Urteil des OLG Köln vom 09.03.1994

OLG Köln (aufrechnung, zpo, grund, freiwillige gerichtsbarkeit, zeitpunkt, gerichtsbarkeit, bindungswirkung, mitarbeiter, beschwerde, teil)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 201/93
Datum:
09.03.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 201/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 30 T 46/92
Schlagworte:
freiwillige Gerichtsbarkeit; Bindungswirkung; Aufrechnung;
Normen:
ZPO § 304; ZPO § 318; ZPO § 767; WEG § 45 IV
Leitsätze:
Wie im Zivilprozeß entfaltet auch im Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit eine rechtskräftige Zwischenentscheidung über den
Grund des Anspruchs eine Bindungswirkung für das Gericht und die
Parteien im Höheverfahren. Die Parteien sind deshalb im Höheverfahren
mit Einwendungen ausgeschlossen, die sie vor der Entscheidung zum
Grund bereits hätten geltend machen können. Bei einer Aufrechnung
kommt es dabei entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO nicht auf den Zeitpunkt
der Aufrechnungserklärung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die
Aufrechnungslage entstanden ist.
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den
Beschluß der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.10.1993 -
30 T 46/92 - wird zurückgewiesen. Auf die Anschlußbeschwerde der
Antragstellerin wird der vorgenannte Beschluß unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt teilweise wie folgt
abgeändert: Die Antragsgegner haben der Antragstellerin 2/3 ihrer nach
Erlaß des Senatsbeschlusses vom 31.05.1989 entstandenen
außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im übrigen findet eine Erstattung
außergerichtlicher Kosten nicht statt. Die Gerichtskosten der sofortigen
weiteren Beschwerde tragen die Antragsgegner. Die Antragsgegner
haben der Antragstellerin die in dieser Instanz entstandenen
außergerichtlichen Kosten voll zu erstatten.
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G r ü n d e
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Die zulässige sofortige weitere Beschwerde der An-tragsgegner hat in der Sache
keinen Erfolg, während die Anschlußbeschwerde der Antragstellerin teilwei-se
begründet ist.
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Soweit die Antragsgegner nach wie vor den Grund des der Antragstellerin
zuerkannten Zahlungsan-spruchs bekämpfen, sind sie mit ihren Einwendungen
aufgrund des rechtskräftigen Senatsbeschlusses vom 31.05.1989 ausgeschlossen, in
dem der Anspruchs-grund verbindlich bejaht worden ist.
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Der Beschluß des Landgerichts vom 20.02.1989, der aufgrund des
Senatsbeschlusses vom 31.05.1989 rechtskräftig geworden ist, stellt eine Zwischen-
entscheidung dar, die in ihren Wirkungen einem Grundurteil im Sinne des § 304 ZPO
gleichkommt. Es
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ist allgemein anerkannt, daß in Verfahren der frei-willigen Gerichtsbarkeit jedenfalls
dann, wenn es sich wie in der vorliegenden Wohnungseigentumssache um ein
echtes Streitverfahren handelt, das einen Zahlungsanspruch zum Gegenstand hat,
eine Zwischen-entscheidung über den Grund des Anspruchs unter denselben
Voraussetzungen zulässig ist, unter denen im Zivilprozeß ein Grundurteil erlassen
werden darf (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1970, 1137 mit weiteren Nachweisen). Diese
Voraussetzungen waren im vor-liegenden Fall erfüllt. Der Senat ist deshalb bei Erlaß
seiner Entscheidung vom 31.05.1989 von der Zulässigkeit der
Zwischenentscheidung als selbst-verständlich ausgegangen, zumal sie auch von
keinem der Beteiligten angezweifelt worden war.
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Wie im Zivilprozeß entfaltet auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine
rechtskräftige Zwischenentscheidung über den Grund des Anspruchs entsprechend §
318 ZPO eine Bindungswirkung für das Gericht im nachfolgenden Höheverfahren. In
beiden Verfahrensarten ist es Sinn und Zweck einer solchen Zwischenentscheidung
über den Grund, den Streit der Beteiligten über diesen abgrenzbaren Teil ihrer
Auseinandersetzung in einer Vorabentscheidung ver-bindlich zu regeln. Das
bedeutet, daß die Beteilig-ten die rechtskräftige Entscheidung über den Grund des
Anspruchs hinzunehmen haben und daß sie im Hö-heverfahren mit Einwendungen
hiergegen ausgeschlos-sen sind, weil das Gericht seine eigene Entschei-dung nicht
mehr abändern darf. Eine Ausnahme gilt
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nur für solche Einwendungen, die - wenn auch zu Un-recht - ausdrücklich dem
Nachverfahren vorbehalten worden sind oder die erst nach Erlaß der Zwischen-
entscheidung entstanden sind, wobei in Wohnungs-eigentumssachen noch die
besondere Vorschrift des § 45 Abs. 4 WEG zu beachten ist.
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Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht es zutreffend abgelehnt, den
neuen Einwendungen der Antragsgegner nachzugehen, es habe kein wirksamer
Verwaltervertrag bestanden und sie seien mit der Annahme der Dienstleistungen des
Verwalters nicht im Verzuge gewesen. Diese Einwendungen betreffen den Grund
des zuerkannten Vergütungsanspruchs, bei dem - konkludent - ein wirksamer
Verwaltervertrag und ein Annahmeverzug der Antragsgegner mit den
Dienstleistungen des Verwalters vorausgesetzt wor-den sind. Eine erneute
Überprüfung dieser Voraus-setzungen des Vergütungsanspruchs nach § 615 BGB im
Betragsverfahren ist unzulässig.
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Aus demselben Grunde können die Antragsgegner im Betragsverfahren nicht mehr
mit der Aufrechnung der drei Gegenforderungen gehört werden, die sämt-lich schon
bei Erlaß der Zwischenentscheidung des Landgerichts vom 20.02.1989 existent
waren und bei rechtzeitiger Geltendmachung hätten berücksichtigt werden müssen,
denn die Gegenforderungen überstie-gen zusammengenommen die Klageforderung
und hätten, falls sie berechtigt gewesen wären, zu deren Erlöschen geführt, so daß
kein Raum mehr für eine
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positive Entscheidung zum Anspruchsgrund gewesen wäre. Für die Frage, wann die
Einwendung entstanden ist, kommt es bei der Aufrechnung nicht auf den Zeitpunkt
der Abgabe der Aufrechnungserklärung an, entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt,
in dem die Aufrechnungslage entstanden ist. Der Senat folgt insoweit der
Rechtsprechung des BGH (NJW 1965, 1763), die allgemeine Zustimmung gefunden
hat (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 304, Rn. 24; Baum-bach-Hartmann, ZPO, § 304,
Anm. 5 B; Thomas-Putzo, ZPO, § 304, Anm. 4). In gleicher Weise wird bei einem
Endurteil im Rahmen der Vollstreckungsabwehr-klage die nachträgliche Aufrechnung
ebenfalls nur mit solchen Forderungen zugelassen, die erst nach der letzten
mündlichen Verhandlung vor Urteilserlaß entstanden sind. Es liegt auf der Hand, daß
die von den Antragsgegnern zur Aufrechnung gestellten angeblichen
Schadensersatzansprüche betreffend eine Korrektur der Abrechnungen für 1986 und
1987 sowie eine mangelhafte Ausführung der Sonderverwaltung, die Ende 1987
endete, vor Erlaß der Entscheidung des Landgerichts vom 20.02.1989 vorhanden
waren und hätten zur Aufrechnung gestellt werden können. Sie können deshalb nicht
mehr zum Gegenstand des Be-tragsverfahrens gemacht werden.
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Der Senat sieht sich allerdings außerstande, den vom Landgericht zugelassenen
Vorbehalt bezüglich der Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch we-gen
fehlerhafter Sonderverwaltung aufzuheben, weil dies eine Entscheidung zum
Nachteil der Antragsgeg-
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ner wäre und die Antragstellerin den Beschluß inso-weit nicht angefochten hat.
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Soweit die Antragsgegner sich darauf berufen, ein-zelne von ihnen hätten ihre
Eigentumswohnungen in-zwischen veräußert, ist der Einwand unzulässig, so-weit er
Veräußerungen vor dem 20.02.1989 betrifft, und im übrigen unbegründet. Eine
Veräußerung nach dem 20.02.1989 ist nicht geeignet, den aus dem Ver-waltervertrag
herrührenden Vergütungsanspruch für das Jahr 1988 in Fortfall zu bringen.
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Was die Höhe des Vergütungsanspruchs der Antrag-stellerin aus § 615 BGB angeht,
so haben Amts- und Landgericht diese zutreffend auf 80 % des ver-einbarten
Honorars bemessen. Die Antragstellerin braucht sich darüber hinaus keine ersparten
Aufwen-dungen abziehen zu lassen. Es steht fest, daß die Antragstellerin keine
Arbeitskräfte entlassen hat, so daß sie insoweit auch keine Aufwendungen erspart
hat. Die Antragstellerin war nicht verpflichtet, Personal zu entlassen, weil sie infolge
des Fort-falls der Dienstleistungen für die Antragsgegner vorübergehend freie
Kapazitäten hatte. Dies war ihr nicht zumutbar, da sie sich wieder um eine volle
Auslastung bemühte und dann wieder auf ih-ren bewährten Mitarbeiterstab wollte
zurückgreifen können. Aus diesem Grunde ist es unerheblich, ob die Arbeitsverträge
der Mitarbeiter überhaupt kurzfristig hätten gekündigt werden können. Der
Sachverständige Dipl.-Kfm. Q., den das Amtsgericht hinzugezogen hatte, hat in
Verkennung der Rechtsla-
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ge ersparte Personalkosten in Höhe von 16.398,-- DM ermittelt, wobei es sich um den
Aufwand handeln soll, der dem durch die Antragsgegner ausgefallenen Umsatz im
Jahre 1988 zuzuordnen ist, der aber tatsächlich nicht eingespart worden ist. Es ist in
verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstan-den, daß das Landgericht dem
insoweit nicht ver-wertbaren Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Kfm. Q. nicht
gefolgt ist, sondern stattdessen ein neues Gutachten des Sachverständigen B.
eingeholt hat, auf das es seine Entscheidung gestützt hat. Eben-sowenig ist es
rechtlich zu beanstanden, daß das Landgericht aufgrund der insgesamt
durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt ist, es sei nicht
feststellbar, daß die Antragstellerin inso-fern etwas erspart habe, als sie ihr wegen
des Ar-beitsausfalls für die Antragsgegner nicht ausgela-stetes Personal für
anderweitige produktive Arbei-ten eingesetzt haben, für die sonst die Einstellung
zusätzlicher Kräfte erforderlich gewesen wäre. Daß bei der Antragstellerin anstelle
derfortgefallenen Arbeiten mit demselben Personal andere gewinnbrin-gende
Tätigkeiten verrichtet worden sind, hat das Landgericht zu Recht als nicht bewiesen
angesehen. Beide Sachverständige haben übereinstimmend einen Umsatzrückgang
im Jahre 1988 von 93.000,-- DM ermittelt. Hiernach hat eine Kompensation nicht
stattgefunden.
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Ebensowenig konnte festgestellt werden, daß nicht ausgelastete Mitarbeiter der
Antragstellerin für
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unproduktive, aber notwendige Arbeiten im Zusammen-hang mit dem Büroumbau
herangezogen worden sind, wofür andernfalls noch zusätzliche Hilfskräfte hät-ten
beschäftigt werden müssen. Das Landgericht hat mit überzeugender Begründung
dargelegt, daß die für Hilfskräfte tatsächlich ausgegebenen nicht unerheb-lichen
Mehrkosten durch den Umbau verursacht waren. Die Antragsgegner bemängeln, daß
die für den Umbau angesetzten Mehrausgaben an Hilfskräfte zu hoch seien.
Hiernach spricht jedenfalls nichts dafür, daß die Kosten für Hilfskräfte noch höher
ausgefal-len wären, wenn sich die ständigen Mitarbeiter der Antragstellerin ohne den
Arbeitsausfall zugunsten der Antragsgegner den durch den Büroumbau bedingten
Arbeiten nur in geringerem Umfang hätten widmen können. Es kann im Gegenteil
nicht ausgeschlossen werden, daß sie dies durch vorübergehenden überob-
ligationsmäßigen Einsatz wieder wettgemacht hätten. Nach alledem ist dem
landgerichtlichen Ergebnis zu folgen.
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Die auf Abänderung der Kostenentscheidung gerich-tete Aanschlußbeschwerde der
Antragstellerin hat teilweise Erfolg, soweit die Zeit nach Erlaß des
Senatsbeschlusses vom 31.05.1989 betroffen ist. Der Senat hält es für billig, daß es
bis zu diesem Zeitpunkt bei dem Grundsatz verbleibt, daß jeder Beteiligte seine
außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Nachdem indessen die Vergütungspflicht der
Antragsgegner dem Grunde nach rechtskräftig festge-stellt war und der Streit der
Parteien nur noch da-
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rum ging, ob 20 % oder 50-60 % ersparte Aufwendun-gen abzuziehen waren, haben
die Antragsgegner auf voller Abweisung des Zahlungsantrags beharrt und erst nach
Vorlage des Gutachtens des Sachverständi-gen Q. die Aufrechnung mit den drei
Gegenforderun-gen in unzulässiger Weise nachgeschoben. In Anbe-tracht dessen
hält der Senat es für billig, daß die Antragsgegner der Antragstellerin entsprechend
dem unstreitigen Teil des Zahlungsanspruchs 2/3 ihrer nach dem 31.05.1989
entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten haben.
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Die in dieser Instanz angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten
haben die Antragsgeg-ner voll zu übernehmen, weil Amts- und Landgericht bereits
übereinstimmend den Zahlungsanspruch voll bejaht hatten und der Einwand der
Aufrechnung unzu-lässig war.
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