Urteil des OLG Köln vom 03.01.1994
OLG Köln (termin, gütliche beilegung, sache, kläger, zpo, gebühr, verhandlung, begründung, firma, ausgleichung)
Oberlandesgericht Köln, 17 W 97/93
Datum:
03.01.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 W 97/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 21 O 8/92
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefaßt: Die vom Beklagten aufgrund des am 8. Oktober 1992 vor dem
Landgericht Köln geschlossenen Vergleichs - 21 O 8/92 - an den Kläger
zu erstattenden Kosten werden auf 4.467,37 DM nebst 4 % Zinsen seit
dem 25. Oktober 1992 festgesetzt. Die Kosten des Erinnerungs- und
Beschwerdeverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
G r ü n d e
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Das zulässige Rechtsmittel des Klägers hat Erfolg. Auf beiden Parteiseiten ist jeweils
eine 10/10 Erör-terungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO) zum Betrage vom 979,00
DM zuzüglich 14 % MWSt in die Kosten-ausgleichung einzubeziehen, wodurch sich
der vom Beklagten an den Kläger zu erstattende Kostenbetrag auf 4.467,37 DM
erhöht.
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Im Termin am 9. Juli 1992 hat eine Erörterung der Sache im Sinne von § 31 Abs. 1
Nr. 4 BRAGO stattge-funden. Für einen die Erörterungsgebühr auslösenden
Meinungsaustausch genügt es nach vom Senat in ständiger Praxis vertretener
Auffassung (vgl. z.B. Beschluß vom 6. November 1991 - 17 W 147-148/91 -,
veröffentlicht in OLGR Köln 1992, 127 und JurBü-ro 1992, 165), wenn bei
gegensätzlichen Standpunkten der Parteien ein zweiseitiges Rechtsgespräch über
die Sache stattfindet, etwa zwischen den Prozeßbe-vollmächtigten der Parteien oder
- wie im hier zu entscheidenden Fall - zwischen dem Gericht und dem
Prozeßbevollmächtigten der einen Partei, während der Prozeßbevollmächtigte der
anderen Partei lediglich zuhört. Da mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon
auszugehen ist, daß der am Meinungsaustausch unbe-teiligte Prozeßbevollmächtigte
das Rechtsgespräch eingreifbereit verfolgt, bedarf es zur Erfüllung des
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Gebührentatbestandes der Erörterungsgebühr seiner-seits keines verbalen Beitrages
zum Rechtsgespräch (Senat a.a.O.).
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Nach Darstellung des Klägers fand im Termin am 9. Juli 1992 im Anschluß an
Ausführungen der Kläger-seite darüber, daß der vom Beklagten angebotene Ver-
gleichsbetrag zu gering sei, in Anwesenheit des Pro-zeßbevollmächtigten des
Beklagten ein Sachgespräch zwischen dem Richter einerseits und dem Prozeßbe-
vollmächtigten des Klägers andererseits statt, bei der Fragen der vom Beklagten
bestrittenen Passiv-legitimation erörtert wurden. Nach den Angaben des Klägers ist
zwischen ihnen darüber gesprochen wor-den, ob sich ein Teil der geltend gemachten
Ansprü-che gegen eine Firma A. GmbH richte. Dabei habe der Richter auch darauf
hingewiesen, daß der Kläger im Falle der Klageabweisung bezüglich eines
Teilbetra-ges diese Firma in Anspruch nehmen könne, woraufhin der Klägervertreter
die Frage einer Streitverkündung und die Geltendmachung von
Rückgriffsansprüchen ge-gen den Beklagten für den Fall einer Vermögenslosig-keit
der Firma A. GmbH angesprochen habe.
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Der Senat hält diese Darstellung des Klägers für glaubhaft. Es liegt nahe, daß im
Zusammenhang mit der Nennung einer höheren als der vom Beklagten angebotenen
Vergleichssumme ein - wenn auch kurzes - Gespräch zumindest über Teilaspekte
der Erfolgs-aussicht der Klage stattgefunden hat. Der Senat wird in seiner
Überzeugung von der Richtigkeit des Vorbringens des Klägers darin bestärkt, daß
sich der Beklagte zu den Einzelheiten des vom Kläger geschilderten Terminsablaufs
nicht geäußert hat. Die Tatsache, daß im Terminsprotokoll jeglicher Hinweis auf eine
Erörterung der Sach- und Rechtslage fehlt, spricht nicht dagegen, daß sie tatsächlich
stattgefunden hat, zumal die Erörterung der Sache nicht zu den Vorgängen gehört,
deren Protokollierung vorgeschrieben ist. Soweit der Richter eine Anfrage der
Rechtspflegerin, "ob vor Vergleichsabschluß am 8.10.1992 eine
Erörterung/Verhandlung stattgefunden hat", ohne nähere Begründung mit "Nein!"
beantwortet hat, gibt dies für die Beurteilung der Frage, ob im Termin am 9. Juli 1992
eine Sacherörterung statt-gefunden hat, nichts her. Dies würde selbst dann gelten,
wenn der Richter auch die Vorgänge im zu-letzt genannten Termin im Auge gehabt
haben sollte, denn sein Vermerk gibt lediglich die Bewertung eines nicht
protokollierten Geschehensablaufs wieder. Die Frage, ob eine die Gebühr des § 31
Abs. 1 Nr. 4 BRA-GO auslösende Erörterung stattgefunden hat, ist von den jeweiligen
Organen der Kostenfestsetzung - er-forderlichenfalls aufgrund eigener
Sachaufklärung - selbst zu entscheiden.
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Die Entstehung der Erörterungsgebühr ist nicht des-halb ausgeschlossen, weil es
sich bei dem Termin am 9. Juli 1992 um einen gemäß § 279 Abs. 1 Satz 2 ZPO
anberaumten Sühnetermin vor dem beauftragten Richter handelt. Nach § 31 Abs. 1
Nr. 4 BRAGO erhält der zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Anwalt eine volle
Gebühr für die Erörterung der Sache, "auch im Rahmen eines Versuchs zur gütlichen
Beilegung". Zwar wird unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der 1975
eingeführten Erörterungsgebühr die Auffassung vertreten, diese Gebühr könne nur in
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einem Termin anfallen, in dem auch das Stellen von Sachanträgen, also ein
Verhandeln möglich gewesen wäre (vgl. z.B. OLG Stuttgart, JurBüro 1986, 228
m.w.N.). Dieser Meinung vermag sich der Senat unter Aufgabe seiner bisherigen
Rechtsprechung insoweit nicht anzuschlie-ßen, als es sich um die Erörterung in
einem Sühne-termin vor dem beauftragten oder ersuchten Richter gemäß § 279 Abs.
1 Satz 2 ZPO handelt.
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Nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er in der Begründung des
Rechtsausschusses des Deutschen Bun-destages zur Einführung der Gebühr des §
31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO seinen Ausdruck gefunden hat (BT-Drucks. 7/3243-1975-,
S.8) soll die Erörterungsgebühr den Prozeßbevollmächtigten in den Fällen
erwachsen, in denen die Sache in einem gerichtlichen Termin in einer Art und Weise
besprochen wird, wie sie auch in der mündlichen Verhandlung, zu der es nicht
gekommen ist, hätte besprochen werden müssen; die Erörte-rungsgebühr soll einen
gleichwertigen Ausgleich da-für schaffen, daß die Verhandlungsgebühr des Anwalts
nicht anfällt, obwohl er eine Tätigkeit leistet, "die nicht weniger Mühe macht als eine
mündliche Verhandlung" (BT-Drucks. a.a.O.). Soweit in der Begründung des
Rechtausschusses auf die Praxis von Gerichten hingewiesen wird, die Sache vor der
die mündliche Verhandlung einleitenden Stellung der An-träge zu erörtern, zwingt
dies nicht zu dem Schluß, daß dem Gesetzgeber allein daran gelegen war, die
Gebührennachteile der Rechtsanwälte auszugleichen, die dadurch entstanden, daß
in Verhandlungsterminen die Sach- und Rechtslage häufig ohne Antragstellung
erörtert wurden (anders z.B. OLG Stuttgart a.a.O.; Mümmler JurBüro 1989, 636). Der
Senat folgt der in der Rechtsprechung zunehmenden Auffassung, daß nicht
angenommen werden kann, damit seien die Motive des Gesetzgebers ausgeschöpft
(BverfG, NJW 1993, 996; LAG Hamm, AnwBl. 1993, 297, OLG Saarbrücken, JurBüro
1989, 635, OLG Düsseldorf, JurBüro 1985, 1828, jeweils unter Aufgabe früherer
abweichender Rechtsprechung; OLG Hamburg, JurBüro 1978, 872). Die im
Gesetzestext erfolgte ausdrückliche Hervorhebung, daß die Erörterung der Sache
auch dann die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO auslösen soll, wenn sie "im
Rahmen eines Versuchs zur gütlichen Beilegung" geschieht, deutet darauf hin, daß
der Gesetzgeber die Regelung des § 279 ZPO im Auge hatte, wonach dem Gericht
aufgegeben wird, "in jeder Lage des Verfah-rens auf eine gütliche Beilegung des
Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte" bedacht zu sein. Nach dieser Vorschrift
kann das Gericht die Parteien für einen Güteversuch auch vor einen beauftragten
oder ersuchten Richter verweisen. Daß der Gesetzgeber die Entstehung der
Erörterungsgebühr auf Fälle beschrän-ken wollte, in denen der Güteversuch in einem
Termin stattfindet, in dem auch mündlich verhandelt werden kann, ist anhand der
Gesetzesmaterialien nicht be-legbar (BverfG a.a.O.). Vielmehr besteht ein Bedürf-nis
nach einer angemessenen Honorierung des Rechts-anwaltes auch dann, wenn ohne
Anfall der Verhand-lungsgebühr eine zum Verfahrensabschluß führende
Sacherörterung in einem vom beauftragten oder er-suchten Richter gemäß § 279
ZPO abgehaltenen Sühne-termin erfolgt.
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Ist somit davon auszugehen, daß im Termin am 9. Ju-li 1992 eine den
Gebührentatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO erfüllende Erörterung der Sache
stattge-funden hat und damit die Erörterungsgebühr den Pro-zeßbevollmächtigten
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beider Parteien erwachsen ist, ist sie beiderseits in die Ausgleichung einzustel-len,
und zwar unabhängig davon, ob der Beschwerde-gegner sie ebenfalls (hilfsweise)
geltend macht (KG, JurBüro 1978, 1253; Beschluß des Senats vom 27. Ju-ni 1991 -
17 W 114/91 -, unveröffentlicht). Dies folgt aus Sinn und Zweck des
Ausgleichungsverfahrens nach § 106 ZPO, die Gesamtkosten entsprechend der
gequotelten Kostenentscheidung auf die Parteien zu verteilen und durch
Verrechnung mit den jeweils eigenen Kosten zu einer einheitlichen Überschußfor-
derung zu saldieren. Den von den Parteien geltend gemachten Ausgleichsposten
kommt keine selbständige Bedeutung zu; sie sind nur Berechnungsfaktoren zur
Feststellung der Überschußforderung.
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Die Einbeziehung einer 10/10 Erörterungsgebühr zum Betrage von 979,00 DM
zuzüglich 14 % MWSt, insgesamt 1.116,06 DM, jeweils auf beiden Seiten führt unter
Berücksichtigung der im Prozeßvergleich getroffe-nen Kostenregelung (5/29 zu
Lasten des Klägers, 24/29 zu Lasten des Beklagten) dazu, daß sich der im
angefochtenen Beschluß zugunsten des Klägers mit 3.736,15 DM festgesetzte
Erstattungsbetrag um 731,22 DM auf 4.467,37 DM erhöht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Der Streitwert für das Erinnerungs- und Beschwerde-verfahren wird auf 731,22 DM
festgesetzt.
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Dabei geht der Senat davon aus, daß der Kläger den Kostenfestsetzungsbeschluß im
Umfang seiner durch die Absetzung der Erörterungsgebühr (auf beiden Sei-ten)
hervorgerufenen Beschwer angreift.
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