Urteil des OLG Köln vom 07.11.2008

OLG Köln: reisebüro, kündigung, juristische person, treu und glauben, zweigniederlassung, klageänderung, widerklage, klageerweiterung, kategorie, resolution

Oberlandesgericht Köln, 19 U 75/08
Datum:
07.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 75/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 89 O 77/07
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.04.2008 verkündete Urteil
der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 89 O 77/07 -
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Parteien streiten darüber, ob ein ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH, die im
Jahr 2003 auf die E. H. Reisebüro GmbH verschmolzen wurde geschlossener
Passageagenturvertrag, fortbesteht und der Klägerin hieraus Ansprüche gegen die
Beklagte zustehen.
3
Die U. Reisebüro GmbH und die E. H. Reisebüro GmbH waren ursprünglich als jeweils
selbstständige Unternehmen bei der International Air Transport Association (IATA)
akkreditiert. Jedem der beiden Unternehmen war eine sog. IATA-Nummer zugewiesen
(U. Reisebüro GmbH: IATA-Nr. 23-2 0000 1; E. H. Reisebüro GmbH: IATA-Nr. 23-2
0000 2). Zwischen der Beklagten und der U. Reisebüro GmbH kam unter dem
15.06.1983 ein Passageagenturvertrag über den Verkauf von Flugscheinen zustande,
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zwischen der Beklagten und der E. H. Reisebüro GmbH ein inhaltsgleicher Vertrag
unter dem 03.09.1984. Seit der Verschmelzung durch Vertrag vom 02.07.2003 betreibt
die E. H. Reisebüro GmbH das zuvor von der U. GmbH betriebene Reisebüro in der B.
83 in V. als Zweigniederlassung unter der Firma "U. Reisebüro Zweigniederlassung der
E. H. Reisebüro GmbH".
Zum 01.09.2004 stellte die Beklagte ihr bis dahin bestehendes, auf der Basis von
Provisionszahlungen an die Reisebüros basierendes Vertriebssystem für Flugscheine
auf ein sog. Nettopreissystem um, das keine Provisionszahlungen oder sonstige
Vergütungen der Beklagten an die Reisebüros mehr vorsieht. Am 30.12.2003 richtete
die Beklagte zwei gesonderte Schreiben an die U. Reisebüro GmbH und an die E. H.
Reisebüro GmbH, mit denen sie Angebote zum Abschluss entsprechend geänderter
Vertriebsverträge unterbreitete. Diese Angebote wurden vom Geschäftsführer der E. H.
Reisebüro GmbH mit zwei gesonderten Schreiben vom 12.02.2004, einmal unter dem
Briefkopf "U. Reisebüro GmbH" und einmal unter dem Briefkopf "E. H. Reisebüro
GmbH" zurückgewiesen. Die Beklagte richtete sodann unter dem 18.02.2004 eine
"Kündigung des M. Passageagenturvertrages" an die E. H. Reisebüro GmbH. Wegen
der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf die zu den Akten gereichte
Ablichtung verwiesen.
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Erstinstanzlich hat die Klägerin, die den ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH
geschlossenen Passageagenturvertrag für nach wie vor fortbestehend hält, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr Provisionen in Höhe von insgesamt 22.525,87 EUR für
die Monate Februar bis einschließlich April 2005 zu zahlen. Die Beklagte hat für den
Fall der Abweisung der Klage widerklagend beantragt festzustellen, dass zwischen der
Beklagten und der Klägerin der ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH geschlossene
Passageagenturvertrag seit dem 01.09.2004 nicht mehr besteht. Wegen der weiteren
Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat mit Urteil vom 29.04.2008 die Klage abgewiesen und auf die
Widerklage der Beklagten festgestellt, dass zwischen der Beklagten und der Klägerin
seit dem 01.09.2004 der ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH geschlossene
Passageagenturvertrag nicht mehr bestehe. Zur Begründung hat das Landgericht
ausgeführt, dass die Beklagte den ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH
geschlossenen Passageagenturvertrag durch das Kündigungsschreiben vom
18.02.2004 wirksam zum 31.08.2004 gekündigt habe. Dies ergebe sich bei der
gebotenen Auslegung der Kündigungserklärung der Beklagten mit der notwendigen
Eindeutigkeit. Vom insoweit zu berücksichtigenden objektiven Empfängerhorizont aus
habe die Klägerin die Erklärung der Beklagten nur so verstehen können, dass das
gesamte bisher bestehende Vertragsverhältnis zwischen den Parteien seine
Beendigung habe finden sollen. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte die
Kündigung gerade unter Bezugnahme auf die dem Kündigungsschreiben
vorangegangenen Anschreiben und unter Hinweis auf die beabsichtigte einheitliche
Einführung eines Nettopreismodells im deutschen Markt ausgesprochen und
ausdrücklich dargelegt habe, dass sie den abgeschlossenen Passageagenturvertrag
beenden müsse, um die einheitliche Einführung des Nettopreismodells zum 01.09.2004
sicherzustellen. Die Beklagte habe eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie für die
bisherigen Verträge keine Grundlage mehr gesehen habe und diese eindeutig habe
beenden wollen. Hinzu komme, dass der Geschäftsführer der E. H. Reisebüro GmbH in
seinen Schreiben vom 12.02.2004 an die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen
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habe, dass ihm bekannt sei, dass die Beklagte bei fehlender Unterzeichnung der neuen
Vereinbarung eine Kündigung aussprechen werde. Ihm sei also bewusst gewesen,
dass mit einer Kündigung der Beklagten für alle bestehenden Verträge zu rechnen
gewesen sei. Dass das Kündigungsschreiben vom 18.02.2004 lediglich an die Klägerin
unter ihrer eigenen Firma adressiert und im Singular formuliert sei und im Briefkopf nur
die IATA-Nummer der E. H. Reisebüro GmbH nenne, habe keine besondere Bedeutung,
da es seit der Verschmelzung nur noch eine einzige Rechtspersönlichkeit, die E. H.
Reisebüro GmbH, gegeben habe und eindeutig gesonderte Vertragsgegenstände aus
den Passageagenturverträgen nicht mehr vorgelegen hätten. Die IATA-Nummer stelle
keine Vertragsnummer für einen konkreten Vertrag dar, sondern eine Lizenznummer für
die Teilnahme am Buchungsverkehr. Aus dem Umstand, dass von anderen Airlines
getrennte Kündigungen übersandt worden seien, lasse sich kein Handelsbrauch
ableiten. Ein solcher sei nur bei einer verpflichtenden Regel gegeben, die auf einer
gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen Übung der beteiligten Kreise für
vergleichbare Geschäftsvorfälle über einen angemessenen Zeitraum hinweg beruhe
und der eine einheitliche Auffassung der Beteiligten zugrunde liege. Diese
Voraussetzungen habe die Klägerin nicht dargelegt. Die von ihr angesprochenen
Kündigungserklärungen seien allesamt zeitlich nach der Kündigung der Beklagten
erfolgt. Die getrennte Zusendung von Schreiben der Beklagten in der Zeit nach der
Kündigung sei deshalb ebenfalls nicht relevant. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die
Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, ihr Provisionsabrechnungen für die
Monate Februar bis einschließlich Dezember 2005, hilfsweise einen Buchauszug für
diesen Zeitraum, zu erteilen und ihr die sich hieraus ergebenden Beträge zu zahlen,
sowie die Widerklage abzuweisen. Darüber hinaus begehrt sie Feststellung, dass der
ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH geschlossene Vertrag zwischen den Parteien
ungekündigt fortbestehe, hilfsweise Feststellung, dass zwischen der Klägerin und der
Beklagten auch über den 01.09.2004 hinaus ein Handelsvertreterverhältnis bestehe und
die Klägerin damit Anspruch auf Provisionszahlungen gemäß §§ 87 ff. HGB habe.
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Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, dass das Urteil des Landgerichts
Köln rechtsfehlerhaft sei, da das Landgericht weder dargelegt habe, warum die
Kündigungserklärung auslegungsfähig sein solle, noch den für eine Auslegung
maßgeblichen "objektiven Empfängerhorizont" zutreffend ermittelt habe. Außerdem
würden die Grenzen der Auslegung von Willenserklärungen missachtet.
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Die Auslegung einer Willenserklärung setze voraus, dass diese nicht eindeutig sei, d.h.
aus der Erklärung selbst Unklarheiten erkennbar sein müssten, damit eine Auslegung
der Erklärung abweichend vom Wortlaut möglich und rechtlich zulässig sei. An dieser
notwendigen Voraussetzung mangele es vorliegend, da die Kündigungserklärung
sprachlich eindeutig gewesen sei. Mit der Kündigungserklärung sei eindeutig nur ein
Vertrag gekündigt worden, nämlich derjenige, der Rechte und Pflichten der Beklagten
zu der "E." geregelt habe. Wegen dieser sprachlichen Eindeutigkeit und der
ausdrücklichen Angabe der Vertragsnummer des M.-Passageagenturvertrages sei gar
kein Raum für eine Auslegung.
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Eine Auslegungsnotwendigkeit habe somit vom erstinstanzlichen Gericht verneint
werden müssen.
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Ferner seien die für den "objektiven Empfängerhorizont" maßgeblichen Tatsachen nicht
vollständig und nicht zutreffend herausgearbeitet worden. So habe die Beklagte unter
Ziffer 6. der neuen Vereinbarung über den Verkauf von M.- Flugscheinen (von der
Klägerin "Nullprovisionsvereinbarung" genannt) selbst zum Ausdruck gebracht, dass sie
nicht pauschal alle vertraglichen Vereinbarungen habe "über einen Kamm scheren"
wollen, sondern dass etwaige andere geschlossene Verträge bei Bedarf anzupassen
seien. Die Klägerin habe deshalb davon ausgehen können und müssen, dass nur
derjenige Passageagenturvertrag habe gekündigt werden sollen, der auch bezeichnet
gewesen sei. Weitere Verträge hätten nach Ziffer 6. bei Bedarf angepasst werden
können. Etwaige "allgemeine öffentliche Ankündigungen" oder sonstige "allgemeine
Ankündigungen" der Beklagten müssten hinter diesen sich dann konkretisierenden
Fakten, die aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten stammten, zurücktreten. In
diesem Zusammenhang bestreitet die Klägerin zum einen, dass die Beklagte stets eine
einheitliche Einführung des Nettopreismodells beabsichtigt habe, und trägt zum anderen
vor, dass die Bestimmungen der "Nullprovisionsvereinbarung" für eine Vielzahl von
Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen darstellten und deshalb alle Zweifel im
Zusammenhang mit der Auslegung und der Reichweite von Ziffer 6. gemäß § 305 c Abs.
2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin der AGB gingen.
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Ferner habe das Landgericht sich nicht mit dem Tatbestandsmerkmal der Verkehrssitte
auseinander gesetzt, das im Rahmen der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu
berücksichtigen sei. Die Handhabung aller anderen Fluggesellschaften, die unstreitig
die Passageagenturverträge getrennt gekündigt hätten, sei bezogen auf die hier streitige
Vertragskündigung als örtliche und branchenspezifische Verkehrssitte zu werten. Ob die
anderen Fluggesellschaften erst nach der Beklagten ihre Kündigungen versandt hätten,
sei unerheblich, da es auf die subjektive Kenntnis der Beklagten von der Verkehrssitte
nicht ankomme. Zudem hätten alle anderen Fluggesellschaften der T., deren Mitglied
die Beklagte sei, ebenfalls noch im Februar 2004 mit Wirkung zum 31.08.2004
gekündigt, und zwar durch zwei Kündigungserklärungen. Auch die neuen
Vereinbarungen zu den jeweiligen Fluggesellschaften seien allein von der
Zweigniederlassung unterzeichnet worden; dies sei von allen anderen
Fluggesellschaften auch so akzeptiert worden.
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Darüber hinaus habe das Landgericht die rechtlichen Grenzen einer Auslegung nach §§
133, 157 BGB nicht beachtet, denn die Auslegung einer Kündigungserklärung dürfe
niemals so weit gehen, dass ein ganz anderer, eigenständig bestehender und gelebter
Vertrag einer Kündigungserklärung anderen Inhalts "untergeschoben" werde. Die
Kündigungserklärung sei ein einseitiges Gestaltungsrecht, das in bestehende
vertragliche Beziehungen eingreife und daher aus Gründen der Rechtsklarheit nur
eingeschränkt auslegungsfähig sei. Nicht zulässig sei es z.B., einer eindeutigen
Erklärung einen "anderen Sinn" zu geben oder einen Willen zu ermitteln, der in einer
Erklärung überhaupt nicht deutlich gemacht werde. Das Risiko, dass das, was erklärt
werden solle, auch tatsächlich erklärt werde, liege beim Erklärenden. Das Landgericht
habe sich in dieser Situation mit dem Trick beholfen, die unterschiedlichen und getrennt
zu behandelnden schuldrechtlichen Vereinbarungen im Anschluss an die Entscheidung
des Landgerichts Frankfurt am Main einfach für "inhaltsgleich" zu erklären. Dies sei aber
weder tatsächlich zutreffend, da die beiden Verträge unstreitig auch nach der
Verschmelzung noch getrennt behandelt und von der Beklagten getrennt abgerechnet
worden seien, noch rechtlich erheblich.
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Ob die IATA-Nummern nur Ordnungsfunktion oder vertragliche Identifikationswirkung
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hätten, sei für die Frage der Auslegung nicht erheblich, da in beiden Fällen die Angabe
der Bezeichnung mittels Ziffernfolge zur eindeutigen Identifizierung beitrage. Zudem sei
das Landgericht dem substanzlosen Vortrag der Beklagten gefolgt und habe zu Unrecht
einfach unterstellt, dass die IATA-Nummer eine reine Lizenznummer sei. Die IATA-
Nummer sei keine Ordnungsnummer oder – wie von der Beklagten behauptet – bloße
Kennzeichnung für eine "Identifikation des Reisebüros als IATA-Mitglied". Es handele
sich vielmehr um IATA-Vertragsnummern, die von den einzelnen
Luftfahrtgesellschaften, auch von der Beklagten, übernommen würden. Diese
Vertragsnummern würden von der Beklagten bis heute ausnahmslos in allen Verträgen
angegeben. Durch die Verschmelzung werde auch nicht etwa eine neue
Vertragsnummer vergeben, die für beide Reisebüros gelten solle; nicht einmal ein neuer
Vertrag sei ausgestellt worden. Soweit die Beklagte behauptet habe, dass große
Reisebüroketten mehrere hundert IATA-Nummern haben könnten, aber "in der Regel"
nur ein einziger M.-Passageagenturvertrag existiere, sei dies auf den hier streitigen Fall
nicht übertragbar, da dieser Aspekt nur zutreffe, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung
bereits ein M.-Passageagenturvertrag für mehrere Reisebüros abgeschlossen worden
sei.
Das Landgericht habe sich außerdem dadurch fehl leiten lassen, dass die Beklagte
versuche, Aspekte aus verschiedenen IATA-Schreiben und -Resolutionen mit ihrer
schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Klägerin zu vermischen. Die Rechte und
Pflichten zwischen den Parteien würden ausschließlich durch den M.-
Passageagenturvertrag geregelt. IATA-Publikationen, wie etwa das vom Landgericht
zitierte "IATA Y.", das der Klägerin zudem völlig unbekannt sei, da nur
Fluggesellschaften diese Publikation erhielten, seien für das streitgegenständliche
Vertragsverhältnis und die Auslegung der Kündigungserklärung irrelevant.
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Unzutreffend sei ferner die Rechtsansicht der Beklagten, dass mit Abschluss der seit
dem 01.09.2004 geltenden "Vereinbarung über den Verkauf von M. Flugscheinen" der
zweite Passageagenturvertrag aufgehoben worden sei. "E." - und nur diese – habe den
zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Existenz notwendigen Vertrag gemäß
Schreiben vom 24.08.2004 (Anlage K 8) nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalt
hinsichtlich ihrer Rechte aus dem ursprünglichen Vertrag übersandt. Außerdem sei die
Vereinbarung nur von der "E." unter Hinweis auf ihre M.-Passagevertragsagentur-
Nummer 23-2 0000 2 unterzeichnet worden. Hierdurch werde hinreichend deutlich, dass
diese Vereinbarung nur für "E." gelten solle. Dass die Zweigniederlassung rechtlich
keine selbstständige Person sei, stehe dem nicht entgegen, da schuldrechtliche
Vereinbarungen auch dann auf den Betrieb eines Reisebüros begrenzt werden könnten,
wenn eine juristische Person noch weitere Reisebüros betreibe.
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Zur Klageerweiterung in der Berufungsinstanz trägt die Klägerin vor, dass sie wegen der
drohenden Verjährung gehalten sei, die verbleibenden Provisionsansprüche für das
Jahr 2005 geltend zu mache. Sofern dem vertraglichen Anspruch der Klägerin
stattgegeben werde, habe die Klägerin zudem ein berechtigtes Interesse an der
Feststellung, dass der M.-Passageagenturvertrag über den 01.09.2004 hinaus bestehe,
da dies Rechtsklarheit schaffe für die ab dem 01.01.2006 auftretenden
Provisionsansprüche und damit der Vermeidung weiterer Prozesse diene.
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Für den Fall, dass der streitgegenständliche M.-Passageagenturvertrag wirksam
gekündigt und auch mit Wirkung zu Lasten der Klägerin eine sog.
"Nullprovisionsvereinbarung" geschlossen sein sollte, könne die Klägerin ihre
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Provisionsforderung auf §§ 87 ff. HGB stützen. Das hier streitige Rechtsverhältnis sei
zur Vermeidung weiterer Prozesse umfassend zu beurteilen, wozu auch gesetzliche
Ansprüche sowohl von "U. REISEBÜRO" wie auch von "E." gehörten. Die
"Nullprovisionsvereinbarung" sei wegen Verstoßes u.a. gegen § 307 BGB unwirksam.
Die Beklagte wolle sich durch diese Vereinbarung von allen ihr nachteiligen
Bestimmungen (insbesondere der Provisionszahlungspflicht) lösen, die Reisebüros
sollten aber weiterhin ihre Produkte vermitteln und eine Mehrzahl von Pflichten
einhalten, die allein im Interesse der Beklagten lägen. Damit liege kein
Interessenausgleich, wie er dem gesetzlichen Leitgedanken der §§ 84 ff. HGB
entspreche, mehr vor. Die Klägerin übe nämlich eine Handelsvertretertätigkeit aus, solle
aber nicht wie ein Handelsvertreter vergütet werden.
Des Weiteren werde auch gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen. Dies ergebe sich
daraus, dass die Klägerin durch die Vermittlung von Flugscheinen Arbeit für die
Beklagte erledige, letztere aber Umsätze und Gewinne erziele, ohne hierfür gegenüber
der Klägerin eine Gegenleistung zu erbringen. Demnach liege eine unangemessene
Benachteiligung vor, die dazu führe, dass die "Nullprovisionsvereinbarung", zumindest
aber der Ausschluss der Vergütung gemäß Ziffern 3. und 4. dieser Vereinbarung
unwirksam seien.
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Die "Nullprovisionsvereinbarung" sei ferner auch unwirksam wegen Verstoßes gegen
das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Beklagte betone unter Ziffer
3. der Vereinbarung, dass das Reisebüro als Dienstleister ausschließlich Vermittlungs-
und Beratungsleistungen gegenüber dem Kunden erbringe. Zugleich verlange die
Beklagte unter Ziffer 4., dass die Zusammenarbeit mit dem Reisebüro auch in Zukunft
auf der Grundlage der IATA-Resolutionen erfolgen solle. Dies sei widersprüchlich und
damit unverständlich. Es sei unmöglich, eine Vielzahl von Pflichten u.a. resultierend aus
IATA-Resolutionen zu erbringen, die ausschließlich im Interesse der Beklagten stünden,
und zugleich vertraglich zu bestimmen, dass Vermittlungs- und Buchungsleistungen nur
noch gegenüber den Kunden zu erbringen seien. Unwirksam sei ferner Ziffer 4. Satz 3
der Vereinbarung, wonach diejenigen Vorschriften nicht anwendbar sein sollten, die
Vertriebspflichten des Reisebüros gegenüber der M. sowie Vergütungspflichten
einschließlich den in Ziffer 2. genannten Nebenleistungen gegenüber der Beklagten
begründen könnten.
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Es werde auch bestritten, dass die Beklagte berechtigt sei, die abstrakt generellen
Regelungen der IATA-Resolutionen einseitig zu ihren Gunsten abzuändern. Die IATA-
Resolutionen seien von der IATA als Institution erlassen worden, könnten nur von dieser
geändert werden und seien für die einzelnen Mitgliedsunternehmen wie die Beklagte
bindend. Dies gelte auch für Ziffer 9 der IATA-Resolution 824 (Passageagenturvertrag)
und für Sektion 9 der IATA-Resolution 814 (Anlage K 14). Die fehlende Dispositivität der
IATA-Resolutionen stelle rechtlich ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB dar,
weshalb die "Nullprovisionsvereinbarung" nichtig sei. Bei Verschweigen dieses
Umstands durch die Beklagte komme auch ein Anfechtungsgrund gemäß § 123 BGB in
Betracht. Selbst wenn man der Beklagte die Kompetenz zur Veränderung der Rechte
und Pflichten zwischen den Parteien einräume, stelle sich die Herausnahme einzelner,
für die Beklagte nicht wünschenswerter Bestimmungen als unzulässige "Teilkündigung"
dar, da die Beklagte insoweit ihre Marktmacht missbraucht habe.
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Da die Klägerin bei gleichzeitiger Unwirksamkeit der "Nullprovisionsvereinbarung"
weiter eine Handelsvertretertätigkeit für die Beklagte ausübe, habe sie gemäß §§ 84 ff.
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HGB Anspruch auf Provision. Unstreitig sei die Klägerin bis zum 31.08.2004 als
Handelsvertreterin tätig gewesen. An der praktischen Vermittlungstätigkeit der Klägerin
habe sich in der Zeit ab dem 01.09.2004 nichts Grundlegendes verändert. Das
Reisebüro habe auch seit jeher Beratungs- und Managementleistungen gegenüber dem
Kunden erbracht. Die Klägerin sei selbstständige Gewerbetreibende und vermittle für
die Beklagte (Unternehmer) Flugreisen. Dabei erbringe sie eine Vielzahl von
Leistungen, die ausschließlich im Interesse der Beklagten lägen. Insoweit müsse sich
die Beklagte als Mitglied der IATA die für IATA-akkreditierte Reisebüros geltenden
Bestimmungen zurechnen lassen. Hilfsweise ergebe sich eine Zurechnung der
gegenüber der IATA bestehenden Pflichten im Rahmen der handelsvertreterrechtlichen
Gesamtschau. Im Einzelnen wird wegen der IATA-Pflichten, die der Beklagten nach
Auffassung der Klägerin zuzurechnen sind, Bezug genommen auf Seiten 32 bis 38 der
Berufungsbegründung nebst den hierzu vorgelegten Anlage K 9 bis K 12. Die Klägerin
sei schließlich auch im Sinne des § 84 Abs. 1 S. 1 HGB "ständig damit betraut" für die
Beklagte Vermittlungsleistungen zu erbringen. Hierfür sei keine vertragliche
Verpflichtung erforderlich, sondern es reiche aus, dass die Beklagte die
Vermittlungsleistungen der Klägerin widerspruchslos entgegen nehme und damit eine
Geschäftsbesorgung vorliege, die gleichbedeutend mit einer Beauftragung im Sinne des
§ 675 BGB sei. Unabhängig hiervon könne es aber auf eine Vertriebspflicht ohnehin
nicht entscheidend ankommen, da die Reisebüros aufgrund der Marktstellung der
Beklagten auf zahlreichen Strecken faktisch auf deren Angebot zurückgreifen müssten,
um die Wünsche der Kunden erfüllen zu können. Insgesamt liege damit ein – zumindest
konkludent fortgeführtes – Handelsvertreterverhältnis vor.
Die Klägerin beantragt,
24
1. das Urteil des LG Köln vom 29.04.2008, Geschäftszeichen 89 O 77/07,
25
26
aufzuheben,
27
2) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Provisionsabrechnung für die
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Monate Februar.März, April sowie Mai 2005 unter Berücksichtigung folgen-
29
der Provisionssätze zu erteilen:
30
9 % für Flüge der Kategorie "Langstrecke Economy"
31
7 % für Flüge der Kategorie "Buisiness und First Class"
32
5 % für Flüge der Kategorie "Europa und Innerdeutsch";
33
3) hilfsweise der Klägerin einen Buchauszug über sämtliche von ihr für die Be-
34
klagte in den Monaten Februar, März, April, Mai 2005 vermittelten Geschäfte
35
zu erteilen;
36
4) die Beklagte zu verurteilen, die sich hieraus zugunsten der Klägerin
ergebenden Beträge zu zahlen und zwar nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und zwar
37
für den Monat Februar 2005 seit dem 16.03.2005,
38
für den Monat März 2005 seit dem 16. 04.2005,
39
für den Monat April 2005 seit dem 16.05.2005 und
40
für den Monat Mai 2005 seit dem16.06.2005;
41
5) die Widerklage der Beklagten abzuweisen;
42
sowie im Wege der Klageerweiterung
43
6) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Provisionsabrechnung für
44
die Monate Juni bis Dezember 2005 unter Berücksichtigung folgender
45
Provisionssätze zu erteilen:
46
9 % für Flüge der Kategorie "Langstrecke Economy"
47
7 % für Flüge der Kategorie "Buisiness und First Class"
48
5 % für Flüge der Kategorie "Europa und Innerdeutsch";
49
7. hilfsweise der Klägerin einen Buchauszug über sämtliche von ihr für die Be-
50
51
klagte in den Monaten Juni bis Dezember 2005 vermittelten Geschäfte zu
52
erteilen;
53
8) die Beklagte zu verurteilen, die sich hieraus zugunsten der Klägerin erge-
54
benden Beträge zu zahlen und zwar nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent-
55
punkten über dem Basisinstanz und zwar
56
für den Monat Juni 2005 seit dem 16.06.2005,
57
für den Monat Juli 2005 seit dem 16. 08.2005,
58
für den Monat August 2005 seit dem 16. 09.2000,
59
für den Monat September 2005 seit dem 16.10.2005,
60
für den Monat Oktober 2005 seit dem 16. November 2005,
61
für den Monat November 2005 seit dem 16. Dezember 2005,
62
für den Monat Dezember 2005 seit dem 16. Januar 2006;
63
9) festzustellen, dass der zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende
64
(ursprünglich mit der U. REISEBÜRO GmbH geschlossene) Luft-
65
hansa-Passageagenturvertrag mit der Vertragsnummer 23-2 0256 I vom 15.
66
06.1983 auch über den 31.08.2004 hinaus ungekündigt zwischen den
67
Parteien fortbesteht:
68
hilfsweise,
69
10) festzustellen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten auch über den
70
31.08.2004 hinaus ein Handelsvertreterverhältnis besteht und die Klä
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gerin damit Anspruch auf Provisionszahlungen gemäß §§ 87 ff. HGB hat.
72
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
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Soweit die Klägerin anstelle ihres erstinstanzlichen Antrags nunmehr die Anträge zu 2)
bis 4) stellt, willigt die Beklagte in die hierin liegende Klageänderung und
Klageerweiterung nicht ein und hält diese auch nicht für sachdienlich.
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In der Sache verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil unter Wiederholung und
Vertiefung ihres Vorbringens zur Kündigung des ursprünglich zwischen der Beklagten
und der U. Reisebüro GmbH abgeschlossenen Passageagenturvertrages.
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Ziffer 6 der Vereinbarung über den Verkauf von M.-Flugscheinen ändere nichts an dem
zutreffenden Auslegungsergebnis des Landgerichts. In der Präambel und in Ziffer 3 der
Vereinbarung werde ausdrücklich und klar bestimmt, dass das Reisebüro, d.h. die E. H.
Reisebüro GmbH als juristische Person einschließlich der unselbstständigen
Zweigniederlassung U. Reisebüro, künftig nicht mehr als Handelsvertreterin der
Beklagten tätig sein werde und daher keine Ansprüche auf Grundprovision habe. Wenn
die Beklagte im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung eine Kündigung ausspreche,
könne dies nicht so verstanden werden, dass die Beklagte nicht das gesamte
Vertragsverhältnis zwischen der E. H. Reisebüro GmbH und der Beklagten habe
kündigen wollen. Ziffer 6 sei nur eine Auffangklausel, die bestimme, dass etwaige
weitere Verträge, die zwischen den Parteien im Zusammenhang mit der Vermittlung von
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weitere Verträge, die zwischen den Parteien im Zusammenhang mit der Vermittlung von
Flugscheinen bestünden, an die Anforderungen des neuen Vertriebsmodells angepasst
werden müssten.
Die Kündigung vom 18.02.2004 sei an die Adresse B. 83, XXXXX V., die Adresse der
Zweigniederlassung U. Reisebüro geschickt worden, während die E. H. Reisebüro
GmbH ihren Sitz in X. habe. Auch daran zeige sich, dass die Kündigung auch den
ehemaligen Passageagenturvertrag mit der U. Reisebüro GmbH habe betreffen sollen.
Auch der Inhalt des Kündigungsschreibens stelle ausdrücklich klar, dass die E. H.
Reisebüro GmbH, die auch die unselbstständige Zweigniederlassung U. Reisebüro
umfasse, ab dem 01.09.2004 nicht mehr Handelsvertreterin der Beklagten sei.
Außerdem sei der Klägerin bekannt gewesen, dass die Beklagte bundesweit ein neues
Vertriebsmodell habe einführen wollen. Die Annahme, von der Umstellung würden
einige Reisebüros bzw. Zweigniederlassungen nicht erfasst, sei lebensfremd. Auch bei
Abgabe einer Kündigung dürfe darauf vertraut werden, dass der Empfänger die
Erklärung verständig auffasse. Die IATA-Nummern spielten für die Auslegung keine
Rolle, da das Landgericht als unstreitig festgestellt habe, dass die IATA-Nummern keine
Vertragsnummern seien. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag habe die Klägerin nicht
gestellt.
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Jedenfalls aber sei das Passageagenturverhältnis durch den Abschluss der
Vereinbarung über den Verkauf von M.-Flugscheinen vom 25.08.2004 beendet worden,
da Ziffer 3. S. 2 und 3 dieser Vereinbarung ausdrücklich bestimme, dass "das
Reisebüro" ab 01.09.2004 kein Handelsvertreter mehr sei und keinerlei Ansprüche auf
Provision habe. Diese Vereinbarung sei von der E. H. Reisebüro GmbH unterzeichnet
worden und umfasse damit auch die unselbstständige Zweigniederlassung U.
Reisebüro. Dagegen könne nicht eingewandt werden, die E. H. Reisebüro GmbH habe
den unterzeichneten Vertrag mit einem Zusatz übersandt, wonach damit kein Verzicht
auf rechtliche Maßnahmen verbunden sei. Die E. H. Reisebüro GmbH mitsamt ihrer
Zweigniederlassung hätten die neue Vereinbarung über den Verkauf von M.
Flugscheinen umgesetzt. Die Klägerin habe erstinstanzlich nicht bestritten, dass seit der
Einführung des Nettopreismodells neben den bereits bisher von Geschäftskunden
erhobenen Gebühren zusätzliche Beratungsentgelte auch von Privatkunden gezahlt
würden. Die Klägerin nutze also auf der einen Seite die durch die Vereinbarung
geschaffene Möglichkeit aus, von ihren Kunden ein Entgelt für die Beratung und
Vermittlung einer M. Flugreise zu verlangen, verlange aber auf der anderen Seite
zusätzlich von der Beklagten die Zahlung von Provisionen. Schon aus diesem
Verhalten ergebe sich eine Verwirkung sämtlicher Ansprüche gegen die Beklagte. Die
Klägerin handle zudem rechtsmissbräuchlich, wenn sie Provisionen einklage, denn sie
habe Umsätze treuwidrig auf die Zweigniederlassung verschoben.
79
Die Beklagte willigt auch in die Erweiterung der Klage um die Anträge zu 6) bis 9) nicht
ein und hält diese für nicht sachdienlich, da die Klägerin diese Anträge bereits in erster
Instanz habe stellen können. Die Anträge zu 6) bis 8) seien im Übrigen auch
unbegründet, da das Passageagenturverhältnis zwischen den Parteien zum 31.08.2004
gekündigt worden sei. Für den Feststellungsantrag zu 9) bestehe bereits kein
Feststellungsinteresse, da eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar sei. Die
Beklagte erhebt ferner die Einrede der entgegenstehenden Rechtshängigkeit, da sie in
der Widerklage beantragt habe festzustellen, dass zwischen der Beklagten und der
Klägerin der ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH geschlossene
Passageagenturvertrag seit dem 01.09.2004 nicht mehr bestehe. Die Klägerin
beantrage nun genau das Gegenteil, was aber von der Rechtskraft eines die Widerklage
80
abweisenden Urteils umfasst würde. Jedenfalls aber sei der Antrag zu 9) unbegründet.
Auch der Klageantrag zu 10) enthalte eine unzulässige Klageerweiterung, da die
Klägerin den Antrag auf zahlreiche neue Tatsachen stütze, die nicht Gegenstand des
Rechtsstreits in erster Instanz gewesen seien. Der Antrag sei auch unzulässig, da die
Klägerin Klage auf Leistung erheben könne und deshalb kein Feststellungsinteresse im
Sinne des § 256 Abs.1 ZPO gegeben sei. Das OLG Köln sei außerdem unzuständig, da
nach Ziffer 11 der Vereinbarung über den Verkauf von M. Flugscheinen Gerichtsstand
für alle Ansprüche aus diesem und auf Grund dieses Vertrages Frankfurt am Main sei.
81
Darüber hinaus sei der Antrag zu 10) auch unbegründet. Zwischen der Klägerin und der
Beklagten bestehe kein Handelsvertreterverhältnis, da für die Klägerin im Rahmen der
Vereinbarung über den Verkauf von M. Flugreisen keine Vermittlungspflicht bestehe,
wie sich aus Ziffern 1. und 3. der Vereinbarung ergebe. Die dem Verkauf von M.
Flugreisen nachgelagerten Leistungen wie z.B Umbuchungen, Refunds, Informationen
über Flugplanänderungen etc. würden seit dem 01.09.2004 von der Beklagten
durchgeführt, es sei denn, das Reisebüro wolle diese Leistungen selbst erbringen. An
der Tatsache, dass die Klägerin nicht Handelsvertreterin sei, ändere auch die
angebliche marktbeherrschende Stellung der Beklagten nichts, da auch ein
Unternehmen mit beherrschender Stellung nicht verpflichtet sei, den Vertrieb seiner
Produkte oder Dienstleistungen ausschließlich über Handelsvertreter abzuwickeln.
82
Bei den von der Klägerin angeführten Pflichten, die von der IATA aufgestellt worden
seien, handele es sich um Kriterien, die für eine IATA-Zulassung erforderlich seien, die
wiederum Voraussetzung dafür sei, um überhaupt Flugreisen der in der IATA
zusammengeschlossenen ca. 230 Fluggesellschaften vermitteln zu können. Es handele
sich also nicht um Leistungen/Pflichten, die gegenüber der Beklagten zu erfüllen seien.
83
Außerdem sei die Vereinbarung über den Verkauf von M. Flugscheinen wirksam und
schließe ein Handelsvertreterverhältnis wirksam aus. Sie verstoße insbesondere nicht
gegen § 307 BGB. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird insoweit
Bezug genommen auf Seiten 21 ff. der Berufungserwiderung. Die Beklagte sei auch
befugt, Ziffer 9 der IATA-Resolution 824 im Verhältnis zwischen ihr und den Reisebüros,
mit denen sie Verträge abgeschlossen habe, abzubedingen. Die IATA-Resolutionen
seien keine Gesetze, sondern Teil eines privatrechtlichen Vertrages zwischen der
Beklagten und dem jeweiligen Reisebüro. Es liege auch keine "unzulässige
Teilkündigung" vor, denn wie das Bundeskartellamt festgestellt habe, verstoße die
Umstellung des Vertriebssystems der Beklagten nicht gegen die Missbrauchsverbote
gemäß §§ 19, 20 GWB. Die Beklagte verweist insoweit auf das als Anlage B 25
vorgelegte Schreiben des Bundeskartellamts vom 23.07.2004 (Bl. 339 f. GA).
84
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die
wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen.
85
II.
86
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die mit den Berufungsanträgen
zu 1) bis 8) geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet, die Berufungsanträge zu
9) und 10) sind bereits unzulässig.
87
1.
88
Soweit die Klägerin nunmehr abweichend von der ersten Instanz, in der sie bezifferte
Provisionsansprüche für die Monate Februar bis April 2005 geltend gemacht hat, mit
ihren Berufungsanträgen zu 2) bis 4) und 5) bis 8) im Wege der Stufenklage für die
Monate von Februar bis einschließlich Dezember 2005 Erteilung von
Provisionsabrechnungen, ggf. Erteilung von Buchauszügen sowie Zahlung der sich aus
den Provisionsabrechnungen bzw. Buchauszügen ergebenden Beträge verlangt,
bestehen gegen die Zulässigkeit der Berufungsanträge keine Bedenken. Insbesondere
steht § 533 ZPO der Zulässigkeit der geänderten und erweiterten Anträge nicht
entgegen.
89
a)
90
Hinsichtlich der Berufungsanträge zu 2) bis 4) ist – soweit sie die Monate Februar bis
einschließlich April 2005 betreffen - bereits zweifelhaft, ob es sich überhaupt um eine
Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO handelt.
91
Für den Fall, dass statt der ursprünglich begehrten Auskunft im Berufungsverfahren
Zahlung begehrt wird, hat nämlich der Bundesgerichtshof entschieden, dass hierin
keine Klageänderung zu sehen sei, sondern eine Klageerweiterung im Sinne des § 264
Nr. 2 ZPO. Der Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung habe im
Allgemeinen nur Hilfsfunktion. Wenn ein Kläger daher auf derselben tatsächlichen und
rechtlichen Grundlage von dem einen zum anderen Anspruch übergehe, so strebe er
fortan unmittelbar das Ziel an, das er bisher mittelbar zu erreichen versucht habe. Das
gelte jedenfalls dann ohne Einschränkung, wenn der Auskunftsanspruch von dem
Erstrichter unter Verneinung eines Leistungsanspruchs abgewiesen worden sei. Der
Streit um eine Auskunftspflicht gehe dann in dem Streit um die Verpflichtung zur
Zahlung voll auf (BGH, Urteil vom 08.11.1978 – VIII ZR 199/77, Juris-Ausdruck Rz. 12;
s.a. Zöller/Greger, § 264 Rz. 3b: Fall der qualitativen Änderung des Antrags).
92
Ausgehend von der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich
wegen des vorbereitenden Charakters des Rechnungslegungsanspruchs und der
Identität des Klagegrundes auch der nachträgliche Übergang vom bezifferten
Zahlungsantrag zur Stufenklage als ein Fall der qualitativen Änderung des Antrags im
Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO begreifen, der – im Hinblick auf den nunmehr unbezifferten
Leistungsantrag – kombiniert ist mit einer quantitativen Änderung des Klageantrags im
Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO. Auch im Hinblick auf § 531 Abs. 2 ZPO bzw. § 533 Nr. 2
ZPO ergeben sich vorliegend keine Probleme, da zwischen den Parteien unstreitig ist,
dass die Beklagte die Erfüllung jeglicher Verpflichtung aus dem ursprünglich mit der U.
Reisebüro GmbH seit dem 01.09.2004 ablehnt mit der Begründung, der Vertrag sei
wirksam gekündigt.
93
Ob es sich bei den Berufungsanträgen zu 2) bis 4) – bezogen auf den Zeitraum Februar
bis April 2005 - nur um eine Änderung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO oder aber um eine
echte Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO handelt, bedarf aber letztlich keiner
Entscheidung, da eine etwaige Klageänderung gemäß § 263 ZPO jedenfalls als
sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO anzusehen ist, denn die geänderten Anträge
sind geeignet, den Streit der Parteien über einen Provisionsanspruch der Klägerin für
den betreffenden Zeitraum endgültig auszuräumen.
94
b)
95
Soweit die Klägerin über den bereits in erster Instanz streitgegenständlichen Zeitraum
hinaus nunmehr auch Rechnungslegungs- und Provisionsansprüche für die Monate Mai
bis Dezember 2005 verfolgt, ist dies ebenfalls zulässig gemäß § 533 Nr. 1 und 2 ZPO,
da auch über diese Anträge auf der Grundlage des vorhandenen Prozessstoffes
entschieden werden kann und eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren
sachdienlich erscheint, um die Streitigkeiten der Parteien möglichst weitgehend zu
erledigen.
96
2.
97
Auch der Berufungsantrag zu 9), mit dem die Klägerin die Feststellung des
ungekündigten Fortbestehens des ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH
geschlossenen M.-Passageagenturvertrag vom 15.06.1983 auch über den 31.08.2004
hinaus begehrt, stellt aus den vorgenannten Gründen eine zulässige Klageänderung im
Sinne des § 533 ZPO dar. Der Antrag ist jedoch unzulässig wegen entgegenstehender
Rechtshängigkeit gemäß § 262 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, da der Gegenstand des Antrags zu 9)
identisch ist mit dem Gegenstand des bereits erstinstanzlich rechtshängig gewordenen
Widerklageantrags. Die gegen diese Rechtsauffassung von der Klägerin mit Schriftsatz
vom 10.10.2008 vorgebrachten Gründe greifen nicht durch, denn sie betreffen allein die
Frage, ob die Beklagte die von ihr widerklagend beantragte Feststellung verlangen
kann. Hierüber hat der Senat im Rahmen der Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils
zu befinden, da die Klägerin ausweislich ihrer Berufungsanträge zu 1) und 5) das
erstinstanzliche Urteil im Hinblick auf die Entscheidung über die Widerklage angreift
und insoweit Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Widerklage
beantragt hat. Das Ergebnis dieser Überprüfung ist jedoch für die Frage der Identität der
Streitgegenstände nicht relevant.
98
3.
99
Der Berufungsantrag zu 10) ist bereits unzulässig gemäß § 533 ZPO.
100
Der Hilfsantrag zu 10) stellt eine echte Klageerweiterung im Sinne des § 263 ZPO dar,
da die Klägerin hiermit im Wege des Hilfsantrags eine bisher nicht streitgegenständliche
Feststellung begehrt, nämlich das Bestehen eines Handelsvertreterverhältnisses
zwischen den Parteien über den 31.08.2004 hinaus auch für den Fall der wirksamen
Kündigung des Passageagenturvertrages vom 15.06.1983. Die Ausführungen der
Klägerin gemäß Schriftsatz vom 10.10.2008, wonach keine Klageänderung im Sinne
des 263 ZPO, sondern lediglich ein Fall des § 264 Nr. 1 ZPO vorliegen soll, liegen
neben der Sache. Auf die Frage, ob hier eine Änderung des Klagegrundes vorliegt,
kommt es nämlich schon deshalb nicht an, weil ein neuer Antrag und damit – da es sich
auch nicht lediglich um eine Erweiterung oder Beschränkung im Sinne des § 264 Nr. 2
ZPO handelt – ein neuer, weiterer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt worden
ist. Darüber hinaus dürfte aber auch eine Änderung im Klagegrund anzunehmen sein,
da der hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantrag zu 10) auf eine andere
Tatsachengrundlage gestützt wird als die übrigen Anträge, nämlich auf die Verhältnisse
zwischen den Parteien nach dem 31.08.2004, aus dem sich nach Auffassung der
Klägerin unabhängig von dem ursprünglich bestehenden Passageagenturvertrag ein
Handelsvertreterverhältnis ergeben soll. Nur zur Klarstellung wird in diesem
Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es entgegen dem Verständnis der Klägerin
kein "gesetzliches Handelsvertreterverhältnis" gibt, sondern allenfalls konkludent ein
101
neuer Handelsvertretervertrag zustande gekommen sein könnte, aus dem sich dann
gemäß § 87 b HGB ein Anspruch auf Provisionen in Höhe des üblichen Satzes ergeben
könnte.
Nach Auffassung des Senats ist diese Klageänderung – auch wenn die Frage der
Sachdienlichkeit nicht kleinlich beurteilt werden soll – nicht mehr als sachdienlich im
Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO anzusehen. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist der Gedanke
der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei es grundsätzlich allein darauf ankommt, ob und
inwieweit die Zulassung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen
Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen (vgl. Zöller-
Gummer/Heßler, § 533 Rz. 6). Zwar würde es der endgültigen Beilegung der
Streitigkeiten zwischen den Parteien dienen, neben der Frage der Kündigung des
ursprünglich zwischen der Beklagten und der U. Reisebüro GmbH geschlossenen
Passageagenturvertrages auch zu klären, ob ein Handelsvertreterverhältnis zwischen
den Parteien deshalb besteht, weil – wie die Klägerin meint - die neue Vereinbarung
über den Verkauf von M.-Flugscheinen (Anlage B 14) unwirksam ist und statt dessen
zwischen den Parteien ein neues Handelsvertreterverhältnis zustande gekommen ist.
Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung in der Berufungsinstanz kann aber dann
verneint werden, wenn die Bejahung zur Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes
nötigen würde, ohne dass dafür das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet
werden könnte (Zöller-Gummer/Heßler, aaO). So liegt der Fall hinsichtlich des
Berufungsantrags zu 10), denn es handelt sich um die Entscheidung über Streitfragen,
die von der Frage der Wirksamkeit der Kündigung völlig unabhängig sind.
102
Jedenfalls aber scheitert die Erweiterung der Klage um den Antrag zu 10) an § 533 Nr. 2
ZPO, denn die Klägerin wirft insoweit nicht nur neue Rechtsfragen auf, sondern stützt
ihren Feststellungsantrag auf umfangreichen neuen Sachvortrag, insbesondere auf
zahlreiche Einzelheiten, die ihren Ursprung in diversen IATA-Resolutionen haben.
Insoweit handelt es sich nicht um Rechtsnormen, sondern um interne Regeln, die sich
die Mitglieder der IATA gegeben haben, und damit um Tatsachenvortrag. Die Klägerin
hat auch nicht darzulegen vermocht, dass die Einführung dieser Tatsachen erst in der
zweiten Instanz nicht auf Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO beruht.
Abgesehen davon, dass die Klägerin sich hierzu entgegen § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO erst
mit Schriftsatz vom 10.10.2008 erklärt hat, ist nicht ersichtlich, dass der erstinstanzliche
Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht zumindest leicht fahrlässig gehandelt hat, da
nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin das Landgericht offen gelassen hat, ob es
einen Anspruch der Klägerin auf der Grundlage des ursprünglich mit der U. Reisebüro
GmbH geschlossenen Passageagenturvertrages bejahen werde, die Klägerin
erstinstanzlich also auch mit einer Klageabweisung rechnen musste. Auch dass sich der
erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin hinsichtlich denkbarer weiterer
rechtlicher Gesichtspunkte in einem entschuldbaren Irrtum befunden haben könnte, hat
die Klägerin nicht dargetan.
103
4.
104
Die zulässigen Anträge zu 2) bis 8) sind unbegründet, da der ursprünglich zwischen der
Beklagten und der U. Reisebüro GmbH geschlossene Passageagenturvertrag seit dem
31.08.2004 nicht mehr besteht und die Klägerin deshalb aus diesem Vertragsverhältnis
keine Rechte mehr herleiten bzw. die Beklagte die widerklagend begehrte Feststellung
der Beendigung des Passageagenturvertrages verlangen kann.
105
a)
106
Zwar ist der vorgenannte Passageagenturvertrag nicht bereits dadurch erloschen, dass
der ursprüngliche Vertragspartner der Beklagten, die U. Reisebüro GmbH, mit
Verschmelzungsvertrag vom 02.07.2003 mit der E. H. Reisebüro GmbH als
übernehmender Rechtsträger verschmolzen worden ist. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG
ist durch der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes des
übernehmenden Rechtsträgers am 07.10.2003 die U. Reisebüro GmbH erloschen. Ihr
Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten ist gleichzeitig gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1
UmwG auf den übernehmenden Rechtsträger, also die E. H. Reisebüro GmbH,
übergegangen. Aufgrund dieser gesetzlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ist der
zwischen der Beklagten und der U. Reisebüro GmbH bestehende
Passageagenturvertrag nicht wegen endgültigen Wegfalls eines Vertragspartners
beendet worden (zu dieser Möglichkeit des Erlöschens eines Schuldverhältnisses vgl.
Palandt-Grüneberg, vor § 362 Rz. 4), sondern anstelle der U. Reisebüro GmbH ist die E.
H. Reisebüro GmbH in alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag eingetreten. Durch
die Verschmelzung war also die Situation eingetreten, dass die E. H. Reisebüro GmbH
und die Beklagte durch zwei Verträge miteinander verbunden waren, wobei diese
beiden Vertragsverhältnisse ihrem Inhalt nach deckungsgleich waren.
107
Dass die E. H. Reisebüro GmbH das ursprünglich von der
108
übernommenen U. Reisebüro GmbH betriebene Reisebüro nachfolgend als eigene
Zweigniederlassung weiter betrieben hat, ist für den Übergang der Rechte und Pflichten
aus dem Passageagenturvertrag vom 15.06.1983 auf die E. H. Reisebüro GmbH ohne
Bedeutung, denn eine Zweigniederlassung ist keine selbstständige juristische Person,
hat kein rechtlich selbstständiges Vermögen und keine rechtlich von denen des
Inhabers gesonderten Verbindlichkeiten (Baumbach/Hopt, § 13 Rz. 4). Wie das
Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Zweigniederlassung auch nicht
prozessfähig und damit nicht Partei des vorliegenden Rechtsstreits. Partei ist vielmehr
die E. H. Reisebüro GmbH, die hier lediglich deshalb unter der Firma ihrer
Zweigniederlassung klagen kann, da sich die Klage – eventuell mit Ausnahme des aber
ohnehin unzulässigen Hilfsantrags zu 10) - auf den Geschäftsbetrieb der
Zweigniederlassung bezieht. Inhaber der geltend gemachten Rechte kann aber nicht die
Zweigniederlassung, sondern allein die E. H. Reisebüro GmbH selbst sein.
109
b)
110
Der streitgegenständliche Vertrag ist jedoch durch Kündigung der Beklagten zum
31.08.2004 beendet worden.
111
Die Beklagte hat im Zuge der Umstellung ihres Vertriebssystems auf das sog.
Nettopreismodell unter dem 18.02.2004 ein Kündigungsschreiben an die E. H.
Reisebüro GmbH gerichtet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob damit nur die
Kündigung des unmittelbar zwischen der Beklagten und der E. H. Reisebüro GmbH
geschlossenen Vertrages oder aber gleichzeitig auch die Kündigung des ursprünglich
zwischen der Beklagten und der U. Reisebüro GmbH und sodann aufgrund der
Verschmelzung auf die E. H. Reisebüro GmbH übergegangenen Vertrages erklärt
worden ist.
112
Da eine Kündigung des letztgenannten Vertrages sich jedenfalls nicht eindeutig und
113
unmittelbar aus dem Text des Schreiben vom 18.02.2004 ergibt, ist die Reichweite der
Kündigungserklärung im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
aa)
114
Abweichend von der Auffassung der Klägerin verbietet sich eine Auslegung nicht von
vornherein wegen fehlender Auslegungsbedürftigkeit oder Auslegungsfähigkeit des
Kündigungsschreibens.
115
An der Auslegungsbedürftigkeit einer Willenserklärung mangelt es, wenn diese nach
Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat, wobei die Feststellung der
Eindeutigkeit eine Berücksichtigung aller Begleitumstände voraussetzt und damit
bereits selbst ein interpretatorischer Vorgang ist (Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 133
Rz. 6).
116
Vorliegend ergibt sich die mangelnde Eindeutigkeit der Erklärung daraus, dass die Die
H. Geschäftsreise Reisebüro GmbH zum Zeitpunkt des Zugangs der
Kündigungserklärung durch zwei Passageagenturverträge mit der Beklagten verbunden
war, die Beklagte in ihrem Schreiben vom 18.02.2004 durchgängig aber den Begriff des
Passageagenturvertrages nur im Singular("Kündigung des M.
Passageagenturvertrages", "den mit Ihnen abgeschlossenen Passageagenturvertrag",
"den zwischen Ihnen und uns bestehenden Passageagenturvertrag") und auch nur eine
IATA-Nummer verwendet. Andererseits wird aber in dem Schreiben unter Bezugnahme
auf eine Pressemitteilung vom 08.12.2003 und das vorangegangen persönliche
Anschreiben dargelegt, dass eine einheitliche Einführung des Nettopreismodells zum
01.09.2004 sichergestellt werden soll. Außerdem werden die Wirkungen der
ausgesprochenen Kündigung dahin gehend erläutert, dass die E. H. Reisebüro GmbH
ab dem 01.09.2004 nicht mehr Handelsvertreter der Beklagten sei und dass die
Regelungen der IATA Resolutionen in ihrem Verhältnis keine Gültigkeit mehr hätten.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte gleichwohl auch künftig
gerne mit der E. H. Reisebüro GmbH zusammenarbeiten würde und dass deshalb die
Rücksendung eines unterschriebenen Exemplars der neuen Vereinbarung erbeten wird.
117
Angesichts des vorstehend wiedergegebenen Inhalts des Wortlauts sowie des der
Klägerin bekannten Umstandes, dass die Verträge der U. Reisebüro GmbH auf sie
übergegangen waren, stellen sich Wortlaut und der in dem Schreiben selbst zum
Ausdruck gekommene Zweck der Kündigung als widersprüchlich dar. Die Beklagte
verfolgte ersichtlich den Zweck, das Handelsvertreterverhältnis zu der E. H. Reisebüro
GmbH vollständig zu beenden und sodann auf der Grundlage der zur Einführung des
Nettorpreismodells konzipierten Vereinbarung über den Verkauf von M.-Flugscheinen
weiter mit ihr zusammenzuarbeiten. Dieser deutlich erkennbaren Absicht trägt der
Wortlaut jedoch nur unzureichend Rechnung, da nur von einem Passageagenturvertrag
gesprochen wird. Damit ist mangels eines eindeutigen Erklärungsinhalts entgegen der
Auffassung der Klägerin die Auslegungsbedürftigkeit des Kündigungsschreibens zu
bejahen. Auch im Hinblick auf die Auslegungsfähigkeit bestehen keine Bedenken, da
grundsätzlich auch widerspruchsvolle und scheinbar widersinnige Erklärungen
auslegungsfähig sind (Palandt-Heinrichs/Ellenberger, § 133 Rz. 6a).
118
bb)
119
Als empfangsbedürftige Willenserklärung ist die Kündigung so auszulegen, wie sie der
120
Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte
verstehen musste (st. Rspr.; vgl. Nachweise bei PalandtHeinrichs/Ellen-berger, § 133
Rz. 9).
(1)
121
Ausgangspunkt des eigentlichen Auslegungsvorgangs ist der Wortlaut der Erklärung.
Wie bereits oben dargelegt, stellt sich für einen Erklärungsempfänger, der wie die
Klägerin mit den näheren Umständen vertraut war, schon nach dem Wortlaut des
Kündigungsschreibens die Frage, ob nur der unmittelbar mit der E. H. Reisebüro GmbH
geschlossene Passageagenturvertrag vom 03.09.1984 oder auch der ursprünglich mit
der U. Reisebüro GmbH geschlossene, aufgrund der Verschmelzung aber auf die E. H.
Reisebüro GmbH übergegangene Passageagenturvertrag vom 15.06.1983 gekündigt
werden sollte.
122
(2)
123
Nach der Ermittlung des Wortlauts sind in einem zweiten Auslegungsschritt die
außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung
einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.
Hier ist zunächst der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen, in dem das
Kündigungsschreiben vom 18.02.2004 steht.
124
Die Beklagte wollte zum 01.09.2004 den Vertrieb von Flugscheinen über
Handelsvertreter abschaffen und stattdessen das sog. Nettopreismodell einführen und
hat dies – wie andere Fluggesellschaften auch – tatsächlich auch getan. Dies hatte die
Beklagte der Klägerin vorab mit Schreiben vom 30.12.2003 sowie erneut in dem
Kündigungsschreiben selbst angekündigt. Ob die Klägerin darüber hinaus die externen
Veröffentlichungen in der Presse zur Kenntnis genommen hatte, spielt keine Rolle, da
sie bereits durch die ihr unmittelbar zugegangenen Erklärungen hinreichend darüber
informiert war, dass das bisherige Vertriebsmodell keinen Bestand haben sollte.
Darüber hinaus ist ihren eigenen Schreiben vom 12.04.2004 zu entnehmen, dass sie
die Ankündigung der Beklagten auch ernst genommen und die Kündigung der
bestehenden Passageagenturverträge erwartet hat. Bereits diese Umstände sprechen
dafür, dass die Klägerin das Schreiben vom 18.02.2004 als umfassende Kündigung, die
sich auf sämtliche ein Handelsvertreterverhältnis mit der Beklagten begründende
Verträge bezog, auffassen musste.
125
Soweit die Beklagte ihre Schreiben vom 30.12.2003 noch gesondert an die U.
Reisebüro GmbH und an die E. H. Reisebüro GmbH gerichtet hatte, spricht dies
möglicherweise dafür, dass die Klägerin auch mit gesonderten Kündigungsschreiben
rechnen konnte, zumal die Klägerin mit getrennten Schreiben vom 12.02.2004, eins
davon unter dem allerdings nicht mehr zutreffenden Briefkopf der U. Reisebüro GmbH,
geantwortet hatte. Den Schreiben vom 30.12.2003 kann für die Auslegung des
Kündigungsschreibens vom Empfängerhorizont aber nur untergeordnete Bedeutung
zukommen, da zum Zeitpunkt der Kündigung im Februar 2004 – wie auch die Klägerin
wissen musste – aufgrund der Verschmelzung nur noch die E. H. Reisebüro GmbH
Vertragspartnerin der Beklagten war, die Beklagte ihr Kündigungsschreiben also – in
Übereinstimmung mit der inzwischen erfolgten Veröffentlichung im IATA Y. - an die
richtige Adressatin gerichtet hat. Die Klägerin kann sich gegenüber der Beklagten auch
nicht darauf berufen, dass ihr die Veröffentlichung im IATA Y. unbekannt gewesen sei,
126
da die darin veröffentlichten Veränderungen ausweislich der von der Klägerin
vorgelegten Auszügen aus den IATA-Resolutionen von den Reisebüros selbst zu
veranlassen waren (vgl. Ablichtung Bl. 150 GA). Soweit in dem IATA Y. ein späterer
Zeitpunkt für das Wirksamwerden der Verschmelzung genannt ist, kann sich dies nicht
zum Vorteil der Klägerin auswirken, da sich die Beklagte bei einer rechtlich zutreffenden
Veröffentlichung möglicherweise von Anfang an mit ihrem Begehren auf Neugestaltung
der vertraglichen Beziehungen allein an die E. H. Reisebüro GmbH gewandt hätte.
Auch auf die genaue Bedeutung der IATA-Nummern kommt es nicht entscheidend an.
Auch wenn es sich – wie von der Klägerin behauptet – um Nummern handelt, die
bestimmten Verträgen zugeordnet werden, konnte die Klägerin das Schreiben der
Beklagten vom 18.02.2004 gleichwohl nur in der Weise verstehen, dass auch der
Vertrag, dessen Nummer nicht aufgeführt war, gekündigt werden sollte. Im Übrigen
spricht aber aufgrund der von den Parteien vorgelegten Unterlagen vieles dafür, dass
die IATA-Nummer nicht einem Vertrag, sondern – im Zusammenhang mit der
Akkreditierung – einem Reisebüro zugewiesen wird und insbesondere für die praktische
Abwicklung der Geschäfte von Bedeutung ist (vgl. insbesondere Anlagen K 9 und 10).
127
(3)
128
Von Bedeutung für die Auslegung kann ferner auch das Verhalten der Parteien nach
Wirksamwerden der Willenerklärung sein.
129
Zwischen der Beklagten und der Klägerin, d.h. der E. H. Reisebüro GmbH, bestand
nach der Kündigung vom 18.02.2004 Kontakt im Hinblick auf den Abschluss einer
Vereinbarung über den Verkauf von M.-Flugscheinen, der schließlich tatsächlich auch
zustande gekommen ist. In dieser Vereinbarung wird eindeutig festgestellt, dass kein
Handelsvertreterverhältnis zwischen den Parteien besteht und keine
Provisionsansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht werden können. Unabhängig
von der nunmehr von der Klägerin in der Berufungsinstanz aufgeworfenen Frage der
Wirksamkeit dieser Vereinbarung, spricht die Unterzeichnung dieser Vereinbarung
durch die Klägerin rein tatsächlich dafür, dass sie – ebenso wie die Beklagte - von einer
umfassenden Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses ausgegangen sein muss,
da es anderenfalls keine Grundlage für den Abschluss eines solchen Vertrags hätte
geben können. Die Klägerin hat sich ferner auch nicht klar dazu geäußert, ob sie – wie
von der Beklagten bereits erstinstanzlich in den Raum gestellt – nicht auch in ihrer
Zweigniederlassung für die Vermittlung von M. Flugreisen von ihren Kunden Gebühren
verlangt, die unter der Geltung des alten Vertrages nicht beansprucht wurden, d.h. auch
in ihrer Zweigniederlassung jedenfalls nach außen hin auf der Grundlage der neuen
Vereinbarung agiert.
130
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich auch aus Ziffer 6. der Vereinbarung
über den Verkauf von M.-Flugscheinen gerade nicht herleiten, dass die Beklagte
möglicherweise einige Passageagenturverträge unverändert bestehen lassen wollte.
Vielmehr macht die Regelung in Ziffer 6. ohne jeden Zweifel deutlich, dass die Beklagte
gerade ausschließen wollte, dass – möglicherweise versteckte oder zunächst
übersehene – vertragliche Vereinbarungen, die mit dem neuen Nettopreismodell nicht
vereinbar sind, fortbestehen können. Gerade Ziffer 6. der Vereinbarung, die der Klägerin
aufgrund des mit dem Schreiben vom 30.12.2003 übersandten Entwurfs der
Vereinbarung bei Zugang der Kündigungserklärung bereits bekannt war, musste für die
Klägerin deutlich machen, dass es der Beklagten entscheidend auf eine komplette
131
Umstellung des Vertriebsmodells ankam.
Demgegenüber lässt der Umstand, dass die Beklagte auch nach Ausspruch der
Kündigung noch gesonderte Mitteilungen an die Haupt- und die Zweigniederlassung
gerichtet hat, nicht zwingend auf eine nur auf einen der beiden Passageagenturverträge
beschränkte Kündigung schließen, zumal es in diesem Zusammenhang nicht um die
vertraglichen Grundlagen der Zusammenarbeit, sondern eher um Fragen der
Geschäftsabwicklung ging. Dies gilt ebenso für die noch heute getrennt nach
Reisebüros vorgenommenen Abrechnungen gemäß Anlagen K 19 bis 22, auf die die
Klägerin sich nunmehr mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 30.10.2008 bezieht.
Die getrennten Abrechnungen erklären sich aus Sicht des Senats im Übrigen daraus,
dass die beiden Reisebüros der Klägerin nach wie vor ihre Geschäfte unter gesonderten
IATA-Nummern abwickeln und die Abrechnung ausweislich der vorgelegten
Ablichtungen über die BSP-Germany, d.h. die Abrechnungsstelle der IATA, durchgeführt
wird.
132
(4)
133
Zu berücksichtigen ist schließlich auch und vor allem die bestehende Interessenlage
und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck, wobei eine nach beiden Seiten
interessengerechte Auslegung geboten ist.
134
Dass das Interesse der Beklagten auf eine vollständige Beendigung des
Handelsvertreterverhältnisses mit der E. H. Reisebüro GmbH gerichtet war, steht außer
Zweifel. Aber auch das Interesse der E. H. Reisebüro GmbH war – zumindest objektiv -
auf eine saubere Klärung der vertraglichen Verhältnisse gerichtet. Wie sich aus den
nachfolgenden Abläufen ergibt, war auch sie weiterhin an einer Zusammenarbeit
interessiert. Zwar mochte der Klägerin der Fortbestand eines der beiden
Passageagenturverträge möglicherweise zunächst wirtschaftlich verlockend
erscheinend. Im Ergebnis konnte dies aber den Interessen der Klägerin kaum dienlich
sein, da sie damit rechnen musste, dass die Beklagte einen solchen Rechtszustand
nicht dauerhaft hinnehmen würde. Selbst wenn es nicht zu dem vorliegenden Verfahren
und dem beim Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt/Main vorangegangenen
Rechtsstreit über die Reichweite der Kündigung gekommen wäre, war auf jeden Fall
damit zu rechnen, dass die Beklagte von der Anpassungsklausel gemäß Ziffer 6. der
Vereinbarung Gebrauch machen würde, was ebenfalls zu entsprechenden
Rechtsstreitigkeiten hätte führen können. Im Ergebnis würde deshalb eine
einschränkende Auslegung der Kündigungserklärung vom 18.02.2004 der Klägerin nur
vordergründig dienen.
135
(5)
136
Auch der Gesichtspunkt der Verkehrssitte vermag kein der Klägerin günstiges
Auslegungsergebnis zu rechtfertigen. Dabei mag zugunsten der Klägerin unterstellt
werden, dass es im Allgemeinen durchaus der Verkehrssitte und dem Handelsbrauch
entspricht, gesondert bestehende Verträge schon aus Gründen der Übersichtlichkeit und
Klarheit auch durch gesonderte Schreiben zu kündigen oder aber – wenn die
Kündigung durch ein einheitliches Schreiben erfolgt - zumindest die Verträge im
Einzelnen zu bezeichnen. Hieraus allein lässt sich jedoch nicht herleiten, dass ein
Kündigungsschreiben, das weniger präzise abgefasst ist, nicht gleichfalls mit
hinreichender Klarheit die Kündigung beider Verträge zum Ausdruck bringt, wenn – wie
137
hier – alle sonstigen Umstände für eine umfassende Kündigung sprechen.
Jedenfalls kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entscheidend auf die
Kündigungsschreiben der anderen Fluggesellschaften abgestellt werden. Die von der
Klägerin erstinstanzlich zum Nachweis der von ihr behaupteten Verkehrssitte
vorgelegten Schreiben (Bl. 17 ff. AH I) sind hierzu gänzlich ungeeignet. Bei dem
Schreiben der S. vom 11.06.2007 (Bl. 17 AH) wird nicht deutlich, ob die Fluggesellschaft
überhaupt von der durchgeführten Verschmelzung Kenntnis hatte. Die beiden Schreiben
Bl. 18 und 19 AH I sind jeweils an die "E." bzw. an die E. H. Reisebüro GmbH gerichtet
und unterscheiden sich nicht von dem Schreiben der M. vom 18.02.2004, wenn man
absieht von dem Umstand, dass überhaupt keine IATA-Nummer angegeben ist. Auch
die im Berufungsrechtszug vorgelegten Schreiben vermögen den Vortrag der Klägerin,
es sei im Kreis der Fluggesellschaften klar gewesen, dass die Verträge gesondert
hätten gekündigt werden müssen, nicht zu stützen. Das Schreiben der C. gemäß Anlage
K 6 nimmt den durch die Verschmelzung eingetretenen Übergang des Vertrages nicht
zur Kenntnis. Anlage K 7 steht sogar im klaren Widerspruch zu den Ausführungen der
Klägerin, da die Z. eine Kündigung – und zwar ohne Nennung von IATA-Nummern und
im Singular – ausdrücklich nur gegenüber der E. H. Reisebüro GmbH ausgesprochen
und die Zweigniederlassung hierüber lediglich informiert hat.
138
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist deshalb im Ergebnis festzustellen, dass das
Landgericht, auf dessen Ausführungen der Senat ergänzend Bezug nimmt, das
Schreiben der Beklagten vom 18.02.2004 zu recht in der Weise ausgelegt hat, dass die
Klägerin die Erklärung der Beklagten als Kündigung auch des ursprünglich mit der U.
Reisebüro GmbH geschlossenen Passageagenturvertrages auffassen musste. Eine
derartige Auslegung geht entgegen dem Berufungsvorbringen der Klägerin auch nicht
über die rechtlich zulässigen Grenzen der Auslegung hinaus. Es wird der
Kündigungserklärung nichts "untergeschoben", was nicht damit gemeint gewesen sein
kann. Vielmehr wird schon durch den Inhalt des Schreibens vom 18.02.2004
("einheitliche Einführung des Nettopreismodells") die Frage der Reichweite der
Kündigungserklärung aufgeworfen.
139
5.
140
Selbst bei abweichender Auslegung des Kündigungsschreibens aber könnte sich die
Klägerin auf Rechte aus dem ursprünglich mit der U. Reisebüro GmbH geschlossenen
Passageagenturvertrag nicht mehr berufen.
141
Ob der Vereinbarung über den Verkauf von M.-Flugscheinen – wie die Beklagte meint -
eine konkludente Aufhebung eines ggf. noch fortbestehenden Passageagenturvertrages
entnommen werden kann, mag zwar zweifelhaft erscheinen. Jedenfalls aber haben sich
die Parteien gemäß der bereits angesprochenen Ziffer 6. der Vereinbarung über den
Verkauf von M.-Flugscheinen verpflichtet, etwaige andere zwischen ihnen
geschlossene Verträge, die im Zusammenhang mit der Vermittlung von M. Flugscheinen
stehen, bei Bedarf dergestalt anzupassen, dass sie mit den Anforderungen der neuen
Vereinbarung in Einklang stehen. Spätestens als die Beklagte die von der Klägerin auf
der Grundlage des Passageagenturvertrages vom 15.06.1983 geltend gemachten
Provisionsansprüche erstmals unter Hinweis auf die vollständige Umstellung des
Vertriebssystems zurückwies, hat sie zumindest konkludent eine entsprechende
Anpassung des alten Passageagenturvertrages verlangt. Die Klägerin war aufgrund von
Ziffer 6. der Vereinbarung verpflichtet, diesem Anpassungsbegehren zu entsprechen.
142
Da die Zweigniederlassung U. Reisebüro keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und
auch nicht ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich von Ziffer 6. der Vereinbarung
ausgenommen worden ist, kann sich die Klägerin insbesondere nicht darauf berufen,
Ziffer 6. der Vereinbarung betreffe nicht die im Betrieb der Zweigniederlassung
getätigten Geschäfte, zumal sie selbst den Stempel "Betriebsstätte: B. 83, XXXXXX V."
auf das von ihr unterzeichnete Vertragsexemplar gesetzt hat ( "Betriebsstätte" ist ein
Begriff des Steuerrechts und umfasst u.a. auch Zweigniederlassungen, vgl. § 12 Abs. 2
AO). Die Klägerin widersetzt sich bis heute ihrer Anpassungsverpflichtung, wie sich
nicht zuletzt aus dem vorliegenden Rechtsstreit ergibt. Sie kann sich jedoch wegen ihrer
aus Ziffer 6. resultierenden Verpflichtung nach Treu und Glauben nicht auf die bislang
nicht erfolgte Anpassung berufen, sondern muss sich gemäß § 242 BGB den Einwand
der Arglist entgegen halten lassen, da die Beklagte die von der Klägerin nunmehr
geforderten Provisionen von dieser wegen Verletzung der Verpflichtung gemäß Ziffer 6.
der Vereinbarung über den Verkauf von M.-Flugscheinen im Wege des
Schadensersatzes wieder zurückverlangen könnte ("dolo agit qui petit quod statim
redditurus est").
Mit der von der Klägerin erstmals im Berufungsverfahren aufgeworfenen Frage der
Unwirksamkeit der Vereinbarung über den Verkauf von M.-Flugscheinen braucht sich
der Senat insoweit nicht zu befassen, wie die Klägerin sich auf neuen und von der
Beklagten bestrittenen Sachvortrag stützt. Dies betrifft insbesondere den gesamten
Komplex der von der Klägerin angeblich im Interesse der Beklagten wahrgenommenen
Tätigkeiten und dem daraus von der Klägerin abgeleiteten Verstoß gegen das
Äquivalenzprinzip.
143
Im Übrigen ist folgendes festzustellen:
144
Dass die vertragliche Regelung nicht dem gesetzlichen Leitbild des
Handelsvertreterrechts entspricht, kann schon deshalb keine Unwirksamkeit gemäß §
307 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründen, da die Parteien ein Handelsvertreterverhältnis
ausweislich des Inhalts der Vereinbarung ausdrücklich nicht begründen wollten und
auch die typischen wechselseitigen Pflichten aus einem derartigen Verhältnis –
Vermittlungspflicht auf Seiten des Handelsvertreters und Provisionszahlungspflicht auf
Seiten des Prinzipals – ausdrücklich ausgeschlossen haben.
145
Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB scheidet
aus. Der Vereinbarung über den Verkauf von M.-Flugscheinen lässt sich nach
Auffassung des Senats mit nicht zu überbietender Deutlichkeit entnehmen, dass
Vermittlungspflicht einerseits und Vergütungspflicht andererseits künftig nicht mehr
bestehen. Ferner ist in Ziffer 4. S. 2 der Vereinbarung eindeutig geregelt, dass Ziffer 9
der IATA-Resolution 824 ("remuneration") und Sektion 9 der IATA-Resolution 814
Attachment "A" nicht anwendbar sind. Bedenken könnten allenfalls im Hinblick auf die
Formulierung von Ziffer 4. S. 3 der Vereinbarung bestehen ("Nicht anwendbar sind
außerdem diejenigen Vorschriften, die Vertriebspflichten des Reisebüros gegenüber M.
und Vergütungspflichten für die Vermittlung von Flugreisen und … gegen M. begründen
können."). Hier zu verlangen, dass die angesprochenen Vorschriften im Einzelnen
aufgeführt werden, erscheint jedoch überzogen. Bei der Beurteilung, ob eine Regelung
dem Transparenzgebot genügt, ist nämlich nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern
auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen
(Palandt-Grüneberg, § 307 Rz. 19). Die Vereinbarung über den Verkauf von M.-
Flugscheinen richtet sich ausschließlich an IATA-akkreditierte Reisebüros. Von
146
derartigen, in der Vermittlung von Flugreisen erfahrenen und mit dem Regelwerk der
IATA vertrauten Kaufleuten kann erwartet werden, dass sie auch ohne ausdrückliche
Auflistung erkennen, welche Vorschriften der IATA-Resolutionen Vermittlungs- bzw.
Vergütungspflichten zum Gegenstand haben. Die Klägerin hat im Übrigen auch selbst
nicht vorgetragen, dass es im Hinblick auf die vermeintliche Unklarheit der Regelung in
der Anwendung der nunmehr bereits seit 4 Jahren praktizierten Vereinbarung über den
Verkauf von M.-Flugscheinen zu Schwierigkeiten gekommen ist. Allenfalls aber könnte
eine Unklarheit der Ziffer 4. S. 3 zur Unwirksamkeit dieser einzelnen Vertragsklausel,
nicht aber zur Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung führen.
Auch im Übrigen ist auf der Grundlage des vom Senat zu berücksichtigenden
Tatsachenstoffes eine vollständige Unwirksamkeit der Vereinbarung über den Verkauf
von M.-Flugscheinen nicht zu erkennen, so dass von der Verbindlichkeit von Ziffer 6.
dieser Vereinbarung auszugehen ist.
147
III.
148
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.10, 711
ZPO.
149
IV.
150
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Der Senat
weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofes ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den
Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, da Kern des Rechtsstreits die Auslegung
einer vertraglichen Willenserklärung ist.
151
V.
152
Streitwert für das Berufungsverfahren : 200.000,00 EUR
153
Der Streitwert für das Berufungsverfahren bestimmt sich gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG
allein nach den Anträgen zu 1) bis 9), da über den Hilfsantrag zu 10) keine
Entscheidung ergangen ist. Die von der Klägerin in zweiter Instanz vorgenommenen
Klageerweiterungen führen nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts gegenüber der
ersten Instanz, da sämtliche Anträge wertmäßig in der bereits erstinstanzlich anhängig
gewesenen umfassenden Feststellungswiderklage der Beklagten aufgehen.
154