Urteil des OLG Köln vom 05.06.1992

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Oberlandesgericht Köln, 19 U 253/91
Datum:
05.06.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 253/91
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 134/91
Schlagworte:
merkantiler Minderwert Luxusfahrzeug
Normen:
BGB § 249
Leitsätze:
Bei der Berechnung des merkantilen Minderwertes eines
unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges ist der Schätzung eines
Sachverständigen, der das Fahrzeug begutachtet hat, der Vorrang vor
tabellarischen Berechnungsmethoden zu geben. Dies gilt insbesondere
dann, wenn es sich um einen gesuchten Fahrzeugtyp der Luxusklasse
handelt, der nach ordnungsgemäß behobenem Unfallschaden ohne
nennenswerten Preisabschlag verkauft werden kann.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Oktober 1991 verkündete
Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 134/91 - wird auf
ihre Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Eine Wertminderung von mehr
als 5.000,-- DM hat der PKW Daimler-Benz 300 SL-420 bei dem Unfall vom 11. Oktober
1990 nicht erlitten.
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Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung die Ansicht vertritt, auf den Minderwert
komme es nicht an, weil sie Anspruch auf eine Abrechnung auf Neu-wagenbasis habe,
vermag der Senat dem nicht zu fol-gen. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Vor-
aussetzungen für eine derartige Abrechnung liegen nicht vor. Bei einer Laufleistung
zwischen 1.000 und 3000 km - der PKW der Klägerin war 2.121 km ge-fahren - kann
danach nur beim Vorliegen besonderer Umstände eine Abrechnung auf
Neuwagenbasis in Be-tracht kommen. Voraussetzung ist, daß bei objekti-ver
Beurteilung der frühere Zustand durch die Repa-ratur auch nicht annähernd
wiederhergestellt werden kann. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wird dies vor
allem dann der Fall sein, wenn entweder
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a) Teile beschädigt worden sind, die für die Sicherheit des Fahrzeugs von Bedeutung
sind,
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und trotz Reparatur ein Unsicherheitsfaktor
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bleibt;
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b) nach durchgeführter Reparatur erhebliche Schön-
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heitsfehler am PKW zurückbleiben oder
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c) eine Beschädigung stattgefunden hat, welche
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Garantieansprüche des Eigentümers zumindest
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beweismäßig gefährden kann, und der Haftpflicht- versicherer des Schädigers nicht
alsbald nach
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dem Unfall verbindlich seine Einstandspflicht
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für einen solchen Fall anerkennt (NJW 1982, 433).
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Für die zu b) und c) aufgeführten Tatbestände ist von vornherein nichts ersichtlich. Aber
auch die Voraussetzungen zu a) werden durch die Feststellun-gen des
Sachverständigen May in Bad Hersfeld nicht gedeckt. Hiernach hatte zwar das
Fahrzeug an der Frontseite erhebliche Beschädigungen erlitten, Kon-struktions- und
Anbauteile im Schadensbereich waren deformiert. Die vom Sachverständigen sodann
im ein-zelnen aufgeführten Instandsetzungsarbeiten betref-fen aber im wesentlichen
nicht konstruktive Einzel-teile. Darüber hinaus sollten die Längsträger vorne links und
vorne rechts sowie der Querträger unten instand gesetzt werden. Daß "trotz Reparatur
ein Unsicherheitsfaktor bleibe", ist daraus nicht zu erkennen. Der Sachverständige hat
nicht einmal eine Vermessung des Fahrzeugs für erforderlich gehalten.
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Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die Klägerin überhaupt auf
Neuwagenbasis abrechnen könnte, nachdem sie bisher und auch in erster Instanz mit
dem Beklagten auf Reparaturkostenbasis abgerechnet hat. Bis wann hier eine
Wahlmöglichkeit besteht, ist im einzelnen umstritten, braucht aber nicht vertieft zu
werden.
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Es kommt also darauf an, wie die Wertminderung im Rahmen der Abrechnung nach
Reparaturkosten anzuset-zen ist. Eine allgemeine anerkannte Schätzungsme-thode gibt
es bisher nicht, jedoch wird wohl über-wiegend auch in der Rechtsprechung die
Methode von Ruhkopf und Sahm angewendet, die auch der Bundes-gerichtshof als
brauchbar angesehen hat (NJW 1980, 281; OLG Saarbrücken DAR 1989, 345; Geigel-
Rixek-ker, Haftpflichtprozeß 20. Aufl., Kapitel 4, Rdn. 34; Palandt-Heinrichs, BGB 51.
Aufl., § 251 Rdn. 22; Staudinger-Medicus, BGB 12. Aufl., § 251 Rdn. 35; und andere).
Jedoch ist auch anerkannt, daß immer die besonderen Umstände des Einzelfalles zu
berücksichtigen sind, so daß der Schätzung des mer-kantilen Minderwertes durch einen
Sachverständigen gegenüber tabellarischen Berechnungsmethoden der Vorrang
gebührt (OLG Saarbrücken a.a.O.; siehe auch Soergel/Martens, BGB 12. Aufl., § 249
Rdn. 85).
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Im vorliegenden Fall ist unstreitig und auch aus dem Sachverständigengutachten in
Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 13. Dezember 1990 zu
entnehmen, daß der von der Klägerin gefahrene Fahrzeugtyp wegen der langen
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Lieferfristen und der erheblichen Nachfrage im Wiederbeschaffungs-wert etwa 30.000,--
DM bis 40.000,-- DM höher lag als im Neupreis. Dieser, den die Klägerin nicht mitgeteilt
hat, muß nach den Angaben des Sachverständigen bei 130.000,-- DM brutto gele-gen
haben (160.000,-- DM ./. 30.000,-- DM oder 170.000,-- DM ./. 40.000,-- DM). Das
bedeutet, daß der Käufer des beschädigten Fahrzeuges bei ei-nem Kaufpreis von
120.000,-- DM brutto unter Einrechnung der notwendigen Reparaturen von rund 25.000,-
- DM noch erheblich mehr als den aktu-ellen Neupreis gezahlt hat. Dem entspricht die
Feststellung bei Geigel/Rixecker a.a.O. (Rdn. 38), daß marktgängige oder gar
ausgesprochen gesuchte Fahrzeuge bei ordnungsgemäß behobenem Unfallschaden
praktisch ohne Preisabschlag gehandelt werden. Dies wiederum wird bestätigt durch
die in dem Schreiben des Sachverständigen vom 13. Dezember 1990 geäußer-te
Auffassung, daß bei entsprechendem Verhandlungs-geschick des Verkäufers ein
Minderwert möglicher-weise überhaupt nicht mehr zum Tragen komme. Be-rücksichtigt
man darüber hinaus, daß der Wiederbe-schaffungswert nach Darstellung des
Sachverständi-gen eine fallende Tendenz aufwies, so kann aus al-lem der Schluß
gezogen werden, daß der vom Landge-richt im Anschluß an den Sachverständigen
zuerkann-te Minderwert von 5.000,-- DM gerechtfertigt ist. Es trifft eben gerade nicht zu,
daß ein derartig gesuchtes Fahrzeug einen deutlichen Mehrpreis über dem Listenpreis
nur erzielen könne, wenn es kein Unfallfahrzeug ist. Schon der von der Klägerin für das
nicht reparierte Fahrzeug erzielte Preis wider-legt diese Behauptung.
Da die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben konnte, hat sie ihre Kosten nach § 97
Abs. 1 ZPO zu tragen.
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Das Urteil ist nach den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vor-läufig vollstreckbar.
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Wert der Beschwer der Klägerin: 7.500,-- DM.
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