Urteil des OLG Köln vom 25.01.2000

OLG Köln: begriff, lüge, fahrlässigkeit, auskunft, fachsprache, gehalt, auflage, unterlassungspflicht, veranlagung, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 15 W 103/99
25.01.2000
Oberlandesgericht Köln
15. Zivilsenat
Beschluss
15 W 103/99
Landgericht Bonn, 10 O 337/99
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 03.11.1999 gegen den
Beschluß der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 12.10.1999 -
10 O 337/99 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Das Landgericht hat der Antragsgegnerin durch Urteil vom 07.09.1999 untersagt, in Bezug
auf bestimmte Äußerungen des Antragsgegners wörtlich oder sinngemäß zu behaupten,
dies sei eine Lüge. In einer Schrift "Letzte Stellungnahme vor der Wahl" bezeichnete die
Antragsgegnerin die betreffenden Äußerungen nunmehr als Unwahrheit.
Der Antragsteller hat deshalb die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO
begehrt. Die Kammer hat dies im angefochtenen Beschluss abgelehnt, da Unwahrheit nicht
gleichbedeutend mit Lüge sei.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Senat ist allerdings der Auffassung, daß die Schuldnerin im Rahmen der Druckschrift
"Letzte Stellungnahme vor der Wahl" ihrer Unterlassungspflicht aus dem Urteil des
vorliegenden Verfahrens vom 07.09.1999 zuwidergehandelt haben dürfte.
Ihr war untersagt worden, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, die Äußerungen des
Antragstellers über ein Ausscheiden der Antragsgegnerin aus einer Bürgerinitiative, von ihr
erlangter Kostenvorteile bei der Veranlagung zu Kanalanschlußgebühren und dabei
eingesetzte Insiderkenntnisse seien eine "Lüge".
In der "Letzte Stellungnahme vor der Wahl" heißt es insoweit, hier sei statt von "Lüge"
künftig von "Unwahrheit" zu sprechen.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff der Unwahrheit aber
gleichbedeutend mit dem der Lüge. Beide bringen in der Umgangssprache zum Ausdruck,
daß jemand bewußt etwas der Wahrheit zuwider äußert. Insoweit hat der Begriff der
"Unwahrheit" einen engeren umgangssprachlichen Sinn als der gegensätzliche Begriff der
"Wahrheit" oder des Wahr-Seins. Bei den Worten "Wahrheit" und "wahr" steht die rein
objektive Übereinstimmung zwischen der Wirklichkeit und der Äußerung im Vordergrund,
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ohne zugleich eine subjektive Beziehung des sich Äußernden festzulegen. Der Begriff
"Unwahrheit" enthält in der Umgangssprache hingegen den Vorwurf, der sich Äußernde
wisse um das Unzutreffende.
Auf den allgemeinen Sprachgebrauch kommt es vorliegend auch an, da Äußerungen an
dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfänger zu interpretieren sind (vergl.
Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Auflage, R 4.4 ,S. 83 m.w.A.).
Gleichwohl hat die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen des begangenen Verstoßes
zu unterbleiben. Die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO nämlich enthält
auch strafrechtliche Sanktionselemente und setzt daher Verschulden des Handelnden
voraus, wobei Fahrlässigkeit ausreicht (vergl. Zöller-Stöber, ZPO, R 5 zu § 890 ZPO mit w.
N.).
Vorliegend wird die Antragsgegnerin für die geschehene Zuwiderhandlung aber entlastet.
Nach ihrem unwidersprochenen, von der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich
bestätigten Vorbringen nämlich hat das erstinstanzliche Gericht sie in der zum Verbotsurteil
führenden mündlichen Verhandlung auf ihre entsprechenden Fragen dahin belehrt, die
Verwendung des Begriffes "Unwahrheit" werde ihr nicht verboten, da der Begriff
"Unwahrheit" nicht die bewußt wahrheitswidrige Äußerung erfasse. Nach der Auffassung
des Senates war diese Auskunft falsch. Die Kammer mag hier an die juristische Systematik
gedacht haben, die - z.B. im Rahmen von § 824 BGB - zunächst bei Behauptungen
zwischen wahr und unwahr unterscheidet und darauf aufbauend bestimmte Rechtsfolgen
aus der Behauptung unwahrer Tatsachen nur bei einer darauf bezogenen Vorwerfbarkeit,
also Fahrlässigkeit oder Vorsatz zieht. In diesem Rahmen ist die "Unwahrheit" ein Begriff,
der nur etwas über die objektive Übereinstimmung der behaupteten Tatsache mit der
Wirklichkeit aussagt, nicht aber zu der Kenntnis des sich Äußernden beinhaltet. Dies ist
aber ein spezieller, fachlicher Sprachgebrauch, der vorliegend nicht maßgeblich ist. Denn
die Unterlassungsverfügung wendet sich an zwei Nichtjuristen. Der Gehalt ihrer
Äußerungen ist am allgemeinen Sprachverständnis zu messen, nicht an der juristischen
Fachsprache. Entsprechend ist das Äußerungsverbot auszulegen. Der Antragsgegnerin
kann aber im vorliegenden Fall nicht vorgeworfen werden, daß sie sich bei ihrem Verhalten
für den jetzt zu beurteilenden Verstoß an den vom entscheidenden Gericht gegebenen
Erläuterungen ausgerichtet hat. Sie ist hierdurch entschuldigt.
Künftig wird sie aber die ihr erteilte Verbotsverfügung unter Wahrung des allgemeinen
Sprachgebrauchs zu beachten haben.
Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 97 ZPO.
Beschwerdewert: bis 2.000.- DM