Urteil des OLG Köln vom 16.11.2007

OLG Köln (nacht, bezeichnung, einstweilige verfügung, unterscheidungskraft, veranstaltung, werk, begriff, inhalt, zpo, publikum)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 114/07
Datum:
16.11.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 114/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 208/07
Normen:
MarkenG §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 2
Tenor:
1.) Die Berufung der Antragsgegner gegen das am 31.5.2007
verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O
208/07 – wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragsgegner zu
tragen.
B e g r ü n d u n g
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Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 542
Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
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Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das
Landgericht durch die angefochtene Entscheidung ihre am 23.3.2007 im
Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung bestätigt.
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Die für die Zulässigkeit des Eilverfahrens erforderliche – im Berufungsverfahren von den
Antragsgegnern nicht mehr bezweifelte - Dringlichkeit ist gegeben, nachdem die
Antragstellerin wenige Wochen nach Kenntnisnahme am 4.3.2007 die Antragsgegner
abgemahnt und sodann den Verfügungsantrag gestellt hat.
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Die Voraussetzungen des geltendgemachten Unterlassungsanspruches aus §§ 5 Abs.3,
15 Abs.2 MarkenG sind aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen
Entscheidung, auf die zunächst verwiesen wird, glaubhaft gemacht. Der Vortrag der
Antragsgegner im Berufungsverfahren gibt lediglich Anlass, folgende Gesichtspunkte
(erneut) darzustellen:
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Der Bezeichnung "DIE NACHT DER MUSICALS" kommt im Sinne des § 5 Abs. 3
MarkenG Werktitelschutz zu. Hierfür ist ausreichend, dass die Bezeichnung geeignet ist,
das Werk als solches zu individualisieren und auf diese Weise von anderen Werken
unterscheidbar zu machen (vgl. Ströbele/Hacker, § 5 Rz. 82). Die Anforderungen an die
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Unterscheidungskraft von Werktiteln sind damit noch niedriger als die an die
Kennzeichnungskraft von Marken, weil es nicht wie dort um die Unterscheidung der
betrieblichen Herkunft, sondern allein darum geht, ob der Begriff von den
angesprochenen Verkehrskreisen als Bezeichnung für ein individuelles Werk
angesehen wird. Dabei ist – wie bereits die Kammer zutreffend ausgeführt hat – zu
berücksichtigen, dass es im Einzelfall erforderlich sein kann, den Inhalt des Werkes
zumindest ansatzweise zu beschreiben, weil sonst die Bezeichnung ihre Funktion nicht
erfüllen kann (vgl. Ingerl/Rohnke MarkenG, 2. Aufl., § 5 Rz 88). Hieran ist der Verkehr
gewöhnt. Auf dieser Grundlage kann der Angabe "DIE NACHT DER MUSICALS" für die
von der Antragstellerin veranstalteten Aufführungen von Ausschnitten aus Musicals
Werktitelqualität nicht abgesprochen werden.
Das angesprochene Publikum versteht die Wortfolge "DIE NACHT DER MUSICALS"
dahin, dass sie eine bestimmte abends aufgeführte Bühnenshow bezeichnet, in der
Ausschnitte aus verschiedenen Musicals dargeboten werden. Den Antragsgegnern ist
zwar einzuräumen, dass die einzigen in der Bezeichnung verwendeten sinnhaltigen
Begriffe für sich genommen einen auch beschreibenden Inhalt haben. Das nimmt der
Kombination dieser Begriffe in der Bezeichnung als Ganzer aber nicht die
Werktitelqualität. Das Publikum ist daran gewöhnt, dass in dem verwendeten Titel auch
anklingt, welchen Inhalt das so bezeichnete Werk hat. Zudem ist der Titel auch nicht rein
beschreibender Natur. Der Begriff "Musicals" ist verfremdet, weil nicht mehrere
(vollständige) Musicals, sondern nur Ausschnitte aus verschiedenen Werken dieser
Musikgattung auf dem Programm stehen. Überdies ist der Begriff "Nacht" nicht wörtlich
als Bezeichnung eben der Aufführungszeit zur Nacht zu verstehen. Es handelt sich um
eine nicht nachts, sondern am Abend beginnende und allenfalls bis in den Beginn der
Nacht andauernde Veranstaltung. Aus diesen Gründen wird z.B. ein Besucher der
Aufführung in Bonn, der einige Zeit später in Düsseldorf mit einer Veranstaltung unter
demselben Titel "DIE NACHT DER MUSICALS" konfrontiert wird, erwarten, dass es
sich um die nämliche, nunmehr in Düsseldorf zur Aufführung gebrachte Veranstaltung
handelt.
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Die Voraussetzungen für das Bestehen einer Gefahr von Verwechslungen im Sinne von
§ 15 Abs. 2 MarkenG zwischen "DIE NACHT DER MUSICALS" und "GALANACHT
DES MUSICALS" für die in Rede stehenden Veranstaltungen sind glaubhaft gemacht.
Dabei kommt es – wie die Kammer auf S. 6 der angefochtenen Entscheidung zutreffend
näher dargelegt hat – maßgeblich auf den Grad der Unterscheidungskraft des
geschützten Titels und der Ähnlichkeit der Werke und der sich gegenüberstehenden
Titel an, wobei für letztere eine Ähnlichkeit im Sinngehalt genügt (vgl. Ingerl/Rohnke,
a.a.O. § 15 Rz 124). Danach besteht die Gefahr von Verwechslungen.
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Mit dem Landgericht legt auch der Senat wegen der erörterten beschreibenden
Elemente seiner Entscheidung von Hause aus eine nur schwache Unterscheidungskraft
des Titels "DIE NACHT DER MUSICALS" zu Grunde. Ob die Antragstellerin eine
Steigerung dieser Unterscheidungskraft durch Benutzung in Deutschland glaubhaft
gemacht hat, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben, weil der Anspruch auch auf der
Grundlage lediglich schwacher Unterscheidungskraft und damit eines nur geringen
Schutzumfanges von "DIE NACHT DER MUSICALS" besteht.
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Die angegriffene Bezeichnung wird für ein identisches Werk, nämlich die Präsentation
von Ausschnitten aus verschiedenen Musicals, verwendet. Zudem besteht eine hohe
Ähnlichkeit im Sinngehalt beider Titel. "DIE NACHT DER MUSICALS" verspricht eine in
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die Nacht übergehende abendliche Veranstaltung, in der Ausschnitte von Musicals
dargeboten werden. Dasselbe gilt hinsichtlich einer "GALANACHT DES MUSICALS".
Die Hinzufügung des Elementes "Gala" unterstreicht lediglich die Festlichkeit der
Veranstaltung, führt aber im übrigen vom Sinngehalt her nicht vom Kern der Aussage
weg, dass an einem Abend Darbietungen aus unterschiedlichen Musicals angeboten
werden. Der Zusatz "Gala" wird bei den angesprochenen Verbrauchern die ERwartung
hervorrufen, dass derselbe Produzent nunmehr "noch eins drauf setzt" und statt einer
bloßen "Nacht" eben eine "Galanacht", etwa im Sinne einer Auswahl der besten früher
präsentierten Musicalausschnitte ("best of") präsentiert. Diese hohe Ähnlichkeit im
Sinngehalt der Titel wird auch nicht dadurch relativiert, dass in der angegriffenen
Bezeichnung der Begriff "Musical" nicht - wie in dem Titel der Antragstellerin - im Plural,
sondern im Singular verwendet wird. Denn auch in dem von den Antragsgegnern
verwendeten Titel ist gleichwohl erkennbar die Aufführung von Stücken aus mehreren
Musicals gemeint.
Angesichts der hohen Ähnlichkeit der Titel und der Identität der bezeichneten
Veranstaltungen ist mit dem Landgericht auch bei nur geringer Unterscheidungskraft
von "DIE NACHT DER MUSICALS" von dem Bestehen einer Verwechslungsgefahr im
Sinne des § 15 Abs.2 MarkenG auszugehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 100.000 €.
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