Urteil des OLG Köln vom 14.01.2000

OLG Köln: wirtschaftliches interesse, vervielfältigung, verbreitung, gewerblicher rechtsschutz, schutzwürdiges interesse, nutzungsrecht, inhaber, datenbank, ermächtigung, werbung

Oberlandesgericht Köln, 6 U 73/99
Datum:
14.01.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 73/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 0 314/98
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.12.1998 verkündete Urteil
der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 0 314/98 - geändert. 1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollstrecken an dem
Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, ohne Einwilligung der
W.-V. Verlag GmbH, Postfach ....., ..... W., Beiträge, bei denen der Autor
die Druckfertigerklärung unterschrieben hat, und/oder bearbeitete
Entscheidungen, die in den Fachzeitschriften GRUR und GRUR INT
erschienen sind, im Rahmen des C. Recherche-Service für Juristen für
Dritte zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen
und/oder verbreiten zu lassen und/oder für derartige Beiträge und/oder
bearbeitete Entscheidungen zu werben, wie nachstehend
wiedergegeben: pp. 2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet
ist, der W.-V. Verlag GmbH, Postfach ....., ..... W., den Schaden zu
ersetzen, der dieser durch die vorstehend bezeichneten
Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen entstanden ist und/oder
noch entstehen wird. 3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht
der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die
Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs
120.000,00 DM und hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs
weitere 22.000,00 DM. Beiden Parteien wird gestattet, die
Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete und
unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der
Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen
Kreditinstituts zu erbringen.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der die Redaktion der monatlich erscheinenden
Zeitschriften Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) und GRUR INT
(GRUR INT) bildet. Die Veröffentlichung der Zeitschriften erfolgt über den Verlag W.-V.
2
in W.. Dieser ist im Impressum der Zeitschrift GRUR als Copyright-Inhaber angegeben.
Die Beklagte ist ein Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in Köln, das unter der
Firmenbezeichnung "C." gegen Bezahlung Rechercheleistungen in juristischen
Datenbeständen durchführt. Der Interessent gibt zum Beispiel an, er wolle wissen, ob
eine vom Wohnzimmer nicht abgetrennte Fläche steuerlich ein Arbeitszimmer sein
könne. Mittels eines in der Berufungserwiderung vom 05.07.1999, auf die wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird (Blatt 142 ff. d.A.), in seinen wesentlichen Zügen
beschriebenen Verfahrens sucht die Beklagte mit spezieller Software nach Fundstellen,
die sich mit diesem Thema befassen und die die Frage des Interessenten möglichst
beantworten. Alsdann stellt die Beklagte dem Interessenten die entsprechenden
Aufsätze, Entscheidungen etc. auch in Papierform zur Verfügung, indem sie die
entsprechenden Entscheidungen, Aufsätze etc. unter anderem aus den Zeitschriften
GRUR und GRUR INT kopiert und diese Kopien alsdann dem Interessenten
übersendet. Dabei herrscht in tatsächlicher Hinsicht zwischen den Parteien Streit
darüber, ob die Beklagte die jeweiligen Kopien aus öffentlichen Bibliotheken etc.
beschafft oder die Zeitschriften vorrätig hält und ob sie die Kopien nur dann anfertigt,
wenn der Interessent nach Mitteilung des Rechercheergebnisses ausdrücklich um
Übersendung der gefundenen Entscheidungen/Aufsätze etc. in Papierform bittet.
3
Der Kläger hält die Vervielfältigung und die Verbreitung von Beiträgen und bearbeiteten
Entscheidungen aus der GRUR und der GRUR INT für unzulässig und hat im Wege der
gewillkürten Prozeßstandschaft für die W.-V. Verlag GmbH Unterlassungs-, Auskunfts-
und Schadenersatzfeststellungsansprüche geltend gemacht. Er hat die Auffassung
vertreten, die Beklagte verletze ihm - dem Kläger - zustehende urheberrechtliche
Rechtspositionen, indem sie ohne seine Einwilligung Aufsätze und
Entscheidungsbesprechungen aus den genannten Zeitschriften vervielfältige, diese
Vervielfältigungsstücke an den Interessenten übersende und diese Dienstleistungen
auch bewerbe. Auf den Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG könne
sich die Beklagte nicht berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen
Vorbringens des Klägers wird auf den Inhalt seiner Klageschrift vom 07.07.1998 (Blatt 1
ff. d.A.) und seiner Schriftsätze vom 28.10.1998 (Blatt 37 ff. d.A.) und 18.11.1998 (Blatt
59 ff. d.A.) verwiesen.
4
Nachdem die Beklagte unter gleichzeitiger Vorlage einer Auflistung (Anlage B 6 zur
Klageerwiderung vom 20.09.1998, Blatt 33 d.A.) vorgetragen hatte, sie habe insgesamt
nur 50 Kopien aus Werkstücken der Zeitschrift GRUR gefertigt und an Kunden gefaxt,
haben die Parteien den Auskunftsanspruch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor
dem Landgericht vom 04.11.1998 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt. Im übrigen hat der Kläger beantragt,
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1.
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu
unterlassen, ohne Einwilligung des Klägers Beiträge und/oder bearbeitete
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Entscheidungen, die in den Fachzeitschriften GRUR und GRUR INT erschienen
sind, unter Zuhilfenahme elektronischer Speichermedien oder in sonstiger Weise zu
vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder für die Lieferung derartiger Beiträge
zu werben,
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sowie
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2.
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festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm - dem Kläger - den Schaden zu
ersetzen, der ihm durch die vorstehend in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen
entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Zulässigkeit der Prozeßstandschaft und die Aktivlegitimation des Klägers in
Abrede gestellt und die Auffassung vertreten, das Kopierprivileg des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a
UrhG gestatte das mit der Klage angegriffene Verhalten. Wegen der weiteren
Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvorbringens der Beklagten wird der Inhalt ihrer
Klageerwiderungsschrift vom 20.09.1998 (Blatt 21 ff. d.A.) und ihrer Schriftsätze vom
02.11.1998 (Blatt 52 ff. d.A.) und 29.11.1998 (Blatt 67 f. d.A.) in Bezug genommen.
19
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten ebenfalls verwiesen
wird (Blatt 70 ff. d.A.), hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung
seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei zur
Geltendmachung der mit der Klage verfolgten urheberrechtlichen Ansprüche nicht
befugt. Dazu sei er weder aufgrund eigener Rechtsposition als Urheber bzw. als Inhaber
der Nutzungsrechte an den Veröffentlichungen in den Zeitschriften GRUR und GRUR
INT berechtigt, noch könne er im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft die dem
Verlag übertragenen Nutzungsrechte nach §§ 16, 17 UrhG im eigenen Namen geltend
machen; dafür fehle es an dem erforderlichen eigenen schutzwürdigen Interesse des
Klägers. Auch habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, daß der
Verlag die Nutzungsrechte auf ihn übertragen habe. Das von dem Kläger vorgelegte
Schreiben des Verlags vom 12.11.1998 (Blatt 62 d.A.) reiche hierzu nicht aus.
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Gegen das ihm am 13.01.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.02.1999 Berufung
eingelegt und diese nach mehrfacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis
zuletzt zum 29.04.1999 mit einem an diesem Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz
begründet.
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Der Kläger wiederholt, vertieft und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen und meint,
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aufgrund der bereits in erster Instanz vorgelegten Urkunde vom 12.11.1998 (Blatt 62
d.A.), jedenfalls aber in Verbindung mit der im Berufungsverfahren vorgelegten
"Erklärung" der W.-V. Verlag GmbH vom 19.05.1999 (Blatt 138 d.A.) und dem weiteren
Schreiben der W.-V. Verlag GmbH vom 18.08.1997 (Blatt 130 d.A.) könne seine
Prozeßführungsbefugnis nicht in Zweifel gezogen werden. Die W.-V. Verlag GmbH
habe ihn wirksam ermächtigt, die ihr zustehenden urheberrechtlichen Unterlassungs-
und Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Auch habe er ein eigenes wirtschaftliches
Interesse an der Durchsetzung des fremden Rechts, weil er - das hat die Beklagte im
Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.11.1999 ausdrücklich unstreitig gestellt -
an dem wirtschaftlichen Erfolg beider Fachzeitschriften beteiligt sei, indem die W.-V.
Verlag GmbH einen bestimmten Prozentsatz des Gewinns aus Herstellung und Vertrieb
der Zeitschriften GRUR und GRUR INT an ihn - den Kläger - abzuführen habe. Unter
Berufung auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs "CB-Infobank I und II" (BGH
NJW 1997, 1363 ff. und 1368 ff.) vertritt der Kläger im übrigen weiterhin die Auffassung,
er brauche die Vervielfältigung der Werkstücke aus den Zeitschriften GRUR und GRUR
INT nicht zu dulden.
Der Kläger beantragt,
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1.
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, jeweils zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu
unterlassen, ohne Einwilligung der W.-V. Verlag GmbH, Postfach ....., ..... W.,
Beiträge, bei denen der Autor die Druckfertigerklärung unterschrieben hat, und/oder
bearbeitete Entscheidungen, die in den Fachzeitschriften GRUR und GRUR INT
erschienen sind, im Rahmen des C. Recherche-Service für Juristen für Dritte zu
vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen und/oder verbreiten zu
lassen und/oder für derartige Beiträge und/oder bearbeitete Entscheidungen zu
werben, wie nachstehend wiedergegeben:
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(es folgt die im Urteilstenor bereits wiedergegebene, als Anlage BB 5 zum
Schriftsatz des Klägers vom 17.11.1999 zu den Akten gereichte konkrete
Verletzungsform(
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2.
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33
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der W.-V. Verlag GmbH, Postfach .....,
..... W., den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend bezeichneten
Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlungen entstanden ist und/oder noch
entstehen wird.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das
angefochtene Urteil. Sie rügt den Klageantrag als zu unbestimmt, zieht weiterhin die
Prozeßführungsbefugnis und die Aktivlegitimation des Klägers in Zweifel und vertritt die
Auffassung, das Kopierprivileg des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG berechtige sie zur
Vervielfältigung und Verbreitung von Werkstücken aus der GRUR und der GRUR INT.
Die Beklagte rügt, der Kläger habe die Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte an
den urheberrechtlich geschützten Beiträgen/überarbeiteten Entscheidungen auf die W.-
V. Verlag GmbH nicht schlüssig dargetan und behauptet, nicht jede im Rahmen des C.
Recherche-Service für Juristen durchgeführte Recherche führe zur Herstellung und
Versendung von Kopien der gefundenen Dokumente, und zwar selbst dann nicht, wenn
die Recherche erfolgreich gewesen sei. Vielmehr werde stets zunächst die
Computerrecherche durchgeführt, danach werde der Auftraggeber angerufen. Bejahe er
die Frage, ob das Rechercheergebnis als positiv gewertet werde, trage sie ihm die
Fundstellen vor. Der Interessent könne dann entscheiden, ob er diese selbst
nachschlagen wolle oder ob er die Telefaxübermittlung der zu den Fundstellen
gehörenden Entscheidungen/Aufsätze wünsche. Nur dann, wenn der Kunde dies
bejahe, finde die Übersendung von Telefaxkopien statt, nur dann würden solche Kopien
dem jeweiligen Kunden auch in Rechnung gestellt. Anders als in dem der Entscheidung
"CB-Infobank I" des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1997, 1363) zugrundeliegenden
Sachverhalt könne deshalb, so meint die Beklagte, nicht davon ausgegangen werden,
es handele sich um einen einheitlichen Recherche- und Kopierauftrag. Die vorgenannte
Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei deshalb nicht einschlägig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der
mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen. Der
nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 10.12.1999 (Blatt 224 ff. d.A.) und der
nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 16.12.1999 (Blatt 238 d.A.) haben
vorgelegen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Auf die in der Berufungsinstanz
gestellten, wenn nicht schon nach §§ 523, 264 Nr. 2 ZPO, dann aber jedenfalls nach §§
523, 263, 267 ZPO zulässigerweise geänderten Klageanträge war die Beklagte unter
gleichzeitiger Aufhebung des angefochtenen Urteils antragsgemäß zu verurteilen. Der
Unterlassungsanspruch wie auch der Schadenersatzfeststellungsanspruch ergibt sich
aus § 97 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 31 Abs. 1 und 3, 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 UrhG,
und - soweit der Kläger Unterlassung der im Urteilstenor wiedergegebenen Werbung
der Beklagten verlangt - aus § 1 UWG.
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Entgegen der von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung ist der
Unterlassungsklageantrag im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Vervielfältigung und/oder Verbreitung
bestimmter in der GRUR oder der GRUR INT veröffentlichter Publikationen zu
unterlassen. Durch ihre Zuordnung als Bestandteil der GRUR bzw. der GRUR INT ist
hinreichend konkret genug bestimmt, was nicht vervielfältigt und/oder verbreitet werden
soll. Eine darüber hinausgehende Bezeichnung der einzelnen Beiträge etwa nach ihrem
Erscheinungsdatum oder nach ihrem Titel und dem Autor bedarf es nicht. Soweit die
Beklagte in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, schon dem
Klageantrag des Klägers müsse als Kriterium der Bestimmtheit entnommen werden
können, ob es sich bei dem einzelnen Beitrag um ein urheberrechtsschutzfähiges Werk
handele und ob der W.-V. Verlag GmbH (im folgenden: "Verlag") hieran ein
ausschließliches Nutzungsrecht zugeordnet werden könne, vermag sich der Senat nicht
anzuschließen. Bei diesen Fragen handelt es sich vielmehr um Elemente des
materiellen Rechts, deren Fehlen die verfahrensrechtliche Zulässigkeit des Antrags
nicht berührt. Daß damit die Frage des Urheberrechtsverstoßes eines von der Beklagten
kopierten Artikels oder einer Entscheidung im Einzelfall in das Vollstreckungsverfahren
verlagert wird, steht der hinreichenden Bestimmtheit des begehrten gerichtlichen
Verbots nicht entgegen, weil die Beklagte generell für sich in Anspruch nimmt, auch
urheberrechtlich geschützte Beiträge nutzen zu können.
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Auch im übrigen kann die Zulässigkeit der Klage nicht in Zweifel gezogen werden. Dies
gilt namentlich für die zur Annahme einer zulässigen gewillkürten Prozeßstandschaft
notwendigen Voraussetzungen. Für eine wirksame Übertragung der
Prozeßführungsbefugnis des Rechtsinhabers auf einen Dritten verlangt die ganz
herrschende Auffassung in der Rechtsprechung und dem juristischen Schrifttum außer
der Ermächtigung des Rechtsinhabers zu Recht ein eigenes schutzwürdiges Interesse
des Ermächtigten an der Prozeßführung im eigenen Namen (vgl. nur BGH NJW 1995,
3186 sowie Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Auflage, vor § 50 Rdnr. 44, jeweils mit
weiteren Nachweisen). Im Streitfall bedarf es hierzu der Feststellung, daß zum einen der
Verlag Inhaber des ausschließlichen Rechts zur Vervielfältigung und Verbreitung der in
den Fachzeitschriften GRUR und GRUR INT veröffentlichten Beiträge und/oder
bearbeiteten Entscheidungen ist, zum anderen, daß der Verlag den Kläger wirksam
ermächtigt hat, das fremde Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Das Vorliegen
beider Voraussetzungen kann im Streitfall jedenfalls auf der Basis der geänderten,
schon dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers zur Prozeßstandschaft Rechnung
tragenden Klageanträge nicht in Zweifel gezogen werden. Inhaber der ausschließlichen
Nutzungsrechte an den in der GRUR und der GRUR INT veröffentlichten Beiträge und
bearbeiteten Entscheidungen im Sinne des § 31 Absätze 3 und 1 UrhG und damit
materiell Berechtigter im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist der Verlag. Diese
ausschließlichen Nutzungsrechte haben ihm die Autoren der in der GRUR und der
GRUR INT veröffentlichten Beiträge bzw. - hinsichtlich der bearbeiteten Entscheidungen
- die Redakteure als Urheber der Werke im Sinne des § 7 UrhG eingeräumt.
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Die in den beiden Fachzeitschriften veröffentlichten Beiträge und bearbeiteten
Entscheidungen nehmen, was die Beklagte zu Recht nicht in Zweifel zieht, gemäß § 2
Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 UrhG als Schriftwerke am Urheberrechtsschutz
teil. Zwar ist zu bedenken, daß es sich bei den Beiträgen der Autoren, zum Beispiel
Aufsätze oder Entscheidungsrezensionen, um wissenschaftliche Schriftwerke handelt,
deren Inhalt Gemeingut ist und deshalb jedermann frei zugänglich sein muß. Das
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schließt jedoch die Urheberrechtsschutzfähigkeit solcher Schriftwerke nach § 2 Abs. 1
Nr. 1 und Abs. 2 UrhG nicht aus. Denn nach allgemeiner Meinung (vgl. die Nachweise
bei Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 UrhG Rdnr. 58) kann die für die
Schutzfähigkeit erforderliche individuell-schöpferische Leistung bei Schriftwerken nicht
nur im Inhalt des Werks, sondern auch in der sich in der Sprachgestaltung
ausdrückenden Gedankenformung und Gedankenführung sowie in der schöpferischen
Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des vorhandenen Stoffs liegen. Ist aber
zur Beurteilung der Urheberrechtsfähigkeit eines wissenschaftlichen Schriftwerks auch
und gerade auf die Formgestaltung zurückzugreifen (BGH NJW 1997, 1363, 1366 =
GRUR 1997, 459, 461 - "CB-Infobank I"), kann weder die Urheberrechtsschutzfähigkeit
eines in den Fachzeitschriften GRUR und GRUR INT veröffentlichten Beitrags noch die
Urheberrechtsschutzfähigkeit der von den Redakteuren des Verlags etwa durch das
Verfassen von Leitsätzen bearbeiteten Entscheidungen in Zweifel gezogen werden.
Gerade wissenschaftliche Aufsätze besitzen in bezug auf die von der Gedankenführung
geprägte Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des vorhandenen Stoffs ein
hinreichendes Maß an Individualität. So behandelt der Autor regelmäßig ein konkretes
Thema, das nicht an bestimmte Vorgaben wie zum Beispiel einem zwingend
vorgegebenen logischen Aufbau anknüpft. Die Problemstellung und die jeweilige
Lösung der sich stellenden Rechtsfragen lassen sich auf vielfältige Weise darstellen.
Der Autor kann unterschiedliche Schwerpunkte setzen, je nachdem, welcher rechtliche
Gesichtspunkt ihm wesentlich und erörterungsbedürftig erscheint. Er setzt individuelle
Schwerpunkte, an denen er sich bei der Abfolge seiner Darstellungen orientiert. Selbst
wenn gerichtliche Entscheidungen lediglich rezensiert werden, gibt es keine
einheitliche, sondern sehr unterschiedliche Darstellungen. Für die von den Redakteuren
des Verlags bearbeiteten Gerichtsentscheidungen gilt Entsprechendes: Namentlich die
urheberrechtliche Schutzfähigkeit der von ihnen individuell verfaßten Leitsätze kann im
Gegensatz zu den amtlich verfaßten Leitsätzen im Sinne des § 5 Abs. 1 UrhG nicht in
Zweifel gezogen werden.
An diesen hiernach urheberrechtlich geschützten Werken steht dem Verlag ein
ausschließliches Nutzungsrecht im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 1 UrhG zu. Hinsichtlich
der mit Leitsätzen versehenen Entscheidungen hat der Kläger in der mündlichen
Verhandlung vom 19.11.1999 unbestritten vorgetragen, aufgrund ihres jeweiligen
Arbeitsvertrages mit dem Verlag räumten die Redakteure ihrem Arbeitgeber an allen von
ihnen verfaßten Arbeiten ein ausschließliches Verwertungsrecht ein. Soweit die von
Autoren eingesandten und später in der GRUR bzw. der GRUR INT veröffentlichten
Beiträge, zum Beispiel in Form von Aufsätzen, in Rede stehen, kann offenbleiben, ob
die Auffassung des Klägers Zuspruch verdient, bereits in der durch den Urheber
veranlaßten Übersendung eines Aufsatzes oder sonstigen Beitrags an den Verlag liege
ein Angebot zur Übertragung des ausschließlichen Rechts zur Vervielfältigung und
Verbreitung des jeweiligen Werkes. Das ist nicht entscheidungserheblich, weil der
Verlag nach dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien die ausschließlichen
Nutzungsrechte an Beiträgen jedenfalls dann erwirbt, wenn der Autor vor
Veröffentlichung seines Beitrags die sog. Druckfertigerklärung unterschreibt. Denn dort
erteilt der Autor unstreitig nicht nur die Druckfreigabe, sondern räumt dem Verlag
zugleich das ausschließliche Recht zur weltweiten Vervielfältigung und Verbreitung
seines Beitrags ein. Da der Kläger seinen Unterlassungsantrag im Termin zur
mündlichen Verhandlung vom 19.11.1999 jetzt ausdrücklich dahin gefaßt hat, daß es
ihm nur um die Vervielfältigung und Verbreitung solcher Beiträge geht, bei denen der
Autor die Druckfertigerklärung und die darin enthaltene Einräumung eines
ausschließlichen Rechts zur Vervielfältigung und Verbreitung unterschrieben hat, kann
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die urheberrechtliche Berechtigung des Verlages hinsichtlich solcher zum Druck
freigegebenen Beiträge nicht mehr in Zweifel gezogen werden.
Gleiches gilt im Ergebnis für die Frage der Wirksamkeit der Ermächtigung des
Rechtsinhabers, die nach dem Vorgesagten Voraussetzung für die Zulässigkeit der
gewillkürten Prozeßstandschaft ist. Dabei kann dahinstehen, ob entgegen der
Auffassung des Landgerichts die bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 18.11.1998
vorgelegte, mit der Überschrift "Rechtseinräumung" versehene Erklärung des Verlages
vom 12.11.1998 (Blatt 62 d.A.) ausreichen würde, um von einer wirksam erteilten
Ermächtigung auszugehen. Denn jedenfalls in Anbetracht des mit der
Berufungsbegründung vorgelegten Schreibens des Verlages vom 18.08.1997 (Blatt 130
d.A.) in Verbindung mit der mit Schriftsatz des Klägers vom 21.05.1999 (Blatt 137 d.A.)
zu den Akten gereichten urkundlichen Erklärung des Verlages, in Ergänzung und
Klarstellung seiner vorgenannten Schreiben vom 18.08.1997 und 12.11.1998 erkläre er,
daß er den Kläger ermächtige, ihm aus der unberechtigten Nutzung von Beiträgen
und/oder bearbeiteten Entscheidungen, die in den Fachzeitschriften "GRUR" und
"GRUR INT" erschienen sind, gegen die Beklagte zustehende urheberrechtliche
Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadenersatzansprüche im eigenen Namen geltend
zu machen und gerichtlich durchzusetzen, ist hinreichend dargelegt und zugleich
bewiesen, daß der Verlag seine Zustimmung zur aktiven Prozeßführung durch den
Kläger erteilt hat. Daß die Ermächtigung möglicherweise wirksam erst nach
Prozeßbeginn erfolgt ist, ist unschädlich. Denn bei offengelegter Prozeßstandschaft der
vorliegenden Art wirkt die Ermächtigung nach allgemeiner Meinung auf den Zeitpunkt
der Klageerhebung zurück (vgl. nur BGH NJW-RR 1993, 607 und Zöller-Vollkommer,
a.a.O., vor § 50 Rdnr. 45).
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Auch das für die Annahme einer zulässigen gewillkürten Prozeßstandschaft notwendige
eigene rechtsschutzwürdige Interesse des zur Führung des Rechtsstreits ermächtigten
Klägers liegt vor. Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit der Kläger ein eigenes
rechtliches Interesse an der Unterbindung des Verstoßes gegen das Urhebergesetz hat.
Denn es ist allgemein anerkannt, daß auch ein wirtschaftliches Interesse des
Ermächtigten als schutzwürdiges Eigeninteresse an der Durchsetzung des fremden
Rechts ausreichen kann (BGHZ 119, 237, 242 "Universitätsem- blem"; OLG Celle, NJW
1989, 2477 mit weiteren Nachweisen). Von einem solchen schutzwürdigen
wirtschaftlichen Interesse ist im Streitfall aber auszugehen, nachdem der Kläger im
Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.11.1999 dem Senat und der Beklagten den
mit dem Verlag im November 1957 geschlossenen Vertrag zur Einsichtnahme
überreicht und die Beklagte daraufhin erklärt hat, die in § 5 des Vertrages vorgesehene
Gewinnabführungspflicht des Verlages an den Kläger werde nicht länger bestritten.
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Macht der Kläger demnach in rechtlich nicht zu beanstandender und somit zulässiger
Weise ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend, ergibt sich der materielle
Unterlassungsanspruch aus §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 1 und Abs. 3 in Verbindung
mit §§ 16 Abs. 1 und 17 Abs. 1 UrhG. Das dem Verlag eingeräumte ausschließliche
Nutzungsrecht berechtigt ihn, das Werk unter Ausschluß aller anderen Personen
einschließlich des Urhebers auf die ihm erlaubte Art zu nutzen, § 31 Abs. 3 Satz 1 UrhG.
Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG kann der Verlag deshalb von der Beklagten Unterlassung
des mit der Klage beanstandeten Verhaltens verlangen, weil die Beklagte dadurch sein
ausschließliches Nutzungsrecht widerrechtlich verletzt.
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Daß der Verlag Inhaber des beanspruchten ausschließlichen Nutzungsrechts an den
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urheberrechtlich geschützten Beiträgen der einzelnen Verfasser bzw. der bei ihm
beschäftigten Redakteure ist, bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, daß er sich mit
Erfolg gegen jedwede Vervielfältigung der nach dem Vorgesagten urheberrechtlich
geschützten Werkstücke durch Dritte wenden kann. Das folgt daraus, daß das der
dinglichen Rechtsposition des ausschließlich Nutzungsberechtigten zugeordnete
Verbietungsrecht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG grundsätzlich durch den Inhalt der
eingeräumten Nutzungsart (§ 31 Abs. 1 UrhG) bestimmt wird, welche nicht mit der
Verwertungsart eines der in §§ 15 ff. UrhG genannten Verwertungsrechte gleichgesetzt
werden darf. Das vertraglich eingeräumte Nutzungsrecht kann nämlich hinter der
gesetzlichen Verwertungsbefugnis des Urhebers zurückbleiben, was sich bereits daraus
ergibt, daß das Gesetz die vertragliche Bewilligung von Nutzungsrechten für noch nicht
bekannte Nutzungsarten für unwirksam erklärt, § 31 Abs. 4 UrhG (vgl. hierzu: BGH NJW
1997, 1368, 1369 - "CB-Infobank II"). Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die
Frage problematisiert hat, ob denn in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen werden
könne, daß dem Verlag stets ein allumfassendes Nutzungsrecht, also auch das Recht,
die Beiträge und überarbeiteten Entscheidungen in eine Datenbank aufzunehmen,
übertragen worden sein könnte, ist das für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne
Bedeutung. Denn Streitgegenstand ist ausschließlich die Frage, ob es der Beklagten
gestattet ist, die in der GRUR bzw. der GRUR INT veröffentlichten Beiträge/bearbeiteten
Entscheidungen im Rahmen ihres C. Recherche-Services für Juristen entweder
mechanisch unter Zuhilfenahme eines Kopiergeräts oder elektronisch durch Benutzung
eines Speichermediums zu vervielfältigen und zu verbreiten. Selbst wenn also die
Verwertungsbefugnis "Speichern der Beiträge/überarbeiteten Entscheidungen in einer
Datenbank zwecks Recherche" nicht von dem dem Verlag zustehenden Nutzungsrecht
erfaßt würde, dieses Verwertungsrecht also nach wie vor bei den Autoren und
Redakteuren läge, so daß nur diese es einem Dritten wirksam gestatten könnten, eine
ihre Werkstücke beinhaltende Datenbank aufzubauen, läge auch dann das Nutzungs-
und Verwertungsrecht hinsichtlich der papierförmigen Beiträge/bearbeiteten
Entscheidungen beim Verlag und nicht bei den Autoren und Redakteuren. Deshalb
kann der Verlag auch in diesem Fall dem Inhaber einer Datenbank, der mit Zustimmung
der Autoren/Redakteure die Daten in dieser Datenbank pflegt und auch eine Recherche
ermöglicht, immer noch untersagen, diese Beiträge/Entscheidungen aus der GRUR
bzw. der GRUR INT zu kopieren oder diesen mechanischen Kopiervorgang dadurch zu
ersetzen, daß der identisch abgespeicherte, zum Beispiel durch Scannen in einen
Rechner eingelesene Beitrag aus diesem Rechner ausgedruckt und per Telefax oder
direkt per e-mail weitergeleitet wird.
Die somit in dem beanstandeten Verhalten der Beklagten liegende urheberrechtlich
relevante Nutzung im Sinne der §§ 16, 17 UrhG ist nicht im Sinne des § 53 UrhG
privilegiert und folglich gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zu unterlassen. Auf die
Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 1 UrhG vermag sich die Beklagte mit Erfolg nicht
zu berufen. Die darin angesprochene Vervielfältigung zum privaten Gebrauch
bezeichnet die Verwendung zum persönlichen Gebrauch, wie er lediglich bei
natürlichen Personen gegeben sein kann. Bei juristischen Personen kommt dagegen
nur eine Privilegierung des sonstigen eigenen, in § 53 Abs. 2 UrhG geregelten
Gebrauchs in Betracht (BGH NJW 1997, 1363, 1365 "CB-Infobank I"). Zwar ist es nach §
53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum
sonstigen eigenen Gebrauch herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn es sich um
kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in
Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind. Im Streitfall liegen jedoch die
tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift selbst dann nicht vor, wenn - was
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den werblichen Ankündigungen der Beklagten nicht zu entnehmen ist - nach erfolgter
Recherche stets zunächst die Fundstellen mitgeteilt und die Entscheidungen, Aufsätze
etc. dem Kunden erst dann in Papierform per Fax übermittelt würden, wenn er anläßlich
der Mitteilung des Recherche-Ergebnisses ausdrücklich darum bittet.
In seiner Entscheidung "CB-Infobank I" hat der Bundesgerichtshof zu dem
Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG ausdrücklich ausgeführt, daß die
Anwendung dieser Schrankenbestimmung es nicht erfordert, daß der privilegierte
Nutzer ein eigenes Werkstück als Vorlage für die Vervielfältigung verwendet, und daß
es sich bei ihm um einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand handelt (BGH,
a.a.O., NJW 1997, 1363, 1366 f.). Eine Kopiertätigkeit, die von einem anderen als dem
privilegierten Nutzer im Sinne des § 53 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG vorgenommen wird,
bleibt urheberrechtlich als Vervielfältigungshandlung nur freigestellt, soweit sie sich auf
den technisch-maschinellen Vorgang der Vervielfältigung beschränkt (BGH NJW 1997,
1363, 1366 sowie NJW 1997, 1368, 1369, "CB-Infobank I und II"). Deshalb hat der
Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "CB-Infobank I" angenommen, daß die von
der dortigen Beklagten angebotene Dienstleistung, die im Rahmen einer
Rechercheanfrage ermittelten Beiträge dem Kunden in Kopie zu überlassen, nicht dem
Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG unterfällt, der einem (auch
gewerblichen) Nutzer zukommen kann, welcher zum sonstigen eigenen Gebrauch
einzelne Beiträge, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind, vervielfältigt oder
vervielfältigen läßt. Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, daß das
Kopierprivileg nur dann eingreift, wenn der mit der Herstellung des
Vervielfältigungsstücks beauftragte Dritte praktisch an die Stelle des
Vervielfältigungsgeräts des privilegierten Nutzers tritt. Nur soweit sich der Dritte im
Rahmen einer konkreten Anweisung zur Herstellung eines bestimmten
Vervielfältigungsstückes für den vom Gesetz begünstigten Nutzer bewegt und seine
Tätigkeit auf den technisch-mechanischen Vervielfältigungsvorgang beschränkt, hat er
als "notwendiges Werkzeug" an der gesetzlichen Freistellung teil.
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Für den Streitfall bedeutet das: In tatsächlicher Hinsicht spricht bereits viel dafür, daß die
Beklagte ihren Kunden aufgrund eines einzigen, von diesen Kunden erteilten Auftrags
die Recherche einerseits und die Übermittlung des Rechercheergebnisses andererseits
durch Übersendung der gefundenen Entscheidungen/Beiträge im Volltext anbietet. Es
erscheint dem Senat wenig naheliegend, daß die Beklagte den Wunsch eines Kunden,
sie möge die C.-Recherche durchführen und Fundstellen auf jeden Fall im Volltext per
Telefax übermitteln, mit der Begründung ablehnen würde, die Übermittlung in
Papierform komme erst nach telefonischer Mitteilung des Rechercheergebnisses und
Erteilung eines gesonderten Auftrages in Betracht. Das kann aber offenbleiben. Denn
selbst wenn es so sein sollte, daß die Beklagte, wie sie nunmehr in ihrem
nachgelassenen Schriftsatz vom 10.12.1999 explizit unter Vorlage von Unterlagen
behauptet, stets erst die Recherche vornehme und den Auftraggeber dann anrufen
sollte, um ihm das Ergebnis vorzutragen und ihm dann die Möglichkeit an die Hand zu
geben, zu überlegen und zu entscheiden, ob er die zu den Fundstellen gehörenden
Entscheidungen selbst nachschlagen oder sich den Text per Telefax übersenden
lassen wolle, wäre der sich hieran anschließende Kopiervorgang und das Versenden
des Vervielfältigungsstückes von dem Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a
UrhG nicht erfaßt. Denn die Beklagte beschränkt ihre Tätigkeit nicht auf den technisch-
maschinellen Vorgang der Vervielfältigung und tritt nicht als mit der Herstellung des
Vervielfältigungsstücks beauftragter Dritter praktisch nur an die Stelle des
Vervielfältigungsgeräts des privilegierten Nutzers. Die Kopiertätigkeit der Beklagten
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steht vielmehr in untrennbarem Zusammenhang mit ihrer Recherche-Dienstleistung.
Ohne eine vorangegangene Recherche gibt es kein Kopierangebot. Damit verläßt die
Beklagte aber eindeutig den privilegierenden Rahmen, der einem Dritten als
"notwendigem Mittler" bei einer Kopiertätigkeit im Auftrag eines privilegierten Nutzers
zukommen kann. Durch den als solchen urheberrechtlich neutralen Recherchedienst
nimmt die Beklagte vielmehr auch im Streitfall eine urheberrechtliche Nutzung in einem
Ausmaß und in einer Intensität vor, die sich mit den eine Privilegierung rechtfertigenden
Erwägungen nicht mehr vereinbaren läßt.
Erweist sich demnach die bereits vorgenommene und auch weiterhin drohende
Vervielfältigung und Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Beiträgen und
bearbeiteten Entscheidungen durch die Beklagte als widerrechtliche und damit nach §
97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zu unterlassende Urheberrechtsverletzung, ist es der Beklagten
auch untersagt, damit zu werben, sie könne dem Auftraggeber im Rahmen des C.
Recherche-Services gefundene Dokumente aus der GRUR und der GRUR INT per Fax
übermitteln. Dieser Anspruch folgt aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des
Vorsprungs durch Rechtsbruch. Es ist anerkannt, daß die Anwendung des § 1 UWG
neben den sondergesetzlichen Regelungen des Urheberrechtsgesetzes grundsätzlich
nicht ausgeschlossen ist, daß aber besondere, außerhalb der Sonderschutztatbestände
des Urheberrechtsgesetzes liegende Umstände hinzutreten müssen, welche die
beanstandete Handlung als unlauter im Sinne des § 1 UWG erscheinen lassen (BGH
NJW 1997, 1363, 1368 am Ende, "CB-Infobank I", mit weiteren Nachweisen aus der
Rechtsprechung). So liegt es hier. Denn die Beklagte verschafft sich gegenüber den
gesetzestreuen Mitbewerbern einen unlauteren Vorsprung, weil sie im Rahmen des C.
Recherche-Services eine Dienstleistung in Form der Übermittlung von Kopien aus der
GRUR und der GRUR INT bewirbt, die ihr zu erbringen verboten ist. Soweit die
Beklagte in diesem Zusammenhang eingewendet hat, die im Unterlassungstenor
wiedergegebene konkrete Verletzungsform bezeichne nur die Datenbestände und
beinhalte nicht die Aussage, in der GRUR und der GRUR INT abgedruckte
Entscheidungen, Aufsätze etc. könnten auch in Papierform übermittelt werden, vermag
sich der Senat dem nicht anzuschließen. Der Betrachter der Werbung der Beklagten
versteht das unter den Überschriften "Das bieten wir", "Das leisten wir" und "Das haben
wir" zusammengefaßte Leistungsangebot der Beklagten vielmehr ohne weiteres dahin,
die Beklagte sei in der Lage, auf sämtliche in der Werbung genannten
Zeitschriften/Entscheidungssammlungen zurückzugreifen, und sie sei auch willens und
dazu berechtigt, die ausgewählten und gewünschten Dokumente per Telefax zu
übermitteln. Derjenige potentielle Interessent der Beklagten, der die im Urteilstenor
wiedergegebene Werbung in Händen hält, wird ohne weiteres annehmen, die Beklagte
übersende ihm auf Wunsch auch Dokumente aus den Zeitschriften GRUR und GRUR
INT, wenn auch die GRUR INT in der Werbung keine ausdrückliche Erwähnung
gefunden hat. Daß diese Verkehrserwartung im übrigen auch erfüllt wird, ergibt sich aus
dem eigenen Sachvortrag der Beklagten. Denn sie hat in ihrer Auskunft (Anlage B 6 zur
Klageerwiderung, Blatt 32/33 des Anlagenhefters) mitgeteilt, sie habe ihren Kunden
Beiträge/überarbeitete Entscheidungen nicht nur aus der Zeitschrift GRUR, sondern
auch aus der GRUR INT übersandt.
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Der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzfeststellungsanspruch ist ebenfalls
begründet, weil nach der Lebenserfahrung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür
besteht, daß dem Verlag durch das angegriffene Verhalten der Beklagten ein Schaden
entstanden ist. Da die Beklagte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen
können und müssen, daß ihre Kopiertätigkeit an dem Privilegierungstatbestand des § 53
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Abs. 2 Nr. 4 a UrhG nicht teilhat, sie somit schuldhaft gehandelt hat, steht dem Verlag
deshalb dem Grunde nach ein Schadenersatzanspruch aus §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 31
Abs. 1 und 3, 16 Abs. 1 und 17 Abs. 1 UrhG zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den
Rechtsstreit in der ersten Instanz übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben, trifft die Kostenlast die Beklagte. Das folgt bereits aus dem Vorgesagten: Denn
mit Rücksicht darauf, daß die mit der Klage beanstandete Handlung nach § 97 Abs. 1
Satz 1 UrhG zu beanstanden ist und zur grundsätzlichen Schadenersatzverpflichtung
der Beklagten führt, war der von der Beklagten erfüllte Auskunftsanspruch als
Hilfsanspruch zum Schadenersatzanspruch aus § 242 BGB begründet.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108
ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten übersteigt
60.000,00 DM.
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