Urteil des OLG Köln vom 02.04.2001

OLG Köln: eingriff, einmalige abfindung, behandlungsfehler, hausarzt, vollstreckung, hirninfarkt, mitverschulden, haftpflichtversicherung, kommunikation, sicherheitsleistung

Oberlandesgericht Köln, 5 U 172/00
Datum:
02.04.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 172/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 11 O 429/98
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31. Juli 2000 verkündete
Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 O 429/98 -
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise
abgeän-dert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 68.999,10 DM
nebst 8% Zinsen seit dem 5. November 1998 zu zahlen. Es wird
festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 50% des von
ihr an die Sozialversicherungsträger der Frau J.L., A.d.W. 22a, 5. A., aus
Anlass des Schadensfalles vom 6. November 1996 zu zahlenden
Beträge zu erstatten. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten
des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4 zu
tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- DM
abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,- DM abwenden, wenn der
Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch eine
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Grossbank oder
öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
Tatbestand
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Die Klägerin ist der Haftpflichtversicherer des Allgemeinmediziners Dr. N.J. aus A..
Dessen Patientin, Frau J.L., war seit längerer Zeit wegen Arrhythmie mit Vorhofflimmern
Marcumarpatientin. Vom 4. September 1996 bis 21. September 1996 befand sich Frau
L. in stationärer kieferchirurgischer Behandlung in der R.A.. Vor den Eingriffen wurde
dort das Marcumar abgesetzt, sie wurde anschliessend heparinisiert, operiert und
sodann remarcumarisiert.
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Der Beklagte führte am 4. November 1996, einem Montag, ambulant einen weiteren
kieferchirurgischen Eingriff bei Frau L. durch. Auf telefonisches Anraten von Dr. J. setzte
Frau L. zuvor das Marcumar ab. Am 31. Oktober 1996 bestimmte Dr. J. den Quick-Wert
mit 52%; an diesem Tag erfuhr er auch, dass Frau L. den Eingriff - entgegen einer
früheren Planung - nicht stationär, sondern am 4. November 1996 ambulant vornehmen
lassen wollte. Am 4. November 1996 wurde der Quick-Wert von einem beauftragten
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Labor mit 55% ermittelt. Dr. J. riet dem Ehemann der Klägerin, der ihn in der Praxis
aufgesucht hatte, seine Ehefrau solle das Marcumar am Abend wieder einnehmen,
sofern der Beklagte dem nicht aus Gründen der Nachblutungsgefahr widerspreche.
Zwischen Dr. J. und dem Beklagten gab es weder vor noch nach dem Eingriff am 4.
November 1996 eine telefonische oder schriftliche Kontaktaufnahme. Nach der
Behandlung am 4. November 1996 nahm der Beklagte keine Remarcumarisierung vor.
Am 6. November 1996 erlitt Frau L. einen Apoplex. Dieser führte zu einem bleibenden
Hirnsubstanzdefekt in den vorderen Anteilen des Sprachzentrums. Ihren Beruf als
Übersetzerin kann sie nur noch eingeschränkt ausüben.
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Die Klägerin zahlte an Frau L. als einmalige Abfindung einen Betrag von 130.000,- DM
und übernahm deren Anwaltskosten in Höhe von 7.998,20 DM. 2/3 dieser Summe
verlangt sie aus übergegangenem Recht vom Beklagten. Hierzu hat sie behauptet, der
Beklagte habe einen Behandlungsfehler dadurch begangen, dass er es verabsäumt
habe, sich vor und nach dem Eingriff am 4. November 1996 mit Dr. J. in Verbindung zu
setzen, um die medikamentöse Versorgung von Frau L. (Absetzen von Marcumar,
Heparinisierung, Remarcumarisierung) abzusprechen und zu koordinieren.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 91.998,80 DM nebst 8% Zinsen seit dem 11.
September 1998 zu zahlen;
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1. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an sie 2/3 der von ihr an die
Sozialversicherungsträger der Frau J.L., A.d.W. 22a, 5. A., aus Anlass des
Schadensfalles vom 6. November 1996 zu zahlenden Beträge zu erstatten.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat behauptet, er habe mit Frau L. abgesprochen, dass die Einstellung des
Quick-Wertes vor und nach dem Eingriff durch Dr. J. erfolgen solle. Er habe ihr
empfohlen, sich noch am 4. November 1996 bei Dr. J. vorzustellen. Der Hauszahnarzt
der Frau L., Dr. K., habe sie über die notwendigen Schritte bei einer ambulanten
kieferchirurgischen Behandlung aufgeklärt. Frau L. habe sich auch am 4. November
1996 bei Dr. J. vorgestellt; dieser habe die Marcumareinnahme aber erst wieder für den
6. November 1996 angeordnet.
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Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit
Urteil vom 31. Juli 2000 abgewiesen. Zwar sei dem Beklagten ein Behandlungsfehler
zur Last zu legen, weil er den notwendigen Informationsaustausch mit dem Hausarzt Dr.
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J. unterlassen habe. Dieser Fehler sei jedoch nicht ursächlich für den von Frau L.
erlittenen Schlaganfall. Der Geschehensablauf wäre kein anderer gewesen, wenn der
Beklagte nach dem Eingriff bei Dr. J. angerufen hätte. Dann hätte Dr. J. ihm mitgeteilt,
dass er den Ehemann von Frau L. entsprechend unterrichtet habe. Dass Dr. J. sich noch
einmal persönlich mit Frau L. in Verbindung gesetzt hätte, sei völlig unwahrscheinlich.
Gegen dieses ihr am 31. Juli 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31. August
2000 Berufung eingelegt. Das Rechtsmittel hat sie mit einem am 16. November 2000
eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu
diesem Tag verlängert worden war.
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Die Klägerin ist der Meinung, dem Beklagten sei als Behandlungsfehler auch zur Last
zu legen, eine Heparinisierung der Frau L. unterlassen zu haben. Dazu sei er
verpflichtet gewesen, weil er eine Absprache mit dem Hausarzt Dr. J. insoweit nicht
getroffen habe. Es sei auch ausgeschlossen gewesen, dass Frau L. am 4. November
1996 heparinisiert beim Beklagten erscheinen würde; die Heparinisierung wirke nur
kurzfristig und habe deswegen nicht schon am 31. Oktober 1996 erfolgen können.
Deswegen habe der Beklagte sich darum selbst kümmern müssen.
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Die Kausalitätsfrage sei - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht weiter
klärungsbedürftig, weil sich bei Frau L. kein allgemeines Thromboserisiko verwirklicht
habe, sondern der aufgetretene Hirninfarkt Folge der unterlassenen Heparinisierung
nach Absetzen von Marcumar gewesen sei.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren im ersten Rechtszug gestellten
Schlussanträgen zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor, die Klage sei schon unschlüssig, weil Ansprüche nach § 426 Abs. 2 Satz 1
BGB verfolgt würden, die Klägerin aber gleichwohl behaupte, ihren
Versicherungsnehmer Dr. J. treffe keinerlei Verantwortung. Im übrigen wiederholt er
seine Behauptung, er sei nur dafür verantwortlich gewesen, das Blutungsrisiko zu
vermindern; dies sei durch den Abbruch der Marcumar-Behandlung sichergestellt
gewesen. Für das Thromboserisiko (also für die Verabreichung von Heparin) sei alleine
Dr. J. zuständig gewesen. Zur Kausalität führt der Beklagte aus, der von Frau L. erlittene
Apoplex sei auf das mit der Vorerkrankung einhergehende Thromboserisiko
zurückzuführen, nicht aber auf die unterlassene Remarcumarisierung. Zur Höhe legt der
Beklagte dar, jedenfalls sei die von der Klägerin in Ansatz gebrachte Quote von 2/3 zu
seinen Lasten zu hoch. Ausserdem habe ein erhebliches Mitverschulden der Frau L.
berücksichtigt werden müssen. Sie sei über das Erfordernis einer Heparinisierung und
einer Remarcumarisierung unterrichtet gewesen und hätte daher von sich aus auf eine
entsprechende Medikation hinwirken müssen.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die Schrifsätze der Parteien
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg.
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Die Klägerin kann vom Beklagten 50% der von ihr an Frau L. gezahlten Beträge gemäss
§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 67 VVG verlangen. Auch der Feststellungsantrag ist in
entsprechendem Umfang gerechtfertigt.
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1. Das Landgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geklärt,
inwieweit Dr. J. der Vorwurf einer Fehlbehandlung zu machen ist. Wenngleich der
Schwerpunkt der Begutachtung durch den erstinstanzlich herangezogenen
Sachverständigen Prof. Dr. Z. bei der Frage liegt, inwieweit dem Beklagten ein
Behandlungsfehler unterlaufen ist, folgt aus den vom Sachverständigen
aufgezeigten Pflichtenkreisen von Hausarzt und behandelndem Arzt unter
Berücksichtigung des eigenen Vortrags der Klägerin, dass Dr. J. ein
Behandlungsfehler zur Last zu legen ist. Der Vorwurf fehlerhafter ärztlicher
Behandlung rechtfertigt sich daraus, dass Dr. J. alleine aufgrund eines Telefonates
mit Frau L. die Absetzung von Marcumar angeordnet hat, ohne sich im einzelnen
zu vergewissern, welcher Eingriff von wem und unter welchen Bedingungen
(ambulant oder stationär) geplant war. Nur deswegen konnte sich bei ihm
zunächst die Fehlvorstellung entwickeln, Frau L. werde sich - wie bei dem
voraufgegangenen Eingriff - wiederum stationär in der R. A. behandeln lassen. Vor
diesem Hintergrund erscheint es schon wenig nachvollziehbar, warum er die
Absetzung von Marcumar angeordnet und dies nicht den behandelnden Ärzten
überlassen hat. Wenn er aber gleichwohl eine solche Anordnung trifft und damit für
Frau L. ein erhöhtes Risiko schafft, dann bleibt es auch in seiner Verantwortung,
dafür Sorge zu tragen, dass sich dieses Risiko - hier das Thromboserisiko nach
Absetzen von Marcumar - nicht verwirklicht. Dr. J. hätte also selbst für eine
Heparinisierung sorgen müssen oder sich vergewissern müssen, dass die
Heparinisierung vom behandelnden Arzt vorgenommen wird. Dazu Anlass hatte er
erst recht am 30. Oktober 1996, als er - nach der eigenen, unwidersprochen
gebliebenen Darstellung der Klägerin in der Berufungsbegründung - erstmals
erfahren hat, dass der Eingriff ambulant durchgeführt werden würde. Er konnte ab
diesem Zeitpunkt nicht sicher sein, dass der Beklagte in gleicher Weise wie
wenige Wochen zuvor die Ärzte der R.A. von sich aus die Heparinisierung
durchführen würde, und zwar gerade deswegen, weil Dr. J. insoweit schon den
ersten Schritt mit der Absetzung des Marcumar vorgenommen hatte und sich daher
bei dem Beklagten die Fehlvorstellung entwickeln konnte, Dr. J. habe auch
heparinisiert. Diese Situation erforderte zwingend eine Kommunikation zwischen
beiden Ärzten; dies hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. in jeder Hinsicht
nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt.
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1. Diese mangelnde Kommunikation hat das Landgericht im Anschluss an die
Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. Z. auch mit Recht dem
Beklagten zum Vorwurf gemacht. Er ist als Operateur primär für die
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operationsvorbereitenden Massnahmen verantwortlich. Gehört dazu, wie hier, das
Absetzen einer Marcumar-Behandlung zur Verhinderung des Blutungsrisikos, fällt
das solange in den Verantwortungsbereich des Operateurs, wie er die
Verantwortung nicht ausdrücklich auf einen anderen Arzt - vorliegend mithin auf
den Hausarzt der Frau L. - überträgt. Entgegen der Auffassung des Beklagten trägt
er nicht nur das "Blutungsrisiko" (also die Verantwortung für die Absetzung des
Marcumar), sondern zwingend auch das "Thromboserisiko", denn das vor dem
Eingriff erforderliche Absetzen von Marcumar erhöht dieses Risiko
notwendigerweise, weshalb mit Heparin entgegengewirkt werden muss. Blutungs-
und Thromboserisiko lassen sich daher - wie der Sachverständige mit Recht
ausgeführt hat - nicht trennen. Wenn der Beklagte mithin die insoweit notwendigen
vorbereitenden Massnahmen auf den Hausarzt Dr. J. verlagern wollte, musste er
dies mit ihm absprechen. Das ist unterblieben und hat zu den Missverständnissen
zwischen beiden Ärtzen geführt. Hätte eine entsprechende Kommunikation vor
dem Eingriff stattgefunden, ist davon auszugehen, dass die Frage der
Heparinisierung angesprochen und gelöst worden wäre; alles andere erscheint
dem Senat lebensfremd.
1. Der dem Beklagten insoweit zur Last zu legende Behandlungsfehler ist auch
ursächlich für den bei Frau L. aufgetretenen Hirninfarkt geworden.
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Fehlt geht die Auffassung des Landgerichts, am Geschehensablauf hätte sich nichts
geändert, wenn der Beklagte am 4. November 1996 nach dem Eingriff bei Dr. J.
angerufen hätte. In diesem Gespräch wäre zweifellos nicht nur über eine
Remarcumarisierung, sondern auch über die Heparinisierung gesprochen worden.
Wenn sich herausgestellt hätte, dass eine Heparinisierung unterblieben war, wäre
diese sicher so schnell als möglich nachgeholt worden. Im übrigen ist dem Beklagten
nicht nur zur Last zu legen, sich nach dem Eingriff nicht mit Dr. J. in Verbindung gesetzt
zu haben, sondern vor allem, dies nicht vor dem Eingriff getan zu haben. Dann wäre
die Frage, welcher Arzt wann heparinisiert, in jedem Fall rechtzeitig zwischen beiden
geklärt worden.
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Im übrigen bedarf es keiner weiteren Sachaufklärung, ob der Apoplex auf das Absetzen
von Marcumar und die unterlassene Hepainisierung zurückzuführen ist. Erstinstanzlich
war zwischen den Parteien unstreitig, dass der Hirninfarkt bei Frau L. die Folge des
Absetzens von Marcumar ohne Substitution durch Heparin ist (so ausdrücklich auch der
Beklagte: GA 124 oben). Soweit der Beklagte in der Berufungsinstanz jetzt erstmals
diesen Zusammenhang in Abrede stellt, ist sein Vorbringen unschlüssig. Dass Frau L. -
wie der Beklagte darlegt - nach dem erlittenen Infarkt trotz Marcumarbehandlung weitere
Schlaganfälle erlitten hat, besagt nichts darüber, dass sie den Erstinfarkt am 6.
November 1996 auch dann erlitten hätte, wenn das Marcumar nicht abgesetzt worden
wäre. Insoweit geht es auch nicht alleine darum, ob der Infarkt eine "Folge der
unterlassenen Remarcumarisierung" war - worauf der Beklagte alleine abstellt -,
sondern ob er eine Folge des Absetzens des Marcumar ohne Gabe von Heparin war
oder nicht. Hierzu fehlt ein entsprechender Vortrag des Beklagten, der von ihm als
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insoweit fachkundiger Mediziner zu erwarten gewesen wäre.
1. Der Senat ist der Auffassung, dass sowohl Dr. J. als auch der Beklagte für die von
Frau L. erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in gleichem Masse
Verantwortung tragen. Dr. J. hat durch das blosse Absetzen von Marcumar ohne
Sicherstellung einer Heparinisierung massgebend dazu beigetragen, dass es
letztlich zu dem Hirninfarkt bei Frau L. gekommen ist. Auf der anderen Seite muss
erheblich ins Gewicht fallen, dass es zunächst alleine die Aufgabe des Beklagten
war, die insoweit notwendigen operationsvorbereitenden Massnahmen zu treffen
bzw., soweit er sie nicht selbst vornehmen konnte oder wollte, zu koordinieren und
unter Ausschaltung jeglicher Unklarheit zu delegieren. Bei dieser Sachlage
erscheint es gerechtfertigt, die Verantwortungsanteile der beteiligten Ärzte gleich
zu gewichten.
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1. Dass der von der Klägerin als Abfindung gezahlte Betrag von 130.000,- DM mit
Rücksicht auf die von Frau L. erlittenen Schäden angemessen ist, stellt der
Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr in Frage. Er erscheint auch dem
Senat mit Rücksicht auf die bei Frau L. verbliebenen dauerhaften
gesundheitlichen Nachteile, die sich auch auf ihre Berufstätigkeit auswirken,
gerechtfertigt, zumal in Rechnung zu stellen ist, dass mit der Zahlung dieses
Betrages sämtliche etwaigen Ansprüche der Frau L. erledigt sind.
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Soweit es die Höhe des gezahlten Betrags angeht, wendet der Beklagte lediglich noch
ein, es sei ein Mitverschulden der Frau L. zu berücksichtigen. Dem vermag der Senat
nicht zu folgen. Welche therapeutischen Massnahmen bei einer Marcumar-Patientin vor
einem operativen Eingriff erforderlich sind, fällt allein in den Verantwortungsbereich des
behandelnden Arztes; dazu konsultiert man ihn. Deswegen geht es nicht an, von einem
Patienten zu verlangen, auf eine bestimmte Behandlung (hier: Heparinisierung)
hinzuwirken, selbst wenn diesem aufgrund früherer Behandlungen bekannt war, dass
nach Absetzen von Marcumar Heparin verabreicht wurde. Ein Mitverschulden liesse
sich allenfalls dann annehmen, wenn sich insoweit eine fehlerhafte Behandlung für den
Patienten aufdrängen musste oder er über weitergehendes medizinisches Wissen
verfügt (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., Rdn. A 99). Davon kann hier nicht
die Rede sein.
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Dass im übrigen Frau L. entgegen dem Rat des Dr. J. am 4. November 1996 Marcumar
nicht wieder eingenommen hat, ist weder dargelegt noch unter Beweis gestellt.
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1. Zinsen kann die Klägerin auf den zugesprochenen Betrag in Höhe von 8% seit
Rechtshängigkeit gemäss §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend machen. Die
lediglich an die Haftpflichtversicherung des Beklagten gerichtete
Zahlungsaufforderung setzt den Versicherungsnehmer nicht in Verzug (vgl. OLG
Koblenz, r+s 1988, 130; Voit in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 5 AHB, Rdn. 12;
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Littbarski, Haftpflichtversicherung, § 5 AHB, Rdn. 12; Späthe,
Haftpflichtversicherung, § 5 AHB, Rdn. 40), so dass der Zinsanspruch hier nicht
schon am dem 11. September 1998 besteht. Die behauptete Zinshöhe von 8% hat
der Beklagte nicht wirksam bestritten. Ein konkretes Bestreiten fehlt; das
pauschale Bestreiten der Richtigkeit gegnerischen Vorbringens in der
Klageerwiderung ist insoweit unzureichend (vgl. Z./ Greger, ZPO, 22. Aufl., § 138,
Rdn. 10a).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Berufungsstreitwert: 111.998,80 DM
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(s. Senatsbeschluss vom 29. November 2000)
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Beschwer für die Klägerin: unter 60.000,- DM
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Beschwer für den Beklagten: über 60.000,- DM
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