Urteil des OLG Köln vom 26.09.1995

OLG Köln (treu und glauben, gebot der billigkeit, tierhaltung, gute sitten, ungeziefer, wohnung, eigentumswohnung, ige, halten, umfang)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 134/95
Datum:
26.09.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 134/95
Schlagworte:
Übermäßige Tierhaltung in einer Eigentumswohnung
Normen:
WEG § 14
Leitsätze:
Übermäßige Haustierhaltung in einer Eigentumswohnung (hier: Haltung
von über 100 Kleintieren in einer Zweizimmerwohnung) kann auch dann
eine von der Eigentümergemeinschaft nicht hinzunehmender
unzumutbare und damit unbillige Belästigung darstellen, wenn keine
konkrete Geruchsbelästigung oder Ausbreitung von Ungeziefer
außerhalt der Wohnung festzustellen ist. Wann übermäßige viele Tiere
in einer Wohnung gehalten werden, muß im Einzelfall an Hand der
allgemeinen Verkehrsanschauung festgestellt werden.
Rechtskraft:
Die Entscheidung ist unanfechtbar
G r ü n d e
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Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist nach §§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1
WEG, 20, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässig und führt in der Sache zur Abänderung des
angefochtenen Beschlusses.
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Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern bei der
Auslegung des § 14 Nr. 1 WEG.
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Der Grundsatz des § 13 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer mit den in seinem
Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren darf, wird mit
Rücksicht auf das notwendige Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft dadurch
eingeschränkt, daß nach § 14 Nr. 1 WEG der Wohnungseigentümer verpflichtet ist, von
den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen sowie von dem
gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, daß dadurch
keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten
Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Damit wird wie in §
138 BGB (gute Sitten), § 242 BGB (Treu und Glauben) und § 276 BGB (die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt) auf die Verkehrsanschauungen verwiesen, die je nach den
konkreten Verhältnissen zu unterschiedlichen Beurteilungen führen können
(Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl. 1995, § 14 Rdnr. 3). Dabei ist in der Rechtsprechung
anerkannt, daß unbeschränkte Haustierhaltung in einer Eigentumswohnung - auch
wenn die Teilungserklärung eine Beschränkung nicht vorsieht - eine unzumutbare
Belästigung anderer Wohnungseigentümer darstellt und damit unbillig ist, ohne daß es
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auf eine konkrete Geruchsbelästigung einzelner Wohnungseigentümer ankommt (vgl.
KG NJW 1956, 1679, 1680; BayObLGZ 1972, 90, 93; KG NJW-RR 1991, 1116, 1117).
Dem folgt der Senat. Es liegt auf der Hand, daß übermäßige Tierhaltung die Besorgnis
vermehrt störender Geruchsbelästigung oder gar der Ausbreitung von Ungeziefer mit
sich bringt. Bereits eine solche typischerweise bestehende Gefahr rechtfertigt es, die
Zahl der in einer Eigentumswohnung zu haltenden Haustiere unter Berücksichtigung
der konkreten Umstände durch gerichtliche Entscheidung auf die zumutbare Anzahl zu
beschränken (so auch KG NJW 1991, 1116, 1117).
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Danach kommt es auf die konkreten Auswirkungen der Tierhaltung nur insoweit an, als
ein begründeter Anlaß für die Besorgnis vermehrter Geruchsbelästigung bzw.der
Verbreitung von Ungeziefer vorliegen muß.
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Darüber hinaus wird in vielen Fällen bei übermäßiger Tierhaltung ebenso wie bei der
Haltung exotischer Tiere, die üblicherweise nicht zur allgemeinen Lebensführung
gehören, die vorgegebene Nutzung der Eigentumswohnung zu Wohnzwecken nicht
eingehalten worden sein und eine unzulässige Zweckentfremdung vorliegen. Diese
kann dazu führen, daß bei Fortdauer der beanstandeten Tierhaltung eine
Wertminderung der Wohnungen der übrigen Miteigentümer eintritt. Es erscheint nämlich
nicht ausgeschlossen, daß sich potentielle Käufer von Sondereigentum in dem
fraglichen Hause deshalb gegen einen Erwerb entscheiden, weil sie keine
Wohnnutzung bzw. Nutzung im Rahmen des Verkehrsüblichen vorfinden (vgl. OLG
Frankfurt NJW-RR 1990, 1430, 1431 - für unzulässige Schlangenhaltung).
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Letzteres kann vorliegend dahinstehen, denn jedenfalls besteht die Besorgnis
vermehrter Geruchsbelästigung sowie der Verbreitung von Ungeziefer. Die
Antragsgegnerin hält in ihrer Wohnung nach den Feststellungen des Amtsgerichtes über
100 Kleintiere wie Chinchillas, Kaninchen, Vögel, darunter Beos und exotische
Ziervögel, Hamster und Mäuse. Die Wohnung ist - auch ausweislich der vom
Amtsgericht in Bezug genommenen, bei den Akten befindlichen Fotos - mit Tierkäfigen
zugestellt, es finden sich offene Futterbehältnisse, der Boden ist teilweise mit
Futterresten und Streu bedeckt. In einem Falle sind bereits Maden aus einem
umgekippten Mülleimer in den Hausflur gelangt.
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Die Gesamtumstände, wie sie sich bereits nach den getroffenen Feststellungen
darstellen, geben jedenfalls Grund zu der Besorgnis, daß störende
Geruchsbelästigungen auftreten können und vor allem Ungeziefer sich verbreiten kann.
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Dieser, das gedeihliche Zusammenleben der Hausgemeinschaft tangierenden
Besorgnis ernsthafter Störungen läßt sich nach Auffassung des Senates nur dadurch
begegnen, daß die Antragsgegnerin alle in ihrer Wohnung befindlichen Kleintiere
entfernt und ihr Wohnungseigentum durch ein Fachunternehmen entwesen und
desinfizieren läßt. Diese Maßnahmen sind aus der Sicht der übrigen
Wohnungseigentümer und aus objektiver Sicht geeignet und erforderlich um zu
gewährleisten, daß es künftig nicht zu Geruchsbelästigung und Ungezieferverbreitung
kommen wird.
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Das bedeutet nicht, daß die Antragsgegnerin alle Tiere abschaffen muß. Die Frage, in
welcher Art und Weise und in welchem Umfang die Antragsgegnerin künftig Kleintiere
halten können wird, ist nach der Verkehrsanschauung zu beantworten. Danach ist ohne
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weiteres zu verlangen, daß eine Tierhaltung künftig nur noch in hygienisch
einwandfreier Weise erfolgen darf. Der Umfang der Tierhaltung kann hingegen bereits
deshalb nicht verbindlich festgelegt werden, weil der Senat nicht weiß, welcher Art die
Tiere sein werden, die die Antragsgegnerin künftig halten wird. Es ist aber nicht
angängig, wie beantragt, der Antragsgegnerin die Tierhaltung nur "in einem die übrigen
Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigenden Umfang" zu gestatten. Die
Beeinträchtigung soll verhindert werden, kann jedoch nicht Maßstab für die
ordnungsgemäße Nutzung sein. Der Maßstab muß ex ante aufgrund tatrichterlicher
Würdigung abstrakt feststellbar sein und hat sich im Hinblick auf die in § 14 Nr. 1 WEG
kodifizierte Grundregel des Zusammenlebens an der allgemeinen Verkehrsanschauung
zu orientieren. Demzufolge ist auszusprechen, daß sich die Tierhaltung künftig im
Rahmen des nach der allgemeinen Verkehrs-auffassung Üblichen zu halten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Weil die Antragsgegnerin insgesamt
unterlegen ist, entspricht es billigem Ermessen, ihr die Gerichtskosten des Verfahrens
aufzuerlegen. Demgegenüber entspricht es keinem Gebot der Billigkeit, abweichend
von dem Kostengrundsatz des § 47 Satz 2 WEG eine Erstattung außergerichtlicher
Kosten anzuordnen.
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