Urteil des OLG Köln vom 24.01.2006

OLG Köln: subunternehmer, anschlussberufung, insolvenz, verfügung, firma, abtretung, vollstreckung, katastrophe, geschäftsführer, festpreis

Oberlandesgericht Köln, 22 U 55/05
Datum:
24.01.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 55/05
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 27 O 442/02
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung der
Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln
vom 22.02.2005 - 27 O 442/02 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu
gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits – beider Instanzen – trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages ab-zuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Verletzung von
Pflichten aus einem Architektenvertrag durch die Gemeinschuldnerin in Anspruch.
3
Die Klägerin - damals firmierend als "S. GmbH & Co Handels KG" - und die GbR Dr. I.
S. und F. S. (im Folgenden GbR S.) schlossen am 4.9.1997 mit der Firma c. Industrie-
und Gewerbebau GmbH (im Folgenden: Generalunternehmerin) jeweils einen
Generalunternehmervertrag (Anl. K 2 und K 3, Bl. 4 ff., 24 ff. AnlH I) über ein
Bauvorhaben in L.-X., und zwar die GbR S. für den Bauabschnitt K.-gasse 19-28 und die
Klägerin für den Bauabschnitt K.-gasse 29 – 33. In beiden
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Generalunternehmerverträgen wurden Pauschalfestpreise vereinbart.
Mit der Oberbauleitung für die Bauabschnitte "Häuser 19 – 40" beauftragte die Klägerin
mit Vertrag vom 15.9.1997 (Anl. K 1, Bl. 1 ff. d.AnlH I) die Gemeinschuldnerin, damals
firmierend unter "Firma B. G. E. Bauplanungen GmbH". Bestandteil der vertraglichen
Pflichten der Gemeinschuldnerin war u.a. die Überwachung der vertragsgerechten
Bauausführung sowie die Abstimmung und Koordination zwischen den übrigen
beteiligten Architekten und Ingenieuren. Streitig ist zwischen den Parteien, ob zu ihren
Aufgaben auch die Aufstellung von Zahlungsplänen und die Prüfung der von der
Generalunternehmerin vorgelegten Zwischenrechnungen auf ihre Übereinstimmung mit
dem Baufortschritt gehörte.
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Am 27.10.1998 wurde die Generalunternehmerin zahlungsunfähig und stellte die
Arbeiten ein. Die Klägerin und die GbR S. ließen die Bauarbeiten von den bisherigen
Subunternehmern der Generalunternehmerin zu Ende führen.
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Die Klägerin hat der Gemeinschuldnerin vorgeworfen, sie sei durch Fehler bei der
Aufstellung bzw. bei der Prüfung der Zahlungspläne dafür verantwortlich, dass
Leistungspositionen in den Zahlungsplänen teilweise nicht enthalten bzw. falsch
gewichtet worden seien, was allein einen Betrag von 886.901,80 DM ausgemacht habe.
Ferner habe die Gemeinschuldnerin durch fehlerhafte Bewertung des Bautenstands zu
hohe Abschlagszahlungen an die Generalunternehmerin freigegeben und dadurch
einen Schaden von rd. 1,59 Mio. DM verursacht, der sich daraus ergebe, dass die
Bauherren für die in ihrem Auftrag von den Subunternehmern erbrachten noch
offenstehenden Leistungen trotz unveränderter Beibehaltung des Preisniveaus der
Generalunternehmerverträge rd. 1,59 Mio. DM hätten mehr zahlen müssen.
7
Wegen der behaupteten Pflichtverletzungen hat die Klägerin aus eigenem und von der
GbR S. abgetretenem Recht den Beklagten auf Schadensersatz von 511.291,88 € (1
Mio. DM) in Anspruch genommen, jedoch insgesamt beschränkt auf die
Versicherungssumme von 255.645,94 € (500.000,- DM) der Haftpflichtversicherung der
Gemeinschuldnerin, wobei sie von zwei Versicherungsfällen ausgeht, so dass die
Versicherungssumme zweimal beansprucht werden könne.
8
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz - insbesondere
hinsichtlich der Schadensberechung der Klägerin - wird auf die tatsächlichen
Feststellungen in dem angefochten Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage nach Beweiserhebung in Höhe von 413.693,42 €,
beschränkt auf die Entschädigungsforderung der Gemeinschuldnerin aus deren
Architektenhaftpflichtversicherung bei der Z. A. Vers. AG und nur Zug-um-Zug gegen
Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Generalunternehmerin stattgegeben. Wegen
der Begründung und der Berechnung des der Klägerin zuerkannten Anspruchs wird auf
die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil richten sich die Berufung des Beklagten und die unselbständige
Anschlussberufung der Klägerin.
11
Der Beklagte begehrt mit seiner Berufung die vollständige Klageabweisung. Er
bestreitet, wie in erster Instanz, dass die Aufstellung und Prüfung von Leistungsplänen
Teil der geschuldeten Leistungen der Gemeinschuldnerin gewesen sei und dass der
12
von der Gemeinschuldnerin bei den Abschlagszahlungen bestätigte Bautenstand nicht
dem tatsächlichen Baufortschritt entsprochen habe. Er meint, dass die Schadenshöhe
nicht schlüssig dargelegt sei und die Fortsetzung der Abschlagszahlungen ab August
2004 eine unternehmerische Entscheidung der Klägerin in Kenntnis der drohenden
Insolvenz der Generalunternehmerin gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
13
unter Zurückweisung der Anschlussberufung das angefochtene Urteil abzuändern
und die Klage abzuweisen.
14
Die Klägerin beantragt,
15
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen,
16
und im Wege der Anschlussberufung,
17
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten gemäß den
erstinstanzlich gestellten Anträgen zu verurteilen, und zwar Zug um Zug gegen
Abtretung etwaiger Zahlungsansprüche der Klägerin gegen die
Generalunternehmerin.
18
Sie wiederholt ihre Behauptung, es habe zum Leistungsumfang der Gemeinschuldnerin
gehört, Zahlungspläne aufzustellen und die – entsprechend diesen Zahlungsplänen –
von der Generalunternehmerin vorgelegten Abschlagsrechnungen auf ihre
Übereinstimmung mit dem Baufortschritt zu überprüfen. Diese Pflichten habe die
Gemeinschuldnerin schuldhaft verletzt. Die Klägerin hat ihren Schaden zunächst im
Wesentlichen wie in 1. Instanz berechnet. Nach einem vom Senat in der mündlichen
Verhandlung erteilten Hinweis auf Bedenken gegen diese Schadensberechnung hat sie
in einem nachgelassenen Schriftsatz vom 28.11.2005 eine weitere
Schadensberechnung vorgenommen.
19
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf
den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, wegen der weiteren Schadensberechnung der
Klägerin auf den nachgelassenen Schriftsatz vom 28.11.2005 sowie auf die
eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
20
II.
21
Die Berufung ist begründet; die Anschlussberufung unbegründet.
22
Der Streit der Parteien über den Umfang der von der Gemeinschuldnerin
übernommenen Pflichten kann dahinstehen. Denn die Klägerin hat einen
Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB gegen die Gemeinschuldnerin nicht schlüssig
dargelegt.
23
1.
24
Entgegen der Auffassung des Landgerichts, das - unter Aufgabe seiner im
Hinweisbeschluss vom 6.5.2003 (Bl. 277 ff. d.A. unter IV, 3) noch vertretenen
Auffassung - der Schadensberechnung der Klägerin gefolgt ist, ergibt sich der Schaden
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nicht aus der Differenz zwischen der Summe der an die Generalunternehmerin bis zur
Vertragsbeendigung und der an die Subunternehmer für die Fertigstellung des
Bauvorhabens geleisteten Zahlungen einerseits und den mit der Generalunternehmerin
vereinbarten Pauschalfestpreisen andererseits. Diese Berechnung wäre nur dann
möglich, wenn ausgeschlossen werden könnte, dass die Mehrkosten für die
Fertigstellung des Bauvorhabens andere Ursachen haben kann als eine
Pflichtverletzung der Gemeinschuldnern. Dies ist jedoch nicht der Fall:
a)
26
Zunächst ist mit der Vereinbarung eines Pauschalfestpreises über ein umfangreiches
Bauvorhaben schon ganz allgemein ein gewisser Preisvorteil verbunden, der sich bei
der einer Einzelvergabe der Gewerke in der Regel nicht realisieren lässt. Dies ist der
Grund dafür, dass sich ein begonnenes Bauvorhaben nach der Insolvenz eines
Generalunternehmers in aller Regel nicht zu dem vereinbarten Pauschalfestpreis fertig
stellen lässt.
27
Zwar behauptet die Klägerin, die von ihr und der GbR S. mit den Subunternehmern für
die Fertigstellung der Objekte vereinbarten Werklöhne hätten den von der
Generalunternehmerin mit ihren Subunternehmern vereinbarten Werklöhnen
entsprochen. Dies steht jedoch schon in Widerspruch zu ihrem Vortrag, die zwischen
Generalunternehmerin und den Subunternehmern geltenden Vergabebedingungen
seien ihr zum größten Teil nicht bekannt gewesen, weil weder die
Generalunternehmerin noch der spätere Insolvenzverwalter auf die Aufforderung
reagiert hätten, die Subunternehmerverträge und die dazu gehörenden Unterlagen zur
Verfügung zu stellen (S. 13 d. Schriftsatzes vom 10.02.2004, Bl. 366 d.A.) und nur in
wenigen Fällen die Subunternehmer die mit der Generalunternehmerin vereinbarten
Verträge vorgelegt hätten (S.14 d. Schriftsatzes vom 10.02.2004, Bl. 367 d.A.), so dass
die Klägerin nach ihren eigenen Angaben (S. 13 d. Schriftsatzes vom 10.02.2004, Bl.
366 d.A., S.16 der Berufungsbegründung, Bl. 579 d.A.) mit allen Subunternehmern
gleichlautende Verträge schließen musste, in denen jeweils Pauschalfestpreise für die
Fertigstellung der einzelnen Gewerke vereinbart wurden (vgl. zum Vertragsmuster die
Anl. K 66, Bl. 609 d.A.).
28
Bei einigen Gewerken führt die Klägerin im Übrigen selbst aus, dass für die
Fertigstellung zusätzliche bzw. höhere Kosten entstanden seien, etwa bezüglich der
Bauleitung, da die Klägerin ihren eigenen Angaben zufolge das maßgebliche Personal
der Generalunternehmerin, den Projektsteuerer M., die Bauleiter T., U. und J. sowie eine
Büroangestellte mit einer Verdoppelung der bisherigen Bezüge und fest auf sieben
Monate unter Vertrag genommen hat.
29
Dem Vortrag der Klägerin lässt sich auch nicht entnehmen, inwieweit sie
Subunternehmer dadurch zu einer Fertigstellung der Arbeiten hat bewegen können,
dass sie den Betroffenen den Ausfall erstattet hat, den diese dadurch erlitten haben,
dass die von ihr an die Generalunternehmerin geleistete letzte (22.) à-conto-Zahlung
von 170.000,- DM von der Deutschen Bank "vereinnahmt" und nicht an die
Subunternehmer weitergeleitet wurde (vgl. S. 26 der Berufungserwiderung, Bl. 589 d.A.).
30
Die hier aufgezeigten Widersprüche bedürfen indessen keiner Vertiefung.
31
b)
32
Denn entscheidend ist – hierauf weist der Beklagte in der Berufungsbegründung zu
Recht hin -, dass eine Differenz zwischen den der Generalunternehmerin geschuldeten
Pauschalfestpreisen und den insgesamt geleisteten Zahlungen auch darauf beruhen
kann, dass sich die Generalunternehmerin verkalkuliert hatte und die mit der Klägerin
und der GbR S. vereinbarten Pauschalfestpreise zur Erstellung der Bauvorhaben nicht
ausreichten. Überstiegen nämlich die von der Generalunternehmerin an die
Subunternehmer zu zahlenden Werklöhne die Kostenansätze, die der Kalkulation der
mit der Klägerin und der GbR S. ausgehandelten Pauschalfestpreise zugrunde lagen,
so wäre dieser Festpreis zwangsläufig vor der Fertigstellung "aufgezehrt" gewesen. Die
Generalunternehmerin hätte die fehlenden Beträge zuschießen müssen, was ihr nur
solange möglich gewesen wäre, wie sie solvent war. Trat - aus welchen Gründen auch
immer - Insolvenz ein, konnte die Generalunternehmerin die Leistungen der
Subunternehmer nicht mehr finanzieren. Es kam zwangsläufig zum Baustillstand, den
die Klägerin und die GbR S. nur dadurch abwenden konnten, dass sie die offenen
Werklohnansprüche der Subunternehmer übernahmen. Die den Bauherren hierdurch
entstehenden Mehrkosten wären kein Ergebnis fehlerhafter Prüfung der Zahlungspläne
und des Bautenstands durch die Gemeinschuldnerin. Es hätte sich vielmehr das
Insolvenzrisiko der Klägerin und der GbR S. realisiert, soweit es durch die
Erfüllungsbürgschaften nicht abgesichert war.
33
c)
34
Die Möglichkeit eines Kalkulationsfehlers der Generalunternehmerin ist nicht so
fernliegend, dass sie bei der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs gegen die
Gesamtschuldnerin außer Betracht bleiben könnte. Denn es bestehen konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass die Generalunternehmerin bei ihrer Kalkulation die Kosten
zumindest bei dem Bauabschnitt "Häuser 19 – 28" tatsächlich erheblich unterschätzt hat
und die Vergaben an die Subunternehmer über dem Preisgefüge des
Generalunternehmervertrages lagen. Diese Anhaltspunkte ergeben sich bereits aus
dem von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben des Herrn Dr. S. an die
Gemeinschuldnerin vom 19.08.1998, in dem er auf die nach seinen Informationen
prekäre finanzielle Situation der Generalunternehmerin hinwies und in diesem
Zusammenhang ausführte, der Geschäftsführer der Generalunternehmerin habe ihm
erklärt, bei den Häusern 29 – 33 werde wahrscheinlich ein ausgeglichenes Ergebnis
erzielt werden, bei den Häusern 19 – 28 seien die Vergaben jedoch um ca. 800.000,-
DM höher als die mit der GbR S. vereinbarten Preise bzw. die Preisansätze für die
Gewerke in dem Zahlungsplan (Anl. K 16, Bl. 66 [69] AnlH). Dr. S. hat diese Hinweise
ersichtlich sehr ernst genommen, wie sich aus dem selben Schreiben ergibt ("Ich kann
mir vorstellen, daß dies objektiv zutreffend ist." "Das ist natürlich eine mittlere
Katastrophe unter Sicherheitsgesichtspunkten"). Dies gab der Klägerin und der GbR S.
Anlass, in der Folgezeit bei allen á-conto-Zahlungsanforderungen erhebliche
Einbehalte vorzunehmen, um den Schaden im Fall einer Insolvenz der
Generalunternehmerin möglichst gering zu halten.
35
2.
36
Richtigerweise lässt sich ein durch Pflichtverletzungen der Gemeinschuldnerin
verursachter Schaden nur in der Weise ermitteln, dass der Werklohn, den die Klägerin
und die GbR S. an die Generalunternehmerin für die bis zur Einstellung der Arbeiten am
27.10.1998 erbrachten Leistungen aufgrund der Freigabe durch die Gemeinschuldnerin
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gezahlt haben, dem für diese Leistungen angemessenen Teil des Pauschalfestpreises
der Generalunternehmerin gegenübergestellt wird. Ergäbe sich für diesen Zeitpunkt
eine Differenz zwischen dem Stand des Bauvorhabens und dem hierfür geschuldeten
Teil des Pauschalfestpreises, so könnte hierin ein von der Gemeinschuldnerin durch die
Nichtberücksichtigung einzelner Gewerke und/oder fehlerhafte Bewertung des
Baufortschritts schuldhaft verursachter Schaden liegen.
Zur Darlegung eines Schadens wäre es demnach notwendig gewesen, den
Bautenstand am 27.10.1998 für jedes einzelne Gewerk in einer Weise darzulegen, die
eine Bewertung durch einen Sachverständigen erlaubt. Sodann wäre der Bautenstand
mit dem nach dem Leistungsverzeichnis insgesamt geschuldeten Werk ins Verhältnis zu
setzen gewesen. Der sich aus diesem Verhältnis für den am 27.10.1998 erreichten
Bautenstand ergebende angemessene Teil des Pauschalfestpreises wäre sodann zu
vergleichen mit der Summe der bis dahin von der Gemeinschuldnerin freigegebenen
und geleisteten Abschlagszahlungen der Klägerin und der GbR S.. Ergäbe sich hieraus
eine Differenz zum Nachteil der Klägerin und/oder der GbR S., so würde dies den
Rückschluss darauf zulassen, dass diese Differenz und der daraus mit der Insolvenz der
Generalunternehmerin entstandene Schaden auf Fehler (Pflichtverletzungen) der
Gemeinschuldnerin bei der ihr obliegenden Prüfung der Zahlungspläne und des
Baufortschritts zurückgeht. Dies gilt sowohl für die nach den Behauptungen der Klägerin
von der Gemeinschuldnerin "vergessenen" bzw. falsch gewichteten Leistungspositionen
als auch für ihre angeblich fehlerhafte Beurteilung des erreichten Bautenstands.
38
In der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2005 hat der Senat Bedenken gegen die
Schadensberechnung der Klägerin und des Landgerichts geäußert und auf die vom
Senat für erforderlich gehaltene Art der Schadensberechnung hingewiesen. Der für die
Klägerin anwesende Herr Dr. S. hat dazu erklärt, dass eine solche
Schadensberechnung möglich sei, und einen Antrag auf Schriftsatznachlass zu den
Hinweisen des Senats stellen lassen, dem der Beklagte entgegengetreten ist. Mit
Beschluss vom 08.11.2005 hat der Senat der Klägerin den beantragten
Schriftsatznachlass gewährt, nachdem diese mit Schriftsatz vom 21.09.2005 die
Hinweise des Senats und ihre Bereitschaft zur entsprechenden Schadensdarlegung in
einem nachzulassenden Schriftsatz wiederholt hatte (S. 3 des Schriftsatzes vom
21.09.2005, Bl. 643 d. A.). Gleichwohl hat die Klägerin auch in dem nachgelassenen
Schriftsatz vom 28.11.2005 (Bl. 675 ff. d.A.) einen sich am Bautenstand vom 27.10.1998
orientierenden Schaden aus einer Differenz zwischen der Summe der bis dahin gemäß
der Freigabe der Gemeinschuldnerin geleisteten Abschlagszahlungen und dem diesen
Bautenstand entsprechenden Teil des Pauschalfestpreises der Generalunternehmerin
nicht schlüssig dargelegt.
39
a)
40
Zwar geht die Klägerin in diesem Schriftsatz im Ansatz zutreffend davon aus, dass für
die Berechnung eines möglichen Schadens maßgeblich der Bautenstand am
27.10.1998 ist. Erstmals und ohne nähere Begründung stellt sie allerdings bereits
Beträge gegenüber, die von der bisherigen Berechnung abweichen (S. 14 ff., Bl. 687 ff.
d. A.), nämlich niedrigere ("korrigierte") Pauschalfestpreise (12.926.359,42 DM brutto für
die Häuser 19-28 bzw. 10.348.462,08 DM brutto für die Häuser 29-33) und höhere
Zahlungen an die Generalunternehmerin von 17.130.757,30 DM, während sie bisher
(vgl. die Berufungserwiderung) - und richtigerweise - auf die mit der Prüfung der 22. á-
conto-Zahlung von der Gemeinschuldnerin freigegebenen Beträge abgestellt hat
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(8.367.244,88 DM netto abzüglich eines 5-%igen Sicherheitseinbehalts = 6.862,955,25
DM netto für die Häuser 19-28, und 8.074.065,- netto abzüglich eines 15 %-igen
Sicherheitseinbehalts für die Häuser 29-33, vgl. Anl. K 48, 49).
b)
42
Darüber hinaus ergibt sich aber auch aus dem Schriftsatz vom 28.11.2005 nicht die
erforderliche nachvollziehbare Darstellung des Bautenstandes am Stichtag.
43
Denn der Bautenstand wird erneut nicht im einzelnen dargestellt. Vielmehr werden
stichprobenartig noch auszuführende Restarbeiten angegeben und hieraus – ohne jede
Substanz – der Fertigstellungsgrad der Bauwerke in Prozent abgeleitet. Beispielhaft
wird auf Seite 22 f. des Schriftsatzes vom 28.11.2005 (Bl. 695 f. d.A.) anhand des
Bautenstandsberichts für das Haus 20/22, WE 1 im Erdgeschoss, allgemein auf die
Beschreibung der noch auszuführenden Restarbeiten (Anl. K 45) verwiesen, in der für
diese Wohnung fünf noch ausstehende Leistungen aufgeführt sind (Innentüren, Glas-
Element, Griff-Oliven an allen Fenstern, Einbauschrank und Grundreinigung). Für diese
Leistungen werden "Nettobaukosten von 4.779,74 DM" angesetzt. Auf der Grundlage
dieses Wohnungsbeispiels folgert die Klägerin sodann, dass der Bautenstand für den
Bauabschnitt Häuser 19-28 "äußerstenfalls
44
57 %" betragen habe und nicht, wie von der Gemeinschuldnerin bei Freigabe der 22. à-
conto-Zahlung bestätigt, 77 %. Für den Bauabschnitt "Häuser 29-33" wird –
ebensowenig nachvollziehbar – ein Bautenstand von ca. 69 % behauptet statt, wie von
der Gemeinschuldnerin ebenfalls bei Freigabe der 22. á-conto-Zahlung bestätigt, 88,52
%.
45
Soweit im Schriftsatz vom 28.11.2005 unter V. (S.27 ff., Bl. 700 d.A.) für die einzelnen
Positionen der Zahlungspläne (Vorbereitung/Planung, Erdarbeiten,
Baustelleneinrichtung, Rohbauarbeiten etc.) von der Einschätzung der
Gemeinschuldnerin abweichende Fertigstellungsgrade behauptet werden, geschieht
dies ausnahmslos wiederum im Wege des für die konkrete Schadensberechnung
gerade nicht aussagefähigen Vergleichs der Kosten für noch auszuführende Arbeiten
mit den jeweils zur Verfügung stehenden Rückstellungen für diese Arbeiten.
46
Damit hat die Klägerin insgesamt einen ihr entstandenen Schaden nicht schlüssig
dargelegt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schadenshöhe liefe
auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin auf eine unzulässige Ausforschung hinaus,
weil sich der Sachverständige die nötige Tatsachengrundlage - den Stand der
Bauwerke am 27.10.1998 - erst noch verschaffen müsste, ehe er eine Bewertung des
Wertes dieses Bautenstandes vornehmen könnte.
47
III.
48
Da der Vortrag im nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin keine zur Schlüssigkeit der
Klage führenden neuen Tatsachen enthält, bestand zu einer Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung kein Anlass. Der Berufung des Beklagten war nach allem der
Erfolg nicht zu versagen, während die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen
war.
49
IV.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
51
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
52
V.
53
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Der Senat
weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den
Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
54
Streitwert für das Berufungsverfahren: 511.291,88 €
55
(Berufung:
413.693,42 €
Anschlussberufung:
97.598,46 €
)
56