Urteil des OLG Köln vom 15.10.2004

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Oberlandesgericht Köln, 27 UF 174/04
Datum:
15.10.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
27 UF 174/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Siegburg, 32 F 49/02
Normen:
§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB
Leitsätze:
1. Ein begleitender Umgang kann erforderlich sein, wenn zu befürchten
ist, dass der umgangsberechtigte Vater das Kind mit seiner negativen
Einstellung zur Mutter konfrontiert.
2. Muss der Umgangskontakt begleitend stattfinden und ist zu
befürchten, dass Umgangsvereinbarungen unterlaufen werden, so kann
eine Ergänzungspflegschaft angeordet werden.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers vom 29. Juli 2004 gegen den
Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg vom 22. Juni
2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller
auferlegt.
G r ü n d e
1
Die Beschwerde ist nach § 621 e ZPO zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
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Streiten getrennt lebende Eltern über das Sorgerecht, hat sich die Entscheidung, ob die
gemeinsame Sorge beizubehalten oder einem Elternteil das alleinige Sorgerecht zu
übertragen ist, nach § 1671 II Ziff. 2 BGB allein am Kindeswohl auszurichten. Bei
gemeinsamer Sorge können sachgerechte Entscheidungen für das Kind nur dann
getroffen werden, wenn beide Elternteile ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft
aufbringen. Diese Voraussetzung erfüllen die Parteien zweifellos nicht, da sie nicht in
der Lage sind, gemeinsame Gespräche zu führen, um sich über anstehende Fragen
auszutauschen und eine allein am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen.
Da M. in der Obhut der Antragsgegnerin aufwächst, ist es sachgerecht, ihr die
Entscheidungskompetenz zu übertragen.
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Davon auszunehmen ist das Umgangsrecht als der Bereich, der beide Parteien
besonders sensibel betrifft und in der Vergangenheit von ihnen in keiner Weise
eigenständig geregelt werden konnte. Da außer Frage steht, dass für M. Entwicklung
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der Aufbau einer harmonischen Vater-Kind-Beziehung von grundlegender Bedeutung
ist, muss der regelmäßige Umgang mit ihrem Vater gewährleistet sein. Dies lässt sich
derzeit noch nicht, wie vom Antragsteller angestrebt, durch die Festlegung bestimmter
Zeiten, zu denen er sein Kind zu sich nehmen kann, regeln. M. muss, soweit dies
möglich ist, davor geschützt werden, in die hoch streitigen und emotional geführten
Auseinandersetzungen der Eltern einbezogen zu werden. Die Sachverständige hat
nachvollziehbar dargelegt, wie wichtig es für die Entwicklung eines Kindes in M. Alter
ist, verlässliche Gefühlsbindungen zu seinen Bezugspersonen aufbauen zu können. Bei
einem unbegleiteten Kontakt sieht die Sachverständige die Gefahr, dass M. in einen
Loyalitätskonflikt gestürzt wird, der ihre Entwicklung zu einem lebensbejahenden und
selbstbewussten Menschen auf Dauer stört. Der Senat teilt mit dem Amtsgericht diese
Einschätzung der Sachverständigen. Fest steht, dass der Antragsteller die von ihm als
tiefgreifende Kränkung empfundene Trennung emotional nicht verarbeitet hat und, wie
die Sachverständige ausgeführt hat, dringend einer Therapie bedarf, um die
Vergangenheit aufzuarbeiten. Da er eine solche Therapie strikt ablehnt, ist zu
befürchten, dass er M. bei einem unbegleiteten Kontakt mit seiner negative Einstellung
der Antragsgegnerin und deren Mutter gegenüber konfrontiert. Er bietet aufgrund seiner
Persönlichkeit, wie sie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, keine Gewähr dafür, dass
er besonnen handelt und seine Gefühle unter Kontrolle hält. Die von der
Antragsgegnerin geschilderten Vorfälle aus der Zeit des Zusammenlebens zeigen, dass
der Antragsteller insbesondere unter Alkoholeinfluss aggressiv und unberechenbar
reagiert, ohne auch nur die geringste Rücksicht auf ihm nahestehenden Personen zu
nehmen. Dies zeigt der Vorfall in der Hochzeitsnacht, bei dem der Antragsteller sich aus
Eifersucht zu einer Schlägerei hat hinreißen lassen, bei der er seinen Kontrahenten so
schwer verletzte, dass dieser stationär behandelt werden musste. Nicht anders ist es zu
bewerten, wenn der Ehemann seiner schwangeren Frau unterwegs am späten Abend
den Fahrzeugschlüssel abzieht und sich in eine Gaststätte begibt. Das gipfelt in dem
letztlich zur Trennung führenden Vorfall, bei dem die Antragsgegnerin in der Nacht aus
Angst vor dem Antragsteller fluchtartig das Haus verlassen hat, da er sie nach ihren
Angaben in alkoholisiertem Zustand bedroht hat. Die herbeigerufene Polizei fand ein
zuvor angeblich verschwundenes Messer. Der Antragsteller war, wie eine Blutkontrolle
zeigte, auch erheblich alkoholisiert. Die diesbezüglichen Schilderungen der
Antragsgegnerin sind glaubhaft, wie die Sachverständige insbesondere aus ihrem
Aussageverhalten und dem Detailreichtum ihrer Darstellung nachvollziehbar hergeleitet
hat. Derartige Anzeichen, die für ein erlebtes Geschehen sprechen, waren beim
Antragsteller, der die Vorfälle im Einzelnen letztlich auch nicht bestritten hat, nicht
festzustellen.
Das unberechenbare und fordernde Verhalten des Antragstellers hat sich, was ohne
Therapie auch nicht zu erwarten war, in der Folgezeit nicht grundlegend geändert.
Sowohl die Sachverständige als auch die Verfahrenspflegerin haben ihn als Druck
ausübend und angriffsbreit erlebt, wenn seinen Vorstellungen nicht entsprochen wird,
was sich mit den Schilderungen der Antragsgegnerin deckt. Ihre Verhaltensweisen
werden von ihm in abwertendem Sprachstil beschrieben, wobei nach den
Beobachtungen der Sachverständigen Mimik, Gestik und Stimmhöhe zeigen, dass er
emotional stark gegen sie aufgebracht ist. Solche Signale, die ein Kind in M.s Alter
durchaus registriert, führen zwangsläufig zu Verunsicherungen. Das gilt zudem und in
besonderen Maße für seine geringe Frustrationstoleranz, die dazu führt, dass er von
einem auf den anderen Moment von Freundlichkeit zu Wut wechselt. Zwar hat er sich
bei den Umgangskontakten bisher von einer anderen Seite gezeigt, was sich aber
unschwer aus der Tatsache erklärt, dass der Umgang unter Beobachtung dritter
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Personen stattfand und dem Antragsteller durchaus bewusst war, dass Entgleisungen
seinerseits negative Auswirkungen auf künftige Bemühungen um weitere
Umgangskontakte gehabt hätten.
Da demnach der Umgangskontakt auch weiterhin begleitet stattfinden muss, hat das
Amtsgericht insoweit zu Recht eine Ergänzungspflegschaft angeordnet. Diese übt das
Jugendamt zwar in eigener Kompetenz aus. Der Senat geht allerdings davon aus, dass
die von der Sachverständigen erarbeiteten Vorschläge, die einen wöchentlichen
begleiteten Kontakt vorsehen, umgesetzt werden.
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Durch die Ergänzungspflegschaft wird zudem ein wesentlicher Streitpunkt zwischen den
Parteien der Regelung eines unbeteiligten Dritten übertragen, wodurch auch den
Befürchtungen des Antragstellers, die Antragsgegnerin werde Umgangsvereinbarungen
unterlaufen, entgegengewirkt wird. Anzeichen dafür, dass die Antragsgegnerin M.
negativ gegen ihren Vater beeinflusst, hat die Sachverständige im Übrigen allerdings
nicht gefunden. Dagegen spricht auch, dass M. das Zusammentreffen mit ihrem Vater
als positiv und selbstverständlich empfindet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a I 2 FGG.
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