Urteil des OLG Köln vom 16.10.1998

OLG Köln (täter, beweiswürdigung, stgb, auflage, sache, einlassung, voraussetzung, angabe, verhalten, vorsätzlich)

Oberlandesgericht Köln, Ss 476/98
Datum:
16.10.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 476/98
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen
aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des
Amtsgerichts Köln zurückverwiesen.
G r ü n d e
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Das Schöffengericht hat den Angeklagten "wegen Trunkenheit im Verkehr und wegen
eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Trunkenheit im
Verkehr" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr mit Bewährung verurteilt. Zugleich
hat das Amtsgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein
eingezogen und angeordnet, dass ihm vor Ablauf von 6 Monaten keine neue
Fahrerlaubnis erteilt werden dürfe.
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Nach dem Zusammenhang der Gründe handelte der Angeklagte (insgesamt)
vorsätzlich.
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Die Revision des Angeklagten, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, führt
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Amtsgericht.
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Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist materiell-rechtlich unvollständig.
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Zur Einleitung der Beweiswürdigung ist im angefochtenen Urteil ausgeführt:
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"Diese Feststellungen stehen aufgrund der eigenen Angaben des Angeklagten sowie
der glaubhaften Aussagen der beiden Polizeibeamten fest."
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In den sich daran anschließenden Ausführungen des Amtsgerichts ist der Inhalt der
"Angaben" des Angeklagten nicht mitgeteilt.
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Danach kann der Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht entnommen werden, wie
sich der Angeklagte zur Sache eingelassen hat. Insbesondere geht daraus nicht etwa
hervor, dass der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hat.
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Das Fehlen einer - zumindest knapp gefassten - Einlassung in den Urteilsgründen stellt
sich in aller Regel als sachlich-rechtlicher Mangel dar (vgl. Senatsentscheidung vom 18.
Januar 1991 -Ss 630/90- = wistra 1991, 194 und vom 24. März 1994 -Ss 105/94 B- =
VRS 87, 205; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 267 Randnummer 12 mit
weiteren Nachweisen). Ohne die Wiedergabe der Einlassung im Urteil ist die
Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht überprüfbar, weil unklar bleibt, ob den
Feststellungen eine erschöpfende Würdigung des Sachverhalts zu Grunde liegt
(Senatsentscheidung VRS 87, 205; vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O.;
Dahs/Dahs, die Revision im Strafprozess, 5. Auflage, Randnummer 408).
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Für die neue Hauptverhandlung wird auf folgendes hingewiesen:
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Die Höhe der Blutalkoholkonzentration (BAK) allein lässt keinen Schluss auf
vorsätzliches Handeln in Bezug auf § 316 StGB zu, da es keinen Erfahrungssatz gibt,
dass ein Kraftfahrzeugführer ab einer bestimmten BAK seine Fahruntüchtigkeit kennt
(ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 2. September 1997 -Ss
487/97- DAR 1997, 499 = VRS 94, 215 mit Nachweisen). Die tatrichterliche
Überzeugung von der vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt kann nur auf die Würdigung aller
Umstände des Einzelfalles gestützt werden, insbesondere des Trinkverhaltens und
seines Zusammenhangs mit dem Fahrtantritt sowie der Frage, ob sich der Täter der Art
und Menge des getrunkenen Alkohols bewusst war. Indizien für vorsätzliches Handeln
können frühere Auffälligkeiten durch Trunkenheitsdelikte, Trinken in Fahrbereitschaft
oder Ausfallerscheinungen sein, die dem Täter bewusst geworden sind (so insgesamt
Senatsentscheidung a.a.O. mit Nachweisen).
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Aus einer etwaigen Trinkmengenangabe des Angeklagten gegenüber dem
Polizeibeamten M. (etwa 2 Flaschen Mariacron), dürfen für den Angeklagten nur dann
nachteilige Schlüsse gezogen werden, wenn das Tatgericht von der Richtigkeit dieser
Angabe überzeugt ist. Im Hinblick auf das Ergebnis der Blutprobe wird eine solche
Trinkmengenangabe des Angeklagten kritischer Überprüfung bedürfen.
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Geht es um einen Teilnehmer des fließenden Verkehrs, ist entscheidende
Voraussetzung für eine Verurteilung wegen eines "ähnlichen, ebenso gefährlichen
Eingriffs" nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB, dass der Täter das von ihm gesteuerte
Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt; er muss mit
seinem Verhalten verkehrsfremde Ziele verfolgen; seine Verkehrsteilnahme muss durch
ein verkehrsfeindliches Verhalten unter bewusster Zweckentfremdung des Fahrzeugs
gekennzeichnet sein. Ein solcher verkehrsfeindlicher Eingriff kommt erst dann in
Betracht, wenn der Täter die Gefährdung zumindest bewusst in Kauf genommen hat
(vgl. dazu insgesamt: Senatsentscheidung vom 15. März 1991 -Ss 103/91- = VRS 81,
110 = NZV 1991, 319 mit Nachweisen; vgl. auch BGH NStZ-RR 1998, 187; zum
Zufahren auf einen Halt gebietenden Polizeibeamten vgl.: BGHSt 26, 176; 28, 87; BGH
NStZ 1985, 267; Senatsentscheidung vom 9. Oktober 1991 -Ss 475/91-; vgl. auch BGH
DAR 1996, 151).
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Zureichende Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen sind Voraussetzung für
die bei der Strafzumessung unerläßliche Würdigung der Persönlichkeit eines
Angeklagten (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 18.
September 1998 -Ss 424/98-; Tröndle, StGB, 48. Auflage, § 46 Randnummer 24 mit
weiteren Nachweisen). Das gilt erst recht, wenn die Frage der Unerläßlichkeit einer
kurzen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) im Raum steht (vgl. Senatsentscheidung vom 9.
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September 1997 -Ss 507/97-).
Bei Taten, die vorsätzlich und fahrlässig begangen werden können, gehört die Angabe
der Schuldform in die Urteilsformel (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 260
Randnummer 24 mit Nachweisen).
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