Urteil des OLG Köln vom 19.03.2010

OLG Köln (www, domain name, erste instanz, registrierung, verzicht, deutschland, verwendung, unterlassung, zpo, antrag)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 180/09
Datum:
19.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 180/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 84 O 58/09
Normen:
MarkenG: §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 u.3, 15 Abs. 2 u. 3
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 07.10.2009 verkün-dete
Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O
58/09 - wie folgt abgeändert:
Soweit der Beklagte unter Nr. IV der Urteilsformel verurteilt worden ist,
gegenüber der E eG auf die Registrierung der Internetdomain
"www.dsds-news.de" zu verzichten, wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Klägerin
4/10 und der Beklagte 6/10 zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf
Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Der Beklagte betreibt unter der Domain "www.dsds-news.de" eine Internetseite mit
Beiträgen zu der auch unter der Abkürzung "DSDS" bekannten Fernsehsendereihe
"Deutschland sucht den Superstar". Wegen unbefugter Verwendung des geschützten
Kennzeichens "DSDS" auf der seinerzeit auch kommerziell genutzten Internetseite und
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als Bestandteil der Domain hat ihn die zur Wahrnehmung der Kennzeichenrechte
ermächtigte Klägerin, die selbst Inhaberin der Domain "www.dsds.de" ist, unter anderem
auf Verzicht auf die Registrierung der Domain "www.dsds-news.de" in Anspruch
genommen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Seine
Berufung hat der Beklagte nach Klarstellung des Klageziels und Teilklagerücknahme
durch die Klägerin insoweit zurückgenommen, als er zur Unterlassung einer Benutzung
der Buchstabenfolge "DSDS" in konkreter Verletzungsform (nämlich im Zusammenhang
mit einem Internetauftritt wie auf Seite 3 und 4 des angefochtenen Urteils
wiedergegeben), zur Auskunft insbesondere über seine Werbeeinnahmen unter
Feststellung seiner Schadensersatzpflicht und zur Zahlung der – nach
Teilklagerücknahme noch rechtshängigen – Abmahnkosten (1.000,00 € nebst Zinsen
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2009) verurteilt worden
ist. In Bezug auf seine Verurteilung zum Verzicht auf die Domain (unter Nr. IV der
Urteilsformel) verfolgt der Beklagte seine auf Klageabweisung gerichtete Berufung
weiter, während die Klägerin das angefochtene Urteil in diesem Punkt verteidigt.
II.
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Die Berufung des Beklagten ist im noch anhängigen Umfang begründet, denn die
Klägerin hat – insbesondere aus §§ 14, 15 MarkenG oder § 12 BGB – keinen Anspruch
darauf, dass er auf die Registrierung seiner Internetdomain "www.dsds-news.de"
verzichtet.
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Ein Inhaber von Marken- oder Kennzeichenrechten kann den Verzicht auf die
Registrierung eines prioritätsjüngeren ähnlichen Domain-Namens im Wege des
Beseitigungsanspruchs – über die Unterlassung seiner Verwendung für bestimmte
Tätigkeitsfelder hinaus – vom Inhaber der Domain nur verlangen, wenn jede Belegung
der unter dem Domain-Namen betriebenen Website notwendig die Voraussetzungen
einer Kennzeichenverletzung nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 oder 3, 15 Abs. 2 oder 3 MarkenG
erfüllt (BGH, GRUR 2002, 706 [708] = WRP 2002, 691 – vossius.de; GRUR 2007, 888 =
WRP 2007, 1193 [Rn. 13] – Euro Telekom; GRUR 2009, 685 = WRP 2009, 803 [Rn. 36]
– ahd.de; GRUR 2010, 235 = WRP 2010, 381 [Rn. 24 ff.] – AIDA/AIDU), wobei es für
den weit reichenden Beseitigungsanspruch nicht darauf ankommt, ob eine
rechtsverletzende Verwendung nach den Umständen des Falles näher liegt als eine
nicht rechtsverletzende (BGH, GRUR 2010, 235 = WRP 2010, 381 [Rn. 26] –
AIDA/AIDU).
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Im Streitfall ist nicht anzunehmen, dass jede Benutzung des Domain-Namens
"www.dsds-news.de" zu einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr mit dem
geschützten Kennzeichen "DSDS" der Fernsehsendereihe oder jedenfalls zu einer
Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des
innerhalb der Medienbranche als bekannt anzusehenden Zeichens führen muss. Von
einer so überragenden Bekanntheit des Zeichens im Inland, dass eine zum Anlocken
von Kunden eingesetzte unlautere Ausnutzung der damit geweckten Assoziationen an
die Fernsehsendung auch dann noch zu bejahen wäre, wenn der Beklagte oder ein
dritter Pächter der Domain auf der darunter betriebenen Website Waren einer völlig
fremden Branche anbieten würde, ist nicht auszugehen. Vor allem aber kann die
Domain – was die Klägerin nicht in Abrede stellt – auch im Zusammenhang mit dem
Betrieb einer auf die Sendung "Deutschland sucht den Superstar" bezogenen Fan-Seite
ohne weiteres außerhalb des geschäftlichen Verkehrs genutzt werden, so dass
Ansprüche aus dem Markengesetz von vornherein ausscheiden.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht etwa anzunehmen, dass jede Nutzung
der Domain außerhalb des Anwendungsbereichs des vorrangigen zeichenrechtlichen
Schutzes – also außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder für absolut unähnliche
Waren oder Dienstleistungen – zwangsläufig eine Namensanmaßung gemäß § 12 BGB
darstellen würde, was nur der Fall ist, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen
gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung auslöst und schutzwürdige Interessen
des Namensträgers verletzt (BGHZ 149, 191 = GRUR 2002, 622 [623] = WRP 2002, 694
– shell.de; BGH, GRUR 2003, 897 [898] = WRP 2003, 1215 – maxem.de; GRUR 2005,
430 = WRP 2005, 488 – mho.de; Senat, GRUR-RR 2006, 370 [372] – Ecolab). Der
Senat kann offen lassen, ob der Beklagte mit der registrierten Domain "www.dsds-
news.de" die fremde, einer selbständigen Organisationseinheit im Konzern der Klägerin
zugeordnete Bezeichnung "DSDS" überhaupt in diesem Sinne unbefugt nutzt und
dadurch eine Zuordnungsverwirrung entsteht. Denn schutzwürdige Interessen der
Klägerseite, die berührt sein könnten, wenn sie durch einen Nichtberechtigten vom
Gebrauch des eigenen Namens als Domain ausgeschlossen würde (BGH, GRUR 2003,
897 [898 f.] = WRP 2003, 1215 – maxem.de), sind jedenfalls nicht verletzt, nachdem die
Klägerin selbst die Domain "www.dsds.de" für sich hat registrieren lassen. Für weitere
Domain-Namen, in denen die Buchstabenfolge "dsds" mit – auch nur schwach
kennzeichnungskräftigen – Zusätzen kombiniert ist, bietet die Prioritätsregel einen
angemessenen Interessenausgleich: Die Klägerin hätte die "Domain "www.dsds-
news.de" früher für sich registrieren lassen können und kann von dem Beklagten, der
den betreffenden Antrag vor ihr gestellt hat, aus § 12 BGB nicht allein wegen des
Bestandteils "dsds" den Verzicht oder – wie in ihrer ersten Abmahnung vom 06.03.2009
– sogar die Übertragung der Domain beanspruchen. Bei überragend bekannten Namen
kann das erheblich überwiegende Interesse des Namensträgers an einer identischen
Nutzung als Domain-Name mit der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain ".de"
zwar die Prioritätsregel verdrängen (für Gleichnamige: BGHZ 149, 191 = GRUR 2002,
622 [625 f.] = WRP 2002, 694 – shell.de); im Streitfall ist aber weder eine so
überragende Bekanntheit des Kürzels "DSDS" ersichtlich noch verwendet der Beklagte
es in identischer Form, so dass es beim zeitlichen Vorrang des zu Gunsten des
Beklagten registrierten "kombinierten" Domain-Namens verbleiben muss.
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III.
9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. In der Berufungsverhandlung ist
deutlich geworden, dass die Klägerin ihr Begehren auf Unterlassung der
Buchstabenfolge "DSDS" bewusst nur in engem, auf die konkreten Verletzungsform
eingeschränktem Umfang verfolgt hat, ihren noch streitbefangenen Antrag auf
Domainverzicht aber auf einen so weit wie möglich verstandenen Beseitigungsanspruch
stützt; in der Verhandlung hat sie zudem wie schon in ihrer ersten Abmahnung ein
erhebliches Interesse am Erwerb der vom Beklagten innegehaltenen Domain erkennen
lassen. Der Verzichtsanspruch ist deshalb – wie mit den Parteien erörtert – nicht als
bloßer Annex des Unterlassungsbegehrens, sondern als wirtschaftlich gleichwertiges
Petitum zu bewerten. Der Senat hält für beide Klageanträge innerhalb des (für die erste
Instanz im angefochtenen Urteil und für die Berufungsinstanz mit Beschluss vom
21.12.2009) festgesetzten Streitwerts von insgesamt 70.000,00 € (neben den in der
Klageschrift mit je 7.500,00 € bezifferten Anträgen auf Auskunft und Schadensersatz
und dem streitwertneutralen Antrag auf Abmahnkostenerstattung) einen Teilstreitwert
von je 27.500,00 € für angemessen, was unter Berücksichtigung des beiderseitigen
Obsiegens und Unterliegens zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Kostenquote
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führt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Es bestand kein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Das Urteil
beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass
der Sache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof
erfordert.
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