Urteil des OLG Köln vom 19.01.1998

OLG Köln (beschwerde, materielles recht, namensänderung, kind, rechtsmittel, annahme, meinung, beschwerdebefugnis, anweisung, begründung)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 307/97
Datum:
19.01.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 307/97
Normen:
BGB §§ 1355, 1616A; PSTG § 34;
Leitsätze:
Wirksamwerden einer unzulässigen Namensänderung mangels
Anfechtung
BGB §§ 1355, 1616a, PStG § 34 Die fehlerhafte ,Erhebung in den
Adelsstand" durch eine den gesetzlichen Vorschriften über die
Namensänderung nicht entsprechende amtsgerichtliche Entscheidung
ist wirksam, wenn die Standesamtsaufsicht eine rechtzeitige Anfechtung
versäumt.
Rechtskraft:
unanfechtbar
G r ü n d e
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I.
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Die am 08.04.1952 unter dem Namen W. geborene Beteiligte zu 1) hat am 16.10.1981
mit dem Beteiligten zu 3) die Ehe geschlossen, aus der 4 noch minderjährige Kinder
hervorgegangen sind. Als Familiennamen haben die Eheleute ,S." bestimmt. Durch
Beschluß des Amtsgerichts Kassel vom 26.04.1996 - 760 XVI 39/95 - hat die Beteiligte
zu 2) den Beteiligten zu 3) als Kind angenommen. Zugleich hat das Amtsgericht eine
Regelung hinsichtlich der Führung des Geburtsnamens des Beteiligten zu 3) getroffen.
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Die Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 2) haben am 30.08.1996 beim Amtsgericht
Bonn den Antrag gestellt, die Annahme der Beteiligten zu 1) als Kind der Beteiligten zu
2) sowie die Führung des Namens "Gräfin zu S.-W.-S." durch die Beteiligte zu 1) als
Geburtsnamen, zusammengesetzt aus dem Namen der Annehmenden unter
Hinzufügung des bisherigen Familiennamens der Angenommenen, auszusprechen.
Ferner hat der Beteiligte zu 3) mit notarieller Urkunde vom 19.07.1996 der Annahme
seiner Ehefrau als Kind der Beteiligten zu 2) zugestimmt und gleichzeitig erklärt, daß er
sich der Namensänderung seiner Ehefrau gem. § 1757 Abs. 3 BGB anschließt, so daß
der zukünftige Ehe-Familienname laute: "Graf/Gräfin zu S.-W.-S.". Für die 3 noch nicht
14jährigen Kinder haben die Beteiligten zu 1) und 3) als gesetzliche Vertreter ihre
Zustimmung zur Anschlußerklärung an den geänderten Ehe-Familiennamen erklärt; die
14jährige Tochter A. hat diese Erklärung persönlich abgegeben. Mit Beschluß vom
15.10.1996 hat das Amtsgericht Bonn die Annahme der Beteiligten zu 1) als Kind der
Beteiligten zu 2) beschlossen und zugleich bestimmt, daß die Beteiligte zu 1) mit der
Annahme den Geburtsnamen "Gräfin zu S.-W.-S." führt. Dieser Beschluß ist durch
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Annahme den Geburtsnamen "Gräfin zu S.-W.-S." führt. Dieser Beschluß ist durch
weiteren Beschluß des Amtsgerichts vom 06.11.1996 antragsgemäß dahin ergänzt
worden, daß die Beteiligten zu 1) und zu 3) künftig den Ehe- und Familiennamen "Gräfin
bzw. Graf zu S.-W.-S." und die 4 minderjährigen Kinder aufgrund der Änderung des
Ehenamens ihrer Eltern künftig den Geburtsnamen "Graf bzw. Gräfin zu S.-W.-S."
führen. Mit Schreiben vom 13.01.1997 hat der Beteiligte zu 4) beim Amtsgericht eine
Vorlage gem. § 45 Abs. 2 Personenstandsgesetz (PStG) eingereicht. Er hat die Ansicht
vertreten, der Geburtsname der Beteiligten zu 1) müsse "Gräfin zu S.-W.-W." heißen.
Den Ergänzungsbeschluß hält er für nichtig, da eine Änderung des Geburtsnamens der
Beteiligten zu 1) keine Auswirkungen auf den Familiennamen habe und somit auch
keine Erstreckung auf den Beteiligten zu 3) und die minderjährigen Kinder in Betracht
komme. Mit Beschluß vom 30.07.1997 hat das Amtsgericht die Vorlage des
Standesbeamten als Beschwerde aufgefaßt, dieser nicht abgeholfen, das Ersuchen auf
Anweisung zurückgewiesen und die Beschwerde dem Landgericht zur Entscheidung
vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die angeordnete Namensführung
durch die Eheleute und ihre Kinder sich aus den gesetzlichen Vorschriften rechtfertige.
Dagegen hat der Beteiligte zu 4) sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat
er im wesentlichen sein Vorbringen zur Vorlage nach § 45 Abs. 2 PStG wiederholt. Das
Landgericht hat mit Beschluß vom 29.10.1997 den Adoptionsbeschluß vom 15.10.1996
hinsichtlich des Geburtsnamens der Beteiligten zu 1) dahin abgeändert, daß dieser
laute: "Gräfin zu S.-W."; im übrigen hat es die Beschlüsse des Amtsgerichts vom
15.10.1996 und 06.11.1996 aufgehoben und hinsichtlich der Namensänderung für die
noch nicht 14jährigen Kinder die Sache an das Vormundschaftsgericht Bonn
zurückverwiesen. Es hat die Meinung vertreten, die Angenommene führe infolge der
Adoption den Geburtsnamen "Gräfin zu S.-W.", dem sie allenfalls ihren ursprünglichen
Geburtsnamen W., nicht jedoch den Familiennamen S. anfügen könne. Die Möglichkeit
des § 1355 Abs. 4 BGB sei bisher nicht genutzt worden. Die Namensführung des
Beteiligten zu 3) sei bereits durch die Entscheidung des Amtsgerichts Kassel vom
26.04.1996 geklärt. Für eine Bestimmung zur Namensführung der Kinder sei das
Vormundschaftsgericht schon nicht zuständig. Im übrigen sei der Familiennamen nach
wie vor "S.". Eine Namensänderung für den Familiennamen der Kinder gem. § 1616 a
Abs. 2 BGB komme in Betracht. Gegen diesen Beschluß richtet sich die am 18.11.1997
eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1). Sie ist der Meinung, sie könne
dem neuen Geburtsnamen auch den bisherigen Familiennamen beifügen. Ihr Ehemann
habe zugestimmt, so daß der neue Geburtsname auch zum Familiennamen werde.
Dieser Familienname erstrecke sich auch auf ihre Kinder. Im übrigen sei nach
überwiegender Ansicht die Adoptionsentscheidung einschließlich der Namensregelung
bindend.
II.
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Das als weitere Beschwerde eingelegte Rechtsmittel ist zulässig, § 49 Abs. 1 Satz 2, 48
Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, 20 FGG. Die Beteiligte zu 1) als Antragstellerin auch
hinsichtlich der Namensführung ihres Ehemannes und ihrer Kinder ist durch die
landgerichtliche Entscheidung beschwert, § 20 FGG. Es hat in der Sache Erfolg, da die
Entscheidung des Landgerichts unter Verletzung von Verfahrensvorschriften
zustandegekommen ist, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 FGG. Die sofortige Beschwerde des
Beteiligten zu 4) gegen den amtsgerichtlichen Beschluß ist unzulässig, da ihm als
Standesbeamten die Befugnis zur Einlegung der sofortigen Beschwerde fehlt, § 49 Abs.
1 Satz 1, Abs. 2 PStG. Damit fehlt eine Zulässigkeitsvoraussetzung seines
Rechtsmittels.
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Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschluß des Amtsgerichts
vom 30.07.1997, der auf Vorlage des Standesbeamten ergangen ist, eine
beschwerdefähige Entscheidung beinhaltet. Dieser Beschluß hat nämlich bei
sachgerechter Auslegung die Anweisung des Amtsgerichts an den Standesbeamten
zum Inhalt, die bisher unterlassenen Amtshandlungen vorzunehmen, d. h. im
vorliegenden Fall die Beischreibung des Annahmebeschlusses vom 15.10.1996 sowie
des Ergänzungsbeschlusses vom 06.11.1996 jeweils in der vom Amtsgericht
angeordneten Fassung. Daß mit der genannten Entscheidung diese Rechtsfolge
gewollt ist, ergibt sich zweifelsfrei sowohl aus ihrem Tenor, wonach der Beschwerde
des Standesbeamten nicht abgeholfen wird, als auch aus den Gründen, in denen
ausgeführt wird, daß die in den genannten Beschlüssen angeordnete Namensführung
sich aus den gesetzlichen Vorschriften rechtfertige und eine Abänderung im Sinne des
Standesbeamten nicht in Betracht komme. Damit hat das Amtsgericht inhaltlich eine
Entscheidung im Sinne des § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 PStG getroffen. Diese
Entscheidung kann mit sofortiger Beschwerde angegriffen werden, § 49 Abs. 1 Satz 1
PStG. Das von dem Beteiligten zu 4) eingelegte Rechtsmittel ist mithin statthaft.
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Der Standesbeamte war indes nicht zu einer Beschwerdeeinlegung befugt. Ihm steht
grundsätzlich kein Beschwerderecht im Anweisungsverfahren des PStG zu. Dieses liegt
vielmehr ausschließlich bei der Aufsichtsbehörde des Standesbeamten, § 49 Abs. 2
PStG. Das gilt auch in den Fällen vorliegender Art, in denen der Standesbeamte
zunächst durch Vorlage gem. § 45 Abs. 2 PStG eine gerichtliche Entscheidung
herbeigeführt hat (BGH, NJW 59, 1581; Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, § 49 PStG,
Randziffer 15; ebenso Keidel/Kahl, FGG, 13. Aufl. § 20, Randziffer 112 m. w. N.).
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Eine landesrechtliche Verordnung, die dem Standesbeamten ausdrücklich die
Beschwerdebefugnis übertragen hat, liegt hier nicht vor.
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Eine abweichende Beurteilung zur Frage der Beschwerdeberechtigung kann auch nicht
daraus hergeleitet werden, daß vorliegend das Amtsgericht den Standesbeamten nicht
ausdrücklich zur Vornahme der Amtshandlung angewiesen, sondern der äußeren Form
nach eine Abhilfeentscheidung getroffen hat. Denn - wie gezeigt - hat sich das
Amtsgericht mit der Rechtmäßigkeit der angeordneten Namensführung und den
Einwänden des Standesbeamten inhaltlich auseinandergesetzt und damit sachlich eine
Entscheidung im Sinne des § 45 Abs. 1 PStG getroffen.
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Da das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde hier lediglich von dem Standesbeamten
und nicht daneben von seiner Aufsichtsbehörde eingelegt worden ist, ist dieses wegen
fehlender Beschwerdebefugnis unzulässig, §§ 49 Abs. 2, 48 Abs. 1 PStG, § 20 FGG.
Das Landgericht hat gleichwohl über die sofortige Beschwerde sachlich entschieden, so
daß dieser Verfahrensverstoß zur Aufhebung seines Beschlusses vom 29.10.1997 führt.
Weiter ist die sofortige Beschwerde des Standesbeamten als unzulässig zu verwerfen.
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Die Frage, ob die vom Amtsgericht in den Beschlüssen vom 15.10.1996 und vom
06.11.1996 getroffenen Regelungen zur Namensführung der Beteiligten zu 1) und 3) in
Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehen, kann somit dahinstehen. Die beiden
Beschlüsse sind spätestens seit Verlassen des inneren Geschäftsbereichs des
Gerichtes existent und werden nach Ablauf der Rechtsmittelfrist wirksam, § 49 Abs. 1
Satz 1 PStG (Zöller/Gummer, ZPO, 20. Aufl., § 577 Rz. 9, 10; § 567, Rz. 3). Etwaige
Verstöße gegen materielles Recht führen - entgegen der Meinung des Beteiligten zu 4) -
nicht zur Nichtigkeit der Beschlüsse. Für gerichtliche Entscheidungen wird die
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Nichtigkeitsfolge nur in Ausnahmefällen bejaht (vgl. dazu beispielsweise
Keidel/Zimmermann,FGG, § 7, Rz. 24 a und Rz 40). Ein solcher Fall liegt hier auch
hinsichtlich des Ergänzungsbeschlusses vom 06.11.1996 nicht vor.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des landgerichtlichen
Beschwerdeverfahrens beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Das von dem
Standesbeamten eingelegte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde war unzulässig
und damit erfolglos, so daß dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen waren (
OLG Hamm, StAZ 83,200 ). Im übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht veranlaßt, §
13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.
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Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 5.000,00 DM
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