Urteil des OLG Köln vom 09.06.2009

OLG Köln: offenlegung, veröffentlichung, einstweilige verfügung, zivilrechtliche streitigkeit, verfassungskonformität, eingriff, erlass, sparkasse, geschäftsbericht, organisation

Oberlandesgericht Köln, 15 U 79/09
Datum:
09.06.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 U 79/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 307/09
Tenor:
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 15.05.2009
verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 28 O
307/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von
250.000,00 €, ersatzweise, für den Fall dass dieses nicht beigetrieben
werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft
bis zur Dauer von sechs Monaten - die Ordnungshaft jeweils zu
vollziehen an dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats – v e r b o t e n,
die jährlichen Bezüge, die der Verfügungskläger als Mitglied des
Vorstands von der Verfügungsbeklagten, erhält in einem
Jahresabschluss und/oder einem Anhang zum Jahresabschluss
und/oder einem Lagebericht und/oder einem Geschäftsbericht unter
Nennung des Namens des Verfügungsklägers oder seiner
Organstellung offenzulegen oder offenlegen zu lassen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen hat die
Verfügungsbeklagte zu tragen.
G r ü n d e:
1
A.
2
Von der Darstellung der Entscheidungsgrundlagen i. S. von § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird
gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 ZPO abgesehen.
3
B.
4
Die – zulässige – Berufung des Verfügungsklägers (im Folgenden nur: Kläger) hat in der
Sache Erfolg. Das Landgericht hat den Erlass der von dem Kläger begehrten
einstweiligen Verfügung, mit welcher der Verfügungsbeklagten (im Folgenden nur:
Beklagte) die individualisierte Offenlegung der von dem Kläger bezogenen
Vorstandsvergütung untersagt werden soll, in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht
abgelehnt. Dem Kläger steht der geltend gemachte, im Wege der einstweiligen
Verfügung vorläufig zu sichernde Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit
§ 1004 BGB analog zu.
5
Im Einzelnen:
6
I.
7
Das von dem Kläger beschrittene Verfahren ist zulässig.
8
1.
9
Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Urteil seine Rechtswegzuständigkeit
bejaht und eine der Entscheidungskompetenz der Zivilgerichtsbarkeit zugewiesene
zivilrechtliche Streitigkeit angenommen hat, ist das aus dem in der angefochtenen
Entscheidung aufgezeigten Grund in der Sache zutreffend, nach Maßgabe von § 17 a
Abs. 5 GVG im Rechtsmittelverfahren aber ohnehin bindend. Bei dem erstinstanzlichen
Urteil handelt es sich auch um eine "Hauptsacheentscheidung" im Sinne der
vorbezeichneten gesetzlichen Regelung, die als "Entscheidung in der Hauptsache" eine
solche versteht, welche nicht im Rahmen des Verfahrens gemäß § 17a Abs. 2 bis 4
GVG ergangen ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 27. Aufl., § 17 a GVG Rdn. 18).
10
2.
11
Auch die gewählte Verfahrensart des vorläufigen Rechtsschutzes ist als solche statthaft.
Dem steht es nicht entgegen, dass – soweit die Verfassungskonformität der
entscheidungserheblichen gesetzlichen Bestimmung des § 19 Abs. 5 SpkG NRW in
Zweifel gezogen wird – die Prüfungszuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach
Maßgabe von Art. 100 Abs. 1 GG eröffnet ist. Im ordentlichen Streit- bzw.
Hauptsacheverfahren hat das Gericht, das eine gesetzliche Bestimmung für
verfassungswidrig hält, auf deren Gültigkeit es für die Entscheidung ankommt, die Frage
der Verfassungskonformität – je nach dem Charakter der durch die Norm womöglich
verletzten Verfassungsbestimmung – entweder dem Bundesverfassungsgericht oder
dem Verfassungsgericht des betroffenen Landes zur Entscheidung vorzulegen. Die mit
der Vorlage an das zuständige Verfassungsgericht verbundene Aussetzung ist
allerdings mit dem Charakter der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und der
diesen immanenten Eilbedürftigkeit nicht zu vereinbaren (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., §
148 Rdn. 4 und Zöller/Vollkommer, a.a.O., Vor § 916 Rdn. 7 u. 9 – jeweils m. w.
Nachw.). Da der anspruchstellenden Partei in dieser Situation aber eine
Schutzbedürftigkeit nicht von vornherein abzusprechen ist und die ggf. gebotene
Sicherung ihrer Rechtsposition bis zur Klärung der Verfassungskonformität der
entscheidungserheblichen Norm durch die dazu berufenen Verfassungsgerichte nicht
versagt werden kann, sind die Fachgerichte durch Art. 100 Abs. 1 GG bzw. das
hierdurch begründete Verwerfungsmonopol der Verfassungsgerichte nicht an der
Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gehindert, wenn und soweit dies nach den
Umständen des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint
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und die Hauptsacheentscheidung dadurch nicht vorweggenommen wird ( BVerfGE 86,
382 ff – Rdz. 29 gemäß Juris-Ausdruck; BVerfG, Beschluss vom 16.11.1993 – 2 BvR
1587/92 – Rdz. 3 gemäß Juris-Ausdruck). Nach diesen Maßstäben lässt sich aber der
von dem Kläger im Verfahren der einstweiligen Verfügung begehrte vorläufige
Rechtschutz nicht von vornherein ablehnen: Unterstellt, die Bestimmung des § 19 Abs. 5
SpkG NRW sei tatsächlich ungültig und würde durch das zuständige
Verfassungsgericht verworfen, so wäre der mit einer vorherigen individualisierten
Offenlegung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers
nicht rückgängig zu machen, weil das Wissen der diese Information zur Kenntnis
nehmenden Dritten in deren Köpfen bereits verankert und in die Beurteilung des Bildes,
welche diese sich von dem Kläger als Person machen, eingeflossen wäre. Alles spricht
dafür, dass die individualisierten Angaben über die Vorstandsbezüge in den
Jahresabschluss oder den Lagebericht einzustellen sind, die – nach Durchführung des
Verfahrens gemäß §§ 15 Abs. 2 lit. d), 24 Abs. 3 und 4 SparkG NRW - der
Aufsichtsbehörde vorgelegt (§§ 24 Abs. 5, 39 Abs. 2 SparkG NRW) und nach Maßgabe
von § 340 l HGB veröffentlicht werden. Der Adressatenkreis, der auf diese Weise von
den auf die Person des Klägers hinweisenden individualisierten Angaben erreicht wird,
ist denkbar groß - entsprechend intensiv die vorbezeichnete beeinträchtigende Wirkung.
Der bei Zurückstellung der Veröffentlichung bis zur Entscheidung über die
Verfassungskonformität der Bestimmung des § 19 Abs. 5 SparkG NRW auf Seiten der
Beklagten entstehende Nachteil ist demgegenüber von geringerem Gewicht, weil sich –
bei Bejahen der Gültigkeit der erwähnten Bestimmung - lediglich der Zeitpunkt der
Veröffentlichung hinausschiebt, deren Informationsgehalt und Wirkungen als solche
indessen unbeeinträchtigt bleiben und nachgeholt werden können. Dies wiegt
gegenüber der dem Kläger aus der perpetuierenden Wirkung der Veröffentlichung
drohenden Beeinträchtigung weit weniger schwer. Letzteres gilt selbst für den Fall, dass
sich § 19 Abs. 5 SparkG NRW nur auf die individualisierte Offenlegung der Bezüge
aktiver Vorstandsmitglieder beziehen sollte und der Kläger in der Zwischenzeit bis zur
Klärung der Gültigkeit der Bestimmung womöglich aus seiner aktiven Vorstandsposition
ausgeschieden ist. Ungeachtet der Frage, ob dann nicht eine "rückwirkende"
Veröffentlichung der von dem Kläger ab Inkrafttreten der Bestimmung während der
Dauer seiner aktiven Zeit erhaltenen Bezüge in Betracht kommt, würde selbst ein sich
bei Gültigkeit der Norm etwa ergebendes Verbot der rückwirkenden Veröffentlichung
den bei Ungültigkeit der Norm zu Lasten des Klägers bei "vorzeitiger" Offenlegung
seiner Vorstandbezüge eingetretenen Nachteil nicht aufwiegen. Der Erlass der
Verbotsverfügung würde auch nicht im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die Hauptsacheentscheidung vorwegnehmen, letztere ist im
gegebenen Zusammenhang als endgültige Entscheidung über die
Verfassungswidrigkeit der Norm zu verstehen ist. Die vorliegend begehrte Maßnahme,
die als einstweilige Verfügung zunächst keine endgültige Regelung darstellt, nimmt
diese Entscheidung indessen nicht voraus, sondern trifft nur eine Interimsregelung bis
zur Klärung der Verfassungskonformität von § 19 Abs. 5 SparkG NRW durch das
Bundesverfassungsgericht.
II.
13
Der Antrag ist auch begründet.
14
1.
15
Dem Kläger steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch zur Seite.
16
a)
17
Ob der Kläger aus dem mit der Beklagten geschlossenen Anstellungsvertrag einen
Anspruch auf Unterlassung der Offenlegung seiner Vorstandsbezüge herleiten kann,
bedarf hierfür nicht der Entscheidung. Es kann unterstellt werden, dass der zwischen
den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrag eine Geheimhaltungsverpflichtung der
Beklagten u.a. die vereinbarten Bezüge des Klägers betreffend enthält. Indessen spricht
alles dafür, dass eine solche Klausel nur innerhalb der Grenzen der von der Beklagten
einzuhaltenden gesetzlichen Bilanzierungsvorschriften gelten soll. Ist die Beklagte
danach aber verpflichtet, in den Jahresabschluss bzw. die Anlage dazu oder in den
Lagebericht Daten aufzunehmen, die sich auf den Kläger beziehen (lassen), so kann
daraus eine Verletzung der vertraglichen Geheimhaltungspflicht im Verhältnis dem
Kläger gegenüber nicht hergeleitet und daher von diesem auch nicht vorbeugend
Unterlassung gefordert werden. Es kommt daher (auch) für den vertraglichen Anspruch
entscheidungserheblich auf die Gültigkeit der streitbefangenen Bestimmung des § 19
Abs. 5 SparkG NRW an. Der vertragliche Anspruch beurteilt sich somit letztlich anhand
derselben rechtlichen Kriterien, wie sie für den gesetzlichen Unterlassungsanspruch
aus § 1004 BGB analog i. V. mit § 823 Abs. 1 BGB unter dem Aspekt der Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung (vgl. Burkhardt/Wenzel, Das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 5 Rdn. 22 m. w. Nachw.) relevant sind. Dass die
den Kläger als Person kenntlich machende Offenlegung der Bezüge, die er im
bilanzierten Zeitraum als Vorstand von der Beklagten erhalten hat, sich als Eingriff in
sein Persönlichkeitsrecht darstellte, kann dabei keinem Zweifel unterliegen: Das aus der
Berufsausübung bezogene Einkommen betrifft die Privatsphäre, da es sich hierbei nicht
um das der Sozialsphäre zuzuordnende berufliche Wirken selbst handelt, sondern um
einen Umstand, der die Grundlage der Lebensgestaltung und –Führung betrifft, zu der in
aller Regel nur einem kleinen Personenkreis Zugang gestattet wird, dem typischerweise
ein die Preisgabe privater Lebensverhältnisse tragendes Vertrauen entgegengebracht
wird. Unterstellt, die Beklagte sei nicht aufgrund einer bilanzrechtlichen Bestimmung zur
Offenlegung verpflichtet, so ist auf ihrer Seite auch kein die Preisgabe der an den Kläger
geleisteten Vorstandsbezüge tragendes berechtigtes Interesse erkennbar. Ein die
Kenntnis der genauen einkommensmäßigen Einordnung des Klägers forderndes
Allgemeininteresse ist nicht ersichtlich. Es lässt sich auch nicht aus der
hervorgehobenen Bedeutung der Position des Klägers bei der Beklagten und der damit
verbundenen Verantwortung für die dieser anvertrauten Vermögen oder aber aus einem
etwaigen Selbstdarstellungsinteresse der Beklagten selbst herleiten, die sich damit
beispielsweise als eine besonders "sparsame" oder aber "großzügige" Geschäftspolitik
verfolgend präsentieren könnte. Diesen Interessen wird hinreichend durch die Angabe
der an den Vorstand gezahlten Gesamtbezüge Rechnung getragen. Die individualisierte
Offenlegung der von dem Kläger von der Beklagten bezogenen Vergütung ist
demgegenüber geeignet, konkrete Vorstellungen von dessen und seinen Angehörigen
gepflegten Lebensstil hervorzurufen, die bis weit in private Bereiche – beispielsweise
die Gestaltung der Freizeit und die Finanzierung persönlicher Anschaffungen –
hineinreichen. Die damit verbundene Beeinträchtigung seines vor dem Eindringen
öffentlicher Neugier zu schützenden Privatbereichs muss der Kläger auch unter
Berücksichtigung der vorbezeichneten Veröffentlichungsinteressen nicht hinnehmen.
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b)
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Vor dem aufgezeigten Hintergrund kommt es daher entscheidungsrelevant darauf an, ob
die Beklagte sich zur Rechtfertigung des Eingriffs auf § 19 Abs. 5 SparkG NRW berufen
kann. Denn ergibt sich daraus die gesetzliche Verpflichtung zur individualisierten
Offenlegung der Vorstandbezüge in der Bilanz - und nur insoweit droht eine
Verletzungshandlung bzw. besteht die Erstbegehungsgefahr -, ist der vorbeschriebene
Eingriff nicht als rechtswidrig einzuordnen und muss der Kläger ihn auch unter
Würdigung seines Interesses an der Achtung seiner Privatsphäre hinnehmen.
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Die landesrechtliche Bestimmung des § 19 Abs. 5 SparkG NRW vermag den Eingriff
indessen nicht zu rechtfertigen. Es sprechen gewichtige und bei vorläufiger Würdigung
durch den Senat im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens im Ergebnis auch
durchgreifende Gründe gegen die formelle Verfassungskonformität, mithin gegen die
Gültigkeit dieser Norm. Der Landesgesetzgeber hat mit dem Erlass der gesetzlichen
Bestimmung die ihm gemäß den Artikeln 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 11 GG im Bereich der
konkurrierenden Gesetzgebung zugewiesene Gesetzgebungskompetenz überschritten,
mithin als unzuständiger Gesetzgeber gehandelt.
21
aa)
22
Anders als dies das Landgericht in dem angefochtenen Urteil gesehen hat, fällt die hier
in Frage stehende Regelung unter die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des
Bundes gemäß Art. 74 Nr. 11 GG. Danach erstreckt sich die konkurrierende
Gesetzgebung auf das Recht der Wirtschaft, darunter u. a. das Bank- und Börsenwesen.
Unter Bankwesen ist das Recht der Banken einschließlich der Sparkassen zu
verstehen, wobei zu letzteren auch die in der Form öffentlich-rechtlicher Anstalten
gegründeten und geführten Banken, dabei insbesondere kommunale Sparkassen
zählen (Maunz-Dürig, GG, Art. 74 Rdn. 146 m. w. Nachw.). Im Bereich des
Sparkassenwesens fällt allerdings die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nicht
einschränkungslos an: Es wird vielmehr zwischen dem Sparkassenverfassungsrecht
und dem Sparkassenorganisationsrecht als sog. formellen Sparkassenrecht einerseits
sowie andererseits dem materiellen Sparkassenrecht unterschieden, welches die
Geschäftspolitik und Wirtschafts- bzw. Geschäftsführung der Sparkassen betrifft. Nur
letzteres unterfällt der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 11
GG, wohingegen ersteres der Gesetzgebung der Länder zugewiesen ist (BVerwGE 75,
292 ff/Rdn. 33 gemäß Juris-Ausdruck; Maunz-Dürig, a.a.O. – jeweils m. w. Nachw.). Die
hier in Frage stehende Regelung ist dem Bereich des materiellen Sparkassenrechts
zuzuordnen und unterfällt damit dem der konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Die
Frage, welche Angaben auf welche Weise in der Bilanz bzw. dem Geschäftsbericht
einer Sparkasse zu machen sind, betrifft weder eine Frage der Verfassung noch eine
solche der Organisation der Sparkasse. Es geht hierbei nicht um einen das
Unternehmen in seiner korporativen Verfassung und/oder strukturellen Organisation
betreffenden Regelungsgegenstand, sondern darum, wie eine Aufgabe der
Geschäftsführung, nämlich die u.a. durch die Geschäftspolitik bestimmte und deren
wirtschaftlichen Erfolg abbildende Bilanz inhaltlich zu gestalten ist. Soweit die Beklagte
und auch das Landgericht in dem angefochtenen Urteil einen anderen Standpunkt
vertreten, und die streitbefangene Regelung dem der Gesetzgebungszuständigkeit der
Länder unterfallenden Bereich der "Organisation der Sparkassen" zuordnet, vermag das
nicht zu überzeugen. Dem bloßen Hinweis auf die Position der Regelung in dem
Abschnitt "Verwaltung der Sparkassen" des SparkG NRW lässt sich keine zuverlässige
indizielle Funktion entnehmen, andernfalls es der Landesgesetzgeber durch bloße
formale Zuordnungskriterien selbst in der Hand hätte, seine legislative Zuständigkeit zu
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begründen. Aber auch dem sachlichen Regelungsgehalt nach ist mit der
individualisierten Offenlegung der Vorstandsbezüge keine Frage der Organisation und
Führung der Sparkassen betroffen. Es geht hier nicht um die strukturelle Organisation
der Sparkasse als Unternehmen und die den danach zu bildenden und gebildeten
Gremien zugewiesenen Aufgaben, sondern um eine Frage, wie diese Aufgaben – hier
die Bilanzierung bzw. der Jahresabschluss - inhaltlich auszugestalten sind. Die unter
Abschnitt III des SparkG NRW "Rechnungslegung, Jahresabschluss und
Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter" getroffene Regelung betreffend u.a. den
Jahresabschluss dokumentiert diesen Unterschied deutlich: Darin ist zwar das u.a. im
Zusammenhang mit der Vorlage, Prüfung und Feststellung durch die beteiligten
Gremien (Vorstand, Verwaltungsrat Sparkassen- und Giroverband) einzuhaltende
Verfahren organisiert. Wie der diesem Verfahren zu unterziehende Jahresabschluss
inhaltlich auszusehen hat bzw. welche konkreten Daten in ihn auf welche Weise
aufzunehmen und ggf. zu bilanzieren sind, ist – mit Ausnahme allein der hier zu
beurteilenden Bestimmung - weder in diesem Abschnitt noch an anderer Stelle des
SparkG NRW geregelt. Sprechen bereits die aufgezeigten Gründe dafür, die unter § 19
Abs. 5 SparkG NRW getroffene Regelung dem Bereich des materiellen
Sparkassenrechts zuzuweisen, so gilt dies weiter unter Würdigung des Umstandes,
dass die individualisierende Offenlegung der Vorstandsgehälter in der veröffentlichten
Bilanz ein Mittel der Demonstration einer bestimmten Geschäftspolitik – namentlich der
"Transparenz" - und damit seinerseits eine Maßnahme der Geschäftspolitik darstellt.
Hinzu kommt, dass die Höhe der ggf. offengelegten, an die Vorstände gezahlten
Vergütung Einfluss darauf haben kann, welche Personen für derartige Positionen
gewonnen werden können, um mittels der von deren Berufserfahrung und Kompetenz
geprägten Unternehmensführung die Geschäftspolitik zu gestalten. In diese Richtung
weisen auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung
vom 25.02.2008 zu der Veröffentlichung von Vorstandsvergütungen der gesetzlichen
Krankenversicherungen nach Maßgabe von § 35 a Abs. 6 SGB IV (- 1 BvR 3255/07;
NJW 2008, 1435 ff). Der Vergütung von Führungspersonal wird danach erhebliche
praktische Bedeutung u.a. für die Unternehmenspolitik und die Motivation der
betroffenen Personen bei ihrem unternehmerischen Handeln beigemessen (a.a.O., Rdn.
40 gemäß Juris-Ausdruck).
bb)
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Unterfällt damit die hier betroffene Regelung der Materie konkurrierender
Gesetzgebung, war aber das Land Nordrhein-Westfalen an der Rechtssetzung
gehindert.
25
Stützen sich der Bund und ein Land im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung
jeweils auf dieselbe Kompetenzbestimmung des Grundgesetzes, so kommt der
Bundesgesetzgebung nach Maßgabe von Art 72 GG der Vorrang zu. Den Ländern steht
die Befugnis zur Gesetzgebung zu, solange und soweit der Bund von seinem
Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Andernfalls entfaltet das
Bundesgesetz Sperrwirkung für die Länder. Diesen bleibt Raum für eine eigene
Regelung nur, wenn und soweit die bundesrechtliche Regelung nicht erschöpfend ist.
Wann eine bundesrechtliche Regelung als erschöpfend anzusehen ist, folgt aus der
Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes. Der Umstand, dass der
Bundesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat,
rechtfertigt dabei für sich genommen noch nicht den Schluss auf eine erschöpfende, die
Länder von eigener Gesetzgebung ausschließende Regelung. Maßgeblich ist, ob ein
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bestimmter Sachbereich umfassend und lückenlos geregelt ist bzw. nach dem aus
Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des
Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Hat der Bund einen Sachbereich in
Wahrnehmung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in diesem Sinne
abschließend geregelt, so tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung
der Länder im selben Sachbereich unabhängig davon ein, ob sie den bundesrechtlichen
Regelungen widersprechen oder sie nur ergänzen, ohne ihnen sachlich zu
widersprechen (BVerfGE 102, 99 ff Rdn. 83 und 84 gemäß Juris-Ausdruck; Maunz-
Dürig, a.a.O., Art. 72 Rdn. 4 f – jeweils m. w. Nachw.).
Von diesem Maßstab ausgehend ist die hier zu beurteilende Norm - § 19 Abs. 5 SparkG
NRW – ungültig. Der Bund hat mit den unter den §§ 285 Satz 1 Nr. 9 lit. a), 286 Abs. 4,
340 a HGB getroffenen Regelungen betreffend die Offenlegung der Vorstandsbezüge im
Anhang zum Jahresabschluss eine abschließende Regelung getroffen.
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Gemäß § 285 Satz 1 Nr. 9 lit a) – Satz 1 HGB haben große und mittelgroße
Kapitalgesellschaften (vgl. § 267 Abs. 2 und 3 HGB) im Anhang zum Jahresabschluss
als Pflichtangabe u. a. die für die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans als
Personengruppe für die Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge
anzugeben. Nach Maßgabe von § 286 Abs. 4 HGB tritt allerdings eine Befreiung von
dieser Pflichtangabe dann ein, wenn sich anhand der Angaben die Bezüge eines
Mitglieds des Organs feststellen lassen. Hier ist zwar streitig, wann diese
Voraussetzung im Falle mehrgliedriger Organe zu bejahen ist (vgl. Lange in Münchener
Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 286 Rdn. 65 -69; Baumbach/Hopt/Merk, HGB, 33. Aufl. §
286 Rdn. 4; Schreiben des BMJ vom 06.03.1995, DB 1995, 639; Feige, DB 1995, 637 f;
Kempter, BB 1996, 419 – jeweils m. w. Nachw.). Jedoch besteht im Ausgangspunkt
Einigkeit darüber, dass der Regelung Erwägungen des Datenschutzes zugrundeliegen
(vgl. Lange in Mü-Komm., a.a.O., § 286, Rdn. 62 und die weiteren vorangehend
angeführten Nachweise). Die dargestellten Bestimmungen über die Offenlegung u.a. der
den geschäftsführenden Organen gewährten Gesamtbezüge gelten gemäß § 340 a Abs.
1 HGB ebenfalls für Kreditinstitute, auch wenn diese nicht in der Form einer
Kapitalgesellschaft betrieben werden. Maßgeblich ist allein die Tätigkeit im
Kreditgewerbe, so dass alle Kreditinstitute unabhängig von ihrer Größe und Rechtsform,
damit auch öffentlich-rechtliche Sparkassen betroffen sind (vgl.
Böcking/Löw/Wohlmanstetter, Münchener Kommentar, a.a.O., § 340 a Rdn. 2. und 5;
Feige, a.a.O., S. 638). § 340 a Abs. 2 HGB schließt zwar die Anwendbarkeit einiger
bilanzrechtlicher Vorschriften des HGB aus, die hier betroffenen Bestimmungen der §§
285 Satz 1 Nr. 9 lit. a), 286 Abs. 4 HGB zählen indessen nicht dazu.
28
Die sich aus den aufgezeigten Regelungen des HGB ergebende Verpflichtung zur
Offenlegung nur der Gesamtbezüge erfährt lediglich für börsennotierte
Aktiengesellschaften eine Ausnahme: Gemäß § 285 Satz 1 Nr. 9 lit a Satz 5 – 7 HGB
haben börsennotierte AG zusätzlich unter Namensnennung die Bezüge jedes einzelnen
Vorstandsmitglieds, aufgeteilt nach erfolgsabhängigen und erfolgsunabhängigen
Komponenten mit langfristiger Anreizfunktion gesondert anzugeben, wovon nach § 286
Abs. 5 HGB nur bei entsprechender Beschlussfassung der Hauptversammlung
abgesehen werden kann. Die aufgezeigte Verpflichtung zur individualisierten
Offenlegung der Bezüge von Vorständen börsennotierter Aktiengesellschaften geht
zurück auf das Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen
(Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 03.08.2005 (BGBl. I, 2267
ff). Nach der Gesetzesbegründung sollte die Offenlegung der individuellen Bezüge u. a.
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mit Blick auf die Vergütungs- und Kontrollhierarchie in der Aktiengesellschaft eingeführt
werden und der Transparenz dienen; die Eigentümer, d. h. die Aktionäre hätten einen
Anspruch darauf, über die Vergütung der Vorstandsmitglieder in vollem Umfang
informiert zu werden, weil diese letztlich von ihrem, der Aktionäre, Geld bezahlt werden.
Auch für potenzielle Anteilseigner seien diese Angaben von Bedeutung (BT-Drs.
15/5577, S. 5, 6). In der Gesetzesbegründung heißt es weiter wie folgt:
"Schließlich ist die Beschränkung der Pflicht auf börsennotierte
Aktiengesellschaften ausreichend und auch nur hier sinnvoll.…Bei sonstigen
am geregelten Markt tätigen Unternehmen, die nur Fremdkapital durch Ausgabe
von Schuldverschreibungen oder Genussscheinen aufnehmen, ist das
Informationsbedürfnis geringer, da sie nicht – wie Aktionäre – eine
Eigentümerstellung innehaben. …" (S. 7, linke Spalte, 2. Absatz).
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Die obigen Ausführungen dokumentieren, dass der Bundesgesetzgeber mit den in den
§§ 285 Satz 1 Nr. 9 lit a), 286 Abs. 4 und Abs. 5 HGB getroffenen, auch für
Kreditinstitute, darunter öffentlich-rechtliche Sparkassen geltenden Regelungen
betreffend die Offenlegung von u.a. Vorstandsbezügen eine erschöpfende Regelung
getroffen hat. Gerade die im Zusammenhang mit der Einführung der Verpflichtung zur
individualisierten Offenlegung der Vorstandsbezüge bei börsennotierten
Aktiengesellschaften vorgenommenen Erwägungen betreffend einerseits die
Vergütungstransparenz sowie andererseits die Beschränkung auf börsennotierte
Aktiengesellschaften dokumentieren, dass der Bundesgesetzgeber auch unter
Berücksichtigung des – als solcher auch bei anderen Gesellschaftsformen
berücksichtigungsfähigen - Gesichtspunkts der Vergütungstransparenz bewusst eine
nur die börsennotierten Aktiengesellschaften erfassende Verpflichtung zur über die
bisherige Rechtslage hinausgehenden, weitergehenden Offenlegung installieren wollte.
Auch wenn sich zu der für die Beschränkung auf börsennotierte Aktiengesellschaften
gegebenen gesetzgeberischen Begründung durchaus eine andere Meinung vertreten
lässt und eine weitergehende, auch andere Gesellschaftsformen erfassende Regelung
als sinnvoll erachtet werden kann, bleibt danach für die Landesgesetzgeber kein
Spielraum für eine solche, die Verpflichtung zur individualisierten Offenlegung auch auf
Sparkassen ausdehnende Regelung. Die Länder sind nicht berechtigt, eine
konkurrierende Gesetzgebungskompetenz dort in Anspruch zu nehmen, wo sie eine -
abschließende – Bundesregelung für unzulänglich und deshalb reformbedürftig halten;
sie haben nicht die Aufgabe, kompetenzmäßig getroffene Entscheidungen des
Bundesgesetzgebers "nachzubessern" (BVerfGE 98, 265/300 – m. w. Nachw.).
31
In dieser Situation spricht alles dafür, die Bestimmung des § 19 Abs. 5 SparkG NRW
mangels Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers als formell
verfassungswidrig und daher ungültig einzuordnen. Des Eingehens auf die Frage, ob
die Verpflichtung zur individualisierten Offenlegung der Vorstandsbezüge in materieller
Hinsicht den Anforderungen der Verfassungskonformität entspricht - was mit Blick auf
die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2008, 1435 ff) und des
Bundessozialgerichts (NZS 2008, 89 ff ) zu der eine solche individualisierte Offenlegung
der Bezüge der Vorstände der gesetzlichen Krankenkassen begründenden Vorschrift
des 35 a Abs. 6 SGB IV wohl zu bejahen ist – bedarf es daher nicht.
32
Ist aber die Bestimmung des § 19 Abs. 5 SparkG NRW nach alledem als formell
verfassungswidrig einzustufen, vermag diese Norm den mit der Offenlegung seiner
Vorstandsbezüge verbundenen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
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Klägers nicht zu rechtfertigen. Da auch andere Umstände, die diesen Eingriff
rechtfertigen und für den Kläger hinnehmbar machen könnten, nicht ersichtlich sind, ist
er bis zu einer endgültigen Klärung der Gültigkeit der erwähnten Norm durch das
Bundesverfassungsgericht im Wege ein Verbots der individualisierten Offenlegung zu
sichern.
2.
34
Der für den Erlass der begehrten einstweiligen Unterlassungsverfügung - als Element
der Begründetheit des Antrags (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 917 Rdn. 3 m. w.
Nachw.) - weiter vorauszusetzende Verfügungsgrund ist ebenfalls zu bejahen. Der
Umstand, dass die entscheidungserhebliche Norm des § 19 Abs. 5 SparkG NRW, aus
welcher die Beklagte die Verpflichtung zur individualisierten Veröffentlichung der
Vorstandbezüge herleitet, gegen die sich der Kläger mit seinem Unterlassungsanspruch
letztlich wendet, bereits seit November 2008 in Kraft ist, steht dem nicht entgegen. Ein
dem Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit entgegenstehendes Zuwarten des Klägers,
der seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 08.05.2009 bei dem
Landgericht angebracht hat, lässt sich daraus nicht herleiten. Dem Kläger musste
vielmehr erst ab Zugang des Schreibens des S Sparkassen- und Giroverbandes vom
06.05.2009 (Bl. 39 d. A.) vor Augen stehen, dass auf der Grundlage von § 19 Abs. 5
SparkG NRW nunmehr mit der individualisierten Offenlegung seiner als Vorstand
erhaltenen Bezüge in dem Jahresabschluss zu rechnen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war
das nicht ohne weiteres zu erwarten. Die erwähnte landesgesetzliche Regelung war
zwar in Kraft. Es ergaben sich aber sowohl aus ihrem Inhalt wie auch mit Blick auf das
ihr zugrundeliegende Gesetzgebungsverfahren Zweifel, welche die Durchsetzung der
Regelung zunächst nicht erwarten ließ. Zum einen geht aus dem Wortlaut der Norm
nicht ohne weiteres mit der erforderlichen Deutlichkeit hervor, dass die Beklagte danach
überhaupt zur individualisierten Offenlegung der Bezüge der Vorstandsmitglieder in
dem Jahresabschluss verpflichtet ist. § 19 Abs. 5 SparkG NRW sieht vor, dass die
Bezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder "im Geschäftsbericht" der Sparkasse
individualisiert auszuweisen sind. Der Begriff des "Geschäftsberichts" wird indessen
weder in dem SparkG NRW noch in den bilanzrechtlichen Bestimmungen des HGB
verwendet. Nur die historischen, die Bilanzierungsvorschriften für Handels- und
Aktiengesellschaften sowie diesen gleichgestellte Vereinigungen betreffenden
Fassungen des HGB und des AktG kannten den Begriff des "Geschäftsberichts", in dem
allerdings die Gesamtbezüge u. a. der Vorstandsmitglieder anzugeben waren; diese
Gesetzesfassungen waren jedoch spätestens mit dem Bilanzrichtlinien-Gesetz vom
19.12.1985 (BGBl. I, 2355) überholt. Seither finden allein noch die Begriffe
"Jahresabschluss" samt "Anhang" und "Lagebericht" Verwendung. 1994 wurde der bis
dahin im SparkG NRW verwendete Begriff des "Geschäftsberichts" durch das "Gesetz
zur Änderung des Sparkassengesetzes und über den Zusammenschluss der
Sparkassen- und Giroverbände" vom 08.03.1994 (GV NRW, 92) durch "Lagebericht
ersetzt, wozu es in der Gesetzesbegründung wie folgt heißt:" Die Sparkassen können
allerdings auf freiwilliger Basis auch in Zukunft in einem Geschäftsbericht Angaben, die
über die für den Lagebericht gesetzlich vorgeschriebenen Mindestangaben
hinausgehen, sowie gegebenenfalls der Öffentlichkeitsarbeit dienende Erläuterungen
zusammenstellen" (LT NRW, Drs. 11/6047, S. 70 vgl. dazu näher dazu S. 29 – 32 des
Rechtsgutachtens Dietlein gemäß Anlage CBH 19). Vor diesem Hintergrund bestand
zumindest die Unsicherheit, ob mit der in § 19 Abs. 5 SparkG NRW getroffenen
Regelung die Verpflichtung zur Offenlegung der individualisierten Vorstandsbezüge in
den Jahresabschluss begründet war oder ob diese Angaben erst und nur dann zu
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machen waren, wenn die Sparkasse – und hier wohl der für sie handelnde Vorstand –
sich zur Herausgabe eines freiwillig erstellten Geschäftsberichts entschließt. Musste der
Kläger daher schon aus diesem Grund nicht ohne weiteres mit dem Inkrafttreten der
Bestimmung des § 19 Abs. 5 SparkG von der individualisierten Offenlegung seiner
Vorstandsbezüge ausgehen, so gilt das zum anderen aber maßgeblich mit Blick auf den
sich aus der Situation in I ergebenden Meinungsaustausch zwischen den Sparkassen
und ihren Prüfungsverbänden sowie der Wirtschaftprüferkammer und den jeweiligen
Sparkassenverbänden (Bl. 6 d. A. ). In I war mit § 15 Abs. 3 I´es SparkassenG (HSpG)
bereits im September 2008 eine im wesentlichen Inhalt der streitbefangenen
Bestimmung des SparkG NRW gleiche Regelung betreffend die individualisierte
Offenlegung der Vorstandsbezüge durch den Landesgesetzgeber installiert worden. Mit
Schreiben vom 10.03.2009 (Anlage CBH 3=Bl. 42 f d. A.) hat das I´e Ministerium für
Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung als oberste Sparkassenaufsicht des Landes
I gegenüber dem Sparkassen- und Giroverband I-U unter Hinweis auf die in den §§ 285
Satz 1 Nr. 9 a, 286 Abs. 4 und 5, 340 a HGB getroffenen bundesrechtlichen Regelungen
indessen verfassungsrechtliche Bedenken betreffend die Gesetzgebungskompetenz
des I´en Landesgesetzgebers geäußert und mitgeteilt, dass es "unter diesen Umständen
entgegen § 15 Abs. 3 HSpG bei der Offenlegung der Gesamtbezüge des Vorstands im
Anhang bleiben" könne und dass die Sparkassenaufsichtsbehörden Jahresabschlüsse,
die lediglich die Angabe der Gesamtvorstandsbezüge enthalten, nicht beanstanden
werden. Die Wirtschaftsprüferkammer hat daraufhin dem Sparkassen- und Giroverband
I-U mit Schreiben vom 16.03.2009 (Anlage CBH 4 = Bl. 44d. A.) mitgeteilt, dass es auf
Grund des vorerwähnten Standpunkts der obersten Sparkassenaufsicht für
"hinnehmbar" gehalten werde, wenn der Sparkassen- und Giroverband bei Offenlegung
lediglich der Gesamtvorstandsbezüge im Anhang zum Jahresabschluss von der
Einschränkung des Prüfvermerks absehe. De facto ist daher nunmehr in I der Vollzug
der in § 15 Abs. 3 HSpG getroffenen Regelung ausgesetzt. Hinsichtlich der für das Land
Nordrhein-Westfalen getroffenen inhaltsgleichen Regelung des § 19 Abs. 5 SparkG
NRW traten die Beteiligten unstreitig in einen der Diskussion in I entsprechenden
Meinungsaustausch betreffend den Vollzug bzw. die Durchsetzung der
individualisierten Offenlegung der Vorstandsbezüge in den Jahresabschlüssen der
Sparkassen ein, in dessen Verlauf ein der Verfahrensweise in I entsprechendes
Vorgehen erörtert wurde. Im Rahmen dieses Meinungsaustauschs ging dem Kläger
dann schließlich das Schreiben des S Sparkassen- und Giroverbandes vom 06.05.2009
zu, dem zu entnehmen war, dass der Verband die landesrechtliche Regelung des § 19
Abs. 5 SparkG NRW anwenden und einem ohne diese Angaben vorgelegten
Jahresabschluss den Bestätigungsvermerk (vgl. § 24 Abs. 4 SparkG NRW) nicht erteilen
werde (Bl. 39 .d. A.). Dass der Kläger sich nicht schon vorher im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine auf der Grundlage von § 19 Abs. 5 SparG NRW
ggf. drohende individualisierte Offenlegung seiner Vorstandsbezüge gewandt hat, lässt
vor dem Hintergrund des vorstehenden Meinungsaustauschs keine dem
Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit entgegenstehende Schlussfolgerung zu.
III.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Soweit der Senat den Verbotstenor
abweichend von dem klägerseits formulierten Unterlassungsantrag gefasst hat, ist damit
keine das Unterlassungspetitum sachlich einschränkende Maßnahme verbunden,
sondern stellt sich dies lediglich als eine auf dem Boden des § 938 Abs. 1 ZPO
vorgenommene Anpassung an die konkret drohende Verletzungshandlung dar. Nach
dem Schreiben des S Sparkassen- und Giroverbandes vom 06.05.2009 wird die
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umstrittene Verpflichtung zur individualisierten Offenlegung der Vorstandsbezüge
gerade auf § 19 Abs. 5 SparkG NRW gegründet, die ihrem Wortlaut nach eine Angabe
im "Geschäftsbericht" fordert; nach der unstreitig vorprozessual geführten Diskussion
soll die individualisierte Offenlegung der Vorstandsbezüge im Jahresabschluss bzw.
dem Anhang dazu erfolgen. Nur insoweit bestand die Erstbegehungsgefahr. Dass die
Beklagte eine Offenlegung der Bezüge, die der Kläger als Vorstandsmitglied von ihr
erhält, in anderen als den beschriebenen und den im HGB erwähnten weiteren
"bilanziellen Medien" vorzunehmen beabsichtigt, ist weder von dem Kläger vorgebracht
noch nach dem sonstigen Akteninhalt ersichtlich. Das von dem Kläger mit seinem
Antrag verfolgte Verbot richtete sich nach der Antragsbegründung erkennbar von Anfang
an auch nur gegen die auf die vorbeschriebene Weise von der Beklagten in Aussicht
gestellte konkrete Begehungsweise einer mit der Offenlegung der Vorstandbezüge
drohenden Rechtsverletzung. Das sich hieran orientierende Verbot (nur) der
individualisierten Offenlegung der Vorstandsbezüge des Klägers im Jahresabschluss
und/oder den weiteren bilanziellen Unterlagen entzieht zugleich einer entsprechenden
weitergehenden Veröffentlichung in dem elektronischen Bundesanzeiger oder dem
Handelsregister (vgl. § 340 l HGB) die Grundlage, so dass die Beschränkung auf das
Verbot der konkret drohenden Verletzungshandlung das von dem Kläger begehrte
Verbot in vollem Umfang ausschöpft und der Unterlassungs- bzw. Verbotstenor – wie
geschehen - auf die drohende konkrete Verletzungshandlung der individuellen
Offenlegung der Vorstandsbezüge beschränkt wurde.
Die Entscheidung ist mit ihrer Verkündung rechtskräftig, § 542 Abs. 2 ZPO.
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Wert: 50.000,00 € (§ 48 Abs. 2 GKG).
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