Urteil des OLG Köln vom 24.04.1995

OLG Köln (testament, verfügung von todes wegen, letztwillige verfügung, grundsatz der unmittelbarkeit, ehefrau, verfügung, erblasser, beschwerde, auslegung, erbeinsetzung)

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 4/95
Datum:
24.04.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Wx 4/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 11 T 290/93
Schlagworte:
TESTAMENTARISCHE REGELUNG,; DAß BEIDE EHELEUTE
STERBEN;
Normen:
BGB § 2270; FGG § 15; ZPO §§ 355, 394
Tenor:
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 6. gegen den Beschluß der
11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.01.1995 - 11 T 290/93 -
wird zurückgewiesen.
Die Kosten der weiteren Beschwerde werden dem Beteiligten zu 6.
auferlegt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Erblasser, der im November 1992 im Alter von 82 Jahren verstarb, war in
kinderloser Ehe verheiratet gewesen. Die Ehefrau verstarb bereits im Jahre 1964 mit
51 Jahren. Die Eheleute haben in den Jahren 1957 und 1962 jeweils
gemeinschaftliche Testamente errichtet, im Jahre 1988 errichtete der Erblasser ein
weiteres Testament, in dem er von dem zweiten Testament abweichende letztwillige
Verfügungen traf, insbesondere die - 1962 noch teilweise bedachten - Angehörigen
der Familie seiner verstorbenen Frau von der Erbfolge ausschloß.
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In dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute vom 3.08.1962 heißt es unter
anderem:
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"Die Unterzeichneten ... geben hiermit ihren letzten Willen bekannt, wie das
Vermögen aufgeteilt und verwandt werden soll.
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Im Falle, dass nur einer der Eheleute verstirbt, geht das Vermögen
geschlossen an den Überlebenden über, der alleine die Verfügungsgewalt
ausübt.
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Im Falle, dass beide Eheleute sterben, ist folgender Wille auszuführen: ...".
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Es folgen ins einzelne gehende Anordnungen über die Aufteilung des Nachlasses
an verschiedene Verwandte der Eheleute.
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Nach dem Tod des Erblassers beantragte einer der in dem Testament ... aus dem
Jahre 1988 Bedachten, der Beteiligte zu 6., einen Erbschein nach Maßgabe dieses
Testaments zu erteilen. Dem sind die Beteiligten zu 2. bis 5., die neben dem
Beteiligten zu 1. in dem Testament aus dem Jahre 1962 bedacht sind,
entgegengetreten. Das Amtsgericht hat durch Vorbescheid angekündigt, den
Erbschein antragsgemäß erteilen zu wollen. Es hat die Auffassung vertreten, das
gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1962 regele nur die Erbfolge nach
dem Erstversterbenden und den Fall des gleichzeitigen Versterbens beider
Eheleute, nicht aber die Erbfolge nach dem Letztversterbenden. Auf die
Beschwerde der Beteiligten zu 2. bis 5. hat das Landgericht den Beschluß des
Amtsgerichts durch die hier angefochtene Entscheidung, auf die wegen der
Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird, aufgehoben und das
Amtsgericht angewiesen, nach Maßgabe der Beschlußgründe über den
Erbscheinsantrag erneut zu befinden. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde
des Beteiligten zu 6., der die Beteiligten zu 1. - 5. entgegengetreten sind.
9
II.
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Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 2 FGG). In der
Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf
einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO).
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1) Zutreffend hat das Landgericht den Vorbescheid des Amtsgerichts als
beschwerdefähige Zwischenentscheidung angesehen (vgl. Senat, FamRZ 1994,
1135, 1136).
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2) Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Das Testament aus dem Jahre
1988 sei für die Erbfolge nicht maßgeblich, weil es gegen wechselbezügliche
Verfügungen des Erblassers und seiner Ehefrau in dem Testament aus dem Jahre
1962 verstoße, an die der Erblasser gebunden sei (§ 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die
Formulierungen des Testaments aus dem Jahre 1962 seien entgegen der Ansicht
des Amtsgerichts nicht eindeutig, vielmehr auslegungsfähig und
auslegungsbedürftig. Aufgrund der Würdigung aller Umstände und der erhobenen
Beweise sei die Kammer davon überzeugt, daß der Erblasser und seine Ehefrau
nicht nur die Nachfolge des Erstversterbenden und den Fall des gleichzeitigen
Versterbens beider Eheleute, sondern daß sie auch die Nachfolge des
Letztversterbenden hätten regeln wollen. Zwar könne der Wortlaut nahelegen, daß
mit dem Fall "dass beide Eheleute sterben" der Fall gleichzeitigen Versterbens
gemeint sei. Damit stehe aber nicht in Einklang der Aufbau des Testaments in
Verbindung mit dem ersten Absatz. Die Einleitung wirke wie ein programmatischer
Satz, der nicht nur ankündige, was folge, sondern auch wie es zu verstehen sei,
nämlich als Regelung nicht für bestimmte, sondern für alle Fälle des Versterbens
der Eheleute. Alles spreche dagegen, daß der Fall der Nachfolge des
Letztversterbenden nicht habe geregelt werden sollen. Dagegen spreche nicht die
Formulierung, daß der "Überlebende ... alleine die Verfügungsgewalt ausübt"; damit
könne auch gemeint sein, daß der überlebende Ehegatte zu Lebzeiten frei sollte
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verfügen können, etwa um die unbegrenzte Erbenstellung von einer
Vorerbenstellung abzugrenzen. Auch die Anordnung von Einzelheiten, wie das
Lesenlassen "Heiliger Messen" und die Aufstellung eines "edlen Grabsteins" sowie
die Aufteilung einzelner Hausrat- und Bekleidungsgegenstände, spreche nicht
gegen den Willen der Eheleute, auch die Nachfolge des Letztversterbenden zu
regeln. Daraus, daß in dem Testament von 1957 Vorsorge für den Fall des
gemeinsamen Versterbens auf einer in Aussicht genommenen Fahrt der Eheleute
getroffen worden sei, lasse sich schon angesichts des völlig unterschiedlichen
Wortlauts und der inhaltlichen Ausgestaltung beider Testamente kein Rückschluß
für die Auslegung des späteren Testaments ziehen. Die insoweit abgehandelten
Argumente hinterließen für sich genommen einen zwiespältigen, jedenfalls nicht
einheitlichen Eindruck, müßten aber auf dem Hintergrund der Erklärungen gesehen
werden, die die Eheleute nach den Aussagen der Zeugen und Beteiligten über das
Schicksal ihres Vermögens nach ihrem Tode gemacht hätten. Die Eheleute hätten
danach stets bekundet, daß ihr Vermögen an die Verwandten fallen solle.
Insbesondere hätten der Beteiligte zu 1. und seine Familie den Grundbesitz auf
jeden Fall für die vielen Hilfen beim Hausbau bekommen sollen. Letzteres stehe ja
auch ausdrücklich in dem Testament, die mündliche Äußerung gegenüber den
Betroffenen zeige den Bindungswillen für die Zukunft. Noch 1983 habe der
Erblasser erklärt, der Beteiligte zu 3. sei ja testamentarisch bedacht. In einem Brief
des Erblassers vom 23.04.1965 nehme dieser zwar ein Dispositionsrecht in
Anspruch, doch ließen die Formulierungen nicht erkennen, daß er die
Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments grundsätzlich habe in Frage
stellen wollen, zumal er sich für den angekündigten Notfall auf die hypothetische
Zustimmung der verstorbenen Ehefrau beziehe. Bei der Schlußerbeneinsetzung
handele es sich um wechselbezügliche Verfügungen im Sinne des § 2270 BGB. Die
Kammer sei überzeugt, daß die Eheleute ihre Verfügungen gerade um des inneren
Zusammenhangs willen getroffen hätten in dem Sinne, daß jede Verfügung mit der
anderen habe stehen und fallen sollen. Dies ergebe sich daraus, daß Verwandte
aus beiden Familien bedacht worden seien. Daß dem Beteiligten zu 1. im Hinblick
auf seine Verdienste ein höherer Anteil zugewendet worden sei als den anderen
Bedachten, sei nicht das Grundmotiv der Bedenkung gewesen.
3) Die Ausführungen des Landgerichts halten der im Rechtsbeschwerdeverfahren
allein möglichen rechtlichen Nachprüfung letztlich stand.
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a) Die Annahme des Landgerichts, die Eheleute hätten in dem gemeinschaftlichen
Testament aus dem Jahre 1962 auch die Nachfolge des Letztversterbenden regeln
wollen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer möglichen
Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments.
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aa) Die Feststellung des Inhalts einer Verfügung von Todes wegen - auch soweit sie
im Wege der Auslegung erfolgt - liegt im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet.
Die Tatsachenfeststellung und die Auslegung durch das Landgericht können im
Verfahren der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG,
550, 561 ZPO), d.h. nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter den
maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), alle wesentlichen
Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und nicht gegen gesetzliche Auslegungs- oder
Beweisregeln, gegen die Denkgesetze oder gegen feststehende Erfahrungssätze
verstoßen hat (vgl. etwa Senat, FamRZ 1993, 1124, 1126; 1993, 1371 f.; 1994,
1135, 1136; BayObLGZ 1991, 173, 176; BayObLG FamRZ 1995, 251, 252; KG
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OLGZ 1993, 398, 400 f. jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein solcher Rechtsfehler
liegt hier nicht vor.
Wegen der Beschränkung der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf
Gesetzesverstöße kann mit der weiteren Beschwerde nicht geltend gemacht
werden, daß die tatsächlichen Folgerungen des Landgerichts nicht die einzig
möglichen oder daß sie nicht schlechthin zwingend seien. Die Auslegung einer
letztwilligen Verfügung hält der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht
vielmehr bereits dann stand, wenn der vom Tatrichter gezogene Schluß möglich ist
(Senat FamRZ 1993, 1371, 1372; 1994, 1135, 1136; BayObLGZ FamRZ 1995, 251,
252).
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Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung. Die dagegen in der
Begründung der weiteren Beschwerde vorgebrachten Argumente überzeugen
letztlich nicht.
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aa) Das Landgericht hat bei der Tatsachenaufklärung nicht gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen. Richtig ist zwar, daß nur zwei
der Richter, die die Entscheidung gefällt haben, bei der Beweiserhebung zugegen
waren. Doch begründet dies keinen durchgreifenden Verfahrensfehler.
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Wie der Senat bereits an anderer Stelle ausgeführt hat, muß die Entscheidung im
Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht stets von den Richtern getroffen
werden, die an einer für die Entscheidung notwendigen Beweisaufnahme
teilgenommen haben (vgl. Senat FamRZ 1992, 200; Beschluß vom 29.08.1994 - 2
Wx 4/94 = OLG-Report Köln 1995, 43 -LS-). Es ist nicht in jedem Fall zu
beanstanden, wenn die Kammer des Landgerichts die Glaubhaftigkeit von
Zeugenaussagen beurteilt, obwohl einer der an der Entscheidung beteiligten
Richter an der Vernehmung nicht teilgenommen hat. Auch für die Beurteilung der
Glaubwürdigkeit eines vernommenen Beteiligten hat der Senat erleichterte
Voraussetzungen aufgestellt ( vgl. Senat a.a.O.; zu den Voraussetzungen im
Streitverfahren vgl. BGH NJW 1991, 1302 und Senat OLG-Report Köln 1993, 292 ).
Allerdings ist erforderlich, daß zumindest die an der Beweiserhebung beteiligten
Richter dem daran nicht beteiligten den für die Entscheidungsfindung erforderlichen,
im Protokoll nicht festgehaltenen persönlichen Eindruck zuverlässig vermitteln
können (Senat a.a.O.).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Verfahrensfehler hier nicht
festzustellen. In der angefochtenen Entscheidung setzt sich das Landgericht im
wesentlichen mit der Glaubhaftigkeit der - ausführlich protokollierten - Aussagen der
Zeugen und Beteiligten auseinander. Es hält diese auch deshalb für glaubhaft, weil
die von den Vernommenen bekundeten Tatsachen, soweit das Landgericht ihnen
gefolgt ist, dem entsprechen, was der Erblasser und seine Ehefrau
andeutungsweise schon in dem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahre 1962
zum Ausdruck gebracht hatten. Die persönliche Glaubwürdigkeit der Vernommenen
spielt demgegenüber bei der Würdigung des Landgerichts eine untergeordnete
Rolle. Unter diesen Umständen war es nicht geboten wegen des Wechsels eines
Richters die umgangreiche Beweisaufnahme zu wiederholen. Dem Protokoll und
den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung ist zu
entnehmen, daß sich Bedenken gegen die persönliche Glaubwürdigkeit der
Vernommenen, deren Aussagen das Landgericht gefolgt ist, nicht gezeigt haben.
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Den dahingehenden Eindruck haben die an der Vernehmung beteiligten Richter
dem Hinzutretenden nach aller Erfahrung ohne weiteres vermitteln können.
bb) Ohne Erfolg beanstandet der Beteiligte zu 6. auch, daß das Landgericht Zeugen
und Beteiligte nicht jeweils in Abwesenheit der nachfolgenden vernommen hat. §
394 ZPO, auf den diese Argumentation abzielt, ist bloße Ordnungsvorschrift, ein
Verstoß dagegen ist nicht revisibel (RG JW 1928, 1857;
Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 52.Aufl., § 394 Rn. 3; Zöller/Greger,19.Aufl., § 394
Rn. 1; ZPO-MünchKomm-Damrau, § 394 Rn. 3), kann mithin auch nicht im
Verfahren der Rechtsbeschwerde gerügt werden.
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cc) Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 6. ist es nicht rechtsfehlerhaft, daß das
Landgericht das gemeinschaftliche Testament überhaupt ausgelegt hat. Das
Testament ist nicht in der Weise eindeutig, daß eine Auslegung nicht in Betracht
kommt. Die Formulierung "im Falle, dass beide Eheleute sterben ..." ist nicht
gleichzusetzen mit den Formulierungen, um die es in den in der
Beschwerdebegründung zitierten Entscheidungen ging. In dem Beschluß des OLG
Karlsruhe vom 28.04.1987 - 11 W 152/86 - hatten die Eheleute Verfügungen für den
"Fall unseres gemeinsamen Ablebens" getroffen; dies hat das OLG als eindeutig im
Sinne eines gleichzeitigen Versterbens angesehen (demgegenüber ist in
BayObLGZ 1986, 427, 429 der Begriff "gemeinsamer Tod" für auslegungsfähig
gehalten worden). Auch in dem Fall des OLG Stuttgart (FamRZ 1994, 852 f.) ging es
um eine Verfügung für den Fall, daß beide Eheleute " gleichzeitig" sterben. Die
zitierte Rechtsprechung des Bayrischen Obersten Landesgerichts betrifft zum Teil
das "gemeinsame" Versterben der Eheleute (BayObLGZ 1986, 426 ff.); in dem
Beschluß vom 28.12.1989 (BayObLG FamRZ 1990, 563 f.) wird die Formulierung
"im Falle unseres beiderseitigen Ablebens" ausdrücklich als auslegungsbedürftig
bezeichnet. Das Landgericht hat zutreffend herausgearbeitet, daß die im
vorliegenden Fall von den Eheleuten gewählte Formulierung sowohl den Fall des
gleichzeitigen Versterbens als auch den Fall des Nacheinanderversterbens meinen
kann.
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dd) Daß die Äußerungen der Beteiligten und der Zeugen, auf die das Landgericht
sich gestützt hat, den vom Landgericht gezogenen Schluß auf den Willen der
Eheleute rechtfertigen können, kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein. So läßt die
Bemerkung der Eheleute, der Beteiligte zu 1. brauche nicht zu bauen, weil er das
Haus der Eheleute bekomme, ohne weiteres den Schluß zu, daß die Eheleute
Vorsorge auch für den Fall des Todes des Längstlebenden getroffen hatten; denn
wenn Vorsorge nur für den - nach der Lebenserfahrung eher unwahrscheinlichen
Fall - eines gleichzeitigen Todes der Eheleute getroffen war, wäre die "feierliche"
Erklärung der Eheleute gegenüber dem Beteiligten zu 1. und seiner Familie kaum
nachvollziehbar. Daß die Äußerung des Erblassers gegenüber seinen und seiner
verstorbenen Frau Verwandten, sie seien testamentarisch bedacht, nur Sinn macht,
wenn der Erblasser das gemeinschaftliche Testament auch als Regelung für den
Fall seines eigenen Todes als Letztversterbendem verstand, bedarf ebenfalls keiner
weiteren Darlegungen.
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Ohne Erfolg macht der Beteiligte zu 6. geltend, den Aussagen der Vernommenen
sei nicht zu entnehmen, daß sich die Äußerungen der Eheleute auf das Testament
vom 23.08.1962 bezogen hätten. Dieser Einwand ist deshalb nicht stichhaltig, weil
sich keiner der Vernommenen auf eine ihm bekannte letztwillige Verfügung berufen
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hat. Alle Vernommenen haben vielmehr nur die Äußerungen der Eheleute
wiedergegeben. Diese Äußerungen durfte das Landgericht rechtsfehlerfrei auf das
gemeinsame Testament beziehen, weil eine andere letztwillige Verfügung der
Eheleute, auf die die Bemerkungen sich hätten beziehen können, nicht vorliegt; es
gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß es außer den drei bekannten
Testamenten weitere letztwillige Verfügungen der Eheleute gibt oder daß in dieser
Richtung Feststellungen getroffen werden könnten.
b) Der rechtlichen Nachprüfung halten letztlich auch die Ausführungen des
Landgerichts zur Wechselbezüglichkeit der von den Ehegatten getroffenen
Verfügungen stand.
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aa) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß Verfügungen von
Todes wegen in einem gemeinschaftlichen Testament nach § 2270 Abs. 1 BGB
wechselbezüglich sind, wenn - was bei Zweifeln durch Auslegung zu ermitteln ist -
anzunehmen ist, daß die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung
des anderen getroffen worden wäre, daß die Verfügungen nach dem Willen der
Eheleute so eng miteinander verbunden sind, daß sie nach dem beiderseitigen
Willen miteinander stehen und fallen sollen (Senat, FamRZ 1993, 1371, 1372;
BayObLG FamRZ 1985, 1287, 1288; 1994, 191, 192; 1995, 251, 252; KG OLGZ
1993, 398, 400). Die Auslegung ist Sache des Tatrichters und kann im
Rechtsbeschwerdeverfahren nur in dem oben bereits dargestellten Umfang
überprüft werden.
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bb) Das Landgericht hat sich davon überzeugt, daß die von den Eheleuten
getroffenen Verfügungen wechselbezüglich seien. Den Ausführungen in der
Beschwerdebegründung ist zuzugeben, daß die dahingehenden Ausführungen des
Landgerichts Bedenken begegnen. Den Ausführungen des Landgerichts ist nicht zu
entnehmen, ob es sich der Tatsache bewußt gewesen ist, daß nicht sämtliche von
den Eheleuten getroffenen Verfügungen entweder insgesamt wechselbezüglich
oder nicht wechselbezüglich sein müssen. Die Wechselbezüglichkeit ist für jede
Verfügung gesondert zu prüfen (BGH LM § 2270 BGB Nr. 2; BayObLG FamRZ
1994, 1210, 1211 mit weiteren Nachweisen).
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Die Argumentation des Landgerichts, die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers
habe die Einsetzung des Erblassers zu ihrem Alleinerben davon abhängig machen
wollen, daß als Schlußerben auch einige ihrer Verwandten bedacht wurden, ist
rechtlich nicht zu beanstanden, soweit die Erbeinsetzung des Erblassers durch
seine Ehefrau und die Erbeinsetzung der Verwandten der Ehefrau in Frage stehen.
Die Ausführungen des Landgerichts lassen erkennen, daß aufgrund der Umstände
des Falles keinesfalls zu dem Ergebnis gelangt wäre, daß die Erbeinsetzung des
Erblassers durch die Ehefrau nicht wechselbezüglich zu der Erbeinsetzung der
Verwandten der Ehefrau war. Hätte das Landgericht keine positive Überzeugung
über die Wechselbezüglichkeit gewonnen, so wäre diese mithin jedenfalls nach der
Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB für die genannten Verfügungen zu
bejahen gewesen.
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Die Argumentation des Landgerichts trifft aber nicht auf die Verfügungen zu, die der
Erblasser seinerseits bezüglich der Erbeinsetzung seiner eigenen Verwandten
vorgenommen hat. Es liegt vielmehr eher fern anzunehmen, die Einsetzung der
jeweils eigenen Verwandten der Ehegatten zu Schlußerben habe wechselbezüglich
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sein sollen zur Erbeinsetzung des Ehegatten (vgl. auch BGH a.a.O.). Auf diesen Teil
der Verfügungen bezöge sich auch nicht die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2
BGB.
cc) Die aufgezeigten Bedenken gegen die Ausführungen des Landgerichts nötigen
indes nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Zur Beurteilung im
Beschwerderechtszug steht nur, ob der Vorbescheid des Amtsgerichts richtig ist,
wonach der Erbschein nach Maßgabe des Testaments aus dem Jahre 1988 erteilt
werden soll. Mit dem vom Amtsgericht vorgesehenen Inhalt kann der Erbschein aber
auf der Grundlage der vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
keinesfalls erteilt werden. Denn der Erblasser war jedenfalls daran gehindert, die in
dem gemeinschaftlichen Testament vorgenommene Erbeinsetzung der Verwandten
seiner Ehefrau durch das spätere Testament zu widerrufen. Das Amtsgericht wird
daher unter Beachtung der Ausführungen des Landgerichts und der modifizierenden
Ausführungen des Senats (oben bb) über den Erbscheinsantrag zu befinden haben.
Die weitere Beschwerde kann im Ergebnis keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
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Beschwerdewert: 150.000,00 DM (geschätzter Wert des auf den Beteiligten zu 6.
entfallenden Nachlaßwertes, §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO)
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