Urteil des OLG Köln vom 09.07.1997
OLG Köln (fristlose kündigung, 1995, kläger, treu und glauben, kündigung, zug, einverständnis, ausdrücklich, mieter, herausgabe)
Oberlandesgericht Köln, 27 U 5/97
Datum:
09.07.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 5/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 27 O 12/96
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 12. November 1996
verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 27 O
12/96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Verpflichtung
des Beklagten zur Zahlung von Mahnkosten in Höhe von 5,00 DM
gemäß Versäumnisurteil des Landgerichts Köln vom 12.03.1996 - 27 O
12/96 - entfällt und daß seine Zahlungsverpflichtung im übrigen gemäß
dem genannten Urteil nur Zug um Zug gegen Herausgabe sämtlicher
gemäß Mietvertrag vom 19.05.1994 zu übergebender Schlüssel besteht;
also zweier Haustürschlüssel und zweier Büro-Etagenschlüssel. In dem
genannten Umfang werden das Versäumnisurteil des Landgerichts Köln
vom 12.03.1996 - 27 O 12/96 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg.
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Dem Kläger steht ein Zahlungsanspruch auf Mietzins in Höhe von 25.400,00 DM für den
Zeitraum 15.10.1995 bis 14.10.1996 gemäß § 4 des Mietvertrages vom 19.05.1994 zu,
dem der Beklagte im Wege des Zurückbehaltungsrechtes einen Anspruch auf
Herausgabe der zu den Geschäftsräumen gehörenden Schlüssel entgegenhalten kann.
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Der aus dem erwähnten Mietvertrag folgende Zahlungsanspruch ist fällig. Der Zeitraum,
für den der Mietzins im voraus zu entrichten ist, ist bereits abgelaufen. Somit kann die
Frage, ob die Vereinbarung eines jährlich im voraus zu zahlenden Mietzinses mit § 9
AGBG in Einklang steht, dahinstehen; der Senat hat im übrigen in Hinblick auf Inhalt
und Umstände des Mietverhältnisses über Geschäftsräume keine durchgreifenden
Bedenken gegen eine Verein- barkeit mit § 9 AGBG.
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Der Zahlungsanspruch entfällt nicht deshalb, weil das Vertragsverhältnis durch
Kündigung des Beklagten vorzeitig beendet worden wäre.
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Dessen Auszug aus den Mieträumen im April 1995 hat keinen Einfluß auf das Bestehen
des Mietzinsanspruches, § 552 BGB. Zwar könnte die Verpflichtung zur Zahlung von
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Mietzins dann entfallen, wenn der Vermieter es arglistig unterlassen hätte, die
leerstehenden Räume weiter zu vermieten (vgl. BGH NJW 81, 43). Dies setzt freilich
voraus, daß der Kläger die Vermietung an einen akzeptablen, vom Beklagten
benannten Nachmieter abgelehnt hätte. Hierzu fehlt ein konkreter Sachvortrag seitens
des Beklagten. Das Vorbringen erster Instanz, der Kläger habe eine Weitervermietung
verhindert, läßt jegliche näheren Angaben, insbesondere zu Personen und
Zeitabläufen, vermissen. In der Berufungs- begründung wird zwar angesprochen, der
Kläger habe die erfolgreiche Suche nach einem Nachmieter dadurch treuwidrig
verhindert, daß er eine Schlüsselhergabe an den Makler des Beklagten abgelehnt habe.
Auch hierzu fehlen wiederum Angaben im einzelnen, wann und bei welcher
Gelegenheit Bemühungen des Maklers S. erschwert oder vollständig verhindert worden
sein sollen.
Das über einen Zeitraum von fünf Jahren geschlossene Mietverhältnis kann im übrigen
nur durch eine begründete fristlose Kündigung vorzeitig beendet werden, §§ 564, 542,
554 a BGB. Eine solche liegt nicht vor.
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Ausdrücklich hat der Beklagte nicht fristlos gekündigt. Seine am 12.09.1995
ausgesprochene Kündigung (Schreiben Bl. 117 d.GA) ist "fristgemäß", damit zum
14.10.1999 erfolgt. Einer Umdeutung dieser Erklärung in eine fristlose Kündigung - etwa
wegen eines Mangels, der den vertrags- gemäßen Gebrauch verhindert - steht
entgegen, daß dem Beklagten als Rechtsanwalt die unterschiedlichen Bedeutungen
verschiedener Kündigungserklärungen bekannt sind, und er eine fristlose Kündigung,
hätte er eine solche gewollt, ausdrücklich formuliert hätte (vgl. BGH NJW 1981, 43;
1981, 976).
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Darüber hinaus wäre eine fristlose Kündigung unbegründet. Denn eine solche wegen
Nichtgewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache setzt eine
Mängelanzeige gemäß § 545 BGB und spätere Fristsetzung gemäß § 542 Abs. 1 Satz 2
BGB voraus. Weder ist hier dargetan, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind, noch sind
besondere Umstände behauptet oder sonstwie ersichtlich, wonach Mängelanzeige und
Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich sein könnten.
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Es fehlt ferner ein Grund zu einer außerordentlichen Kündigung. Als beachtlicher
Mangel, der eine solche Kündigung rechtfertigen könnte, käme allenfalls die vom
Beklagten geltend gemachte fehlende öffentlich-rechtliche Zulässigkeit zur
gewerblichen Nutzung in Betracht. Dieser Umstand könnte ein Mangel im Sinne des §
537 BGB darstellen (vgl. Palandt/Putzo, 56. Aufl., § 537, Rdz. 14). Tatsächlich liegt ein
solcher Fehler der Mietsache indessen nicht vor. Dies belegt die dem Kläger erteilte
Baugenehmigung der S. K. vom 21.07.1988 (Bl. 146 ff d.BA) in Verbindung mit den
genehmigten Plänen (Bl. 122 ff d.BA) sowie die in erster Instanz erteilte Auskunft der S.
K. (Bl. 54 ff d.GA). Danach sind im zweiten Obergeschoß des als Geschäftshauses
genehmigten Neubaus zwei Büroeinheiten vorgesehen, und zwar über die gesamte
Fläche dieses Geschosses. Diese Büroeinheiten sind unterteilt in verschiedene Büros
und Nebenräumlichkeiten, wie dies aus dem Plan für das zweite Obergeschoß
erkennbar ist. Dieser ist Bestandteil der Baugenehmigung vom 21.07.1988. Einer
weiteren Beweisaufnahme zu dieser Frage bedurfte es deshalb nicht.
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Das weitere Vorbringen des Beklagten, der Kläger habe die Räumlichkeiten in diesem
Stockwerk nachträglich in unzulässiger Weise, ohne baurechtliche Genehmigung, neu
unterteilt und dadurch werde eine vertragliche Nutzung beeinträchtigt, ist im Ergebnis
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unbeachtlich. Die behauptete Neuunterteilung ist weder hinreichend substantiiert
dargelegt, noch ist das Vorliegen eines rechtlich relevanten Mangels erkennbar. Denn
lediglich eine öffentlich-rechtliche Beschränkung, die die Nutzbarkeit der Sache konkret
beeinträchtigt und auf deren Durchsetzbarkeit seitens der Behörde nicht verzichtet wird,
kann eine Fehlerhaftigkeit begründen (Palandt-Putzo, a.a.O.). Diese Voraussetzungen
sind hier nicht erfüllt. Daß die Stadt jemals die fehlende Genehmigung beanstandet und
daraus Konsequenzen ernsthaft angedroht habe, behauptet der Beklagte nicht und ist
auch sonst nicht ersichtlich.
Das Mietverhältnis ist auch nicht nachträglich durch einen Aufhebungsvertrag beendet
worden.
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Ausdrücklich ist ein solcher Vertrag zwischen den Parteien nicht zustandegekommen,
wie der Beklagte einräumt. Eine stillschweigende Abmachung in diesem Sinne kann
nicht festgestellt werden.
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Mit Übersendung eines (ersten) Schlüsselbundes durch den Beklagten an den Kläger
im Juni/Juli 1995 und dessen kommentarlose Annahme ist ein (stillschweigender)
Vertragsabschluß nicht zustandegekommen. Allein die Überlassung eines
Schlüsselbundes ohne weitere Bemerkungen enthält noch kein Angebot auf Abschluß
eines Aufhebungsvertrages. Darüber hinaus ist die vorbehaltslose Annahme der
Schlüssel nicht ohne weiteres als Einverständnis mit einer vorzeitigen Beendigung des
Mietvertrages gleichzusetzen (vgl. MünchKomm/Voelskow, BGB, 3. Aufl., § 552 Rdz. 6;
BGH NJW 81, 43 ff). Denn Schweigen des Vermieters, wenn ihm Schlüssel durch den
Mieter zugesandt werden, bedeutet kein Einverständnis seinerseits mit Aufhebung des
Miet- verhältnisses. Auch im Mietrecht gilt Schweigen in der Regel nicht als Zustimmung
zu einem Vertragsangebot (BGH NJW 81, 43 ff). Hier spricht darüberhinaus gegen ein
solches Einverständnis das Schreiben des Vertreters des Klägers vom 03.07.1995 (Bl.
20/21 A), in dem ausdrücklich auf das noch bestehende Mietverhältnis verwiesen wird.
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In dem Schreiben des Beklagten vom 02.08.1995 (Bl. 23 A) kann aus der nach Treu und
Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu beurteilenden Sicht des Vertrags-
partners keine Willenserklärung auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages gesehen
werden. Zwar bringt der Beklagte in diesem Schreiben zum Ausdruck, das Miet-
verhältnis solle alsbald beendet werden, was sich zumindest aus seinem Hinweis zur
Verrechnung der Kaution ergibt. Dieses Schreiben beantwortet allerdings das des
Vertreters des Klägers vom 03.07.1995, in dem ausdrücklich an dem Mietverhältnis
festgehalten wurde. Wenn der Beklagte als Rechtsanwalt in seiner Antwort vom
02.08.1995 dem nicht zweifelsfrei widerspricht, sondern lediglich eine künftige
Vertragsabwicklung in Hinblick auf eine mögliche Neuvermietung in Aussicht stellt, geht
der Empfänger des Schreibens vom 02.08.1995 davon aus, auch der Absender, der
Beklagte, zweifele nicht an dem bestehenden Mietverhältnis. Hätte der Beklagte damals
eine Aufhebung des Mietvertrages anbieten wollen, so hätte er dies unter diesen
geschilderten Umständen deutlich zum Ausdruck bringen müssen.
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Eine Umdeutung seiner fristgemäßen Kündigung vom 12.09.1995 (Bl. 117 d.GA)
scheitert schon daran, daß nach höchst- richterlicher Rechtsprechung (BGH NJW 81, 43
ff), der der Senat sich anschließt, hiergegen insbesondere aus Gründen der
Rechtssicherheit durchgreifende Bedenken bestehen. Bei der Ausübung von
Gestaltungsrechten sind nämlich höchstmögliche Klarheit und Eindeutigkeit zu
verlangen. Vorliegend kommt hinzu, daß die Kündigung von einem Rechtskundigen
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formuliert worden ist.
Im übrigen hätte der Kläger ein etwaiges Angebot des Beklagten - von dessen Vorliegen
der Senat nicht ausgeht - nicht angenommen. In seinem Antwortschreiben vom
19.09.1995 (Bl. 121 d.GA) auf die fristgemäße Kündigung besteht er ausdrücklich
darauf, daß das Mietverhältnis noch besteht.
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Die Übersendung des letzten Schlüsselbundes, die mit dem Schreiben vom 13.10.1995
begleitet worden ist, sowie deren Entgegennahme können ebensowenig als
stillschweigendes Einverständnis mit einer Mietvertrags- aufhebung gesehen werden.
Werden Schlüssel vom Mieter an den Vermieter unaufgefordert übersandt, so liegt nach
einhelliger Meinung darin noch keine Beendigung des Mietverhältnisses (vgl. Bub-
Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., § IV, Rdz. 286).
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Selbst wenn der Kläger die Übersendung der restlichen Schlüssel verlangt hätte - wie
der Beklagte es behauptet -, so läge in der Annahme der Schlüssel kein Einverständnis
mit Aufhebung des Vertrages. Vielmehr wäre eine etwaige Anforderung der Schlüssel
vor dem Hintergrund zu sehen, daß zwischen den Parteien Einverständnis darüber
bestand, einen Nachmieter für die Räumlichkeiten zu suchen, worum sich beide
Parteien bemühen sollten. In diesem Zusammenhang bestand seitens des Klägers, der
auch in dieser Weise aktiv geworden war, das Bedürfnis, sich den Besitz der Schlüssel
zu verschaffen, wobei es möglicherweise für ihn zweckmäßig war, mehrere Exemplare
für verschiedene Mitarbeiter zur Verfügung zu haben. Gegen ein Einverständnis
seinerseits mit einer Beendigung des Mietverhältnisses sprach vor allem seine
Interessenlage. Ihm stand mit dem Beklagten ein langfristiger Mieter gegenüber; es gab
für ihn keine Veranlassung, diesen aus dem Mietvertrag zu entlassen, bevor sich nicht
ein neuer, vergleichbarer Mieter gefunden hatte.
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Schließlich bedeutet die Rücksendung des verbleibenden letzten Schlüsselbundes mit
dem genannten Schreiben vom 13.10.1995 auch kein neues Angebot des Beklagten auf
Auflösung des Mietverhältnisses vor. Dem widerspricht schon der Inhalt seines eigenen
Schreibens vom 10.11.1995 (Bl. 16 A), in dem er mehrfach seine Bereitschaft zur Suche
eines Nachmieters beteuert. Diese Erklärung ist nur verständlich, wenn er sich als
Mieter hierzu verpflichtet fühlt. Im übrigen hat der Kläger mit seiner Zahlungs-
aufforderung vom 27.10.1995, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit der
Übersendung der Schlüssel steht, hinreichend deutlich gemacht, daß er auf der
Erfüllung des Mietverhältnisses besteht und damit ein etwaiges Angebot nicht annimmt.
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Dem somit nach wie vor bestehenden Anspruch des Klägers auf Mietzins in Höhe von
25.400,00 DM kann der Beklagte seinen Anspruch auf Herausgabe der Schlüssel im
Rahmen eines Zurückbehaltungsrechtes entgegenhalten, §§ 320, 35, 536 BGB. Als
Mieter hat er ein Recht auf Besitz der gemieteten Räumlichkeiten und somit auf
Herausgabe der dazugehörigen Schlüssel, § 536 BGB.
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Durch die Schlüsselrückgabe im Jahre 1995 hat der Beklagte nicht endgültig auf dieses
Recht verzichtet oder sonst dessen Geltendmachung verwirkt, denn die damalige
Schlüsselübersendung erfolgte in der Hoffnung auf eine alsbaldige Neuvermietung.
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Somit ist der Beklagte nur Zug um Zug gegen Herausgabe der aufgrund des
Mietverhältnisses vom 19.05.1994 zu übergebenden Schlüssel verpflichtet.
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Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus §§ 284 Abs. 1, 288 BGB. Dem Kläger steht
ein Zinsanspruch ab Zustellung des Mahnbescheides (05.12.1995) zu.
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Das vom Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht schließt den
Verzugseintritt nicht aus. Denn der Kläger hat stets, und zwar bereits mit Schreiben vom
16.11.1995 (Bl. 18 A), also vor seinem Zahlungsverlangen durch Antrag auf
Mahnbescheid, sowie weiterhin im vorliegenden Prozeß (so unter anderem mit
Schriftsätzen vom 11.04.1996 und vom 13.05.1996) erklärt, er werde dem Beklagten
jederzeit die Schlüssel zur Verfügung stellen. Damit hat er bereits vor Verzugseintritt am
05.12.1995 die ihm obliegende Gegenleistung in Annahmeverzug begründender Weise
angeboten, § 294 BGB, so daß der Beklagte mit der Zahlung des von ihm zu leistenden
Mietzinses in Verzug gekommen ist. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der
Beklagte die ihm obliegende Zahlung bereits Zug um Zug angeboten hätte (vgl.
Palandt/Heinrichs, 56. Aufl., § 284 Rdz. 12 und 13; sowie § 320, Rdz. 14). Das ist hier
nicht der Fall.
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Dagegen stehen dem Kläger Mahnkosten nicht zu, da ein Sachverhalt, der einen
entsprechenden Anspruch begründen könnte, nicht dargetan ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 93 ZPO.
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Hinsichtlich der Zug-um-Zug-Verurteilung war der Beklagte in entsprechender
Anwendung des § 93 ZPO ebenfalls zur Kostentragung verpflichtet. Der Kläger, der
stets zur Schlüsselübergabe bereit war, hat damit keine Veranlassung zu einer
gerichtlichen Geltendmachung dieses Anspruchs gegeben. Darüberhinaus hat der
Beklagte eine Verweigerung der Schlüsselhergabe seitens des Klägers auch nicht
substantiiert dargelegt.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für die Berufungsinstanz: 25.400,00 DM.
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Beschwer für beide Parteien: jeweils unter 60.000,00 DM.
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