Urteil des OLG Köln vom 19.11.2009

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Oberlandesgericht Köln, 9 U 113/09
Datum:
19.11.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 U 113/09
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 9 O 212/08
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Berufung
des
Klägers zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.
Gründe:
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Die Berufung des Klägers hat nach derzeitiger Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf
Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.
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I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Entschädigung wegen des
Schadensereignisses vom 31.12.2007 in Aachen auf Grund der Hausratversicherung
nach §§ 3 Nr. 1 a), 4 Nr. 1 VHB 2005 nicht zu.
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1. Wenn bei sog. Altverträgen wie vorliegend ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008
im Streit ist, findet gemäß Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG das VVG in der bis zum 31.12.2007
geltenden Fassung weiter Anwendung.
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2. Es besteht Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des
Versicherungsfalls nach § 61 VVG (a.F.).
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Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten
Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was in jedem
Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss
es sich um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln,
das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH, VersR 2003, 364; VersR
1997, 351, VersR 2001, 985 m.w.N.). Wer sich in Bezug auf das versicherte Interesse
völlig sorglos oder sogar unlauter verhält, soll keine unverdiente Vergünstigung durch
Entschädigung erhalten. So liegt es im vorliegenden Fall.
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Der Kläger hat fünf Kerzen in einem fünfarmigen Kerzenständer, der in seinem
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volleingerichteten Partyraum auf einem Tisch stand, brennen lassen, während er nach
Alkoholgenuss eingeschlafen war, ohne dass sich eine weitere Person im Raum
befand. Nach dem Vortrag des Klägers war mindestens eine Kerze auf die
übereinandergelegten Teppiche gefallen und hatte diese in Brand gesetzt. Durch sein
Verhalten hat der Kläger damit den Brand infolge grober Fahrlässigkeit herbeigeführt.
Der fünfarmige Kerzenständer stand auf einem Holztisch in der Nähe von brennbaren
Gegenständen, insbesondere Teppichen, Textilien und Holz. Eine nicht brennbare
Unterlage oder ein Schutz für den Kerzenleuchter waren nicht vorhanden. Vielmehr
konnte eine – aus welchen Gründen auch immer - sich lösende brennende Kerze
ungehindert nach unten auf die brennbaren Teppiche fallen. Durch den Umstand, dass
sich fünf brennende Kerzen in dem Leuchter befanden, wurde die Gefährlichkeit noch
erhöht.
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Diese mögliche Gefahr musste der Kläger erkennen, als er sich auf das Sofa legte.
Seine Ehefrau hatte den Raum verlassen und ging in den Wohnbereich hinauf. Mit ihrer
kurzfristigen Rückkehr war nicht zu rechnen, weil sie – wie der Kläger selbst vorträgt - in
den Räumen im Erdgeschoss eine Zigarette rauchen und anschließend
Kleidungsstücke für den am Abend geplanten Besuch in der Stammgaststätte
auswählen wollte. Die Dauer der Abwesenheit war nicht zu überschauen.
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Unter diesen Voraussetzungen hätte der Kläger die Kerzen löschen müssen, was ohne
weiteres möglich war. Wenn der Kläger nach Alkohlgenuss - ab etwa 17.00 Uhr
mindestens ein bis zwei Glas Sekt – auf der Couch die Füße hochgelegt hat, hätte er
damit rechnen müssen einzuschlafen. Damit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob
er sich – wie es in der Protokollnotiz vom 7.1.2008 heißt - auf das Sofa gelegt oder ob er
lediglich "die Füße hochgelegt", es sich bequem gemacht und Fernsehen geschaut hat.
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Das Verhalten war auch in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig, so dass eine Beurteilung
in milderem Licht nicht angebracht ist. Der Kläger hat sämtliche fünf Kerzen bewusst
brennen lassen. Er war in keiner Weise unvorhergesehen abgelenkt (so in dem Fall
OLG Düseldorf VersR 2000, 1493; vgl. auch BGH VersR 1986, 254; OLG Oldenburg r+s
2000, 425) und hatte hinreichend Überlegungszeit und Veranlassung, die Kerzen durch
einfaches Löschen zu sichern, bevor er sich auf das Sofa legte (vgl. OLG Hamburg
VersR 1994, 89; OLG Nürnberg r+s 2001, 512; OLG Düsseldorf VersR 1986, 780; OLG
Oldenburg r+s 2002, 74; LG Koblenz IVH 2003, 267; AG Neunkirchen r+s 1997, 167; AG
St. Goar r+s 1998, 122). Hierbei war er nicht von einem Kurzschlaf übermannt worden,
sondern er legte sich nach dem Genuss von Alkohol bewusst – in welcher Position auch
immer - auf das Sofa und schlief ein. Erst nach 30 Minuten wurde er – nach seinem
Vortrag - durch seine Ehefrau, die Brandgeruch bemerkt hatte, geweckt.
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Insgesamt betrachtet handelt es sich um ein äußerst leichtsinniges Verhalten, was den
Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigt.
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3. Auf die Frage der Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen kommt es nicht
mehr an. Auch konnte der Umfang des Schadens offen bleiben.
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II. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr.2 und 3 ZPO liegen vor. Die
Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall mit seinen besonderen
Ausprägungen hinaus. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts auf
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Grund mündlicher Verhandlung nicht.
Auf die bei förmlicher Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO dem Rechtsmittelführer
verloren gehende Möglichkeit Kosten sparender Rücknahme nach Nr. 1222
Kostenverzeichnis zum GKG wird vorsorglich hingewiesen.
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Köln, den 19.11.2009
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9. Zivilsenat
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