12.3.1987, BGBl. I 889) unterworfen, wonach eine
Einfuhr der in der Anlage zur Bundesartenschutzverordnung genannten Arten nur noch
zu wissenschaftlichen Zwecken möglich war. Zweck dieser Unterschutzstellung war es
nach der Begründung des Bundesrates, auf dessen Initiative die Änderung der
Bundesartenschutzverordnung insoweit zurückging, der Bedrohung der
bundesdeutschen Bestände an Süßwasserkrebsen durch Einschleppung der Krebspest
sowie der Gefahr einer Verfälschung der heimischen Fauna vorzubeugen (BRat-Drs.
290/89 S.11).
Das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft (heute Bundesamt für Naturschutz)
gestattete der Klägerin ab dem 1.8.1989 den Import von Krebsen in Anwendung der
Härtefallregelung des
4
§ 31 Abs.1 Nr. 1 BNatschG zwar vorerst weiter, allerdings nur im Rahmen von zeitlich
(im Regelfall auf etwa sechs Monate) befristeten Einfuhrgenehmigungen, die an
verschiedene Auflagen gebunden waren. So standen die ersten beiden am 1.8.1989
erteilten Genehmigungen des Bundesamtes unter der Auflage, dass lebend importierte
Krebse im Betrieb der Klägerin zu gastronomischen Produkten zu verarbeiten seien. Ab
dem 19.10.1989 erteilte Genehmigungen sahen durchgängig zwar die Möglichkeit einer
Weitervermarktung lebender Krebse vor, allerdings nur an Endabnehmer, nicht an den
Zwischenhandel. Außerdem wurde der Klägerin aufgegeben, die Krebse so zu halten,
dass eine Auswilderung verhindert werde, die Hälterungswässer zu desinfizieren (diese
Auflage wurde später abgemildert) und die Endabnehmer auf bestimmte
Verhaltensmaßregeln zu verpflichten. Auch australische Krebse wurden von den
Auflagen ausgenommen, da sie als Krebspestüberträger und Faunenverfälscher nicht in
Betracht kamen. Insgesamt stellte die Klägerin im Zeitraum von 1989 bis 1994 40
Anträge auf Importgenehmigung, denen unter den genannten Auflagen entsprochen
wurde. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Klägerin
vom 9.8.1996 (Bl. 519 ff. GA) samt dem Anlagenkonvolut BK 16 und der Beklagten vom
14.12.1994 (Bl. 126 ff. GA) samt Anlage.
5
Gegen die Auflagen, mit denen die Genehmigungen ab dem 19.10.1989 versehen
worden waren, legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein, der (bis auf die oben
genannten Ausnahmen) erfolglos blieb. Eine unter dem 24.8.1990 unter Auflagen
erteilte Genehmigung war Gegenstand zweier vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt
und dem Verwaltungsgerichtshof Kassel geführten Eilverfahren sowie einer
verwaltungsgerichtlichen Klage, die nach Erledigung der Hauptsache infolge
Zeitablaufs der Genehmigung als Fortsetzungsfeststellungsklage weitergeführt wurde.
Auch diese verwaltungsgerichtlichen Verfahren blieben für die Klägerin erfolglos.
Insoweit wird auf die beigezogenen Akten der Verfahren I/1-G 2925/90, I/1-H 3072/90
und 13 E 2913/90 VG Frankfurt Bezug genommen.
6
Das auf der Bundesartenschutzverordnung und dem Bundesnaturschutzgesetz
beruhende Importverbot war Gegenstand einer im Jahre 1992 erhobenen Aufsichtsklage
der Kommission der Europäischen Gemeinschaft vor dem EuGH (Rechtssache C-
31/93). Mit Urteil vom 13.7.1994 stellte der EuGH fest, dass die Beklagte hierdurch
gegen Art. 30 EGV verstossen habe und dass das Importverbot auch nicht durch Art. 36
EGV gerechtfertigt sei.
7
Mit der Richtlinie des Rates 91/67/EWG vom 28.1.1991 betreffend die
tierseuchenrechtlichen Vorschriften für die Vermarktung von Tieren und anderen
Erzeugnissen der Aquakultur (sog. "Aquakultur-Richtlinie") harmonisierte die
Gemeinschaft die tierseuchenrechtlichen Vorschriften für die Vermarktung von Tieren
der Aquakultur in der Weise, dass für die Einfuhr die Einhaltung bestimmter
Gesundheitskontrollen vorgeschrieben wurde. Diese Richtlinie war von den
Mitgliedstaaten bis zum 1.1.1993 umzusetzen, was in der Bundesrepublik Deutschland
durch den Erlass der zum 1.1.1993 in Kraft getretenen Verordnung über das
innergemeinschaftliche Verbingen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und
Sachen der Aquakultur vom 23.12.1992 (BGBl. I S. 2437 ff.) geschah. Ab Mitte 1993
genehmigte das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft der Klägerin den Import
lebender Krebse auflagenfrei. Das Importverbot für Süßwasserkrebse wurde schließlich
durch eine weitere Änderung der Bundesartenschutzverordnung vom 9.7.1994 (BGBl. I.
S. 1523) vollständig aufgehoben. Seitdem ist die Einfuhr von Süßwasserkrebsen wieder
genehmigungsfrei möglich.
8
Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche geltend, und zwar wegen
entgangenen Gewinns durch die Beschränkung der Vermarktungsmöglichkeiten, wegen
Mehrkosten, die durch die Auflagen insbesondere für die aufwendigere Art der
Versendung der Krebse und für die Änderung von Betriebsabläufen entstanden seien,
wegen Verlustes des Firmenwertes, wegen Anwalts- und Gerichtskosten, wegen
abgetretener Ansprüche ihres Geschäftsführers und wegen zukünftig noch zu
erwartenden Gewinnausfalls. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird
auf den Schriftsatz der Klägerin vom 20.9.1994 (Bl. 32 ff. GA) Bezug genommen.
9
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe insoweit ein
gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch zu, außerdem ein Anspruch aus
Amtshaftung und aus enteignungsgleichem Eingriff. Das sich aus der
Bundesartenschutzverordnung ergebende Importverbot und die vor diesem Hintergrund
verhängten Auflagen verstießen gegen europäisches Recht, was schon aus der
Entscheidung des EuGH vom 13.7.1994 folge.
10
Sie hat beantragt,
11
die Beklagte zu verurteilen, an sie
12
##blob##nbsp;
13
##blob##nbsp;
14
249.770,- DM nebst 12,5% Zinsen seit dem
15
##blob##nbsp;
16
##blob##nbsp;
17
1.8.1992 sowie weitere 1.043.731,93 DM
18
##blob##nbsp;
19
##blob##nbsp;
20
nebst 10,5% Zinsen seit dem 6.10.1994 zu
21
##blob##nbsp;
22
##blob##nbsp;
23
zahlen.
24
Die Beklagte hat beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
26
Sie hat gemeint, eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht liege nicht vor, jedenfalls
könne sich die Klägerin darauf nicht berufen, da dieses nur den
innergemeinschaftlichen Handel regele und Direktimporte aus der Türkei und aus Kenia
nicht erfasse. Im übrigen verhalte sich die Entscheidung des EuGH vom 13.7.1994 nur
über das Importverbot, das die Klägerin aber nicht betroffen habe, nicht hingegen über
die Zulässigkeit der gegen die Klägerin verhängten Auflagen.
27
Mit Urteil vom 8.12.1995 hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach aus Art. 34
GG, § 839 BGB für berechtigt erklärt, soweit die Beklagte noch nach dem 1.1.1993 - dem
Zeitpunkt, der dem nationalen Gesetzgeber für die Umsetzung der Aquakultur-Richtlinie
gesetzt worden war - Genehmigungen nur unter Auflagen erteilt hat, weil diese
Richtlinie im Hinblick auf die Änderung der Bundesartenschutzverordnung zu spät
umgesetzt worden sei. Im übrigen stünden der Klägerin keine Ansprüche zu. Das
Importverbot selbst stelle sich als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des
Eigentums dar, so dass schon deshalb Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff
entfielen. Eine Erdrosselungswirkung auf die Klägerin sei nicht eingetreten.
Gemeinschaftsrechtliche Ansprüche seien nicht gegeben, weil der Direktimport aus
Ländern außerhalb der Gemeinschaft nicht von gemeinschaftsrechtlichen
Schutznormen erfasst werden könne. Auch aus Abkommen zwischen der Gemeinschaft
und der Türkei bzw. Kenia seien keine die Klägerin schützenden Normen ersichtlich.
Ein Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 GG, § 839 BGB wegen der Auflagen sei für die
Zeit vor dem 1.1.1993 nicht gegeben, da die Klägerin keinen Anspruch auf auflagenfreie
Genehmigungen gehabt habe.
28
Die Klägerin verfolgt mit ihrer fristgerecht eingelegten Berufung ihr ursprüngliches
Klagebegehren weiter. Sie hält insbesondere die Annahme des Landgerichts für
verfehlt, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch nicht in Betracht
komme. Sie verweist auf verschiedene gescheiterte Versuche, auflagenfreie
Genehmigungen für die Einfuhr türkischer oder kenianischer Krebse über
Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (Belgien, Portugal oder Spanien) zu erreichen, und
meint, es könne für die Verletzung von Gemeinschaftsrecht keinen Unterschied machen,
ob Krebse direkt importiert oder zunächst in ein Mitgliedsland eingeführt, dort abgefertigt
und dann in die Bundesrepublik Deutschland verbracht würden. Im übrigen verstoße
das Importverbot auch gegen das Assoziierungsabkommen mit der Türkei und gegen
die Abkommen mit den sog. AKP-Staaten, zu denen auch Kenia gehört. Die Klägerin
meint ferner, nicht nur das Importverbot selbst, sondern auch alle gegen sie verhängten
Auflagen stellten einen gewichtigen, hinreichend qualifizierten Verstoß gegen
gemeinschaftsrechtliche Vorschriften dar. Dies gelte insbesondere für das sie
29
besonders hart treffende Verbot des Zwischenhandels.
Die Klägerin beantragt,
30
das angefochtene Urteil des Landgerichts
31
##blob##nbsp;
32
##blob##nbsp;
33
Bonn teilweise abzuändern und die Beklagte
34
##blob##nbsp;
35
##blob##nbsp;
36
zu verurteilen, an sie 249.770,- DM nebst
37
##blob##nbsp;
38
##blob##nbsp;
39
12,5% Zinsen seit dem 1.8.1992 sowie weite-
40
##blob##nbsp;
41
##blob##nbsp;
42
re 1.043.731,93 DM nebst 10,5% Zinsen seit
43
##blob##nbsp;
44
##blob##nbsp;
45
dem 6.10.1994 zu zahlen,
46
##blob##nbsp;
47
##blob##nbsp;
48
hilfsweise,
49
##blob##nbsp;
50
##blob##nbsp;
51
##blob##nbsp;
52
die Klage dem Grunde nach auch über den zu-erkannten Umfang hinaus für die
Zeit vom 1.8.1989 bis 31.12.1992 für gerechtfertigt zu erklären.
53
Die Beklagte beantragt,
54
die Berufung zurückzuweisen.
55
Sie tritt den Auffassungen der Klägerin unter Verteidigung des angefochtenen Urteils,
soweit die Klage für nicht gerechtfertigt erklärt wurde, entgegen. Im übrigen verfolgt sie
mit ihrer fristgerecht eingelegten selbständigen Anschlussberufung ihrerseits das Ziel
völliger Klageabweisung weiter. Nach ihrer Auffassung habe das Landgericht verkannt,
dass die Änderung der Bundesartenschutzverordnung im Jahre 1994 nichts mit der
Umsetzung der Aquakultur-Richtlinie zu tun habe. Tatsächlich seien die Auflagen auch
nach dem 1.1.1993 noch unter dem Gesichtspunkt des Faunenschutzes gerechtfertigt
gewesen.
56
Sie beantragt,
57
das Urteil des Landgerichts Bonn vom
58
##blob##nbsp;
59
##blob##nbsp;
60
##blob##nbsp;
61
8.12.1995 teilweise abzuändern und die Kla-ge insgesamt abzuweisen.
62
Die Klägerin beantragt,
63
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
64
Wegen aller weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
65
Die Akten der Verfahren I/1-G 2925/90, I/1- H 3072 und 13 E 2913/90 VG Frankfurt
waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
66
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
67
I.
68
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache aber nur zu einem geringen Teil
Erfolg. Zwar hat die Beklagte sowohl durch das generelle Importverbot für lebende
Süßwasserkrebse als auch teilweise durch die hierauf gestützten Auflagen, unter denen
der Klägerin die Einfuhr trotz des allgemeinen Importverbots gestattet wurde,
Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verletzt, die den Schutz der Klägerin bezwecken.
Jedoch besteht deswegen ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch der
Klägerin nur insoweit, als ihr die Weitervermarktung lebender Krebse gänzlich untersagt
wurde, und soweit Auflagen noch nach Umsetzung der Aquakultur-Richtlinie verhängt
wurden, denn nur hierin liegt ein hinreichend qualifizierter Rechtsverstoß der Beklagten.
Andere Auflagen, insbesondere das die Klägerin besonders belastende Verbot des
Zwischenhandels, stellen hingegen einen hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß nicht
69
dar. Insoweit scheidet ein Anspruch sowohl auf gemeinschaftsrechtlicher als auch auf
nationaler Rechtsgrundlage aus.
Im einzelnen gilt folgendes:
70
1.
71
Nach der inzwischen als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung des EuGH (EuGH
Urt. vom 19.11.1991, Slg. 1991,I-5357 - Francovich, NJW 1992,165 f.; Urt. v. 5.3.1996
Rs. C-46/93 und C-48/93 - Brasserie du Pècheur und Factortame, NJW 1996, 1267 ff.;
Urt. v. 8.10.1996 Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94 und C-190-94 - Dillenkofer u.a.,
NJW 1996, 3139 ff.; sowie weitere Urteile, vgl. hierzu Sänger, JuS 1997, 865 ff.) können
Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht, die einem Mitgliedstaat zuzurechnen sind,
Schadensersatzansprüche gegen diesen Mitgliedstaat auslösen. Voraussetzung ist,
dass eine gemeinschaftsrechtliche Norm verletzt ist, die den Zweck hat, dem Verletzten
unmittelbar Rechte zu verleihen, dass der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und dass
zwischen diesem Verstoß und dem Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang
besteht. Diese Grundsätze gelten für jeden Fall des Verstoßes eines Mitgliedstaates
gegen das Gemeinschaftsrecht unabhängig davon, welches mitgliedschaftliche Organ
durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß begangen hat (EuGH Urt. v. 5.3.1996
- Brasserie, a.a.O.,Tz. 32; Urt. v. 8.10.1996 - Dillenkofer, a.a.O., Tz. 20). Erfasst ist damit
nicht nur legislatives Unrecht, also etwa die verspätete Umsetzung von Richtlinien durch
den nationalen Gesetzgeber, sondern auch ein Verstoß des Verordnungsgebers und
ebenso ein Verstoß nationaler Behörden im Bereich rein administrativen Handelns (zu
letzterem ausdrücklich EuGH, EuZW 1996,435 ("Lomas"); Sänger, JuS 1997, 865,868).
Das durch die Änderung der Bundesartenschutzverordnung vom 24.7.1989 geregelte
Importverbot für lebende Süßwasserkrebse ist damit grundsätzlich ebenso dem
gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch zugänglich wie die auf
administrativer Ebene anzusiedelnde Verhängung von Auflagen. Der von den Parteien
angeregten Vorlage dieser Frage an den EuGH bedarf es nicht.
72
2.
73
Sowohl das Importverbot selbst als auch alle auf § 31 BNatSchG gestützten Auflagen
verstießen objektiv gegen Art. 30 EGV. Im Hinblick auf die Beschränkungen des Imports
aus der Türkei liegt darüber hinaus eine Verletzung von Art. 21 des Zweiten
Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der
(damaligen) Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Verordnung (EWG) Nr. 2760/72
des Rates vom 19.12.1972, ABl. der europäischen Gemeinschaften Nr. L 293/1 vom
29.12.1972) vor, im Hinblick auf die Beschränkungen des Imports aus Kenia eine
Verletzung von Art. 169 des Vierten AKP-EWG-Abkommens vom 15.12.1989 (Viertes
Lome-Abkommen, BGBl. 1991, S.2) bzw. für die vor dem Inkrafttreten dieses
Abkommens liegende Zeit ein Verstoß gegen Art. 131 des Dritten AKP-EWG-
Abkommens vom 8.12.1984 (Drittes Lome-Abkommen, ABl. der EG Nr. L 86/3 vom
31.3.1986).
74
a)
75
Über die Frage einer etwaigen Rechtsverletzung hatte der Senat in eigener
Verantwortung zu entscheiden. Die Rechtskraft der Entscheidungen des
Verwaltungsgerichts Frankfurt bzw. des VGH Kassel in dem verwaltungsgerichtlichen
76
Rechtsstreit und den beiden Eilverfahren entfaltet keine Bindungswirkung für das
vorliegende Verfahren. Der Senat wäre nur an eine rechtskräftige Entscheidung in der
Sache selbst, und zwar im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, gebunden gewesen
(st. Rspr., etwa BGHZ 113, 17,20). Die Klage (13 E 2913/90 VG Frankfurt), die zunächst
auf Aufhebung der unter Auflagen erteilten Importgenehmigung vom 24.8.1990 gerichtet
und nach Erledigung der Hauptsache als Fortsetzungsfeststellungsklage weiter
betrieben wurde, ist aber in beiden Instanzen als unzulässig abgewiesen worden. Zur
Sache selbst - der Frage der Rechtswidrigkeit der erteilten Auflagen - haben
Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof nicht Stellung genommen. Gleiches gilt
für das Verfahren I/1-G 2925/90 VG Frankfurt. Im Verfahren I/1-H 3072/90 hat das
Verwaltungsgericht Frankfurt zwar durch Beschluss vom 6.5.1991, mit dem der Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs herzustellen, zurückgewiesen wurde, zur
Rechtmäßigkeit der Auflagen Stellung genommen und diese bejaht, allerdings nur im
Rahmen einer summarischen Prüfung. Hierdurch tritt eine Bindung im Rahmen eines
Staatsahftungsprozesses nicht ein.
b)
77
Nach Art. 30 EGV sind alle mengenmäßigen Beschränkungen sowie alle Maßnahmen
gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Ein vollständiges (bzw. auf
alle anderen als wissenschaftliche Zwecke bezogenes) Importverbot stellt die extremste
Form einer mengenmäßigen Beschränkung dar (Müller-Graff in von der
Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 4.Aufl. 1991, Art. 30 Rn. 9
m.w.N.). Dass insoweit ein tatbestandlicher Verstoß gegen Art. 30 EGV vorliegt, bedarf
keiner weiteren Ausführung. Im übrigen hat auch der EuGH in seinem Urteil vom
13.7.1994 (C-131/93) unmissverständlich ausgeführt, dass die Beklagte durch das
Importverbot für lebende Süsswasserkrebse Art. 30 EGV verletzt hat (EuGH aaO. Tz. 9
ff.).
78
Die aus § 31 BNatschG resultierende Genehmigungspflicht und die hierauf gestützten
Auflagen stellen zwar keine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung, wohl aber
Maßnahmen gleicher Wirkung dar. Hierunter sind nach der ständigen Rechtsprechung
des EuGH alle Handelsregelungen von Mitgliedstaaten zu verstehen, die geeignet sind,
den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder
potentiell zu behindern (EuGH - Dassonville Rs. 8/74, Slg. 1974, 837,847 und viele
weitere, vgl. Müller-Graff aaO. Rn. 22 m.w.N.). Potentielle Eignung zur Behinderung des
innergemeinschaftlichen Handels besitzt aber schon die bloße Genehmigungspflicht für
die Einfuhr (so für den hier zu entscheidenden Fall schon der EuGH Urt. v. 13.7.1994,
Tz. 12), erst recht aber jede noch so geringfügige Auflage, von deren Erfüllung die
Einfuhr abhängig gemacht wird.
79
c)
80
Allerdings bezieht sich der Schutz des Art. 30 EGV nur auf Waren, die aus der
Gemeinschaft stammen oder - gleich woher sie ursprünglich stammten - in einem
Mitgliedstaat in freien Verkehr gebracht worden sind (EuGH Urt. v. 15.12.1976 -
Donckerwolcke, Slg. 1976, 1921, Tz. 18; Urt. v. 13.7.1994, Tz. 10). Das bedeutet, wie
das Landgericht grundsätzlich zu Recht ausgeführt hat, dass eine unmittelbare
Verletzung von Art. 30 EGV nur insoweit in Betracht kommt, als die Einfuhr von Krebsen
aus Mitgliedstaaten betroffen ist. Der unmittelbare Import aus Drittländern, also
namentlich aus der Türkei und Kenia, ist durch Art. 30 EGV jedenfalls nicht direkt
81
geschützt.
Gleichwohl kann sich die Klägerin auch insoweit grundsätzlich auf eine Verletzung von
Art. 30 EGV stützen, denn es steht fest, dass die Beklagte weder hinsichtlich des
generellen Importverbots noch hinsichtlich der erteilten Auflagen zwischen Einfuhren
aus Mitgliedstaaten und Einfuhren aus Drittstaaten unterschieden hat. Unstreitig hat die
Klägerin im Zeitraum von Mai 1990 bis Januar 1993 insgesamt sieben Mal die
Genehmigung von Importen aus Mitgliedstaaten beantragt, nämlich einmal aus Belgien,
einmal aus Spanien und fünfmal aus Portugal. Unstreitig sind auch in diesen Fällen die
Genehmigungen nur unter den sonst üblichen Auflagen und Befristungen erteilt worden.
Dabei geht der Senat entsprechend dem Vortrag der Klägerin davon aus, dass
jedenfalls die den Genehmigungen vom 7.5.1990 (Belgien), vom 26.11.1990 (Portugal)
und vom 5.6.1991 (Spanien) zugrunde liegenden Importe sich nicht auf Krebse
beziehen sollten, die aus den jeweiligen Ländern stammten (namentlich heimische
Krebse aus Belgien - falls es solche überhaupt gibt - und aus Spanien hat die Klägerin
unstreitig nie eingeführt). Vielmehr hätte es sich um solche aus Kenia oder der Türkei
handeln sollen, die lediglich über einen anderen Mitgliedstaat in die Gemeinschaft
verbracht werden sollten, damit sie sich in der Gemeinschaft "in freiem Verkehr"
befänden. Indem die Beklagte unterschiedslos alle Krebse den gleichen Auflagen
unterwarf, stand für die Klägerin fest, dass sich auch durch eine rechtmäßige
Verbringung in die Gemeinschaft, um sie von dort in die Bundesrepublik Deutschland
einzuführen, für sie nichts änderte. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Klägerin
tatsächlich Krebse schon in der Gemeinschaft hatte abfertigen lassen und damit nach
Art. 10 EGV in den Verkehr gebracht hatte. Erst recht ist nicht von Bedeutung, dass die
Klägerin nur vereinzelt Anträge auf Einfuhr aus Mitgliedstaaten gestellt hat.
Entscheidend ist allein, dass ihr auch der Ausweg versperrt blieb, Krebse aus der Türkei
und aus Kenia durch ein legales Einführen in die Gemeinschaft auflagenfrei in die
Bundesrepublik einführen zu können.
82
Ob die Klägerin tatsächlich dauerhaft oder auch nur in nennenswertem Umfang diesen
Weg gewählt hätte, wären Importe aus den Mitgliedstaaten vom grundsätzlichen Verbot
und von der Verhängung von Auflagen ausgenommen worden, ist keine Frage der
Verletzung von Art. 30 EGV, sondern allein eine Frage der Kausalität und der
Berechnung des Schadens. Es liegt auf der Hand, dass Importe über ein Drittland die
Einfuhr für die Klägerin verteuert hätten, denn sie bedingten weitere Wege, längere
Zeiten und die Einschaltung dritter Personen, um die Formalitäten in den jeweiligen
Mitgliedstaaten zu erledigen. Solange diese Mehrkosten aber nicht dazu führten, dass
Importe grundsätzlich wirtschaftlich sinnlos wurden, wofür der Senat auch ohne nähere
Angaben zu diesen möglichen Mehrkosten keinerlei Anhaltspunkte hat, ist davon
auszugehen, dass die Klägerin diesen Weg mangels besserer Alternativen tatsächlich
gewählt hätte.
83
d)
84
Allerdings kommt es auch für die Schadensberechnung auf die vorstehenden
Ausführungen nicht entscheidend an, denn hinsichtlich der Direktimporte aus der Türkei
und aus Kenia, die den weit überwiegenden Anteil der Einfuhren der Klägerin
ausmachten, sind die oben genannten weiteren gemeinschaftsrechtlichen Normen aus
den Assoziierungsabkommen mit Drittstaaten unmittelbar betroffen. Nach Art. 21 des
Zweiten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der
Europäischen Gemeinschaft (damals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) sind
85
mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung
unbeschadet der nachfolgenden Bestimmungen zwischen den Vertragsparteien
verboten. Aus den nachfolgenden Bestimmungen (Art. 22 ff. des Zusatzprotokolls)
ergeben sich bis auf die Vorschrift des Art. 29, die derjenigen des Art. 36 EGV
nachgebildet ist und auf die im Folgenden näher einzugehen sein wird, keine hier
einschlägigen Beschränkungen. Schon der mit Art. 30 EGV identische Wortlaut von Art.
21, aber auch die Identität hinsichtlich Systematik und Regelungszweck zwischen den
Vorschriften der Art. 21 ff. des Zusatzprotokolls einerseits und der Art. 30 ff. EGV
andererseits belegen, dass insbesondere im Hinblick auf den Begriff der "Maßnahmen
gleicher Wirkung" die gleiche Betrachtungsweise geboten ist wie bei Art. 30 EGV. Diese
Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Regelungen der Abkommen zwischen der
Gemeinschaft und den AKP-Staaten, zu denen Kenia gehört. Nach Art. 169 Abs.1 des
Lome-IV-Abkommens (wortgleich insoweit Art. 131 Abs.1 des Lome-III-Abkommens)
wendet die Gemeinschaft bei der Einfuhr von Ursprungswaren der AKP-Staaten keine
mengenmäßigen Beschränkungen und keine Maßnahmen gleicher Wirkung an. Auch
hier enthält sodann Art. 170 (bzw. Art. 132) eine Art. 36 EGV vergleichbare Regelung.
3.
86
Sowohl Art. 30 EGV als auch die genannten Vorschriften aus den
Assoziierungsabkommen entfalten unmittelbare Drittwirkung, das heißt, sie bezwecken
den Schutz der Klägerin.
87
a)
88
Dass nicht nur sekundäres Gemeinschaftsrecht (Richtlinien, Verordnungen), sondern
auch Normen des EGV selbst dem Einzelnen unmittelbar Rechte verleihen können, und
dass dies namentlich bei Art. 30 EGV, der den Schutz des freien Warenverkehrs regelt,
anzunehmen ist, ergibt sich eindeutig aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v.
5.3.1996 - Brasserie, a.a.O., Tz. 23).
89
b)
90
Ebenso steht fest, dass auch Bestimmungen von Abkommen zwischen der
Gemeinschaft und Drittstaaten unmittelbare Wirkung entfalten können. Welche Normen
dies im einzelnen sind, bestimmt sich durch eine an Sinn, Aufbau und Wortlaut des
Abkommens orientierte Auslegung (EuGH Urt. v. 12.12.1972 - Int. Fruit Company, Slg.
1972, 1219; Urt. v. 12.12.1995 - Chiquita, EuGRZ 1996, 158 ff. Tz. 25; Geiger, aaO, Art.
238 m.w.N. aus der EuGH-Rechtsprechung). Entscheidend ist hierbei, ob das
Abkommen klare und eindeutige Regelungen enthält, deren Erfüllung oder deren
Wirkungen nicht vom Erlass weiterer Rechtsakte abhängen. Danach können namentlich
in den Abkommen zwischen der Gemeinschaft und den AKP-Staaten Bestimmungen
enthalten sein, die dem Einzelnen Rechte verleihen, auf die er sich vor den nationalen
Gerichten unmittelbar berufen kann (EuGH Urt. v. 5.2.1976 Rs. 87/75 - Bresciani, Slg.
1976, Tz. 25; Urt. v. 12.12.1995, Tz. 34 f.). Eine solche Wirkung hat der EuGH
angenommen für eine Vorschrift des Jaunde-Abkommens vom 21.7.1969, die
hinsichtlich der Abschaffung von Abgaben zollgleicher Wirkung auf Art. 13 EGV verwies
(EuGH Urt. v. 5.2.1976, aaO Tz. 25). Für die hier maßgeblichen Vorschriften der Art. 169
(Art. 131) der Lome-Abkommen hat der EuGH zwar noch keine entsprechende
ausdrückliche Feststellung getroffen. Der Senat hält allerdings die dort entwickelten und
zugrunde gelegten Grundsätze auf Art. 169 (Art. 131) der Abkommen für übertragbar.
91
Zwar ordnen diese Vorschriften nicht unmittelbar die Geltung von Art. 30 ff. EGV durch
einen ausdrücklichen Verweis auf diese Vorschriften an. Wohl aber greifen sie den
Wortlaut der Regelungen nahezu vollständig auf und lassen auch von ihrem
Regelungszweck keinen Zweifel aufkommen, dass eine identische Regelung gewollt
war. Hierbei ist berücksichtigt, dass durch die Abkommen mit den AKP-Staaten eine
vollständige Gleichstellung der Entwicklungsländer mit den Mitgliedstaaten der
Gemeinschaft weder beabsichtigt war noch erreicht wurde, und dass in Bezug auf
spezielle Einzelaspekte in den Vertragswerken unterschiedliche Regelungen enthalten
sind, die auch für den freien Warenverkehr bedeutsam sind, wie die Entscheidung des
EuGH vom 12.12.1995 zeigt, wo sich wegen einer hinsichtlich Art. 95 EGV
unterschiedlichen Regelung ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des Art. 169 des
Lome-Abkommens verbot. Allerdings gibt es derartige spezielle Regelungen im
vorliegenden Fall nicht. Die Beschränkung der Einfuhr lebender Süßwasserkrebse aus
Gründen des Artenschutzes richtet sich für den Bereich der Gemeinschaft abschließend
nach Art. 30 und 36 EGV. Diese Materie ist in den Abkommen von Lome inhaltlich
identisch mit dem EGV geregelt. Hier steht der Annahme einer unmittelbaren
Drittwirkung folglich nichts entgegen.
Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Regelungen in Art. 21 ff des Zweiten
Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der Gemeinschaft und der
Türkei, wo ebenfalls eine abschließende und mit den Bestimmungen des EGV
übereinstimmende Regelung hinsichtlich artenschutzrechtlicher Beschränkungen in Art.
29 getroffen worden ist.
92
4.
93
Inwieweit ein objektiver Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften einen
Schadensersatzanspruch des Betroffenen auslöst, hängt davon ab, ob es sich um eine
hinreichend qualifizierte Rechtsverletzung handelt. Diese ist nur anzunehmen, wenn ein
Mitgliedstaat die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind,
offenkundig und erheblich überschritten hat (EuGH Urt. v. 5.3.1996 - Brasserie, a.a.O.,
Tz. 55; Urt. v. 8.10.96 - Dillenkofer, a.a.O., Tz. 25). Besteht allerdings nur ein erheblich
verringerter oder gar auf Null reduzierter Ermessensspielraum, so genügt schon die
bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß
zu begründen (EuGH Urt. v. 8.10.1996 - Dillenkofer, a.a.O., Tz. 25). Zu den
Gesichtspunkten, die bei der Beurteilung heranzuziehen sind, gehören das Maß an
Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschriften, der Umfang des
Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt, die
Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen wurde oder der
Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder
Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und ein etwaiger mitwirkender
Einfluss von Gemeinschaftsorganen (EuGH Urt. v. 5.3.1996 -Brasserie, a.a.O., Tz. 56).
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich folgendes:
94
a)
95
Das aus §§ 3 ff. der Bundesartenschutzverordnung in Verbindung mit § 21 a und b
BNatschG resultierende Importverbot selbst verstieß in qualifizierter Weise gegen Art.
30 und 36 EGV. Es war nicht durch Art. 36 EGV gerechtfertigt, wonach die
Bestimmungen des Art. 30 EGV Einfuhrverboten oder -beschränkungen nicht
entgegenstehen, die u.a. zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen,
96
Tieren oder Pflanzen gerechtfertigt sind. Der EuGH hat hierzu in seinem Urteil vom
13.7.1994 ausgeführt, dass durch Art. 36 EGV nur solche Beschränkungen des
innergemeinschaftlichen Handels gerechtfertigt sind, die für die Zwecke eines
wirksamen Schutzes der Gesundheit und des Lebens der Tiere unerlässlich sind, und
dass sie durch Art. 36 EGV nicht gedeckt sind, wenn dieses Ziel auf ebenso wirksame
Weise durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaftlichen
Handel weniger beschränken (Tz. 18). Das von der Beklagten verfolgte Ziel des
Schutzes vor Krebspest und vor Faunenverfälschung sei aber ohne weiteres durch
andere Maßnahmen als durch ein absolutes Importverbot erreichbar gewesen, nämlich
durch Gesundheitskontrollen oder durch inländische Vermarktungs-Regelungen,
insbesondere einer Genehmigungspflicht für das Aussetzen von Krebsen (Tz. 24 f.). Im
übrigen zeigten die von der Beklagten den Importeuren auferlegten Auflagen, dass die
Beklagte selbst mildere Maßnahmen als ein Importverbot für ausreichend erachte (Tz.
27).
Der Senat schließt sich diesen Erwägungen jedenfalls in ihrer generellen Tendenz auch
für die Beurteilung der Frage an, ob das Importverbot einen qualifizierten Verstoß
darstellte. Wie der EuGH im Rahmen des von der Kommission angestrengten
Vertragsverletzungsverfahrens vermag auch der Senat im vorliegenden Rechtsstreit
keinen triftigen Grund zu erkennen, warum die von der Beklagten verfolgten Ziele
ausschließlich durch ein völliges Importverbot zu erreichen gewesen wären. Dass
Krebse, die zu Speisezwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden,
die schon immer gegebene, latente Gefahr des Ausbruchs von Krebspest-Epedemien
erhöhen können, reicht als Grund für ein Importverbot als der drastischsten aller
denkbaren Maßnahmen nicht aus. Die Beklagte hat auch nicht etwa dargelegt, dass
zum Zeitpunkt der Änderung der Bundesartenschutzverordnung im Sommer 1989 eine
ganz außergewöhnlich gefährliche Situation vorgelegen habe, die rasches und
entschiedenes Handeln zum Schutz der heimischen Krebsarten erfordert hätte. Das
Gegenteil folgt schon daraus, dass die Änderung der Bundesartenschutzverordnung
nicht nur Krebse, sondern eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten erfasste. Vielmehr
lag die Motivation für die enorme Verschärfung der Bestimmungen offensichtlich im
allgemein gestiegenen Umweltbewusstsein. Aus dieser für sich genommen legitimen
Motivationslage heraus erklärt sich aber nicht die Notwendigkeit zu derart extremen
Schutzmaßnahmen und der Verzicht auf moderate, auch die schutzwürdigen Belange
anderer berücksichtigenden Vorgehensweise. Solche moderatere und gleichwohl
geeignete und wirksame Maßnahmen wären aber, wie der Entscheidung des EuGH
vom 13.7.1994 zu entnehmen ist, in vielfältiger und abgestufter Weise durchaus möglich
gewesen. Der Umstand, dass die Beklagte im Falle der Klägerin und anderer Importeure
jahrelang mit unterschiedlichen Auflagen operiert hat, und in dieser Zeit nie Anlass sah,
die Auflagen weiter zu verschärfen oder die Genehmigungen ganz zu versagen, zeigt
deutlich, dass mildere Mittel als ein generelles Importverbot nicht schlechthin
ungeeignet waren, um den Schutz der heimischen Krebse zu gewährleisten, vielmehr
auch von der Beklagten als eine grundsätzlich taugliche Möglichkeit angesehen
wurden.
97
b)
98
Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen zum generellen Importverbot, das ja
selbst zu keinem Zeitpunkt gegen die Klägerin wirkte und deshalb nicht unmittelbar
ursächlich für einen Schaden wurde, sind auch die Auflagen, mit denen die ersten
Importgenehmigungen BE 1210/89 und BE 1242/89 vom 1.8.1989 versehen waren, als
99
hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Art. 30 und 36 EGV sowie die entsprechenden
Vorschriften aus den Assoziierungsabkommen zu werten. Es machte für die Klägerin
keinen wesentlichen Unterschied, ob sie lebende Süßwasserkrebse erst gar nicht
einführen durfte, oder ob sie diese zwar einführen durfte, sie dann aber umgehend zu
Produkten verarbeiten musste. Gegenüber dem ansonsten notwendigen Import
abgekochter Tiere zur Weiterverarbeitung mochte sich dies als eine in gewissem
Rahmen wirtschaftlich günstigere Alternative darstellen, zumal ihr dies ermöglichte, die
eigenen vorhandenen Anlagen (z.B. Kochkessel) weiter zu nutzen. An der wirklich
bedeutsamen Weiterführung ihres Geschäftsbetriebes, dem Handel mit lebenden
Krebsen, der den überwiegenden Teil ihres Umsatzes ausmachte, war die Klägerin
allerdings auch mit diesen Auflagen vollständig gehindert. Auch aus Sicht der Beklagten
konnte sich eine Genehmigung unter solchen Auflagen nicht als eine Regelung
darstellen, die - wie durch § 31 BNatschG intendiert - die bei der Klägerin eingetretene
unbeabsichtigte Härte vermeiden sollte; sie ersetzte nur ein Übel durch ein annähernd
gleich großes. Ob die Krebse kurz nach ihrer Anlandung in Hamburg abgekocht wurden
oder kurz vor Erreichen des bundesdeutschen Hoheitsgebietes (etwa bei einer
Behandlung auf entsprechenden Schiffen), machte keinen Unterschied. Insofern stellt
das Gebot, lebende Krebse sofort abzutöten, als Ausnahme zum Verbot, lebende
Krebse einzuführen, eine "Maßnahme gleicher Wirkung" dar, die von ihrem Gewicht,
von ihrer Zielsetzung und von ihren handelsbeschränkenden Auswirkungen her dem
völligen Importverbot gleichzusetzen ist. Insofern gelten die oben zu a) gemachten
Ausführungen hier in gleicher Weise.
c)
100
Für die Auflagen, mit denen die Genehmigungen ab dem 19.10.1989 bis Ende 1992
versehen wurden, beurteilt der Senat diese Frage jedoch anders. Dies gilt zunächst für
die Auflage, lebende Krebse nur an den Endverbraucher und nicht an den
Zwischenhandel zu beliefern, die durchgängig bis ins Jahr 1993 hinein gegenüber der
Klägerin verhängt wurde. Dabei geht es nicht um die Frage, ob diese die Klägerin stark
beeinträchtigende Auflage letztlich noch mit Art. 30 und 36 EGV vereinbar ist oder nicht,
insbesondere, ob eine solche Auflage noch als verhältnismäßig anzusehen ist oder
nicht. Insoweit sieht sich der Senat zu einer Festlegung nicht veranlasst. Es geht nur
darum, ob die Auflage unter Berücksichtigung der oben im einzelnen dargelegten
Grundsätze einen hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß bedeutet, was der Senat
verneint.
101
Von entscheidender Bedeutung ist dabei der Umstand, dass Art. 36 EGV der Beklagten
bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Aquakultur-Richtlinie des Rates vom 21.1.1991
umzusetzen war, grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum zubilligte. Durch
diese Richtlinie wurden insbesondere tierseuchenrechtliche Vorschriften innerhalb der
Gemeinschaft harmonisiert und damit in weiten Teilen der gemeinschaftsrechtlichen
Regelung unterworfen. Bis dahin aber war es weitgehend der Einschätzung des
jeweiligen nationalen Gesetzgebers überlassen, ob er heimische Krebse schützen
wollte und wie er dies tat. Jenseits des als unverhältnismäßig festgestellten generellen
Importverbots (bzw. der auf den gleichen Erfolg abzielenden Auflagen) stand der
Beklagten grundsätzlich jede sinnvolle Schutzmaßnahme offen. Sie musste nur
berücksichtigen, dass Art. 36 EGV (bzw. die entsprechenden Vorschriften aus den
Assoziierungsabkommen) als Ausnahmevorschrift zu einem generell freien Handel
zwischen den Mitgliedstaaten eng zu verstehen war, und dass eine Maßnahme, die
geeignet war, den innergemeinschaftlichen Handel zu hemmen - was bei einer den
102
Zwischenhandel ausschließenden Regelung der Fall ist -, strikt am
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auszurichten war. Bei der Einschätzung der Effizienz
und der Erforderlichkeit von Maßnahmen war ihr ein gewisser Beurteilungsspielraum
zuzubilligen. Die Beklagte war nicht gehalten, den Interessen des
innergemeinschaftlichen Handels bei der Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten den
Vorzug zu geben, wenn die für den Handel mildere Möglichkeit nach eigener
Einschätzung den verfolgten Schutzzweck weniger verwirklichen oder gar gefährden
konnte.
Das bedeutet, dass das Verbot des Zwischenhandels sich nur dann als ein hinreichend
qualifizierter Rechtsverstoß darstellte, wenn diese Maßnahme entweder schlechthin
ungeeignet war, um den verfolgten Zweck (vor allem Schutz vor Krebspest) zu
erreichen, oder wenn die Maßnahme völlig außer Verhältnis zu dem hiermit zu
erzielenden Erfolg stand (wie dies bei der Auflage, Krebse nur in verarbeitetem Zustand
weiter zu vermarkten, der Fall war). Beides kann aber nicht angenommen werden.
103
Das Verbot des Zwischenhandels war aus tierseuchenrechtlicher Sicht keine
ungeeignete Maßnahme. Sie bewirkte, dass der Weg der von der Klägerin importierten
Krebse von der Einfuhr bis zum Teller des Verbrauchers nachvollziehbar und
kontrollierbar blieb. Schon allein die Möglichkeit einer solchen Kontrolle hatte zur Folge,
dass das eigentliche Ziel, keine importierten lebenden Krebse oder möglicherweise
infizierte Abfälle in heimische Gewässer gelangen zu lassen, ernst genommen wurde,
und es erhöhte beträchtlich die Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Verbote, mit
denen die Klägerin ihre Abnehmer privatrechtlich zu belegen hatte, befolgt wurden. Der
Senat teilt insofern die Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt im Beschluss vom
6.5.1991 und des Landgerichts, dass schon die Möglichkeit, den Endverbraucher
wirksam auf ein an den Zielen des Naturschutzes ausgerichtetes Verhalten verpflichten
zu können, von ganz anderer Qualität ist als die bloße Weitergabe der Verpflichtung an
einen Zwischenhändler, dessen weiteres Verhalten sich dem Einfluss der Klägerin
entzog. Zu bedenken ist ferner, dass die Gefahr, importierte lebende Krebse könnten in
heimische Gewässer mit Krebspopulationen gelangen, weniger von uneinsichtigen
Tierliebhabern ausgehen dürfte, als vielmehr von Händlern oder auch Gastronomen, die
verkaufte Ware entsorgen müssen. Auch insoweit war es daher durchaus plausibel, die
Vertriebswege so kurz und unmittelbar wie möglich zu halten.
104
Bei den durch den Ausschluss des Zwischenhandels erweiterten Kontrollmöglichkeiten
handelt es sich auch offensichtlich nicht um ein von der Beklagten nur vorgeschobenes
Argument. Aufgrund des letzten Vorbringens der Parteien und der zuletzt vorgelegten
Unterlagen ist unstreitig, dass jedenfalls bei den Importeuren die Einhaltung der
Auflagen kontrolliert wurde. Insoweit räumt selbst die Klägerin ein, dass sowohl sie als
auch die Konkurrentin Atlantik-Fisch im Januar 1990 von einem Mitarbeiter des
Bundesamtes für Ernährung und Forstwirtschaft aufgesucht wurde und dass dieser
insbesondere die Bekanntgabe von Adressen der Kunden verlangte, was nichts
anderes bedeutet, als dass die Einhaltung des Verbots des Zwischenhandels
kontrolliert wurde. Daraus und auch aus der Tatsache, dass die Beklagte weitere Firmen
in Süddeutschland einer Kontrolle vor Ort unterzogen hat - diesen substantiierten
Vortrag der Beklagten in Zweifel zu ziehen, sieht der Senat keinen Anlass -, wird
deutlich, dass die Auflage nicht willkürlich erfolgte, sondern "mit Leben erfüllt" wurde.
Ob letztlich auch Kontrollen bei den Endverbrauchern durchgeführt wurden, ist nicht von
entscheidender Bedeutung. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte eine
"lückenlose Überwachung" durchführen ließ oder zumindest beabsichtigte. Eine
105
Maßnahme hat nicht nur dann Sinn, wenn sie lückenlos überwacht wird. Es wäre auch
schlechterdings unmöglich, jedenfalls aber unzumutbar gewesen, jedem einzelnen
importierten Krebs nachzuforschen. Der Sinn der Auflage war vielmehr schon dadurch
erfüllt, dass Importeur und Abnehmer ernstlich mit staatlichen Kontrollen rechnen
mussten.
Die Beklagte hat auch nicht gegen das Gebot verstoßen, unter zwei geeigneten Mitteln
grundsätzlich das die Klägerin am wenigsten belastende zu wählen. Dies gilt
insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin angebotene Beibringung von
Gesundheitszertifikaten der jeweiligen exportierenden Länder. Wenn die Beklagte diese
Maßnahme gegenüber den von ihr gewählten als weniger geeignet ansah, handelte sie
im Rahmen des ihr zustehenden Auswahlermessens. Die Beklagte war - insbesondere
vor dem Hintergrund einer unstreitig noch in den achtziger Jahren grassierenden
Krebspestepedemie in der Türkei - nicht gehindert, bloße tierärztliche Bescheinigungen
aus dritten Ländern als eine weniger sichere und damit weniger geeignete Möglichkeit
anzusehen, sei es aus Misstrauen gegen die nötige Sorgfalt bei den tierärztlichen
Untersuchungen, sei es wegen der immerhin denkbaren Manipulationsmöglichkeiten
auf Seiten der exportierenden Firmen, sei es, weil sie eine ausreichende eigene
Kontrolle insoweit nicht für möglich oder nicht für zumutbar hielt. Auf die Frage, ob die
von der Klägerin angebotenen Bescheinigungen tatsächlich das von ihr behauptete
Maß an Zuverlässigkeit gewährleisteten, kommt es nicht an.
106
Das mit dem Verbot des Zwischenhandels verfolgte Ziel stand auch nicht völlig außer
Verhältnis zu den hierdurch auf Seiten der Klägerin oder anderen Importeuren bewirkten
wirtschaftlichen Folgen. Die von der Klägerin in Bezug auf den eigenen Betrieb
vorgetragenen Folgen mögen gravierend gewesen sein. Der Senat zweifelt nicht daran,
dass die Untersagung des Zwischenhandels zu erheblichen Ertragseinbussen geführt
hat. Zu Recht - wenn auch in anderem Zusammenhang - hat das Landgericht allerdings
ausgeführt, dass den Auflagen eine erdrosselnde Wirkung nicht zukam. Nach den
eigenen Angaben der Klägerin sowohl in erster Instanz als auch noch im Rahmen des
Berufungsvorbringens (S. 8 des Schriftsatzes vom 20.5.1996, Bl. 440 GA) entfiel auf den
Lebendhandel mit Krebsen ein Geschäftsanteil von 65 - 70%, wovon der
Zwischenhandel etwa die Hälfte ausmachte, also 32,5 bis 35% oder rund ein Drittel des
gesamten Geschäftsanteils. Bei einem derartigen Anteil kann noch nicht von einer
unmittelbar existenzbedrohenden Wirkung gesprochen werden. Mit Schriftsatz vom
9.8.1996 (Bl. 519 ff., 532) hat die Klägerin sodann detailliert vortragen lassen, der Anteil
der an den Zwischenhandel abgegebenen Krebse in den Jahren 1988/89 habe bei ca.
68% aller importierten Krebse gelegen, was bedeuten würde, dass mehr als die Hälfte
des Geschäftsanteils auf den Sektor Zwischenhandel entfielen. Die Klägerin hat diese
offenkundigen Widersprüche in ihren eigenen Angaben nicht erklärt. Maßgeblich kann
aber nur sein, wovon die Beklagte bei ihrer Entscheidung auszugehen hatte, nämlich im
Zweifel von den jahrelang von der Klägerin selbst vorgetragenen weniger dramatischen
Zahlen. Hinzu kommt, dass die Klägerin die Situation nicht tatenlos hinnehmen musste,
sie hatte vielmehr - in gewissem Rahmen - Möglichkeiten, die durch den Wegfall des
Zwischenhandels verursachten Verluste teilweise aufzuholen. Sie konnte - wenn auch
möglicherweise erst nach einer Übergangsphase - auf andere Produkte ausweichen
und sich um neue Kunden bemühen. Anders als der Zwischenhandel, dem - sofern er
sich nicht illegal verhielt - keine lebenden Süßwasserkrebse aus dem Ausland mehr zur
Verfügung standen, konnte die Klägerin immerhin noch an Endverbraucher liefern und
versuchen, diesen Markt sich weiter zu erschließen, insbesondere ihn von den
Zwischenhändlern zu übernehmen. Sie hatte ferner die Möglichkeit, auf Krebsarten
107
auszuweichen, die als Krankheitsüberträger nicht in Betracht kamen, wie sie es ab Ende
1992 auch tatsächlich mit dem australischen Yabbi-Krebs getan hat. Warum sie diese
Möglichkeit nicht noch früher wahrgenommen hat, ist nicht vorgetragen worden und
auch nicht ohne weiteres einsichtig. Sie hatte folglich Möglichkeiten, durch geschickte
geschäftliche Maßnahmen die durch den Verlust eines Teiles ihrer traditionellen
Abnehmer verursachten wirtschaftlichen Nachteile in gewissem Maße zu kompensieren.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände war es der Beklagten nicht verwehrt, die
von ihr verfolgten naturschützerischen - also gemeinwohlbezogenen - Ziele im Rahmen
der von ihr vorzunehmenden Abwägung über die wirtschaftlichen Interessen der
Klägerin zu stellen. Jedenfalls aber könnte eine diesbezügliche Fehleinschätzung nicht
als so gewichtig angesehen werden, dass sie sich als klarer und eindeutiger
Ermessensverstoß darstellt.
d)
108
Die vorstehenden Ausführungen gelten erst recht für die übrigen Auflagen, mit denen
die Genehmigungen ab dem 19.10.1989 versehen wurden, nämlich die Krebse so zu
halten, dass eine Auswilderung verhindert wird, Krebsabfälle und Hälterungswasser zu
desinfizieren und die Endabnehmer zu verpflichten, die Tiere nur im eigenen Betrieb zu
verwerten und Abfälle, Abwasser und überzählige Tiere zu desinfizieren. Diese
Auflagen setzten unmittelbar an der Behandlung der Krebse an und bezogen sich
unmittelbar auf den verfolgten Schutzzweck. Zudem ist dem Vortrag der Klägerin nicht
zu entnehmen, dass sie in nennenswertem Maße durch diese Auflagen beschwert
worden wäre. Die Verpflichtung der Endabnehmer zu entsprechenden
Vorsorgemaßnahmen hat die Klägerin selbst der Beklagten von Beginn an angeboten.
Die Sinnhaftigkeit der Auflage, Krebse so zu halten, dass ihre Auswilderung verhindert
werde, erschließt sich unmittelbar - sie ist das Minimum dessen, was von der Klägerin
verlangt werden durfte, und es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Auflage besondere
Nachteile verursacht hat. Letzteres gilt auch für die an sich einleuchtende Auflage,
Abfälle und Hälterungswasser vorsorglich zu desinfizieren, wobei zu berücksichtigen ist,
dass selbst diese geringfügige Auflage später noch gelockert wurde, indem die
Desinfektionspflicht entfiel, falls Hälterungswässer der Kanalisation zugeführt wurden.
Soweit die Klägerin in ihrer Schadensaufstellung schließlich auf erheblich erhöhte
Verpackungsaufwendungen verweist, ist ein Bezug zu den Auflagen nicht ohne
weiteres ersichtlich, denn zur Art und Weise des Versandes von lebenden Krebsen
verhalten sich sämtliche Bescheide nicht. Hierauf kommt es aber nicht einmal an, da
auch bei verschärften Auflagen, die sich auf den Transport der Krebse bezogen hätten,
die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht zweifelhaft ist.
109
e)
110
Einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht stellt es hingegen
wieder dar, dass die Beklagte auch nach dem 1.1.1993 die Einfuhr nur mit den unter c)
und d) genannten Auflagen genehmigte. Im Hinblick auf den tierseuchenrechtlichen
Aspekt war ab diesem Zeitpunkt durch die Umsetzung der Richtlinie des Rates vom
28.1.1991 (91/67/EWG - Aquakultur-Richtlinie) der durch Art. 36 EGV eröffnete
Ermessenspielraum entfallen. Diese Richtlinie regelt erschöpfend und abschließend die
gemeinschaftlichen Anforderungen an die Einfuhr von Tieren und anderen
Erzeugnissen der Aquakultur, insbesondere von Krebsen, aus Drittländern, indem sie
vor allem gesundheitliche Überwachungen vorsieht und näher regelt. Raum für
weitergehende Maßnahmen, insbesondere durch das innerstaatliche Verbot der
111
Vermarktung über den Zwischenhandel war danach nicht mehr vorhanden. In dieser
Überschreitung des ihr noch gesetzten Entscheidungsspielraums, der nicht mehr durch
freies Ermessen geprägt war, liegt der Verstoß der Beklagten gegen
Gemeinschaftsrecht. Er liegt hingegen nicht, wie das Landgericht irrig angenommen hat,
in der verspäteten Umsetzung einer Richtlinie, denn die Beklagte hat durch den Erlass
der Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und
Durchfuhr von Tieren und Waren vom 23.12.1992 (BGBl. I S. 2437 ff. - Binnenmarkt-
Tierseuchenschutzverordnung), die am 1.1.1993 in Kraft trat, ihre
gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen rechtzeitig erfüllt. Auf die spätere Anpassung
der Bundesartenschutzverordnung kam es hierfür nicht mehr an.
Die Beklagte kann hiergegen nicht einwenden, die von ihr nach dem 1.1.1993 weiter
verhängten Auflagen seien aber jedenfalls noch durch den Gesichtspunkt des Schutzes
heimischer Krebsarten vor Faunenverfälschung gerechtfertigt gewesen. Dabei soll die
Frage offen bleiben, ob dieser Gesichtspunkt überhaupt einen Rechtfertigungsgrund im
Sinne von Art. 36 EGV darstellen kann, denn dort ist ausdrücklich nur der Schutz der
Gesundheit und des Lebens von Tieren und Pflanzen angesprochen, nicht aber die
Bewahrung der "genetischen Identität lokaler Populationen vor Verfälschung durch
artgleiche Tiere ferner Herkunft mit genetischer Anpassung an ganz andere biotische
und abiotische Verhältnisse" (so die Beklagte in ihrer Stellungnahme an die
Kommission vom 1.2.1991 und im Schriftsatz vom 14.6.1996, Bl. 517 f. GA). Nicht
vertieft werden soll auch die Frage, ob - falls Art. 36 EGV in diesem weiten Sinne zu
verstehen sein sollte - dann nicht die Aquakultur-Richtlinie wegen der engen Sachnähe
diesen Schutzzweck ebenfalls mit umfassen sollte, was zur Konsequenz hätte, dass der
Beklagten auch insoweit keinerlei Ermessenspielraum mehr zugestanden hätte.
112
Maßgeblich ist, dass bei der Verhängung der Auflagen noch nach dem 1.1.1993, die nur
noch unter dem Aspekt des Faunenschutzes standen, der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt wurde. Weder für die Erforderlichkeit der
Maßnahmen, hier vor allem des Verbots des Zwischenhandels, noch für eine sorgfältige
Abwägung der Belange des Faunenschutzes mit denen der betroffenen Importeure,
lässt sich dem Vortrag der Beklagten Hinreichendes entnehmen. Die Beklagte beruft
sich darauf, dass der Faunenschutz schon in der Begründung des Bundesrates zur
Änderung der Bundesartenschutzverordnung (BRat-Drs. 290/89 S.11) eine wesentliche
Rolle gespielt habe. Tatsächlich aber ist dieser Begründung keineswegs zu entnehmen,
dass es sich hierbei um ein besonders wichtiges Schutzziel handelt, vielmehr wird als
erstes Ziel die Vermeidung der Einschleppung von Krebspest vor allem durch
amerikanische Krebsarten genannt und zugleich ist dieses Ziel das einzige konkret
bezeichnete. Der an zweiter Stelle genannte Gesichtspunkt der Faunenverfälschung mit
der hieraus angeblich resultierenden, nicht näher bezeichneten Gefahr der "Schädigung
heimischer Populationen" war ersichtlich von nachrangiger Bedeutung. Dass der
Gedanke des Faunenschutzes für sich allein gewiss nicht zur Änderung der
Bundesartenschutzverordnung mit dem hier geregelten totalen Importverbot für lebende
Krebse geführt hätte, ergibt sich auch aus den Stellungnahmen der Beklagten im
Rahmen der diversen Widerspruchsverfahren, der diversen verwaltungsgerichtlichen
Verfahren, der Behandlung der Angelegenheit vor dem EuGH und nicht zuletzt der
Behandlung im Rahmen der ersten Instanz dieses Rechtsstreits, wo Faunenschutz
keine oder allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle spielte. Wenn die Bedeutung
dieses Schutzzwecks in zweiter Instanz nunmehr besonders in den Vordergrund rückt,
so erweckt dies zunächst den Anschein vornehmlich prozesstaktischer Motivation.
Tatsächlich ist es der Beklagten auch trotz der Erkenntnis, dass allenfalls mit dieser
113
Begründung die verhängten Auflagen noch zu rechtfertigen seien, und trotz einer
ausgiebigen Erörterung dieser Frage im Rahmen der Verhandlung vom 13.6.1996 nicht
gelungen, die Gefahren, die den heimischen Krebspopulationen drohen könnten,
nachvollziehbar und überprüfbar darzulegen. Sie hat nicht etwa dargelegt, dass das
Aussetzen von Krebsen beispielsweise amerikanischer Art zwangsläufig oder auch nur
mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu einer Verdrängung heimischer Arten führen könne.
Sie hat auch nicht dargelegt, warum beispielsweise der von der Klägerin am weitaus
häufigsten importierte Krebs, nämlich der astacus leptodactylus, eine auch in
Deutschland vorkommende Krebsart, die heimische Fauna "verfälschen" kann. Welche
Folgen es haben kann, wenn Krebse europäischer Art aus Deutschland mit Krebsen der
gleichen Art aus der Türkei in Kontakt kommen, ist nicht plausibel dargelegt worden.
Ebenso ist nicht erkennbar, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit zur Verwirklichung
welcher Gefahr führt. Anders als im Falle der Krebspest, wo unmittelbar einleuchtet,
dass schon ein einzelnes ausgesetztes infiziertes Tier oder sogar nur der achtlose
Umgang mit Krebsabfällen eine verheerende, den Bestand der einheimischen Arten
bedrohende Epidemie auslösen können, ist nicht ohne weiteres einsichtig, inwiefern
vereinzelt ausgesetzte lebende Krebse fremder Arten oder gar der gleichen Art, aber
anderer geographischer Herkunft, derartige Einwirkungen auf die heimischen
Populationen bedeuten können, dass diese ernsthaft in ihrem Bestand bedroht sind. Es
spricht in diesem Zusammenhang für sich, wenn die Beklagte schon nach Ablauf eines
halben Jahres, nachdem die Auflagen nicht mehr auf die Gefahr der Einschleppung von
Tierseuchen gestützt werden konnten, auf die Auflagen ganz verzichtete. Die hierfür
gegebene Erklärung, nach dem 1.1.1993 sei das Importverbot (und die hierauf
gestützten Auflagen) aus Gründen der Faunenverfälschung "kaum noch durchsetzbar"
gewesen (Schriftsatz vom 1.4.1996, Bl. 376 f.), vermag schwerlich zu überzeugen. Wenn
es sich um ein wirklich wichtiges naturschützerisches Ziel gehandelt hätte, wäre der
entsprechende politische Durchsetzungswillen der Beklagten zu erwarten gewesen.
Warum aber eine Durchsetzung ab Mitte 1993 nicht mehr opportun war, vom 1.1.1993
bis Mitte 1993 hingegen schon, ist nicht einzusehen und wird auch von der Beklagten
nicht erklärt. Aus allen genannten Umständen folgt, dass der Beklagten, sollte dem
Faunenschutz wirklich eine besonders wichtige Bedeutung beigemessen werden, eine
Darlegung der verfolgten Ziele, der zugrunde liegenden Gefahren und der Logik des
eigenen Verhaltens abzuverlangen war, die deutlich über allgemein gehaltene, nicht
greifbare Fakten hinausging. Auf der Grundlage des bisherigen Sachvortrages sah sich
der Senat jedenfalls nicht veranlasst, dem angebotenen Sachverständigengutachten,
das letztlich auf Ausforschung der erfoderlichen Tatsachen gerichtet gewesen wäre,
nachzugehen.
Wenn aber dem Faunenschutz nicht eine Bedeutung zukam, die derjenigen der
Seuchengefahr auch nur in etwa gleichzusetzen war, dann verstieß es gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Auflagen, die vorher primär zum Schutz vor
Krebspest (und zudem zum Schutz vor Faunenverfälschung) dienten, nun unverändert
beizubehalten. Die Belange der Klägerin bekamen dann ein ganz anderes Gewicht bei
der Abwägung, und die die Klägerin am stärksten belastende Auflage, nämlich das
Verbot des Zwischenhandels, hätte in besonders kritischer Weise auf seine
Notwendigkeit und Angemessenheit überprüft werden müssen. Tatsächlich aber lässt
der seinem Wortlaut nach unveränderte Text der Auflagen aus den Bescheiden nach
dem 1.1.1993 nicht einmal erkennen, dass die veränderte Sachlage überhaupt Eingang
in die Abwägung gefunden hat. Eine Begründung dafür, warum die Beklagte gleichwohl
an den einzelnen Auflagen unverändert festhalten musste, findet sich hier jedenfalls
nicht.
114
5.
115
Soweit die Beklagte mit ihren Auflagen gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen hat, ist der
Klägerin ein materieller Schaden entstanden, der unmittelbar kausal auf der
Rechtsverletzung beruht. Die Klägerin hat in konkreter und substantiierter Weise
dargelegt, in welchem Umfang sich die Importe, der Verkauf und der Erlös in der Zeit
nach dem 1.8.1989 im Vergleich zum Vorjahr entwickelt haben. Daraus ergeben sich
beträchtliche Um-satzeinbussen, die gerade für die Monate August bis Oktober 1989
besonders deutlich ausfallen. Dass diese Einbussen unmittelbar durch das Verbot,
lebende Krebse weiter zu vermarkten, verursacht wurden, steht außer Frage. Ebenso
kann ein Vermögensschaden der Klägerin in erhöhten Aufwendungen für
Verpackungen liegen, die durch eine verstärkte Vermarktung abgekochter Tiere bedingt
sind. Auch dies wäre ein Schaden, der unmittelbar auf die Auflagen ab dem 1.8.1989
zurückzuführen wäre. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass insoweit erhöhten
Kosten ein entsprechender erhöhter Gewinn (in dieser Sparte) gegenüber stehen dürfte.
Inwieweit hier tatsächlich ein Schaden entstanden ist, muss dem Höheverfahren
überlassen bleiben. Schließlich haben die Auflagen ab dem 1.1.1993, insbesondere
das Verbot des Zwischenhandels, dazu geführt, dass die Klägerin sich diese
Absatzmöglichkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder erschließen konnte, was
ebenfalls einen Schaden in Form entgangenen Gewinns bedeutet, der unmittelbar auf
der Rechtsverletzung beruht. Nicht schadensursächlich geworden ist demgegenüber
das grundsätzliche Importverbot, da die Klägerin hiervon zu keinem Zeitpunkt betroffen
war, ihr vielmehr von Anfang an Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden.
116
6.
117
Die Höhe des Schadens bedarf hier keiner Untersuchung. Für den Erlass des
Grundurteils genügt, dass der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit
in irgend einer Höhe besteht (BGHZ 110,201; 111, 133). Wie unter Punkt 5. dargelegt,
hat die Klägerin in substantiierter Weise einen Schaden insbesondere durch
entgangenen Gewinn, der mit dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch
geltend gemacht werden kann (EuGH Urt. v. 5.3.1996 - Brasserie, Tz. 87), dargelegt.
Allein für die Monate August bis Oktober 1989 errechnet sie aufgrund des nicht
möglichen Geschäfts mit lebenden Krebsen einen Gewinnausfall von über 200.000.-
DM (vgl. Schriftsatz vom 20.5.1996, Bl. 442 GA). Die Beklagte hat das Zahlenwerk der
Klägerin zwar pauschal (wenn auch prozessual zulässig) bestritten, nicht hingegen hat
sie das Entstehen jeglichen Schadens auf Seiten der Klägerin bestritten. Auch der
Senat geht schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung ohne weiteres davon aus
(§ 287 ZPO), dass das Verbot, Krebse lebend weiter zu vermarkten sowie ab dem
1.1.1993 das Verbot des Zwischenhandels zu ganz erheblichen Umsatz- und
Gewinneinbußen bei der Klägerin geführt haben. Für eine Verurteilung der Beklagten
dem Grunde reicht dies aus.
118
7.
119
Ein Mitverschulden der Klägerin an der Schadensentstehung liegt nicht vor.
Insbesondere kann ihr nicht vorgeworfen werden, sie habe ihr zur Verfügung stehende
Rechtsschutzmöglichkeiten schuldhaft nicht wahrgenommen. Dass diese Form einer
Schadensbegrenzung bei der gemeinschaftsrechtlichen Haftung zu berücksichtigen ist,
hat der EuGH ausdrücklich festgestellt (Urt. v. 5.3.1996 - Brasserie, a.a.O., Tz. 84).
120
Dabei kann die Frage offen bleiben, ob dies die direkte oder entsprechende Anwendung
der Vorschrift des § 839 Abs.3 BGB bedeutet, oder ob insoweit ein milderer Maßstab
zugrunde zu legen ist. Denn auch nach den zu § 839 Abs.3 BGB entwickelten
Grundsätzen käme eine Befreiung der Beklagten hier nicht in Betracht.
Gegen die Bescheide ab dem 1.1.1993 hat die Klägerin ausnahmslos jeweils
Widerspruch eingelegt, dessen Bescheidung wegen des vor dem Verwaltungsgericht
Frankfurt anhängigen Verwaltungsrechtsstreits allerdings in beiderseitigem
Einvernehmen bis zur Entscheidung des Gerichts zurückgestellt war. Da die Beklagte
zu erkennen gegeben hatte, sich auch in den Verfahren, die nicht unmittelbar an das
Verwaltungsgericht herangetragen worden waren, entsprechend der gerichtlichen
Entscheidung verhalten zu wollen, bedurfte es weiterer Schritte der Klägerin nicht.
121
Hinsichtlich der Bescheide vom 1.8.1989 hat die Klägerin zwar weder Widerspruch
eingelegt noch verwaltungsgerichtlichen Schutz, insbesondere im Rahmen eines
Eilverfahrens, beantragt. Allerdings hat sie sich unstreitig im Rahmen intensiver weiterer
Verhandlungen mit der Beklagten um eine Abänderung der Auflagen bemüht, was auch
insoweit Erfolg hatte, als sie deutlich vor Ablauf der Befristung in den Genehmigungen
vom 1.8.1989 neue Einfuhrgenehmigungen beantragte, die ihr unter dem 19.10.1989 mit
moderateren Auflagen auch bewilligt wurden. Hätte sie daneben oder gar statt dessen
Widerspruch eingelegt und ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren angestrengt, wäre
es zu keiner früheren Entscheidung über die Abmilderung der Auflagen gekommen.
Dafür, dass die Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt, als sie es tatsächlich tat, die
ersten strengen Auflagen aufgehoben hätte, gibt es keinen plausiblen Anhaltspunkt. Für
ebenso ausgeschlossen hält es der Senat, dass ein verwaltungsgerichtliches
Eilverfahren früher zum Erfolg geführt hätte. Immerhin benötigte das VG Frankfurt im
Verfahren I/1-G 2925/90 rund sechs Monate, um den Antrag vom 5.11.1990, gerichtet
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Klägerin mildere Auflagen
erzingen wollte, zu bescheiden, und im Verfahren I/1-H 3072/90 etwa fünfeinhalb
Monate, um den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der
Rechtsbehelfe der Klägerin zurückzuweisen. Dass bei gleich komplexer Rechtslage
entsprechende Eil-Anträge im August 1989 deutlich schneller (und zwar für die Klägerin
positiv) beschieden worden wären, ist schwerlich anzunehmen. Selbst wenn der
Klägerin also hier ein schuldhaftes Nichteinlegen von Rechtsmitteln vorgeworfen würde,
wäre dieses nicht ursächlich geworden.
122
8.
123
Soweit ein gemeinschaftsrechtlicher Anspruch nach dem insbesondere unter Punkt 4.
Ausgeführten nicht angenommen werden kann, scheidet auch ein Anspruch auf
nationalrechtlicher Grundlage aus. Weder kann sich die Klägerin auf Art. 34 GG, § 839
BGB noch auf das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs stützen.
124
Hinsichtlich der Verletzung von Gemeinschaftsrecht dürften die Grundsätze des
gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs den nationalrechtlichen
Staatshaftungsanspruch in der Weise überlagern (wenn nicht gar als lex specialis ganz
verdrängen), dass für die Frage der objektiven Amtspflichtverletzung bei beiden
Anspruchsgrundlagen die gleichen Maßstäbe gelten. Dies gilt namentlich für das
Erfordernis eines qualifizierten Rechtsverstoßes. Es wäre wenig plausibel, dass ein
Staat gemeinschaftsrechtlich wegen der Verletzung von Gemeinschaftsrecht nur haftet,
wenn eine Ermessensüberschreitung "klar und eindeutig" ist, hingegen nach nationalem
125
Recht jede noch so geringfügige Ermessensüberschreitung schon ausreicht. Die Frage
mag aber letztlich dahinstehen, denn es fehlt für die Haftung aus § 839 BGB jedenfalls
am Verschulden der Beklagten. Mit den gleichen Erwägungen, die dazu geführt haben,
eine qualifizierte Rechtsverletzung, insbesondere für das Verbot des Zwischenhandels,
zu verneinen, ist ein Fahrlässigkeitsvorwurf der Beklagten abzulehnen. Die Beklagte hat
sich ersichtlich mit der Rechtslage sorgfältig auseinandergesetzt, und dafür, dass die
Belange der Klägerin der Beklagten hinreichend vor Augen standen, hat die Klägerin
selbst Sorge getragen. Wenn die Beklagte nach Abwägung aller Belange die von ihr
verhängten Auflagen als ausreichend, aber auch als erforderlich ansah, und dabei der
Klägerin gegenüber den vorangegangenen Bescheiden erheblich entgegen kam,
handelte sie selbst dann nicht schuldhaft, wenn die Maßnahmen letztlich nicht mehr vor
dem Verhältnismäßigkeitsgebot standhalten würden, was der Senat oben offen
gelassen hat.
Auf die Verletzung nationalen Rechts kann eine Amtspflichtverletzung ebenfalls nicht
gestützt werden. Die verhängten Auflagen beruhten auf den §§ 21 b, 31 BNatschG in
Verbindung mit der Bundesartenschutzverordnung, wonach die Beklagte zum Zwecke
der Vermeidung einer unbeabsichtigten Härte Ausnahmen vom absoluten Importverbot
des § 21 b BNatschG genehmigen konnte. § 31 BNatschG ermächtigte dabei die
Beklagte, mildere Maßnahmen als das Importverbot vorzusehen und im Wege der
Auflage anzuordnen. Bei der Anwendung des § 31 BNatschG war die Beklagte zwar
gehalten, höherrangiges Recht - namentlich Art. 14 GG - zu beachten, doch ergaben
sich hieraus keine über das bisher Genannte hinaus gehende Einschränkungen. Schon
das erheblich einschneidendere Importverbot begegnete aus verfassungsrechtlicher
Sicht keinen durchgreifenden Bedenken, erst recht aber nicht die sonstigen Auflagen.
Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein aus Gründen des
Gemeinwohls erlassenes Import- oder Vermarktungsverbot grundsätzlich nicht die
Grenzen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung überschreitet und keinen
unzulässigen Eingriff in den geschützten Kernbereich des Eigentums darstellt, denn es
gibt keinen aus Art. 14 GG herzuleitenden Anspruch auf Fortbestand der früheren
günstigen Absatzbedingungen. Eigentumsmäßig geschützt ist vielmehr nur das
Vertrauen darauf, dass bei etwaigen Änderungen die berechtigten Belange des
Betroffenen angemessen berücksichtigt werden und eine schonende, am
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Übergangsregelung geschaffen wird (vgl.
BGH NJW 1968, 293; BGHZ 111, 349, 357; Urt. v. 11.3.1993 - III ZR 110/92 -, vgl. auch
Urt. d. Senats vom 9.1.1992 - 7 U 64/91). Eine solche schonende, die Belange der
Klägerin angemessen berücksichtigende Regelung stellt § 31 BNatschG dar. Dass es
sich hierbei nicht um eine Übergangsregelung im eigentlichen Sinne handelt, sondern
um eine Härtefallregelung, ändert an der verfassungsrechtlichen Beurteilung nichts.
Entscheidend ist, dass eine flexible, auch die Belange der Klägerin berücksichtigende
Einzelfallregelung jenseits des sofort wirksamen Importverbots möglich war und
praktiziert wurde. Der einzige möglicherweise hiergegen sprechende Umstand, nämlich
die Tatsache, dass § 31 BNatschG mangels einer klaren zeitlichen Vorgabe der
Klägerin keine zuverlässige vorausschauende Planung ermöglichte, ist nicht zum
Tragen gekommen. Die Klägerin hatte zu keiner Zeit die Absicht, den eigenen Betrieb
grundlegend umzustellen. Sie hat vielmehr mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für
den Wegfall des Importverbots gekämpft und sich - letztlich ja mit Erfolg - auf die hiermit
verbundenen Hoffnungen gestützt.
126
Damit könnte ein Amtspflichtverstoß wegen Verkennung der Tragweite von Art. 14 GG
nur dann angenommen werden, wenn die Auflagen nicht einmal diese
127
Mindestanforderungen (schonende, auch die Belange der Klägerin berücksichtigende
Übergangsregelung) erfüllt hätten. Davon kann aber nicht die Rede sein. Weder das
Verbot des Zwischenhandels noch die sonstigen, auf die Behandlung der Krebse
abzielenden Auflagen griffen unmittelbar existenzbedrohend in den Betrieb der Klägerin
ein. Die Klägerin verlor zwar, wie oben (Punkt 4. c)) gezeigt, etwa ein Drittel ihrer
bisherigen Absatzmöglichkeiten. Eine solche Beeinträchtigung ist aber noch weit
entfernt von einer erdrosselnden Wirkung, zumal ihr nicht verwehrt war, die Nachteile
durch entsprechende geschäftliche Maßnahmen zu mindern. Verglichen mit dem
völligen Importverbot und mit dem vorangegangenen Verbot, Krebse lebend weiter zu
vermarkten, stellte die Beschränkung der Weiterverkaufsmöglichkeiten auf
Endverbraucher, zu denen immerhin die Gastronomiebranche selbst gehörte, ein
Entgegenkommen der Beklagte dar, mit dem ein Weiterbetrieb möglich war. Zu einer
Verschärfung der Maßnahmen und zu einer klaren Befristung ist es zudem nie
gekommen. Ergänzend wird auf die Erwägungen unter Punkt 4. c) und d) Bezug
genommen. Die dort zur Frage des qualifizierten Eingriffs angestellten Überlegungen
gelten entsprechend für die Frage, ob die Auflagen vor Art. 14 GG Bestand haben.
Erst recht gilt das hier Gesagte für einen Anspruch der Klägerin aus dem Institut des
enteignungsgleichen Eingriffs, denn auch insoweit ist ein Eingriff in den durch Art. 14
GG geschützten Kernbereich des Eigentums Voraussetzung.
128
9.
129
Zu einer - von den Parteien mehrfach angeregten - Vorlage der Angelegenheit an den
Europäischen Gerichtshof sieht sich der Senat nicht veranlasst. Die hier zugrunde
gelegten Annahmen zum gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch sind durch
die mehrfach zitierten Entscheidungen des EuGH abschließend geklärt. Für die Frage,
wann ein Rechtsverstoß als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, hat der EuGH
hinreichend praktikable Kriterien entwickelt, deren Anwendung auf den konkreten
Einzelfall den nationalen Gerichten obliegt. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung
stellen sich in diesem Zusammenhang nicht. Noch nicht ausdrücklich entschieden hat
der EuGH allenfalls, ob den erwähnten Vorschriften der jeweiligen
Assoziierungsbakommen tatsächlich drittschützender Charakter beikommt. Zur
Beantwortung dieser Frage sah sich der Senat allerdings unter Berücksichtigung der
aufgefundenen Rechtsprechung selbst in der Lage.
130
II.
131
Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, hat aber aus den dargelegten Gründen
keinen Erfolg. Auf die Ausführungen unter Punkt I.4.e) wird Bezug genommen.
132
III.
133
Gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird der Rechtsstreit zur Verhandlung und
Entscheidung über die Höhe des Anspruchs, soweit dieser dem Grunde nach für
gerechtfertigt erklärt worden ist, an das Landgericht zurückverwiesen. Die
Anspruchshöhe ist nicht entscheidungsreif. Der Senat hält es nicht für sachdienlich,
selbst die erforderliche Aufklärung zur Höhe vorzunehmen (§ 540 ZPO): Dem
Landgericht ist auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens
vorzubehalten, da von dessen abschließender Entscheidung abhängt, in welchem
Umfang die Berufung der Klägerin letztlich Erfolg hat.
134
IV.
135
Streitwert 2. Instanz: 1.293.501,93 DM.
136
Beschwer für beide Parteien: über 60.000.- DM.
137