Urteil des OLG Köln vom 10.11.2000

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Oberlandesgericht Köln, 6 U 147/00
Datum:
10.11.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 147/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 343/00
Tenor:
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 13.07.2000 verkündete
Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 343/00 -
abgeändert. Die Antragsgegnerinnen werden im Wege der einst-
weiligen Verfügung verurteilt, es zwecks Meidung eines für jeden Fall
der Zuwiderhandlung durch das Gericht festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise
Ordnungs- haft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zur Dauer
von sechs Monaten zu unterlassen, in der an den Endverbraucher
gerichteten Werbung für ein Mobiltelefon nebst Telefonkarte wie nach-
stehend wiedergegeben zu werden: Die Kosten des Verfahrens in
beiden Instanzen haben die Antragsgegnerinnen zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige
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Berufung hat in der Sache Erfolg.
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Das Rechtsmittel des gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V. mit § 3 UWG
prozessführungsbefugten und aktivlegitimierten Vereins führt zur Abänderung des
angefochtenen Urteils und zum Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung, weil sich
die angegriffene Werbung für ein sog. SIM-Lock-Handy nebst D 2 CallYa-Karte als
irreführend i.S. von § 3 UWG darstellt. Denn ein mehr als nur unbeachtlicher Teil des
angesprochenen Verkehrs wird durch die streitbefangene Werbung über geschäftliche
Verhältnisse, konkret die mit dem Erwerb des dargestellten Leistungspaketes (Handy
nebst D 2 CallYa-Karte) verbundene Bindung an einen bestimmten Provider, in
wettbewerblich relevanter Weise in die Irre geführt, was der erkennende Senat, dessen
Mitglieder zum werblich angesprochenen Verkehr zählen, aus eigener Sachkunde und
Lebenserfahrung zu beurteilen vermag.
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Im einzelnen begründet sich das dargestellte Ergebnis wie folgt:
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I.
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Entgegen den im landgerichtlichen Urteil anklingenden Bedenken ist die nach Maßgabe
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von § 25 UWG im Grundsatz für den antragstellenden Verein streitende
Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt. Dabei kann es unterstellt werden, dass SIM-
Lock-Handy-Angebote als solche schon längere Zeit, bevor der Antragsteller initiativ
wurde, intensiv beworben worden sind. Der antragstellende Verein wendet sich im
Streitfall nicht gegen die Werbung für SIM-Lock-Handys schlechthin, sondern allein
dagegen, dass die streitbefangene Werbung der Antragsgegnerinnen den Charakter
dieses Angebots bzw. konkret die damit verbundene Folge nicht hinreichend erkennbar
mache, dass der Kunde das Handy nach Abtelefonieren des Startguthabens für 24
Monate nur bei einem einzigen Provider (hier: Debitel) wieder aufladen kann, wenn er
nicht beim Wechsel zu einem anderen Provider 200,00 DM zahlen will. Den in der
angegriffenen Werbung der Antragsgegnerinnen erblickten Wettbewerbsverstoß hat der
Antragsteller aber in dringlichkeitsunschädlicher Zeit verfolgt. Dass die
Antragsgegnerinnen schon vorher wie mit der streitbefangenen Anzeige geschehen ein
SIM-Lock-Handy-Angebot beworben haben, lässt sich der Akte nicht entnehmen.
Nachdem die konkrete Werbung am 17.04.2000 erschienen war, hat der Antragsteller
die Antragsgegnerinnen jeweils unter dem Datum des 19.04.2000 schriftlich abgemahnt.
Dabei ist es unerheblich, dass dem Antragsteller erst nach der Werbung eines
Konkurrenten (Saturn) am 19.04.2000 für dasselbe Angebot klar geworden sein will,
dass mit der streitbefangenen Anzeige ein SIM-Lock-Handy beworben wurde. Das ist
deshalb für irrelevant, weil selbst dann, wenn der Antragsteller bereits bei Erscheinen
der streitbefangenen Werbung am 17.04.2000 Kenntnis davon erhalten haben sollte,
dass diese sich auf ein SIM-Lock-Angebot erstreckt, jedenfalls innerhalb einer
dringlichkeitsunschädlichen Zeitspanne reagiert worden ist. Da die Antragsgegnerinnen
innerhalb der von ihnen erbetenen und vom Antragsteller eingeräumten
Fristverlängerung bis zum 27.04.2000 in der Sache keine Erklärungen abgaben, ist der
Antragsteller mit seinem sodann am 03.05.2000 eingereichten Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung so zügig gegen den vermeintlichen Wettbewerbsverstoß
eingeschritten, dass eine Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG m.E.
nicht angenommen werden kann.
II.
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Das Unterlassungsbegehren ist aus § 13 Abs. 2 Nr. 2, 3 UWG begründet. Die
streitbefangene Anzeige ist im Sinne des Unterlassungstatbestandes des § 3 UWG
geeignet, einen nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Publikums über das
beworbene Angebot relevant in die Irre zu führen.
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Der Verkehr begegnet Angeboten, in denen der Erwerb eines Mobiltelefons in
Kombination mit Leistungen eines Providers in Aussicht gestellt wird, in dreierlei Form:
Zum einen in der Verknüpfung aus einem in aller Regel extrem preisgünstig, wenn nicht
sogar völlig unentgeltlich abzugebenden Handy mit einem "klassischen" Kartenvertrag,
der den Kunden über längere, im allgemeinen mindestens einjährige, häufig zweijährige
Vertragsdauer mit monatlich wiederkehrenden Grundgebühren belastet. Zum anderen
wird der Erwerb eines gegenüber den vorbezeichneten Angeboten deutlich teureren
Handys in Verbindung mit einer Pre-Paid-Card angeboten, wobei der Kunde nach dem
Verbrauch des auf der Pre-Paid-Card gespeicherten (Erst-)Guthabens entweder eine
Bindung (sei es durch eine neue Pre-Paid-Card oder durch einen "klassischen"
Kartenvertrag) mit dem Provider, der die Pre-Paid-Card ausgestellt hat, oder aber mit
einem anderen Provider eingehen kann, jedenfalls aber - selbst wenn nach dem
Verbrauch der Pre-Paid-Card keine neue Bindung eingegangen wird - über einen
bestimmten Zeitraum über das Handy angerufen werden, also "passiv" telefonieren
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kann. Bei der dritten, hier in Rede stehenden Form des sog. SIM-Lock-Handy-Angebots
kann der Kunde ein Handy gemeinsam mit der Karte eines bestimmten Providers
erwerben, auf der - wie bei der vorbeschriebenen Pre-Paid-Card - ein bestimmtes
Guthaben gespeichert ist (wobei hier teilweise auch nicht berechnete, dem Kunden ein
sogenanntes "freies Telefonieren" ermöglichende Beträge enthalten sein können). Wie
beim Pre-Paid-Card-System hat der Kunde nach dem Verbrauch des auf dieser Karte
gespeicherten (Erst-)Guthabens die Wahl, ob er weiterhin lediglich passiv telefonieren
oder aber aktiv Gespräche mittels des Mobiltelefons führen will. Letzterenfalls ist er -
anders als im Pre-Paid-Card-System - in den Optionen jedoch beschränkt: Für eine
bestimmte Dauer - im Streitfall 24 Monate - kann er grundsätzlich nur bei demjenigen
Provider, der die Karte mit dem Erstguthaben ausgestellt hat, neue Guthaben aufladen;
in dem Telefon ist eine Sperre für die Karten anderer Provider programmiert. Will der
Kunde vor Ablauf dieser Frist zu einem anderen Provider wechseln, wird er mit einem
bestimmten Geldbetrag - im Streitfall 200,00 DM - belastet.
Vor dem dargestellten Hintergrund beanstandet der Antragsteller mit Recht, dass die
angegriffene SIM-Lock-Handy-Werbung der Antragsgegnerinnen das Potential
wettbewerblich relevanter Irreführungen über die tatsächlich eintretende
Kundenbindung in sich trägt. Denn auch wenn - wie dies die Antragsgegnerinnen
zutreffend einwenden - die Kunden keine dem Abschluss eines "klassischen"
Kartenvertrages entsprechende vertragliche Dauerbeziehung mit dem Provider
eingehen, besteht doch in faktischer Hinsicht eine ganz erhebliche zeitliche Bindung der
Kunden an einen bestimmten Provider. Diese wirkt sich auch wirtschaftlich aus, weil die
Kunden während dieser Zeitspanne hinsichtlich der anfallenden Telefonkosten in die
Tarifstruktur dieses einen Providers eingebunden sind und nicht etwa zu einem
günstigeren Anbieter wechseln können, wenn sie die Kosten von 200,00 DM meiden
wollen. Diese Kundenbindung, die von nicht unbeträchtlichem Einfluss auf die
wirtschaftliche Entscheidung des Interessenten für das beworbene Angebot sein kann,
geben die Antragsgegnerinnen indessen nicht hinreichend zu erkennen und führen
damit einen nicht unerheblichen Teil des Verkehrs in die Irre.
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Im Verschweigen einer Tatsache bzw. in der nur unvollständigen Information über ein
Angebot liegt zwar nicht ohne weiteres eine zur Täuschung geeignete Angabe i.S. des
Irreführungstatbestandes des § 3 UWG. Da der Verkehr die Offenlegung aller
Eigenschaften einer beworbenen Ware oder Leistung einschließlich der weniger
vorteilhaften nicht ohne weiteres erwartet, besteht eine allgemeine Aufklärungspflicht
des Werbenden nicht. Denn das Publikum verlässt sich zwar auf die Richtigkeit positiver
Aussagen, erwartet jedoch keine vollständig neutrale Stellungnahme, die geeignet sein
kann, Bedenken oder Vorurteile gegen die angebotene Ware oder Leistung zu
begründen; vielmehr stellt es eine einseitige Betrachtungsweise in Rechnung (vgl.
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage, Rdn. 47 f zu § 3 UWG;
Köhler/Piper, UWG, Rdn. 56 und 114 zu § 3 UWG). Im Verschweigen einer Tatsache
liegt indessen dann eine Irreführung, wenn hiervon Umstände betroffen sind, die von
besonderer Bedeutung für den Kaufentschluss des Publikums sind, daher insoweit eine
Aufklärungspflicht besteht. Nämlich-
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es gilt im Fall der nur ein unvollständiges Bild vermittelnden Werbeangaben: Nimmt die
Unvollständigkeit ein solches Maß an, dass eine Aufklärung der Verbraucher zwecks
Vermeidung einer unsachlichen Beeinflussung des Kaufentschlusses geboten ist,
besteht insoweit eine Aufklärungspflicht und werden unvollständige Angaben zu
unrichtigen i.S. des § 3 UWG (vgl. Köhler/Piper, a.a.O., Rdn. 114 zu § 3 UWG m.w.N.).
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So liegt der Fall hier. Die vorbeschriebene, mit 24 Monaten als langfristig zu
bezeichnende Bindung an einen bestimmten Provider ist nicht nur ein das SIM-Lock-
Handy-System in Abgrenzung zu anderen Angeboten, beispielsweise das Pre-Paid-
Card-System, kennzeichnendes Element, sondern wegen seiner wirtschaftlichen Folgen
auch ein Umstand, der von erkennbar wichtigem Einfluss auf die Entscheidung der
Kunden nicht nur generell für eines der auf dem Markt angebotenen Systeme, sondern
gerade auch für das streitbefangene System ist. Die Antragsgegnerinnen traf daher die
Pflicht, auch diesen, die Funktionsweise des beworbenen Angebots
charakterisierenden Umstand in der Werbung kenntlich zu machen. Soweit das
Landgericht in dem angefochtenen Urteil einen Hinweis auch auf die dargestellte
Kundenbindung für entbehrlich gehalten hat, weil es sich dabei um einen Umstand
handele, der sich als waren- bzw. leistungstypische Eigenschaft von selbst verstehe,
überzeugt das nicht. Allerdings trifft es zu, dass eine Aufklärungspflicht über Umstände,
die selbstverständlich sind und mit denen die umworbenen Kunden redlicherweise
rechnen müssen, nicht besteht (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 49 g zu § 3
UWG m.w.N.). Indessen kann die hier eintretende faktische Kundenbindung meiner
Ansicht nach nicht als ein derartiger, sich von selbst verstehender Umstand eingeordnet
werden. Es mag sein, dass ein großer Teil der Kunden aufgrund seiner Marktkenntnisse
damit rechnet, dass die günstige Preis-stellung für das beworbene Angebot nur durch
eine im Vergleich gegenüber dem herkömmlichen Pre-Paid-Card-System längerfristige
Bindung an einen bestimmten Provider "erkauft" wird. Dafür, dass dieser Teil der
Werbeadressaten aber die konkrete Gestaltung dieser Bindung, insbesondere deren an
die "klassischen" Kartenverträge heranreichende Dauer, kennt oder redlicherweie damit
rechnen muss, spricht indes nichts. Hinzu kommt, dass ein anderer ebenfalls als nicht
unerheblich einzuschätzender Teil des angesprochenen Publikums, der sich aufgrund
der Werbeanzeige der Antragsgegnerinnen erstmals für den Erwerb eines Mobiltelefons
interessiert, nicht über die notwendigen Marktkenntnisse verfügt, namentlich die
diversen Systeme und dabei zu beobachtenden Preisgestaltungen nicht kennt, die ihm
eine Einordnung des hier beworbenen Angebots in bezug auf eine längerfristige
Bindung an einen Provider ermöglichen könnten. Auch wenn Handys mittlerweile ein
weite Verbreitung gefunden haben, gibt es solche, als nicht lediglich unrelevant zu
bezeichnenden Adressatenkreise immer noch, und zwar hauptsächlich wohl in der
mittleren und älteren Generation, die bisher am Erwerb eines Mobiltelefons nicht
interessiert waren, sich aber dem Druck der Verhältnisse zu beugen beginnen und die
sich als Neueinsteiger erstmals mit einem entsprechenden Angebot befassen. Die
Struktur und Arbeitsweise der verschiedenen Angebote auf dem Markt für Mobiltelefone,
der in verhältnismäßige kurzer Folge immer neue und neu strukturierte Angebote
hervorbringt, zählt dabei noch nicht zum Allgemeingut, das bei dem Werbepublikum,
welches von solche Angeboten angesprochen wird, als selbstverständlich
vorausgesetzt werden kann.
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Trifft die Antragsgegnerinnen nach alledem die Pflicht, die Werbeadressaten auf die mit
dem beworbenen SIM-Lock-Handy-Angebot verbundene tatsächliche Bindung an einen
bestimmten Provider hinzuweisen, so leistet die vorliegend zu beurteilende Werbung
eine solche Information indessen nicht. Denn sie enthält keinerlei Hinweise, die einen
zuverlässigen Rückschluss auf die 24-monatige Bindung der aktiven Handy-Nutzung an
die Karte nur eines Providers einschließlich der kostenträchtigen Folgen eines
vorzeitigen Wechsels zu einem anderen Provider vermitteln. Im Text der Werbeanzeige
wird an keiner Stelle der Begriff "SIM-Lock/SIM-Lock-Handy" erwähnt, so dass selbst
diejenigen Kunden, denen dieser Begriff überhaupt etwas sagt, nicht ohne weiteres auf
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die oben erwähnte faktische Kundenbindung gestoßen werden. Der einzige Hinweis,
der auf eine längerfristige Bindung der Kunden an einen bestimmten Provider, nämlich
Debitel, hindeutet, findet sich mit der Angabe "Mindestens ein Jahr erreichbar" in der mit
"Partnervermittlung" überschriebenen Rubrik, in der u.a. der D2 CallYa-Tarif
beschrieben ist. Dieser Hinweis ist nach meinem Dafürhalten aber nicht geeignet, den
tatsächlichen Charakter des beworbenen Angebots offenzulegen. Denn die passive
Erreichbarkeit für mindestens ein Jahr ist grundsätzlich auch im Pre-Paid-Card-System
möglich und stellt daher für sich genommen kein Indiz dar, welches die mit dem
beworbenen SIM-Lock-Handy-Angebot verbundene faktische Bindung an einen
Provider mit der erforderlichen Klarheit zu erkennen gibt. Entsprechendes gilt für den
weiteren, in der vorgenannten Rubrik enthaltenen Vermerk "Preis gilt nur inkl. D2-
CallYa-Card", der das an der Preisangabe angebrachte "Sternchen" aufschlüsseln soll.
Ungeachtet der sowohl hinsichtlich der Schriftgröße als auch hinsichtlich des Ortes der
Unterbringung zu bemerkenden Dezenz des erwähnten Vermerks gibt er inhaltlich
keinen zuverlässigen Hinweis auf die bei Wahrnehmung des Angebots eintretende
Kundenbindung an einen bestimmten Provider. Die Angabe "Partnervermittlung" leistet
diese Klarstellung ebenfalls nicht, weil diese vor dem Hintergrund des Pre-Paid-Card-
Systems ebensogut als Angabe der Tarifstruktur des die Gespräche vermittelnden
Providers gewertet werden kann, die - nur - das Erstguthaben bzw. dessen "Wert"
erläutert. Selbst wenn aber die Angabe "Partnervermittlung" als Hinweis auf etwas
anderes als das Pre-Paid-Card-System gewertet werden sollte, so macht dies die
tatsächlich eintretende Kundenbindung nicht deutlich.
Indem die Antragsgegnerinnen die mit dem beworbenen Angebot verbundene faktische
Bindung der Kunden nicht hinreichend offenbaren, wird aber bei einem mehr als nur
unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs, namentlich den Werbeadressaten,
die bisher nur Erfahrung mit dem Pre-Paid-Card-System erworben haben und deren
Erwartungshorizont durch dieses maßgeblich geprägt wird, die Vorstellung geweckt,
bereits nach Verbrauch des auf der Karte gespeicherten Erst-Guthabens in der Wahl
des Providers frei zu sein. Ein anderer, ebenfalls als nicht unerheblich einzuschätzender
Teil dieser Verbraucher wird zwar möglicherweise von einer längeren Bindung
ausgehen, dabei jedoch keine Zeitspanne erwarten, die an einen "klassischen"
Kartenvertrag heranreicht, sondern deutlich darunter bleibt. Soweit die
Antragsgegnerinnen in diesem Zusammenhang auf den niedrigen Preis für das Handy
sowie die Angabe verweisen, dass dieser nur in Verbindung mit einer D2 CallYa-Karte
gilt, wird das Entstehen einer solchen Erwartung dadurch nicht verhindert. Denn der
Preis von 88,00 DM ist selbst unter Berücksichtigung des ohne Berechnung
abtelefonierbaren Betrages nicht derart niedrig, dass sich dem Verkehr bei
ungezwungener Betrachtung der Gedanke aufdrängen muss, er werde nur bei einer
langfristigen - konkret: zweijährigen - Kundenbindung möglich sein. Die Annahme, dass
es sich dabei um das aus anderen Gründen - z.B. dem Aushandeln besonders günstiger
Einkaufskonditionen durch Media Markt - preisgünstige Angebot eines Handy´s handelt,
liegt ebenfalls nahe.
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Die dargestellte Fehlvorstellung, sich nach Abtelefonieren des Erstguthabens frei,
jedenfalls aber nach einer erheblich kürzeren Zeitspanne als zwei Jahre für einen
Provider entscheiden zu können, ist dabei auch von offenkundiger wettbewerblicher
Relevanz. Denn die Erwartung, nach verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem ggf.
günstigere Konditionen bietenden Provider wechseln zu können, ist geeignet, die
Aufmerksamkeit der Kunden für das beworbene Angebot in einem Maße zu wecken,
das diesem - bei Offenlegung der tatsächlichen Bindung - andernfalls nicht zuteil
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geworden wäre.
Den Antragsgegnerinnen ist es dabei schließlich zumutbar, den angesprochenen
Verkehr über die mit dem beworbenen Angebot verbundene Besonderheit, nämlich die
zweijährige faktische Bindung des Kunden, der das Handy aktiv nutzen will, an einen
bestimmten Provider klarzustellen, so dass auch die gebotene Interessenabwägung zu
ihren Lasten ausgeht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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