Urteil des OLG Köln vom 29.04.1996

OLG Köln (antragsteller, sanierung, haftung, durchführung, 1995, schaden, mietzins, wohnung, höhe, last)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 30/96
Datum:
29.04.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 30/96
Normen:
WEG §§ 14, 16;
Leitsätze:
Mietausfall in einer Dachgeschoßwohnung während der Dachreparatur
WEG §§ 14, 16 Die Gemeinschaft hat dem Wohnungseigentümer, der
während der Reparatur des Daches die ihn gehörende
Dachgeschoßwohnung nicht vermieten kann, den Mietausfallschaden
zu ersetzen. Der Mietausfallschaden ist allerdings um einen auf den
betroffenen Wohnungseigentümer entfallenden Anteil zu kürzen, da es
sich bei der Schadensersatzleistung um Kosten der Verwaltung i.S. des
§ 16 Abs. 2 WEG handelt.
Rechtskraft:
unanfechtbar
G r ü n d e Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG, 20,
22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässig und hat in der Sache - vorläufigen - Erfolg.
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Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des
Gesetzes im Sinne der §§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO. Das Landgericht ist nicht in dem
erforderlichen Maße seiner ihm nach § 12 FGG obliegenden Verpflichtung
nachgekommen, die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu
veranlassen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Die zum Grund des
erhobenen Anspruchs angestellten Erwägungen zur Haftung der Antragsgegner sind
nicht frei von Rechtsfehlern. Überlegungen zu einem den Antragsgegnern nach § 14 Nr.
4 WEG BGB zustehenden Aufopferungsanspruch hat das Landgericht nicht angestellt.
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Das Landgericht wird bei der erneuten Behandlung der Sache von folgenden
Grundsätzen auszugehen haben:
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Anknüpfungspunkt für eine Haftung der Antragsgegner ist zunächst der Gedanke der
Aufopferung, der - verschuldensunabhängig - für die Zeiten Platz greift, zu denen die
Eigentumswohnung der Antragsteller deshalb nicht genutzt werden konnte, weil im
Hinblick auf die erforderliche Sanierung des Daches Augenscheinseinnahmen und
Untersuchungen von Sachverständigen veranlaßt waren und die erforderlichen
Sanierungsarbeiten auch tatsächlich durchgeführt worden sind.
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Nach § 14 Nr. 4 WEG hat jeder Wohnungseigentümer das Betreten und die Benutzung
der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur
Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist;
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Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist;
der hierdurch entstandene Schaden ist zu ersetzen. Dieser Schadensersatzanspruch ist
dem Aufopferungsanspruch nach § 904 BGB ähnlich und umfaßt neben einem
Substanzschaden auch den Schaden durch entgangene Nutzung (vgl. BayObLG
DWEigt 1987, 58 - im Anschluß an BGH (GrS) Z 98, 212; KG WE 1994, 51; Weitnauer/
Lüke, WEG, 8. Aufl. 1995, § 14 Rdnr. 8).
Was die Höhe des in Rede stehenden Anspruchs auf Ersatz des Mietausfallschadens
angeht, wird das Landgericht zu beachten haben, daß die Schadensersatzleistung nach
§ 16 Abs. 4 WEG zu den Kosten der Verwaltung im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG gehört,
also auch der betroffene Wohnungseigentümer seinen Anteil am Schaden zu tragen hat
(vgl. Weitnauer/Lüke, a.a.O., § 14 Rdnr. 8). Darüber hinaus wird - erforderlichenfalls
durch Sachverständigengutachten - aufzuklären sein, welchen Mietzins die Antragsteller
zu den gegebenen Zeiten hätten erzielen können.
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Des weiteren haften die Antragsgegner wegen schuldhafter Verletzung der sich aus
dem Gemeinschaftsverhältnis ergebenden Pflicht, an der Instandhaltung bzw.
Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums mitzuwirken.
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Dabei ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, daß die
Wohnungseigentümergemeinschaft, nachdem nach den Feststellungen des Statikers R.
die Statik des gesamten Gebäudes in Frage stand, sich zunächst veranlaßt sahen,
weitere Untersuchungen in Auftrag zu geben, um Art und Umfang der erforderlichen
Instandsetzungsmaßnahmen zu ermitteln (Wohnungseigentümerversammlungen vom
20.03.1991 und 18.06.1991). Es ist auch nicht als schuldhaft anzusehen, daß die
Antragsgegner, nachdem die Sanierungsbedürftigkeit feststand, zunächst den Beschuß
faßten, eine Kompletterneuerung des Daches durchführen zu lassen, weil sie dies als
die dauerhaftere und damit langfristig kostengünstigere Maßnahme ansahen
(Wohnungseigentümerversammlungen vom 26.10.1992 und 26.11.1992) und zu diesem
Zwecke den Versuch unternahmen, die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für eine
Kompletterneuerung zu schaffen.
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Zu vertreten sind allerdings von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu vertretende
Verzögerungen im Hinblick auf die Feststellung von Art und Umfang der erforderlichen
Sanierungsmaßnahmen, die Vorbereitung der beschlossenen Maßnahmen (Planung)
und die Durchführung der Arbeiten selbst. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der
Wohnungseigentümergemeinschaft nicht alle schuldhaft verursachten Verzögerungen
zur Last zu legen sind, sondern daß die Verzögerungen, die bei der Umsetzung der
gefaßten Beschlüsse eingetreten sind, zur Haftung der Verwaltungsgesellschaft führen
und die Wohnungseigentümergemeinschaft nur haftet, soweit sie sich veranlaßt sehen
mußte, zur Förderung der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen durch erneute
Beschlußfassung auf die Verwaltungsgesellschaft einzuwirken. In Betracht kommen
insofern die Beauftragung eines mit Altbauten vertrauten Statikers, das Hinwirken auf
die zügige Durchführung des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und die
zügige Durchführung der Arbeiten durch eine Fachfirma.
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Was der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Last zu legen und für welche Zeiträume
sie im einzelnen haftbar zu machen ist, bleibt der tatrichterlichen Bewertung
vorbehalten. Dabei wird zu beachten sein, daß die Antragsteller bereits am 26.06.1992
einen Titel erwirkt hatten, nach dem die Statik wieder herzustellen war, damit den
Antragstellern die Nutzung wieder möglich wurde, wodurch den Antragsgegnern die
Dringlichkeit der durchzuführenden Arbeiten nochmals vor Augen geführt worden war.
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Es wird etwa zu prüfen sein, ob in der Wohnungseigentümerversammlung vom
05.05.1993 tatsächlich kein Handlungsbedarf bestand, nachdem bereits ein halbes Jahr
zuvor die Sanierung beschlossen, aber ein Bauantrag noch nicht eingereicht worden
war - dieser datiert vom 11.10.1993. Es wird etwa zu prüfen sein, ob es unter
verständiger Berücksichtigung der Interessen der Antragsteller vertretbar war, nach
Ablehnung des Bauantrages durch die Stadt K. am 05.01.1994 das
Widerspruchsverfahren durchzuführen, das bis zum 23.06.1994 dauerte, ohne den
Widerspruch zu begründen und auf eine abändernde Entscheidung der
Widerspruchsbehörde hinzuwirken. Es dürfte auch nicht angängig sein, die Sanierung
im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen über den Schadensersatzanspruch
zurückzustellen; zu bedenken wird in diesem Zusammenhang sein, daß es nach
Vorlage des Gutachtens des Gerichtsgutachters Werker vom 23.08.1994 erst am
19.01.1995 zu einer erneuten Beschlußfassung kam, die dahin ging, bis zum Ausgang
des Parallelverfahrens beim Amtsgericht gegen die Verwaltungsgesellschaft solle
zunächst nichts unternommen werden, und erst am 10.08.1995 die Vergabe der
Arbeiten beschlossen wurde.
Was die Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs angeht, ist für die in Betracht
kommenden Zeiträume der zu erzielende Mietzins zu ermitteln, wie im Zusammenhang
mit dem Aufopferungsanspruch ausgeführt.
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Schließlich wird zu prüfen sein, ob und inwieweit den Antragstellern ein Mitverschulden
deshalb anzurechnen ist, weil sie die das weitere Vorgehen betreffenden Beschlüsse
der Wohnungseigentümerversammlung mit getragen haben, wobei zu bedenken ist, daß
eine Beschlußanfechtung durch die Antragsteller die Sanierung voraussichtlich nicht
beschleunigt, sondern zu weiteren Verzögerungen geführt hätte.
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