Urteil des OLG Köln vom 30.06.2004

OLG Köln: stand der technik, anfechtungsfrist, informationsfreiheit, balkon, individualrecht, nichtigkeit, wohnung, rechtssicherheit, anfechtbarkeit, verzicht

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 135/04
Datum:
30.06.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 135/04
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 290/03
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den
Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13.05.2004 -
29 T 290/03 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
2.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
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I.
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Die Antragsgegnerin ist Miteigentümerin der im Rubrum bezeichneten und von der
Antragstellerin verwalteten Wohnungseigentumsanlage, bei der ein Fernsehempfang
über eine bereits ältere gemeinschaftliche Satellitenanlage möglich ist. Seit 1997 hat die
Antragsgegnerin auf dem Balkon ihrer Wohnung eine eigene Satellitenschüssel
aufgestellt.
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In der Eigentümerversammlung vom 24.05.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer
unter TOP 7 gegen die Stimme der Antragsgegnerin mehrheitlich von einer Erweiterung
der SAT-Anlage abzusehen, da dies nach dem heutigen Stand der Technik nicht mehr
vertretbar sei und zukunftsorientiert nur die Digitaltechnik in Frage komme. Zugleich
erhielt die Antragsgegnerin den Auftrag, in Zusammenarbeit mit dem Beirat eine
technisch optimale Lösung für alle Eigentümer zu realisieren. Ferner wurde
beschlossen, dass die auf den Balkonen angebrachten SAT-Schüsseln bis zum
25.06.2002 zu entfernen seien und die Antragstellerin beauftragt werde, ggfls.
gerichtliche Hilfe unter Einschaltung eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.
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Auf eine vorgerichtliche Aufforderung der Antragstellerin zur Entfernung der SAT-
Schüssel auf ihrem Balkon erklärt die Antragsgegnerin, dass sie die Anlage zum
Empfang türkischsprachiger Programme aufgestellt habe und dass ihre türkische Mutter,
die sie einige Monate im Jahr besuche, der deutschen Sprache nicht mächtig und
deshalb auf türkischsprachige Programme angewiesen sei. Eine Erweiterung der
vorhandenen gemeinschaftlichen SAT-Anlage dahingehend, dass ein Empfang der drei
türkischen Sender, die die Antragsgegnerin derzeit über ihre eigene Schüssel empfängt,
möglich ist, würde nach dem - auf einem Kostenvoranschlag gestützten, allerdings
bestrittenen - Sachvortrag der Antragstellerin ca. 1.650,00 EUR kosten.
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Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin nunmehr auf Entfernung der SAT-
Schüssel auf dem Balkon ihrer Wohnung in Anspruch. Das Amtsgericht hat den Antrag
zurückgewiesen. Dagegen hat das Landgericht auf die sofortige Beschwerde der
Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Entfernung verpflichtet. Mit ihrer sofortigen
weiteren Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Zurückweisungsbegehren weiter.
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II.
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Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet.
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Das Landgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es könne offen
bleiben, unter welchen Voraussetzungen ein Beseitigungsanspruch auf § 1004 BGB i.
V. m. § 22 WEG gestützt werden könne; denn dessen Rechtsgrundlage sei jedenfalls
der nicht angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft zu TOP 2 der
Eigentümerversammlung vom 24.05.2002. Dieser Beschluss sei nicht wegen fehlender
Beschlusskompetenz nichtig, da die Teilungserklärung keine Regelungen über das
Anbringen von Antennenanlagen enthalte. Auch scheide eine Nichtigkeit wegen eines
Eingriffs in den Kernbereich des Wohnungseigentums aus, zu dem auch das Recht auf
Informationsfreiheit und damit bei ausländischen Wohnungseigentümern auch das
Recht gehöre, Informationsangebote der Medien, namentlich von Fernsehen und
Hörfunk aus der Heimat zu nutzen. Ein ausnahmsloses Verbot von Parabolantennen
stelle daher zwar regelmäßig einen derartigen Eingriff dar. Indes handele es sich bei
dem Recht auf Informationsfreiheit um ein verzichtbares Individualrecht. Unabhängig
davon, ob ein generelles Verbot des Anbringens von Parabolantennen im
Beschlusswege zu einer Nichtigkeit oder lediglich Anfechtbarkeit führe, gehe es
vorliegend nicht um ein derartiges generelles Verbot, sondern um die konkrete
Auferlegung einer Verpflichtung für die betroffenen Wohnungseigentümer. Jedenfalls in
einem solchen Fall sei für den Betroffenen aus Gründen der Rechtssicherheit eine
Anfechtung erforderlich, wenn er die Unwirksamkeit des Beschlusses geltend machen
wolle. Er habe bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist die Möglichkeit, seinen Standpunkt
zu der Beschlussfassung auch unter Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse und
der persönlichen Verhältnisse in der Gemeinschaft zu überdenken, ggfls. auf sein
Individualrecht zu verzichten oder aber die Unwirksamkeit des Beschlusses unter
Berufung auf seine persönliche Situation geltend zu machen.
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All dies lässt Rechtsfehler zu Lasten der Antragsgegnerin nicht erkennen.
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Die Antragstellerin, die wirksam durch Eigentümerbeschluss zur Geltendmachung im
Wege der Prozessstand ermächtigt ist, kann von der Antragsgegnerin die Beseitigung
der auf dem Balkon angebrachten Parabolantenne verlangen. Mit Recht hat das
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Landgerichts es offen gelassen, ob auch in den Fällen, in denen es zu dem
Regelungskomplex keine Vereinbarung der Wohnungseigentümer gibt, ein Beschluss,
der ein generelles Verbot von Parabolantennen beinhaltet, lediglich anfechtbar oder
wegen eines Eingriffs in den Kernbereich des Wohnungseigentums nichtig ist und wie
hierzu die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.01.2004, - V ZB 51/03 - (NZM
2004, 227), bei der die Gründe und einer der Leitsätze eventuell unterschiedliche
Deutungen ermöglichen, zu verstehen ist. Ein derartiges generelles Verbot ist
vorliegend gerade nicht ausgesprochen worden. Vielmehr ging es lediglich um die
Entfernung ganz bestimmter, nämlich der im Zeitpunkt der Beschlussfassung
vorhandenen Anlagen, wobei der Beschluss wiederum eigenständige
Anspruchsgrundlage für das Beseitigungsverlangen ist (vgl. Senat OLGR 2003, 284 =
NZM 2003, 812 LS). Außerdem bezog er sich nur auf solche Antennen, die
eigenmächtig installiert waren, was einem Wohnungseigentümer regelmäßig verwehrt
ist (BGH a. a. O.). Insoweit weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass es der
betroffene Wohnungseigentümer auch dann, wenn er gegen den Beschluss gestimmt
habe, in der Hand habe, seinen Standpunkt während des Laufs der Anfechtungsfrist zu
überdenken sowie mögliche Vor- und Nachteile abzuwägen. Jedenfalls in einem
solchen Fall eines Beschlusses, der sich auf die Entfernung ganz bestimmter
eigenmächtig angebrachter Parabolantennen bezieht (nach dem Vorbringen der
Antragsgegnerin in der Antragserwiderung ging es neben ihrer noch um eine weitere
Anlage) und sich damit nicht begnügt, sondern zugleich einen Auftrag an die
Verwalterin enthält, nach einer zukunftsorientierten technisch optimalen Lösung für alle
Wohnungseigentümer, also auch für Ausländer bzw. Personen ausländischer Herkunft
zu suchen, kommt das Verstreichenlassen der Anfechtungsfrist durch den konkret
betroffenen Wohnungseigentümer einem auch nach Auffassung des
Bundesgerichtshofs möglichen Verzicht auf das Grundrecht der Informationsfreiheit
gleich.
Soweit die Antragsgegnerin sich nunmehr darauf beruft, dass sie durch ihren
Verfahrensbevollmächtigten "von Anfang an" mitgeteilt habe, dass sie sich nicht an den
Beschluss halten werde, da dieser nichtig sei und in ihren Kernbereich des Rechts auf
Informationsfreiheit eingreifen werde, ergibt sich hieraus nicht, dass dies während der
Anfechtungsfrist geschehen ist. Noch in der Antragserwiderung, deren Inhalt durch
Bezugnahme Gegenstand der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts geworden
ist, hatte die Antragsgegnerin sich lediglich auf ein Schreiben ihres
Verfahrensbevollmächtigten berufen, das vom 05.07.2002 stammt, also nach Ablauf der
Anfechtungsfrist verfasst worden ist. Sollte mit dem nunmehrigen Vortrag gemeint sein,
dass bereits frühere anwaltliche Äußerungen erfolgt sind, würde es sich um neuen
Vortrag handeln, der im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässig ist. Letzteres gilt auch,
soweit mit der Rechtsbeschwerde ohne Datumsangabe auf einen früheren,
offensichtlich aus dem Jahre 2000 stammenden Beschluss über einen Auftrag an die
damalige Verwalterin zur Suche nach technischen Lösungen hinsichtlich der
Demontage ihrer Anlage Bezug genommen wird. Im Übrigen war die
Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gehindert, zwei Jahre später einen
abweichenden Beschluss zu treffen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, der
unterlegenen Antragsgegnerin die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz
aufzuerlegen. Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand
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keine Veranlassung, weil der Senat die Antragstellerin am Rechtsbeschwerdeverfahren
nicht beteiligt hat.
Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der
unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung der Vorinstanzen.
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