Urteil des OLG Köln vom 04.11.1998

OLG Köln (grundbuch, verfassungskonforme auslegung, frist, verfügung, berichtigung, interesse, eintragung, sache, stiftung, gebühr)

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 48/98
Datum:
04.11.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Wx 48/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 11 T 153/98
Schlagworte:
unverschuldete Einhaltung Erbfall
Normen:
KostO §§ 14 Abs. 2, 60 Abs. 4
Leitsätze:
1) Der Hinweis des Kostenbeamten, eine Grundbucheintragung sei
gebührenpflichtig, und die Aufforderung zur Mitteilung des
Verkehrswertes sind einem Kostenansatz nicht gleichzusetzen und
daher nicht mit der Erinnerung nach § 14 Abs. 2 KostO anfechtbar. 2)
Die Nichterhebung der Gebühr nach § 60 Abs. 1 KostO gemäß § 60 Abs.
4 KostO ist davon abhängig, daß der Eintragungsantrag innerhalb von 2
Jahren seit dem Erbfall bei dem Grundbuchamt eingereicht wird. Auf
Fälle einer unverschuldeten Einhaltung der 2-Jahres-Frist ist § 60 Abs. 4
KostO nicht entsprechend anzuwenden.
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 4. August 1998
werden die Beschlüsse der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom
18. Juni 1998 - 11 T 153/98 - und des Amtsge-richts Köln vom 28. April
1998 - 15 Köln 24231 (in jenem Beschluß versehentlich be-zeichnet mit
15 Köln 24321) - aufgehoben und die Sache an den Kostenbeamten des
Amtsge-richts Köln zurückgegeben.
G r ü n d e
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1. Die Beteiligte zu 1) ist eine Stiftung, deren Errichtung der Regierungspräsident in
Köln am 25. März 1997 genehmigt hat. Sie ist die Testamentserbin der am 1.
August 1980 verstorbenen Frau Dr. Dr. Sch. geb. K.. Mit am 5. Januar 1998 bei
Gericht eingegangenem Schreiben ohne Datum (der Eingangsstempel weist -
offenbar versehentlich- den 5. Januar 1997 aus) hat die Beteiligte zu 1) ihre
Eintragung im Grundbuch als Eigentümerin mit dem Bemerken beantragt, die Frist
des § 60 Abs. 4 KostO sei noch nicht abgelaufen. Der Kostenbeamte hat mit
Verfügung vom 5. Januar 1998 "darauf hingewiesen", der Sterbefall sei "bereits
1980 erfolgt" und die "Berichtigung des Grundbuchs mithin gebührenpflichtig".
Zugleich hat er die Beteiligte zu 1) zur Mitteilung des Verkehrswertes aufgefordert.
Unter dem 12. Januar 1998 hat diese gebeten, die Grundbuchberichtigung
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gebührenfrei durchzuführen; für den Fall, daß der Kostenbeamte hierzu nicht bereit
sei, hat sie Erinnerung gegen die "Zwischenverfügung vom 5. Januar 1998"
eingelegt. In seiner Zuschrift an den Beteiligten zu 2) hat der Kostenbeamte darauf
hingewiesen, es sei beabsichtigt, der Erinnerung nicht abzuhelfen. Mit Beschluß
vom 28. April 1998 hat der Richter des Amtsgerichts die Erinnerung
zurückgewiesen. Er hat ausgeführt, die Erinnerung sei ungeachtet dessen
zulässig, daß ein Kostensatz noch nicht erstellt sei, weil mit der Entscheidung des
Kostenbeamten, den Wert des Grundbesitzes mitzuteilen, eine Ablehnung der
Gebührenbefreiung zum Ausdruck gekommen sei. In der Sache habe die
Erinnerung keinen Erfolg, weil § 60 Abs. 4 KostO eine Ausschlußfrist beinhalte.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit der
angefochtenen Entscheidung den Beschluß des Amtsgerichts abgeändert und
dieses angewiesen, Kosten für die Eintragung des Eigentumswechsels nicht zu
erheben. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 60 Abs. 4 KostO sei auch
anzuwenden, wenn dem Erben die Einhaltung der Antragsfrist von zwei Jahren
objektiv unmöglich sei und er den Umschreibungsantrag unverzüglich nach
Wegfall des Antragshindernisses stelle, weil nur so der im öffentlichen Interesse
liegende Anreiz zur alsbaldigen Antragstellung aufrecht erhalten bleibe.
1. Das vom Landgericht zugelassene Rechtsmittel ist nach § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO
statthaft und auch im übrigen zulässig. Es führt zur Aufhebung der Beschlüsse der
Vorinstanzen. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer
Verletzung des Gesetzes (§§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO, 550, 551 ZPO).
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Gegen die Verfügung des Kostenbeamten vom 5. Januar 1998 war kein Rechtsmittel
gegeben. Die Verfügung war kein Kostenansatz im Sinn des § 14 Abs. 2 KostO. Sie
unterlag daher nicht der Anfechtung durch Erinnerung nach Maßgabe dieser Vorschrift.
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Bloße Hinweise auf die Rechtsauffassung gerichtlicher Stellen sind grundsätzlich noch
keine anfechtbaren Verfügungen (vgl. BGH Rpfleger 1998, 420; BayObLG NJW-RR
530, 531; Senat, Beschluß vom 9. März 1998, 2 Wx 7/98, nicht veröffentlicht). Sie
ermöglichen den Beteiligten, sich auf die Ansicht des Gerichts einzustellen und -
insbesondere für den Fall einer abweichenden Auffassung - hierzu Stellung zu nehmen.
Einen solchen Hinweis hat hier der Kostenbeamte mit der Verfügung vom 5. Januar
1998 erteilt.
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Keine andere Beurteilung ergibt sich im Streitfall daraus, daß er die Beteiligte zu 1)
zugleich zur Angabe des Verkehrswertes aufgefordert hat. Zwar bringt der
Kostenbeamte hierdurch nochmals seine Rechtsauffassung zum Ausdruck, eine
Kostenfreiheit der Beteiligten zu 1) bestehe nicht. Auch dies führt indes nicht zu einer
Anfechtbarkeit der Verfügung. Die Ansicht, bereits die Aufforderung zur Wertangabe sei
mit der Erinnerung nach § 14 Abs. 2 KostO anfechtbar, weil der Kostenbeamte bei
Nichtangabe des Wertes nach § 19 Abs. 2 Satz 2 KostO verfahre (Lappe in
Korintenberg, Kostenordnung, 13. Aufl, § 14 Rn. 39; ders. Anm. zu LG Krefeld, KostRsp
§ 14 KostO Nr. 29), teilt der Senat nicht. Solcherart dem Kostenansatz vorhergehende
Ermittlungen nach § 19 Abs. 2, 3 KostO als Grundlage für die Wertfestsetzung können
dem eigentlichen Kostenansatz nicht gleichgesetzt werden; sie unterliegen daher auch
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keiner isolierten Anfechtung nach § 14 Abs. 2 KostO. Die Möglichkeit zur Einlegung der
Erinnerung ist vielmehr geknüpft an den Kostenansatz (vgl. LG Krefeld, a.a.O.). Erst
durch ihn wird der Kostenschuldner im Sinn des Kostenrechts beschwert. Ob im
Einzelfall bereits die ausdrückliche Ablehnung einer beantragten Kostenfreiheit mit der
Erinnerung angefochten werden kann, auch wenn die Kosten noch nicht angesetzt sind
(vgl. BayObLG WoM 1993, 213), kann hier dahin stehen. An einer solchen die
Kostenbefreiung zurückweisenden Entscheidung des Kostenbeamten fehlt es im
Streitfall bislang.
Das Landgericht hätte daher auf die Erstbeschwerde die Entscheidung des Richters des
Amtsgerichts aufheben und die Sache an den Kostenbeamten zurückgeben müssen.
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Offen bleiben kann bei dieser Sachlage, ob auch wegen weiterer Verfahrensmängel
hätte entsprechend verfahren werden müssen. Ein zur Aufhebung der amtsgerichtlichen
Entscheidung führender Verfahrensfehler wäre es allerdings nicht gewesen, daß der
Kostenbeamte - entgegen §§ 35 Abs. 2, 45 Abs. 2 Satz 2 KostVfg - nicht über die Abhilfe
entschieden hat, sondern lediglich vermerkt hat, er beabsichtige nicht abzuhelfen (vgl.
Lappe in Korintenberg a.a.O., § 14 Rn. 37; zur Rückgabe an den Kostenbeamten in
solchen Fällen vgl. Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl., § 14 KostO, Rn. 11). Zudem hat
jedoch der Richter des Amtsgerichts über die Erinnerung der Beteiligten zu 1)
entschieden, ohne daß ersichtlich wäre, daß ihm die Sache - etwa nach § 5 RPflG -
zuvor vorgelegt worden wäre. Nach § 14 Abs. 2 KostO entscheidet über Erinnerungen
des Kostenschuldners das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sofern der
Rechtspfleger in der Hauptsache zuständig ist, hat er gemäß § 4 Abs. 1 RPflG auch
über die Erinnerung zu entscheiden (vgl. Lappe in Korintenberg, a.a.O., § 14 Rn. 5;
Rohs/Wedewer, KostO, § 14, Rn. 16 jeweils m.w.N.). Ausgeschlossen ist allerdings
entsprechend § 41 Nr. 6 ZPO derjenige Rechtspfleger, der als Kostenbeamter die
Kostenrechnung aufgestellt hat (vgl. BayObLG Rpfleger 1987, 58; Rpfleger 1974, 391,
393). Ob im Streitfall gleichwohl das vom Richter des Amtsgerichts vorgenommene
Geschäft nach § 8 Abs. 1 RPflG wirksam gewesen wäre (vgl. BayObLG Rpfleger 1993,
485, 486), braucht indes aus den bereits ausgeführten Gründen nicht entschieden zu
werden.
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Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:
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Die vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht wird von
dem Senat nicht geteilt. § 60 Abs. 4 KostO ist weder unmittelbar noch entsprechend auf
Fälle anzuwenden, in denen die Zweijahresfrist für den Eintragungsantrag nicht
eingehalten ist. Die Beteiligte zu 1) dürfte daher von der Erhebung der Gebühr nach §
60 Abs. 1 KostO für die Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch nicht befreit sein.
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Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 60 Abs. 4 KostO ist die Nichterhebung der
Gebühr daran geknüpft, daß der Eintragungsantrag binnen 2 Jahren seit dem Erbfall bei
dem Grundbuchamt eingereicht wird. Hierfür kommt es allein darauf an, daß der Antrag
fristgerecht gestellt wird; unerheblich ist, ob er innerhalb dieser Frist auch vollzugsfähig
ist (vgl. Senat, JurBüro 1988, 1708, 1709; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1997, 575, 576;
Rohs/Wedewer, a.a.O., § 60, Rn. 14). Die Zweijahresfrist ist eine gesetzliche
Ausschlußfrist. Infolgedessen ist für nach Fristablauf eingereichte Eintragungsanträge
eine Gebührenbefreiung nicht mehr möglich. Ohne Bedeutung ist, aus welchem Grund
die Zweijahresfrist nicht eingehalten worden ist (vgl. z.B. LG Freiburg, Rpfleger 1979,
232; Hartmann, a.a.O., § 60 KostO, Rn. 28).
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Für eine erweiternde Auslegung (so Lappe, Anm. zu KostRsp § 60 KostO Nr. 66;
abweichend ders. in Korintenberg, a.a.O., § 60, Rn. 52 : "Kostenerlaß aus
Billigkeitsgründen") oder eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 4 KostO auch
auf Fälle objektiver Unmöglichkeit früherer Antragstellung und damit einer
unverschuldeten Fristversäumung ist kein Raum.
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Eine erweiternde "verfassungskonforme Auslegung" (vgl. Lappe, Anm. zu KostRsp. § 60
KostO Nr. 66) ist ausgeschlossen in Anbetracht der klaren Formulierung der Vorschrift,
die allein auf die Frist zwischen dem Erbfall - nicht der Möglichkeit der Antragstellung -
und dem Eintragungsantrag abstellt.
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Einer entsprechenden Anwendung auf die vorerwähnte Fallkonstellation steht zwar
nicht das "Analogieverbot im Kostenrecht" entgegen. Dieses besagt, daß
Kostenvorschriften als belastende Gesetze nicht zu Lasten des Rechtsunterworfenen
erweitert werden dürfen (vgl. Senat, JurBüro 1988, 1708, 1709; OLG Zweibrücken, NJW-
RR 1997, 575, 576); damit ist grundsätzlich eine Analogie zugunsten des
Kostenschuldners nicht ausgeschlossen. Gleichwohl dürfte eine analoge Anwendung
des § 60 Abs. 4 KostO im Streitfall nicht möglich sein.
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Sie wäre sachlich nicht veranlaßt. Die Gebührenfreiheit für innerhalb von zwei Jahren
nach dem Erbfall eingereichte Anträge soll im öffentlichen Interesse dazu beitragen, daß
der neue Eigentümer so bald wie möglich nach dem Erbfall in das Grundbuch
eingetragen wird, das Grundbuch mithin alsbald wieder richtig wird. Gerade die
Befristung der Gebührenbefreiung soll den Erben den Anreiz bieten, innerhalb dieses
Zeitraumes die Berichtigung des Grundbuchs zu betreiben (vgl. BT.-Drs. IV/351 S. 7 ff,
auszugsweise abgedruckt bei Rohs/Wedewer a.a.O., Rn. 1, 1 a). Ein Interesse an
alsbaldiger Antragstellung und Berichtigung besteht zwar auch in Fällen, in denen erst
nach Fristablauf die Voraussetzungen für die Eintragung im Grundbuch geschaffen
werden, insbesondere die Person des Erben geklärt und damit eine Antragstellung erst
möglich wird. Indes wird in diesen Fällen regelmäßig das mit der Befristung vordringlich
bezweckte Ergebnis - nämlich eine zeitnah nach dem Erbfall erfolgende Berichtigung
des Grundbuchs - nicht erreicht. Der Erbe als wahrer Eigentümer des Grundstücks wird
gerade nicht in absehbarer Zeit nach Eintritt des Erbfalls in das Grundbuch eingetragen;
dieses bleibt vielmehr über einen längeren Zeitraum unrichtig. Dies wird insbesondere
im Streitfall deutlich, in dem zwischen Erbfall und Eintragungsantrag eine Zeitspanne
von mehr als 17 Jahren vergangen ist, während derer das Grundbuch die wahren
Eigentumsverhältnisse nicht richtig wiedergegeben hat.
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Einer entsprechenden Anwendung des § 60 Abs. 4 KostO auf Fälle objektiver
Unmöglichkeit früherer Antragstellung und damit zugleich auf Fälle unverschuldeter
Fristversäumung steht zudem der Grundsatz der Kostenklarheit entgegen. Würde man
trotz des Ablaufs der im Gesetz vorgesehenen Frist in solchen Fällen eine
Kostenbefreiung zulassen, würde dies eine Einzelfallprüfung notwendig machen, aus
welchen Gründen es zur Verzögerung des Eintragungsantrags gekommen und ob die
Verzögerung den Erben als Verschulden zuzurechnen ist. In diesem Rahmen könnte
eine Vielzahl von Umständen zu erwägen sein, die zur Verzögerung des Antrags geführt
haben können. Eine solche Prüfung kann indes nicht Gegenstand des formellen
Kostenrechts sein, das an klare Tatbestände anknüpfen muß und mit der Klärung
derartiger Fragen nicht befrachtet werden darf (vgl. Rohs/Wedewer, a.a.O. Rn 14; OLG
Karlsruhe, Rpfleger 1988, 19, 20).
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Der Gesetzgeber hat sich bewußt für eine Frist der Gebührenbefreiung und damit für
eine klare zeitliche Zäsur entschieden. Er hat nicht darauf abgestellt, ab welchem
Zeitpunkt der Erbe die Möglichkeit hat, den Eintragungsantrag zu stellen. Es muß daher
in Kauf genommen werden, daß sich eine Verzögerung der Antragstellung durch
vorherige Erbenfeststellung oder - wie hier - durch zuvor notwendige Errichtung der zum
Erben berufenen Stiftung zu Lasten der Erben auswirkt. Dies ist auch deswegen
hinzunehmen, weil in solchen Fällen regelmäßig - ungeachtet etwaigen Verschuldens
auf Seiten der Erben - zumindest auch in deren Sphäre die Ursache dafür liegt, daß das
Grundbuch nicht - wie es im öffentlichen Interesse anzustreben ist - alsbald nach dem
Erbfall berichtigt werden kann. Dies gilt auch für den Streitfall, in dem die bisherige
Grundstückseigentümerin eine Stiftung zur Erbin bestimmt hat, die erst noch errichtet
werden mußte. Ob es hierbei - was angesichts der hier verstrichenen Zeit nahe liegt - zu
vermeidbaren Verzögerungen gekommen ist, die die alsbaldige Berichtigung des
Grundbuchs verhindert haben, ist kein Umstand, der im Rahmen des Kostenrechts
geprüft werden könnte und müßte.
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Ob der Sachverhalt Anlaß bieten kann, der Beteiligten zu 1) auf den gestellten Antrag
vom 28. Mai 1998 hin einen Kostenerlaß aus Billigkeitsgründen zu gewähren (vgl.
Lappe in Korintenberg, a.a.O., § 60, Rn. 52), wird, falls beantragt, im Verwaltungsweg zu
entscheiden sein.
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Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 14 Abs. 5 KostO nicht veranlaßt.
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Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 500 DM (geschätzt)
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