Urteil des OLG Köln vom 14.05.2008

OLG Köln: verzicht, erfüllung, missbrauch, gebühr, rechtsmittelinstanz, beschränkung, ausschluss, vergütung, vergleich, entstehung

Oberlandesgericht Köln, 10 WF 90/08
Datum:
14.05.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 WF 90/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 24 F 220/06
Tenor:
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin
wird der Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 15. März 2008 (24 F
229/06) aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Auf die Erinnerung der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin wird
der Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 29. Januar 2008 (24 F
229/06) insoweit aufgehoben als er die Festsetzung der
Einigungsgebühr ablehnt. Zugunsten des Prozessbevollmächtigten der
Antragstellerin wird die Vergütung in Höhe weiterer 85,00 € nebst
hierauf entfallender gesetzlicher Mehrwertsteuer in Höhe von 16,15 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die aufgrund Zulassung durch das Amtsgericht zulässige (§§ 33 Abs. 2, 56 Abs. 2 RVG)
Beschwerde ist begründet. Durch den im Termin am 12. Oktober 2007 geschlossenen
Vergleich ist die vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in Ansatz gebrachte
Einigungsgebühr angefallen. Gemäß Nr. 1000 VV-RVG entsteht die Einigungsgebühr
für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die
Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der
Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
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Ob bzw. wann bei einem wechselseitig vereinbarten Verzicht auf die Durchführung des
Versorgungsausgleichs eine Einigungsgebühr anfällt, ist umstritten. Das
Oberlandesgericht Karlsruhe (FamRZ 2007, 843 f.; ebenso wohl das Oberlandesgericht
Stuttgart FamRZ 2007, 232 f.) vertritt die Ansicht, dass in einem solchen Fall die
Einigungsgebühr generell nicht ausgelöst wird. Es liege kein gegenseitiges Nachgeben
vor, da letztlich nur eine der Prozessparteien vollständig auf den ihr allein zustehenden
Ausgleich verzichte. Demgegenüber sehen die Oberlandesgerichte Düsseldorf (OLGR
2008, 260 f.) und Celle (FamRZ 2007, 2001) die Einigungsgebühr jedenfalls dann als
angefallen an, wenn die Person des Ausgleichsberechtigten noch nicht feststeht.
Darüber hinausgehend bejaht das Oberlandesgericht Nürnberg die Entstehung der
Einigungsgebühr auch dann, wenn zwar die Person des Ausgleichsberechtigten
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feststeht, nicht jedoch die Höhe des Ausgleichs oder seine Durchführung überhaupt (im
konkreten Fall weil eine Billigkeitsregelung nach § 1587c BGB im Raum stand; ebenso
wohl Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., VV 1000 Rn. 26, sowie das Oberlandesgericht
Hamm FamRB 2007, 171 f., und im Verfahren 6 WF 91/07, zitiert bei juris). Teile der
Literatur sprechen sich schließlich grundsätzlich für eine Einigungsgebühr aus
(Göttlich/Mümmler-Rehberg/Xanke, RVG, "Versorgungsausgleich" Anm. 1.2.4;
Schneider/Wolf, RVG, 3. Aufl. VV 1000 Rn. 104).
Im vorliegenden Fall ist der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Düsseldorf und
Celle zu folgen, wobei dahinstehen kann, ob die noch weitergehenden Ansichten
ebenfalls überzeugen. Der Gebührentatbestand ist hier sowohl nach dem Wortlaut der
Norm als auch nach deren Sinn und Zweck erfüllt.
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Die von den Parteien getroffene und familiengerichtlich genehmigte Vereinbarung über
den Ausschluss des Ausgleichs nach § 1587o BGB hat eine zuvor bestehende
Rechtsunsicherheit beseitigt. Es war zum Zeitpunkt der Einigung offen, ob überhaupt ein
Ausgleichsanspruch bestand und wer gegebenenfalls ausgleichsberechtigt sein würde.
Ausweislich des Verhandlungsprotokolls hatten beide Parteien darauf hingewiesen,
"keine oder kaum" versicherungspflichtige Tätigkeiten während der Ehezeit ausgeübt zu
haben. Beide Parteien haben auf das andernfalls von Amts wegen durchzuführende
Versorgungsausgleichsverfahren verzichtet.
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Ein solcher bereits vor der Ermittlung des Wertunterschiedes wechselseitig getroffener
Verfahrensverzicht geht inhaltlich über einen nur einseitigen Anspruchsverzicht i.S.d.
Nr. 1000 VV-RVG hinaus. Dies hat bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf (a.a.O.) in
seinen umfassenden Entscheidungsgründen, auf die inhaltlich Bezug genommen wird,
überzeugend ausgeführt. Durch Nr. 1000 VV-RVG ist die Vergleichsgebühr des § 23
BRAGO ersetzt und inhaltlich insoweit erweitert worden, als nun kein gegenseitiges
Nachgeben mehr vorausgesetzt wird. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, in den
Fällen, in denen nach § 23 BRAGO eine Vergleichsgebühr zugebilligt worden ist (so für
eine genehmigte Ausschlussvereinbarung bei bestehenden Unsicherheiten über die
Person des Ausgleichspflichtigen und/oder die Durchführung des
Versorgungsausgleichs z.B. das Oberlandesgericht Saarbrücken, JurBüro 1991, 378 ff.,
und das Oberlandesgericht Zweibrücken, JurBüro 1983, 226 f.) die Einigungsgebühr
nicht zu versagen. Die neu in den Gesetzeswortlaut aufgenommene Beschränkung,
dass der Vertrag nicht ausschließlich ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beinhalten
darf, soll nicht den früheren Gebührentatbestand beschneiden sondern einem
Missbrauch vorbeugen. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, nach der ein
vollständiges Anerkenntnis oder ein vollständiger Verzicht - bei dem ein gegenseitiges
Nachgeben i.S.d. früheren Rechtslage bereits im Ansatz ausgeschlossen war - nicht für
den zusätzlichen Anfall einer Einigungsgebühr ausreichen soll, damit nicht schon die
Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder der Verzicht auf die Weiterverfolgung
eines Anspruchs die Gebühr auslösen kann. Ein solcher Missbrauchsfall liegt hier
gerade nicht vor. Vielmehr ist der Regelungszweck, einen Prozessvergleich zu
honorieren, weil dadurch einer Fortsetzung des Streits vorgebeugt und die
Rechtsmittelinstanz verhindert wird (s. Hartmann, a.a.O., Rn. 2), in Fällen der
vorliegenden Art erfüllt.
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Der Gegenstandswert für die Folgesache Versorgungsausgleich beträgt 1.000,00 €, so
dass die Einigungsgebühr antragsgemäß festzusetzen war.
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Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs.
2 RVG.
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