Urteil des OLG Köln vom 19.08.2003

OLG Köln: firma, vertragsstrafe, cmr, ware, charakteristische leistung, widerklage, transportrecht, aufrechnung, sicherheitsleistung, auslieferung

Oberlandesgericht Köln, 3 U 26/03
Datum:
19.08.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 26/03
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 87 O 15/02
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Januar 2003 verkündete
Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 87 O
15/02 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.872,63 Euro nebst
5 % Zinsen seit dem 09.02.2001 zu zahlen.
Die Hilfswiderklage und die Widerklage der Beklagten werden
abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der
Beklagten wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch Gestellung
einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und unbefristeten
Bürgschaft eines in der EU als Zoll-/Steuerbürgen zugelassenen
Kreditinstituts zu erbringen.
G r ü n d e
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I.
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Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung restlichen Speditionsentgelts in Höhe von
16.872,63 Euro nebst Zinsen für die von ihr im Auftrag der Beklagten im Juni/Juli 2000
durchgeführte Kommissionierung und den Transport von Schrauben- und Nagel-Sets
von S zu verschiedenen Lagern der Firma M UK in England in Anspruch. Die Beklagte
hat mit einem Schadensersatzanspruch wegen Lieferverzögerungen in Höhe der
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Klageforderung aufgerechnet. Hilfswiderklagend hat sie Zahlung des genannten
Betrages und im Wege der unbedingten Widerklage Zahlung weiterer 6.239,04 Euro
nebst Zinsen begehrt, da sie von der Firma M UK wegen der verspäteten Auslieferung
der Sendungen mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 23.111,67 Euro belastet worden
sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen
Urteil (Bl. 236 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Klageforderung sei durch Aufrechnung mit einem
Schadensersatzanspruch wegen Überschreitung der Lieferfrist erloschen. Auf ein
Aufrechnungsverbot könne sich die Klägerin nicht berufen, da weder die ADSp noch die
FENEX in den Vertrag zwischen den Parteien einbezogen worden seien. Entgegen der
getroffenen Vereinbarung habe die Klägerin die Schrauben- und Nagel-Sets nicht
innerhalb der 24. Kalenderwoche an die verschiedenen Lager der Firma M UK
ausgeliefert, sondern erst am 04./05.07.00. Für ihre Behauptung, dass dies mit der Firma
M UK so abgestimmt worden sei, sei die Klägerin beweisfällig geblieben. Die
Überschreitung der Lieferfrist beruhe auch auf grobem Organisationsverschulden. Die
Beklagte habe nachgewiesen, dass sie wegen der verspäteten Auslieferung in
Vertragsstrafe genommen worden sei. Diese sei zwischen der Beklagten und der Firma
M UK individuell vereinbart worden, verstoße aber auch im Hinblick auf ihre Höhe - 25
% des Warenwerts - nicht gegen § 9 AGBG, da derartige Verkaufsaktionen mit
erheblichem Werbeaufwand bekannt gemacht würden und bei Lieferverzug ein
Glaubwürdigkeitsverlust des Unternehmens zu befürchten sei. Nach Aufrechnung
gegenüber der Klageforderung könne die Beklagte von der Klägerin daher auch den
weitergehenden mit der Widerklage geltend gemachten Betrag von 6.239,04 Euro
beanspruchen.
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Gegen dieses ihr am 23.01.03 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.02.03 Berufung
eingelegt und diese am 24.03.03, einem Montag, begründet.
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Sie macht geltend, das Landgericht habe nicht den von Amts wegen zu
berücksichtigenden Ausschlussgrund des Artikel 30 Abs. 3 CMR berücksichtigt. Da alle
Sendungen an die M-Stationen in England am 05.07.00 ausgeliefert gewesen seien,
habe die Ausschlussfrist des Artikel 30 Abs. 3 CMR am 26.07.00 geendet. Die
erstmalige Reklamation der Beklagten am 21.08.00 sei daher verspätet.
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Des weiteren hält die Klägerin daran fest, dass mit der Auftragserweiterung gemäß
ihrem Angebot vom 01.05.00 die ADSp in das Vertragsverhältnis einbezogen worden
seien. Ferner habe das Landgericht zu Unrecht einen Lieferverzug angenommen. Die
Abliefertermine seien zwischen ihr und der Firma M UK abgesprochen worden; ohne
vorherige Avisierung nehme kein M-Lager eine Sendung an. Die Beklagte habe von den
Verzögerungen gewusst und sei von ihr über die neuen Abliefertermine unterrichtet
worden. Der Beklagten stehe daher kein Schadensersatzanspruch wegen
Lieferverzuges gegen sie zu. Die Beweisaufnahme habe auch nicht ergeben, dass die
Vertragsstrafe zwischen der Firma M UK und der Beklagten individuell ausgehandelt
worden sei. Die Firma M UK verwende die Vertragsstrafenklausel in allen Verträgen und
weiche hiervon nicht ab. Die Klausel sei unangemessen. Aufwendige
Werbemaßnahmen würden von der Firma M UK erst vorgenommen, wenn sich die Ware
in ihren Zentrallagern befinde. Dort und nicht etwa in den Verkaufsfilialen sei die Ware
angeliefert worden.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Hilfswiderklage
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und die Widerklage der Beklagten abzuweisen und die Beklagte
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zu verurteilen, an sie 16.872,63 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem
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9. Februar 2001 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen und
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ihr zu gestatten, evtl. Sicherheitsleistung auch durch die Ge-
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stellung einer Bürgschaft eines in der EU als Zoll-/Steuerbürgen
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zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe der Lieferverzug der Klägerin fest.
Hierdurch sei ihr ein Schaden in Höhe von 23.111,67 Euro entstanden. Die
Vertragsstrafe zwischen ihr und der Firma M sei individuell vereinbart worden.
Jedenfalls wäre eine formularmäßige Vertragsstrafenregelung nicht nach §§ 3, 9 AGBG
unwirksam, auch nicht nach englischem Recht. Ihre Ansprüche seien nicht gemäß
Artikel 30 Abs. 3 CMR ausgeschlossen, da die Klägerin sie durch bewusste
Falschinformation irregeführt habe, so dass sie sich gemäß § 242 BGB nicht auf die
Ausschlussfrist berufen dürfe. Jedenfalls stehe ihr wegen der Falschinformation ein
entsprechender Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der positiven
Forderungsverletzung gegen die Klägerin zu. Ein Aufrechnungsverbot bestehe nicht, da
weder die ADSp noch die FENEX in den Vertrag einbezogen worden seien. Im übrigen
stehe Gegenansprüchen im Sinne von Ziffer 19 ADSp kein Einwand entgegen, wenn
mit der Entscheidung über die Klageforderung ohne zusätzliche Prüfung des
Streitstoffes zugleich feststehe, dass die Gegenforderung nach Grund und Höhe
existiere. Schließlich greife das Aufrechnungsverbot nicht, wenn der Gegenanspruch
auf einem groben Vertragsverstoß des Spediteurs beruhe, was hier im Hinblick auf die
Falschinformation seitens der Klägerin der Fall sei.
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II.
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Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin hat in der Sache
Erfolg.
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Der Klägerin steht ein restlicher Vergütungsanspruch aus ihrer Rechnung vom 29.11.00
in unstreitiger Höhe von 16.872,63 Euro zu. Dagegen ist der von der Beklagten im Wege
der Aufrechnung, Hilfswiderklage und Widerklage geltend gemachte
Schadensersatzanspruch wegen Überschreitung der Lieferfrist nicht begründet.
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Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der zwischen ihnen geschlossene
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Speditionsvertrag den Bestimmungen der CMR unterliegt. Die Klägerin ist
Fixkostenspediteurin im Sinne von § 459 HGB. Der Vertrag hat auch die
Güterbeförderung auf der Straße per Lkw im grenzüberschreitenden Verkehr von den
Niederlanden nach England zum Gegenstand (Artikel 1 CMR).
1. Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen Überschreitung der Lieferfrist
gemäß Artikel 17 Abs. 1, 19, 23 Nr. 5, 29 CMR scheitert bereits an der Ausschlussfrist
des Artikel 30 Abs. 3 CMR. Unstreitig wurde die Ware am 04. und 05.07.00 bei der
Firma M UK angeliefert. Die 21-tägige Ausschlussfrist endete daher am 26.07.00. Eine
Haftbarmachung erfolgte erstmals mit Fax vom 21.08.00, also verspätet. Damit sind der
Beklagten sämtliche Schadensersatzansprüche wegen Lieferfristüberschreitung
abgeschnitten, was von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. Koller, Transportrecht,
4. Aufl., CMR, Artikel 30, Rdnr. 18; Hermann/Piper, CMR, Artikel 30, Rdnr. 31;
Fremuth/Thume, Transportrecht, CMR Artikel 30, Rdnr. 26). Die Präklusionswirkung
greift auch dann ein, wenn die Verspätung auf grobem Verschulden des Frachtführers
beruht (vgl. Fremuth/Thume a.a.O.; BGH Transportrecht 92, 135 ff. (138)).
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Die Berufung auf die Ausschlussfrist kann allerdings rechtsmissbräuchlich im Sinne von
§ 242 BGB sein, wenn der Begünstigte darauf hingewirkt hat, dass der Gegner die Frist
verstreichen ließ, oder sonst für den Zeitablauf die Verantwortung trägt (vgl. Münchener
Kommentar-Roth, BGB 4. Aufl., § 242 Rdnr. 257; Fremuth/Thume, Artikel 9 WA Rdnr. 1;
Münchener Kommentar-Basedow, HGB, Transportrecht, Artikel 29 WA Rdnr. 12; BGH
NJW 75, 1698 und 83, 516; MDR 79, 384 und WM 91, 1226).
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Die Berufung der Klägerin auf die Ausschlussfrist ist jedoch entgegen der Auffassung
der Beklagten nicht rechtsmissbräuchlich. Insbesondere ist nicht bewiesen, dass sie die
Beklagte in arglistiger Weise von der Geltendmachung des Vorbehalts abgehalten und
falsch unterrichtet hätte. Zwar ist die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
beweisfällig für ihre Behauptung geblieben, dass die Ablieferung noch am 05.07.00 als
neue Lieferfrist mit der Firma M UK vereinbart worden wäre. Denn die ladungsfähige
Anschrift der Zeugin R, auf deren Zeugnis sich die Klägerin für die behauptete
Absprache bezogen hatte, konnte nicht ermittelt werden. Damit steht aber nicht zugleich
eine Arglist der Klägerin fest, die die Beklagte positiv zu beweisen hätte. Die
Faxschreiben der Klägerin an die Beklagte (Bl. 53 ff. d.A.) enthalten keine falschen
Angaben. Die Klägerin teilte in ihnen lediglich mit, dass die Firma M UK die Ware zu
den genannten Lieferterminen noch abnehme. Diese Erklärungen entsprachen der
Wahrheit. Die Firma M UK hat die Annahme der Ware wegen der verspäteten
Auslieferung nicht etwa verweigert, sondern diese noch entgegen genommen. Von einer
vertraglichen Änderung der zwischen der Beklagten und der Firma M UK vereinbarten
Lieferfrist – bei der die Klägerin als Vertreterin der Beklagten hätte handeln müssen – ist
in den Faxschreiben der Klägerin keine Rede, auch nicht davon, dass die Firma M UK
etwa auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe verzichtet hätte. Die Beklagte, die die
Vertragsstrafe mit der Firma M UK vereinbart hatte und wusste, was diesbezüglich auf
sie zukommen konnte, hätte daher vorsorglich einen entsprechenden Vorbehalt
innerhalb der Ausschlussfrist erklären müssen.
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Die Beklagte kann ihr Schadensersatzbegehren auch nicht auf positive
Forderungsverletzung stützen. Eine solche Anspruchsgrundlage kommt neben dem
Haftungstatbestand aus Artikel 17 Abs. 1 CMR nur in Betracht, wenn es sich nicht um
einen nach den Regeln der CMR zu beurteilenden Verspätungsschaden, sondern um
einen von der CMR nicht erfassten Haftungsgrund handelt (BGH Transportrecht 93, 426
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ff. (429)). Die Belastung mit einer Vertragsstrafe wegen Lieferverzögerung stellt
zweifelsfrei einen Verspätungsschaden im Sinne von Artikel 17 Abs. 1 CMR dar. Der
der Entscheidung des BGH zugrundeliegende Fall war anders gelagert. Dort hatte die
Absenderin geltend gemacht, ihr seien durch falsche Angaben über den Standort des
Lkws Umsatzverluste entstanden, weil ihre Kundin deswegen in der Folgezeit keine
bzw. nur geringere Lieferaufträge erteilt habe.
2. Im übrigen steht der Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch wegen
Lieferverzögerungen zu. Das Landgericht hat zwar zu Recht eine Überschreitung der
Lieferfrist durch die Beklagte bejaht. Unstreitig war die Anlieferung bei der Firma M UK
für die 24. Kalenderwoche vereinbart. Diese Lieferfrist ist unstreitig überschritten. Die
hierfür beweispflichtige Klägerin hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den
Nachweis geführt, dass nachträglich die Lieferfrist bis zum 05.07.00 verlängert worden
wäre. Das Landgericht hat auch zutreffend ein grobes Organisationsverschulden der
Klägerin im Sinne von Artikel 29 CMR bejaht. Die gegen sie sprechende diesbezügliche
Vermutung hat die Klägerin nicht ausgeräumt. Der Zeuge U vermochte nicht zu erklären,
aus welchen Gründen es zu den Verzögerungen gekommen ist.
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Infolge der Lieferfristüberschreitung ist es aber nicht bei der Beklagten im Hinblick auf
die ihr seitens der Firma M UK auferlegte Vertragsstrafe zu einem Schaden gekommen,
mit dem sie die Klägerin weiter belasten kann. Nach ihrer Darstellung hat die Firma M
UK wegen der verspäteten Anlieferung der Ware, die mit 25 % des Kontraktwarenwertes
vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 45.202,50 DM (= 23.111,67 Euro) von der
Rechnung der Beklagten abgezogen. Dies hat die Zeugin A auch bestätigt.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Vertragsstrafenklausel unwirksam.
Auf den Vertrag zwischen der Beklagten und der Firma M UK ist deutsches Recht
anzuwenden. Eine ausdrückliche Rechtswahl im Sinne von Artikel 27 EGBGB ist den
Verträgen nicht zu entnehmen. Die Abfassung in deutscher Sprache und die
Preisvereinbarung in DM spricht für deutsches Recht. Im übrigen kommt Artikel 28 Abs.
1 und 2 EGBGB zur Anwendung, wonach der Vertrag dem Recht des Staates unterliegt,
mit dem er die engsten Verbindungen aufweist, wobei zu vermuten ist, dass dies der
Staat ist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat. Beim
Warenkauf ist dies der Ort der Hauptniederlassung des Verkäufers (Palandt-Heldrich,
BGB, 61. Aufl., EGBGB Artikel 28 Rdnr. 8), der hier in Deutschland liegt.
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Die Vertragsstrafenregelung beruht nicht auf einer individuellen Vereinbarung, sondern
stellt eine AGB-Klausel dar. Nach Aussage der Zeugin A beinhalten sämtliche Verträge
der Firma M UK diese Vertragsstrafe. Die Firma M UK ließ darüber nicht mit sich
verhandeln. Der Geschäftsführer der Beklagten hat sie schließlich notgedrungen
akzeptiert, weil er mit der Firma M UK ins Geschäft kommen wollte. Die
Vertragsbestimmung ist somit nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG im einzelnen
ausgehandelt worden, weil die Firma M UK diesbezüglich nicht verhandlungsbereit war
und die Beklagte nicht die reale Möglichkeit erhielt, ihren Inhalt zu beeinflussen (vgl.
Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl. AGBG § 1 Rdnr. 17 f.).
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Die Vertragsstrafenklausel verstößt gegen § 9 AGBG, weil die Vertragsstrafe
unangemessen hoch ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie lediglich den
Verzögerungsschaden betrifft; denn die Ware wurde ja abgenommen. An der
Absetzbarkeit der Ware auch bei verspäteter Lieferung bestehen bei einer Handelskette
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wie M keine Zweifel. Schäden könnten sich nur daraus ergeben, dass die Firma M für
die sogenannte Aktionsware vergeblich Werbeaufwand für den vorgesehenen
Liefertermin betrieben hätte. Dass dieser 25 % des Warenwerts ausmachen könnte, ist
jedoch unwahrscheinlich. Zudem erfolgen Werbemaßnahmen wie Zeitungsannoncen
und Plakataushänge im allgemeinen wenige Tage vor der Bereitstellung der Ware in
den Filialen. Unstreitig war das Transportgut im vorliegenden Fall aber nicht an die
einzelnen Filialen der Firma M UK, sondern an deren Zentrallager anzuliefern; erst
anschließend wurde es von dort auf die einzelnen Filialen verteilt. Ob zu diesem
Zeitpunkt überhaupt schon Werbemaßnahmen seitens der Firma M UK ergriffen werden,
erscheint fraglich. Im übrigen dürfte das Datum bei Vorankündigungen von Aktionsware
ohne größeren Aufwand korrigiert werden können. Berücksichtigt man die sehr
restriktive Rechtsprechung des BGH zu Vertragsstrafenklauseln in Bauverträgen,
wonach eine solche den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, wenn sie eine
Höchstgrenze von 5 % der Auftragssumme bei Terminsüberschreitung vorsieht (vgl.
BGH NZ Bau 03, 321 ff. (323 f.); siehe auch BGH NJW 00, 2106 und NZ Bau 02, 385) –
so erscheinen im vorliegenden Fall 25 % des Kontraktwarenwerts unangemessen hoch.
Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Höhe der Vertragsstrafe nicht
entsprechend der Dauer der Lieferverzögerung gestaffelt ist; vielmehr fällt die
Vertragsstrafe in voller Höhe auch bei einer nur geringen Überschreitung des
Liefertermins – etwa um einen Tag – an. Dies stellt eine völlig unangemessene
Benachteiligung des Verkäufers dar, die durch die wirtschaftlichen Belange der Firma M
UK nicht zu rechtfertigen ist. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt
hat, wird mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 25 % des Warenwerts ihr gesamter
Gewinn aus dem Geschäft abgeschöpft, sie erleidet dabei sogar einen Verlust. Nach
alledem ist die Vertragsstrafenklausel wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG nichtig. Eine
geltungserhaltende Reduktion kommt nicht in Betracht.
Im übrigen kann der Gläubiger gemäß § 341 Abs. 3 BGB, wenn er die Erfüllung
annimmt, die Strafe nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei der Annahme
vorbehalten hat. Dass die Firma M UK am 05.07.00 einen entsprechenden Vorbehalt
erklärt hätte, ist nicht dargetan. Offenbar hat sie die Vertragsstrafe erst mit dem
Schreiben vom 14.07.00 geltend gemacht, das die Beklagte nach ihrem Vortrag erst mit
der Rechnungskürzung am 21.08.00 erhalten hat. Demnach war es erfolgsversprechend
und der Beklagten auch zumutbar, gegen die Rechnungskürzung durch die Firma M UK
– notfalls im Wege der Klage – vorzugehen. Jedenfalls kann sie unter den vorliegenden
Umständen die Vertragsstrafe nicht auf die Klägerin überwälzen.
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Das neue Vorbringen der Beklagten in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
06.08.03 ist verspätet und gibt daher dem Senat keinen Anlass zur Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung.
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Nach alledem steht der Beklagten der zur Aufrechnung gestellte und mit der
Hilfswiderklage und der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht
zu. Die Klage ist daher in voller Höhe begründet, während die Widerklage der
Abweisung unterliegt.
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Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 352, 353 HGB gerechtfertigt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711,
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108 Abs. 1 ZPO.
Von der Zulassung der Revision sieht der Senat ab, da die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert,
§ 543 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 23.111,67 Euro.
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